Was ist der Mythos von Narziss und Echo?

Inhalt

1. Einleitung

2. Das Leben von Nicolas Poussin

3. Der Mythos von Narziss und Echo
3.1. Erzählung von Narziss und Echo laut Ovid
3.2. Entwicklung der Darstellung des Mythos von Narziss in der Literatur
3.3. Entwicklung der Darstellung von Narziss und Echo in der bildenden Kunst

4. Echo und Narziss: Ikonographische Bildbeschreibung und Bildquellen

5. Ikonologische Interpretation und Vergleichsbeispiele

6. Schlusswort

7. Bibliographie

8. Abbildungsnachweis

9. Abbildungen

1. Einleitung

Das Gemälde Narziss und Echo (Abb. 1) gehört zu den bekanntesten Frühwerken von Nicolas Poussin. Er illustriert in diesem Kunstwerk in geschickter Manier und hochgradiger Ästhetik Echo und Narziss aus der griechischen Mythologie.1 Die Thematik diesen Mythos war im 16. und auch 17. Jahrhundert eines der liebsten und auch häufigsten dargestellten Themen der damaligen Maler. Weshalb nicht nur in der Malerei viele Vergleichsbeispiel existieren, sondern auch in der Literatur viele Quellen und Vorbilder zu finden sind. Aufgrund dieser vielen Inspirationen und Einflüsse der damaligen Zeit erschuf Poussin ein außergewöhnlich gut komponiertes Werk, das bis in die heutige Zeit noch aktuelle in der Thematik erscheint.

2. Das Leben von Nicolas Poussin

Am 15. Januar 1594 wurde Nicolas Poussin (Abb. 2) in der Normandie in Les Andelys in ärmlichen Verhältnissen geboren. Schon in jungen Jahren versuchte er, das was er mit den Augen sah und in der Fantasie erträumte, aufzuzeichnen. Er fand 1611 in Quentin Varin (1584-1926) einen Mentor und wollte nun Maler werden. Varin sah sein Talent und nahm ihn in seiner Werkstatt auf, um ihm die Malerei zu lehren. Ein Jahr später verließ Poussin seinen Geburtsort heimlich und ging nach Paris, wo er im Jahr 1616 ankam.2

Zu Beginn seiner Zeit in Paris fasste er keinen Fuß als Maler und bekam nur einige wenige Aufträge. Er wollte wie jeder andere Künstler nach Rom reisen, um sich fortzubilden. Jedoch misslang ihm dieses Vorhaben zwei Mal. Schließlich schaffte er den Schritt in die Öffentlichkeit und erlangte 1622 zusammen mit Philippe de Champaigne (1602-1674) den Auftrag zur Ausstattung des Palais du Luxembourg.

Er fand in dem italienischen Dichter Cavaliere Giovanni Battista Marino (1569-1625) einen Freund. Dieser brachte ihm auch die Kunst Italiens näher und lehrte ihn eine Malereitheorie, die für Poussins spätere Werke ausschlaggebend werden sollte. Marino interessierte ihn auch für die römische und griechische Mythologie, sowie für die Metamorphosen von Ovid. Mit seiner Hilfe gelangte Poussin schließlich nach Rom, wo er im Jahr 1624 ankam.

1630 vermählte er sich mit Anne-Maria Dughet. In den Jahren von 1640 bis 1642 besuchte er noch einmal Paris auf Wunsch des König Ludwig XIII. Danach kam noch eine große Schaffensphase und am 19. November 1665 verstarb Poussin und wurde in San Lorenzo in Lucina in Rom begraben.3

3. Der Mythos von Narziss und Echo

3.1. Erzählung von Narziss und Echo laut Ovid

Der Wassergott Cephisus tat der schönen Nymphe Liriope Gewalt an und schwängerte sie. Sie bekam einen Sohn und nannte ihn Narziss, der schon damals liebreizend war. Liriope ging zum Orakel Tiresias und fragte, ob ihr Sohn lang leben würde. Das Orakel antwortete, ja, falls er sich nicht selbst kennenlernte.

Narziss wuchs zu einem schönen Jüngling von sechzehn Jahren heran und er wurde von vielen Frauen und auch Männern begehrt. Jedoch war er so hochmütig und arrogant, dass keiner ihn emotional berührte.

Die junge Nymphe Echo befolgte den Befehl von Jupiter (römisch für Zeus) und erzählte seiner Frau Juno (römisch für Hera) Geschichten, wenn dieser sich mit andere Frauen vergnügte, da Echo stundenlang ohne Pause schwatzen konnte. Juno jedoch durchschaute das falsche Spiel und drohte Echo, dass sie ihre Stimme nur mehr ganz kurz benutzen dürfte. Das geschah dann auch. Echo konnte von da an nur noch die letzten Worte wiederholen, die jemand zu ihr sagte.

Als Narziss eines Tages auf der Hirschjagd war, erblickte Echo ihn und verliebte sich, wie schon so viele vor ihr, sofort in ihn. Sie folgte ihm durch den Wald und wartete ab, denn sie konnte ja nicht das Wort an ihn richten. Als Narziss schließlich fragte, ob jemand hier wäre, konnte sie antworten: „hier“. Nach einem recht einseitigen kurzen Gespräch trat Echo aus dem Gebüsch hervor und wollte ihn umarmen. Narziss aber floh und sagte, er wolle eher sterben als mit ihr zusammen zu sein.

Echo war so enttäuscht, dass sie sich im Wald versteckte und von nun an in einsamen Höhlen lebte. Der Schmerz der Zurückweisung jedoch zehrte an ihren Kräften und ließ ihren Körper schwinden, bis nur mehr ihre Stimme und die Knochen übrig blieben. Die Knochen verwandelten sich in Stein und ihre Stimme blieb fortan in den Wäldern verborgen. Sie war nun die Stimme des Wiederhalls.

Narziss änderte sein Verhalten nicht und ein andere Verschmähter betet zur der Rachegöttin Rahmnusia (römisch für Nemesis). Er betete, dass auch Narziss das verwehrt bliebe, was er liebte. Sie erhörte ihn.

Denn als Narziss in seiner nächsten Jagd, eine Pause an einer Quelle mit silbernem Wasser macht, beugte er sich über das Wasser um zu trinken und erblickte sich selbst, also sein Spiegelbild. Er verliebte sich in sein Spiegelbild, ohne zunächst zu wissen, dass er es selbst war. Er schlief nicht mehr und aß nichts mehr. Er versuchte sein Spiegelbild zu umarmen und zu küssen, aber vergebens. Er ging an seinem eigenen Anblick zugrunde. Echo konnte den Anblick nicht ertragen und wiederholte nur sein Wehklagen. Dort wo sein Körper gelegen hatte, wuchsen nun Blumen, die innen Gelb und außen weiß waren, die Narzissen.4

3.2. Entwicklung der Darstellung des Mythos von Narziss in der Literatur

Der Mythos um Narziss ist ein sehr populäres Thema in der Kunst und auch in der Literatur. Für diese Bekanntheit kann man zwei Gründe anführen.

Auf der einen Seite besitzt diese Geschichte wegen ihrer häufigen Rezeption eine große Bekanntheit. Denn die Erzählung von Ovid wurde oft bearbeitet und auch verarbeitet. So bekam der Mythos in der Kunst und der Literatur viele verschieden Gestaltungen und es haben sich viele Künstler, Literaten und auch Psychologen von dem Mythos um Narziss inspirieren lassen.

Auf der anderen Seite ist es die psychologisch zündende Wirkung der Geschichte, die den Mythos so populär macht. Als die Wissenschaft erkannte, wie interessant die Erzählung ist, begann sie zu forschen. Die Erzählung fällt in die Psychoanalyse. Dazu zählen zum Beispiel Figuren wie Ödipus, genau wie über ihn wird auch über Narziss diskutiert. An der Figur Narziss wurde ein Begriff entwickelt, den man nur allzu gut kennt, der Narzissmus. Es ist ein Werkzeug zur Analyse von persönlichen und gesellschaftlichen Strukturen.

In den antiken Erzählungen ist die Figur des Narziss wenige festgelegt. Man kann deshalb erkennen, dass seit dem Ende der Spätantike und dem Beginn des Mittelalters der Mythos eher moralisierend und allegorisch galt.

Im 17. Jahrhundert kam der Mythos mit den Ideen der Aufklärung in Berührung und wurde stark beeinflusst. Die übliche Darstellung seit dem Mittelalter geriet auch mit dem Umschwung des Glaubens an die Vernunft ins Wanken. Das geschah auch hauptsächlich in Frankreich. Das Moralisierende wurde jetzt in Frage gestellt.

Im 18. Jahrhundert wird der Mythos in die Moderne übertragen. Das Thema Narziss gewinnt immer mehr an Bedeutung und es entstehen eine Menge poetischer und auch theoretischer Texte zu den Themen der künstlerischen Selbstspiegelung oder der Seele des Künstlers als Spiegel der Welt.

Mit den Symbolisten gegen Ende des 19. Jahrhunderts und auch Anfang des 20. Jahrhunderts geht diese Entwicklung weiter. Jetzt ist Narziss nicht nur mehr ein Motiv das zitiert wird, sondern er wird durch die Psychoanalyse ein wichtiger Bestandteil der modernen Theorie zum Ich. Neben Erzählungen, die einen geschulten Umgang mit dem Mythos zeigen, gibt es auch solche, in denen der Narzissmus vorkommt. Da ist Narziss meistens eine Metapher der Selbstverliebtheit.

Heute, im 21. Jahrhundert ist der Begriff Narziss überall zu finden. Gibt man zum Beispiel in einer Suchmaschine im Internet den Begriff ein, findet man zahllose Einträge.5

3.3. Entwicklung der Darstellung von Narziss und Echo in der bildenden Kunst

Darstellungen des Narziss-Mythos in der Antike zeigen fast immer einen Narziss, der sich über ein Becken oder einen Brunnen beugt, in dem sich sein Antlitz spiegelt.6 Er ist solo dargestellt und im Einklang mit der traditionellen ästhetischen Konvention der damaligen Zeit. Die Anzahl der freigelegten Fresken, die in der Stadt Pompeji vom Vulkan Vesuv begraben wurden, von Narziss, mit und auch ohne Echo, zeigen, wie beliebt der Mythos schon damals war. Ein Beispiel dazu ist das Narzissfresko (Abb. 3), das im 1. Jh. n. Chr. in Pompeji entstanden ist, oder das Fresko von Narziss und Echo (Abb. 4) aus der selben Zeit.

Trotz der häufigen Anwesenheit Echos in den ausgegrabenen Fresken von Pompeji, wurde sie nicht beibehalten in der visuellen Darstellung des Narziss-Mythos im nächsten Jahrtausend.

In der Renaissance war Narziss als unbegleitete Person die Norm, wie in Giovanni Antonio Boltraffios (1467-1516) Darstellung des Narziss um 1500 (Abb. 5) oder auch Narziss (1598/99) von Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571-1610). Das änderte sich aber im Laufe der nächsten Jahrzehnte wieder.

Auch Nicolas Poussin stellte zuerst in seinem Gemälden Narziss (1626–1627) alleine dar (Abb. 6). In seinen nächsten beiden Gemälden, die diesen Mythos wiedergeben, Echo und Narziss von 1629 (Abb. 1) und Echo und Narziss von 1650 (Abb. 7) ist Echo wieder anwesend.7

4. Ikonographische Bildbeschreibung und Bildquellen

Das Gemälde Echo und Narziss (Abb. 1) von Nicolas Poussin ist in den Jahren zwischen 1629 und 1630 entstanden und fällt somit in die Epoche des Barock. Es ist in der Technik Öl auf Leinwand gemalt und 74 x 100cm groß. Der heutige Aufbewahrungsort ist das Musée du Louvre in Paris.

Das Gemälde ist rechteckig und zu sehen sind drei Figuren in einer waldigen Landschaft. Im Vordergrund liegt der sterbende Narziss an einer Quelle, in der sich sein Abbild spiegelt, in das er sich verliebt hat. Er liegt nicht fest auf dem Boden, sondern droht zu rutschen. Er ist fast nackt und nur seine Lenden sind mit einem roten und weißen Stoff bedeckt. Um seinen Kopf herum befinden sich Blumen, Narzissen.

Rechts im Mittelgrund befindet sich Eros (römisch für Amor), der eine brennende Fackel in der rechten Hand hält. Er lehnt sich an einen mit einem ockerfarbenen Stoff bedeckten Baumstumpf oder Felsen. Daran gelehnt befindet sich auch der Speer, den Narziss für die Hirschjagd verwendete.

Links neben Eros erkennt man Echo, die an einem Felsen lehnt beziehungsweise auf ihm sitzt. Sie hat ein weißes Leinen um ihren Körper geschlungen. Zu ihren Füßen befindet sich ein Füllhorn. Ihre Füße beginnen sich schon in Stein zu verwandeln und sie trauert sichtlich um Narziss, der mit halboffenen Augen und schlaff daliegt.

Der Hintergrund ist größtenteils von dem Stamm eines mächtigen Baumes und dessen Zweige und Blätter eingenommen. Er verdeckt fast ganz den Himmel mit den grauen und stürmischen Wolken.8 9

Das Gemälde Narziss und Echo von Nicolas Poussin erscheint in einem Dokument eines Inventars im Jahr 1662 das erste Mal. Diese Inventarliste wurde nach Kardinal Angelo Gioris (1586-1662) Tod zusammengestellt und führt über 260 verschiedene Kunstwerke, die in seinem Besitz waren. Giori stand in den Diensten von Matteo Barberini, den späteren Papst Urban VIII. Heute befindet es sich im Musée du Louvre in Paris.10

Zusammen mit Ovids Geschichten ist auch der Kommentar des antiken Philosophen Plotin über den Narziss-Mythos die einflussreichste Quelle für Interpretationen zu diesem Mythos während der Renaissance und der Barockzeit.

Nicolas Poussin verwendet als Hauptbildquelle vor allem Ovid, aber auch die Schrift seines Freundes Giambattista Marino findet in seinem Werk Anklang. Marino bindet die Erzählung von Narziss in seinem Werk L’Adone, der Adonis, von 1623 in ganze drei Strophen ein und zählte zu dessen Lieblingsmotiven. Es gehört zu seinen Frühwerken, wie auch das Gemälde von Poussin zu dessen Frühwerken gehört. Zu dieser Zeit kannte Poussin die Erzählungen des Ovid noch nicht so gut wie die Erzählung des Mythos aus dem L’Adone.11

5. Ikonologische Interpretation und Vergleichsbeispiele

Nicolas Poussin war schon länger besonders fasziniert vom Mythos von Echo und Narziss und machte ihn häufig zum Gegenstand seiner Gemälde. Er hat in wenigstens vier, aber womöglich auch sechs oder mehrere Male gemalt.

Poussin schenkt der Beweinung, die eine wiederkehrende Handlung in den Narziss-Erzählungen von Ovid ist, große Aufmerksamkeit.

Narziss und Echo waren im siebenzehnten Jahrhundert eine direkte Metapher für die Liebe Gottes. Deshalb sind Echo und Narziss auch eine Allegorie für die Seele, die eine Liebesgemeinschaft mit dem Göttlichen sucht.12

Dass Poussin Narziss in den Vordergrund stellt, ganz in Rückenlage und auffällig zum Betrachter gerichtet, greift eine gängige Bildform auf, die von Poussin Zeitgenossen leicht erkannt wurde.

Es könnte aber auch durchaus möglich sein, dass diese Figurenkomposition des Gemäldes spezifisch auf dem Gemälde Der Leichnam Christi von zwei Engeln beweint (Abb. 8) von Paris Bordone (1500-1570) basiert, in der Christus fast genau wie Poussins Narziss arrangiert ist. Beide Hauptfiguren befinden auf einem großen Felsen und sind umgeben von zwei Nebenfiguren. Alle Figuren sind in eine Landschaft eingeordnet. Der Vergleich zwischen Narziss und Christus steht im Einklang mit der Begeisterung für die vergleichende Religion die Poussin und viele seiner Zeitgenossen teilten. Poussin machte auf seiner Reise von Paris nach Rom sehr wahrscheinlich auch in Venedig halt und hätte so die Gelegenheit gehabt das Gemälde von Bordone zu sehen.

Ein anderes Vorbild für Poussins Narziss könnte auch das Gemälde Die schlafende Venus (Abb. 9) von Bordone sein. Die Haltung von Narziss weist eine starke Ähnlichkeit mit der Positionierung des Körpers der schlafenden Venus auf. Narziss Nacktheit scheint den Betrachter ebenso zu verführen, wie Narziss von seiner eigenen Schönheit gebannt ist.13

Für den Felsen auf dem sich Narziss befindet lässt sich auch ein Vorbild nennen. Poussin hat ihn aus Michelangelo Buonarottis (1475-1564) Zeichnung Bestrafung des Tityos von 1532 (Abb. 10) übernommen. Auch kann man die Ausgestreckte Haltung von Narziss mit der des toten liegenden Sohn der Niobidengruppe (Abb. 11), die 1582 in der Villa Medici entdeckt wurde, in Verbindung bringen.14

Echos Präsenz in diesem Gemälde ist eine ungewöhnliche Darstellungsweise des Mythos in der Renaissance und barocken Tradition. Poussin hat was Neues geschaffen, indem er die beiden Mythen von Narziss und Echo wieder miteinander verbindet, und somit antike Traditionen wieder aufleben lässt. Meist wurde sie zu dieser Zeit einfach weggelassen. In Ovids Erzählungen ist sie zwar während Narziss Tod anwesend, jedoch schon verwandelt, also genau genommen nur mehr als Stimme.

In Poussins Malerei ist Echo ein sehr wichtiges Element des Klagethemas. Sie kann genau wie Narziss für die Sehnsucht nach amouröser Verschmelzung mit dem Geliebten identifiziert werden. Sie befindet sich direkt hinter Narziss auf einem Felsen sitzend und mit dem Kopf auf der Hand ruhend. Diese Pose wird oft mit der herkömmlichen Darstellungsweise der Melancholie oder mir der trauernden Jungfrau Maria in Verbindung gebracht.

Ihr Körper ist verschwommen und hat bereits begonnen sich in Stein zu verwandeln, das wird alles durch die Disposition ihrer Kleider und Gliedmaßen unterstrichen.15

Dora Mosse Panofsky (1885-1965) hat für die Figur der Echo das Relief Amphion und Zethos (Abb. 12) genannt. Dieses wurde 1620 in der Kirche S. Agnese fuori le mura mit sieben weiteren Reliefs entdeckt, die Poussin mit Sicherheit auch gekannt hatte. Echo hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Zethos, der ebenfalls sitzend dargestellt ist. Da aber diese Pose keine spezifische ist, kann man es nicht direkt als Vorbild nennen.

Die Haltung von Echo kann auch mit der Aldobrandinischen Hochzeit (Abb. 13), die 1605 entdeckt wurde, in Verbindung gebracht werden oder auch mit S. Giovanni Battista (Abb. 15) in der Galleria Borghese von Caravaggio.

Noch ein besseres Vorbild ihrer Haltung ist aber die Philosophia vom Grabmal Sixtus IV. (Abb. 14) von Antonio Pollaiuolo (1431-1498). Hier erkennt man gut dieselbe achsiale Drehung des Körpers.16

Das Füllhorn zu ihren Füßen, soll ihre Herkunft aufzeigen, nämlich das Echo eine Quellnymphe ist. Denn dieses Füllhorn gehört einst dem Flussgott Achelous und ist so den Quellnymphen zuzuschreiben.17

In dem Gemälde sieht man auch Eros rechts hinter Narziss. Poussin hat ihn in das Gemälde eingearbeitet, was sehr ungewöhnlich war. In Ovids Erzählung verleitet das Gebet zur Rachegöttin, durch den Verschmähten von Narziss dazu, sein Schicksal als Werk der Göttin zu verstehen. In Marinos L’Adone aber tritt Eros selbst als Vollstrecker der Göttin auf, der Narziss bestraft. Auf die Bestrafung deutet auch die Haltung von Eros. Er steht lässig auf Narziss ockerfarbenem Mantel als wäre er die Beute und Narziss selbst das erlegte Wild zu seinen Füßen. Narziss Jagdspeer lehnt neben Eros, wie eine weitere Trophäe. Sein Blick ist teilnahmslos und ungerührt von dem Leiden seiner Opfer in die Ferne gerichtet.18

[...]

1 Vgl. Bernice Iarocci, Poussin‘s Echo und Narcissus. Painting as Lamentation, in: Artibus et Historiae 33 (2012), 203-203, bes. 204.

2 Vgl. Otto Grautoff, Nicolas Poussin. Sein Werk und sein Leben, München 1914, 21-25.

3 Vgl. Kurt Badt, Die Kunst des Nicolas Poussin, Köln 1969, 84-127.

4 Vgl. Publius Ovidus Naso/Hermann Breitenbach (Hg.), Metamorphosen. Epos in 15 Büchern, Stuttgart 1977, Buch III, Vers 339-510, 102-111.

5 Vgl. Almut-Barbara Renger (Hg.), Mythos Narziß. Texte von Ovid bis Jacques Lacan, Leipzig 1999, 14-18.

6 Vgl. Iarocci, 2012 (wie Anm. 1), 205.

7 Vgl. Adele Tutter, Under the mirror of the sleeping water. Poussin’s Narcissus, in: The International Journal of Psychoanalysis 95 (2014), 1235–1264, bes. 1237-1239.

8 Vgl. Grautoff 1914 (wie Anm. 2), 41.

9 Vgl. Walter Friedlaender, Nicolas Poussin, Paris 1965, 106.

10 Vgl. ebd. 203.

11 Vgl. Grautoff 1914 (wie Anm. 2), 40.

12 Vgl. Tutter 2014 (wie Anm. 7), 1236.

13 Vgl. Iarocci, 2012 (wie Anm. 1), 205.

14 Vgl. Oskar Bätschmann, Poussins Narziss und Echo im Louvre. Die Konstruktion von Thematik und Darstellung aus dem Quellen, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 42 (1979), 31-47, bes. 33.

15 Vgl. Iarocci, 2012 (wie Anm. 1), 214.

16 Vgl. Bätschmann 1979 (wie Anm. 14), 35.

17 Vgl. Badt, 1969 (wie Anm. 3), 618.

18 Vgl. Bätschmann 1979 (wie Anm. 14), 42-43.

Was sagt der Mythos von Narziss über den Menschen aus?

Er soll sich, ohne es zu wissen, in sich selbst verliebt haben und an dieser Liebe gestorben sein. Pausanias hielt diese Geschichte jedoch für völlig unglaubwürdig: Jemand, der alt genug sei, sich zu verlieben, werde doch ein Spiegelbild von einem wirklichen Menschen unterscheiden können.

Warum wurde Echo bestraft?

Echo unterhielt im Auftrag Zeus' dessen Gattin Hera mit dem Erzählen von Geschichten, damit Zeus Zeit für amouröse Abenteuer hatte. Als Hera dieses Komplott entdeckte, beraubte sie Echo zur Strafe der Sprache und ließ ihr lediglich die Fähigkeit, die letzten an sie gerichteten Worte zu wiederholen.

Warum heisst es Echo?

Konzentrierte und starke späte Reflexionen sind als getrennte Echos zu hören. Der Begriff Echo ist abgeleitet von der gleichnamigen mythologischen Figur, deren Name sich auf altgriechisch ἠχή ēchē „Schall“ zurückführen lässt.

Warum wurde Narziss in eine Blume verwandelt?

Der hochmütige Narcissus, den seine Schönheit zur Überheblichkeit trieb, wurde von der Rachegöttin zu unstillbarer Selbstliebe verdammt und verliebte sich in sein eigenes, im Wasser einer Quelle entdecktes Spiegelbild. Schmachtend starb er und wurde ebenfalls in eine Blume verwandelt.

Toplist

Neuester Beitrag

Stichworte