Sophia von Bültzingslöwen, Berlin
Die Autorin studierte Jura an der Humboldt-Universität in Berlin und schrieb regelmäßig für Anwaltsblatt und katzenkönig.
Und was kann man dann später damit machen? Was die Zukunftsfähigkeit betrifft, besteht beim Bachelor of Law immer noch Unsicherheit. Einstellungsreports zeigen aber, wie begehrt die Bachelor-Absolventen sind. Besonders im digitalen Bereich!
Deutschland ist zunehmend allein auf weiter Flur, was die Ausbildung seiner Juristen angeht. In fast allen europäischen Ländern wurden die Vorgaben der Bologna-Beschlüsse von 1999 auch in der Juristenausbildung umgesetzt. Das heißt weg vom nationalen Abschluss und hin zu einem vereinheitlichten System, das bei entsprechender „Credit“-Zahl auf den Bachelor den Master folgen lässt. Ziel der Reform war es damals, die internationale Hochschulausbildung zu harmonisieren. Abschlüsse sollten vergleichbar sein und so einen grenzüberschreitenden akademischen Austausch fördern.
Staatsexamen
Für Staatsexamina blieb kein Raum mehr. Das Bologna-System ist heute internationaler Standard – gilt aber nach wie vor nicht in der klassischen Ausbildung von Volljuristen. Die Argumente für den Sonderweg sind so alt wie die Diskussion um die Staatsexamina: Das juristische Staatsexamen sei – auch international – renommiert, alle wüssten, dass Deutschland gute Juristinnen und Juristen ausbilde. Wieso also ein seit dem 19. Jahrhundert bewährtes System auf Kosten von Qualität und Ansehen unnötig umkrempeln? Zudem sei die Stoffmenge schier zu groß, um sie in einem Bachelorstudium von sechs Semestern unterzubringen. Doch während die Jura-Fakultäten am Status quo festhalten, entwickelt sich im Schatten des Etablierten eine neue Ausbildungswelt für Juristinnen und Juristen. Die Wünsche vieler Personaler in den Unternehmen und die Neugier vieler Studierender sind die Auslöser.
Der integrierte Bachelor: die sichere Alternative?
Immer mehr Universitäten bieten ihren Jura-Interessenten entweder neben der klassischen Laufbahn hin zum Staatsexamen oder auch ausschließlich einen Bachelor of Laws an, der zwar nicht für den Staatsdienst qualifiziert, stattdessen aber eine interdisziplinär breiter gefächerte, oft international orientierte Rechtsausbildung liefert: Die neuen Studiengänge ermöglichen es, neben juristischen, auch wirtschafts-, sozial- und politikwissenschaftliche Kenntnisse zu erlangen.
Der Bachelor of law bietet Flexibilität und internationale Ausrichtung
Das Ergebnis: Ein Universaljurist, der sich mühelos in der freien Wirtschaft, wie im Kultur- und Sozialbereich bewegen kann und meist während eines Auslandsaufenthaltes gelernt hat, über das eigene Rechtssystem zu blicken. Viele Unternehmen im Wirtschaftsbereich suchen genau diese Flexibilität und den Rundumblick. Rechtsassessoren sind dagegen auf das Amt des Richters und Staatsanwalts getrimmt, obwohl letztlich nur etwas mehr als zehn Prozent der Absolventinnen und Absolventen in die Justiz gehen. Die Universität Potsdam beispielsweise verzeichnet einen enormen Zulauf an Studenten, seit dort zum Wintersemester 2013/2014 der LL.B. in das Jurastudium integriert wurde. Im Gegensatz zu den Berliner Unis kann man in Potsdam jetzt also en passant auf dem Weg zum Staatsexamen einen anerkannten juristischen Abschluss erwerben.
Der Bachelor als Back-up für’s Staatsexamen
Hier gilt das Motto „sowohl … als auch“ statt „entweder … oder“. Das ist vor allem für Unentschlossene sehr attraktiv und gibt zudem als „doppelter Boden“ Sicherheit für das Staatsexamen. Denn sollte es da wider Erwarten schief gehen, steht man nach vier Jahren Studium nicht mit völlig leeren Händen da. Auch Fachhochschulen ziehen immer mehr Studierende an. Die Zahl der juristischen Absolventen ohne Befähigung zum Richteramt steigt.
Nachwuchsmangel als Chance
Gleichzeitig klagen nicht nur die Anwaltschaft, sondern auch immer mehr Justizverwaltungen in den Ländern, dass es an Nachwuchs fehle. Der Rückgang an Referendarinnen und Referendaren und der daraus resultierende Absolventenmangel bietet natürlich auch neue Chancen – selbst für Absolventen ohne Prädikat. In ländlichen Regionen werden Richterposten zunehmend mit Kandidaten besetzt, die in ihren Examina Ergebnisse im Bereich befriedigend und ausreichend erzielten.
Zwei Staatsexamina
Und in der Anwaltschaft spielt jenseits der Top-Kanzleien die Examensnote schon lange kaum noch eine Rolle. Wer also den mühsamen Weg über zwei Staatsexamina geht, findet in Justiz und Anwaltschaft attraktive Beschäftigungs- und Spezialisierungsmöglichkeiten. Tausend Möglichkeiten: Wie finde ich den richtigen Weg?
Fest steht: Der juristische Arbeitsmarkt wird reagieren, Wandel ist vorprogrammiert. Denn langsam dämmert es auch den konservativsten Rechtsgelehrten: Das zweite Examen ist für den Nachwuchs längst nicht mehr der heilige Gral, vor allem weil es für die Nachfrager von Juristen nicht mehr stets zwingend ist.
Bachelor of law-Absolventen sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt
Das belegt auch der Einstellungsreport zur Digitalisierung des Rechtsmarkts in diesem Heft. Gerade Legal-Tech-Unternehmen arbeiten gerne mit den LL.B.-Absolventen zusammen, denn sie sind meistens jünger als ihre vom Staatsexamen gebeutelten Kollegen und hatten während ihres deutlich kürzeren Studiums häufig noch Gelegenheit, IT- oder BWL-Skills zu erwerben. Statt einer langen Professionsausbildung, die doch nur hochspezialisiertes Wissen vermittelt, zählen andere Kompetenzen immer stärker. Wie also als potentieller Rechtsstudierender mit diesen Trends umgehen?
Welcher Abschluss ist denn nun besser?
Die Antwort lautet wie so oft: Es kommt darauf an. Und zwar zum einen auf die eigene Fähigkeit, mit beruflichen Unsicherheiten umzugehen, ebenso wie auf die Bereitschaft, sich einem langen und harten Studium und Referendariat zu stellen, das Disziplin und Motivation fordert. Zum anderen spielen natürlich auch die konkreten Berufsvorstellungen eine große Rolle. Wer international unterwegs sein will, wird das Staatsexamen verschmerzen können. Wer insgeheim von der Freiheit des Anwaltsberufs träumt, muss eben doch die Staatsexamina bestehen.
Klassische Juristenberufe mit dem Bachelor immer noch schwierig
Die neue Vielfalt beim Bachelor rüttelt durchaus am Staatsexamen. Nichtsdestotrotz vermittelt er immer noch ein Weniger an Inhalt und Tiefe und wird wohl auch weiterhin in den klassisch-juristischen Berufen hintenan stehen. Fakt ist aber auch, dass Volljuristen immer öfter mit anderen Juristen konkurrieren werden, sei es der praktisch ausgebildete Fachhochschuljurist oder der Bachelor-/Masterabsolvent mit Auslandserfahrung. Für die Bewerbung gilt also die Devise: Sei anders und probiere dich aus, auch schon während des Studiums! Praktika im In- und Ausland bieten Einblicke in juristische Berufe und helfen gegen Vorurteile oder unrealistische Vorstellungen. Gerade den Unentschlossenen kann nur geraten werden, schnuppert auch in die Nischen, sucht fernab der ausgetretenen Pfade und denkt zukunftsorientiert. Denn was euch heute wie der Traumjob schlechthin erscheint, könnte morgen schon aus gebranntes Terrain sein und eine scheinbar öde Spezialmaterie ist in der Praxis vielleicht doch viel spannender als gedacht.