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Foto: coremedia
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01.12.2016 - 14:58 UhrKöln (dpa) - Wenn Linde Rohr-Bongard (70) eine Galerie betritt, dann fällt schon mal der Satz: «Ach guck mal, da kommt der Kompass!» Seit Jahrzehnten erstellt sie das einflussreichste in Deutschland erscheinende Kunstranking - den Kunstkompass.
Wie in einer Bundesliga-Tabelle ist dort aufgelistet, wer zurzeit die Nummer 1 ist, wer aufgestiegen und wer abstiegsgefährdet. Das Ganze beschränkt sich aber nicht nur auf Deutschland: Rohr-Bongard hat den Anspruch, die ganze Welt im Blick zu haben.
An der Spitze steht seit langem Gerhard Richter (84). Auf den nächsten Plätzen folgen der Amerikaner Bruce Nauman und dann mit Rosemarie Trockel und Georg Baselitz wieder zwei Deutsche. Natürlich ist ein solches Ruhmesbarometer umstritten. Regelmäßig beschweren sich Künstler bitterlich darüber, dass sie doch eigentlich höher stehen müssten. «Auch Georg Baselitz hat hier schon angerufen und mir gesagt "Sie machen das nicht richtig!"», erzählt Linde Rohr-Bongard.
Beeinflussen lasse sie sich aber nicht, beteuert die ehemalige Kunstpädagogin. Es gehe ja auch nicht um ihre persönliche Meinung. Die Kompassnadel wird nach einem ausgetüftelten System ausgerichtet: Berücksichtigt und jeweils mit Punkten bewertet werden Einzelausstellungen in rund 300 bedeutenden Museen weltweit, die Teilnahme an wichtigen Gruppenausstellungen, Rezensionen in Fachmagazinen und Auszeichnungen. Preise und Auktionsrekorde schlagen sich nicht nieder.
Der Kunstkompass spiegelt also die Bewertungen des Kunstbetriebs wider. Inwieweit dieses Urteil Bestand hat, muss die Zeit zeigen. Die Bedeutung von Künstlern wie Gerhard Richter oder Bruce Nauman steht wohl außer Frage, doch bei vielen anderen Namen ist es nicht so klar. Das lehrt ein Blick in die Vergangenheit. Schon mal was von Tsuguharu-Léonard Foujita gehört? Vermutlich nicht, denn heute kennt ihn kaum noch einer. In den 50er Jahren aber galt er mal als Shooting-Star der Kunstszene.
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Anderes Beispiel: Franz von Lenbach (1836-1904). Zu seinen Lebzeiten war er der «Münchner Malerfürst». Er porträtierte die Großen seiner Zeit, Reichskanzler Otto von Bismarck und Kaiser Wilhelm I. Heute ist er vor allem deshalb noch bekannt, weil ein Museum in München seinen Namen trägt. Als großer Künstler gilt er kaum mehr.
In der Kunst gibt es zu jeder Zeit Moden. Im Abstand von einigen Jahrzehnten sieht man dann, dass nicht alle Bestand gehabt haben. Kunsthistorisch können Werke vergessener Künstler aber gleichwohl interessant bleiben. Ein gutes Museum wird ein solches Werk mit der gleichen Sorgfalt behandeln wie ein Millionenobjekt.
Der Einfluss des Kunstkompasses auf Sammler und Investoren ist groß. Unter Kunsthistorikern gibt es jedoch auch Skeptiker. «Zu Rankings jedweder Art habe ich eine zwiespältige Haltung», sagt der Direktor des Kölner Museums Ludwig, Yilmaz Dziewior. Ohne Zweifel sei Gerhard Richter wichtig, aber fragwürdig sei es, ihn als weltweit wichtigsten Künstler einzustufen. «Bei Kunst handelt es sich nicht um Olympische Spiele, und die Kategorien schneller, höher, weiter, machen hier keinen Sinn», meint Dziewior. «Es ist ja gerade die Ambivalenz auch der Beurteilung von Kunst, die eine Auseinandersetzung mit ihr so produktiv macht.»