Wenn das geliebte Haustier stirbt, ist das für viele Menschen ein Schock. An diesem Punkt kommt Nicole Köse ins Spiel. Die junge Frau ist Tierbestatterin. Täglich ist sie mit dem Tod konfrontiert – und hilft Herrchen und Frauchen mit Geduld und Zuhören.
Hilfe für Herrchen und Frauchen
Nicole Köse holt beim Tierarzt Haustiere ab. Tote Haustiere. Denn wenn der geliebte Vierbeiner in der Tierarztpraxis zurückbleibt, wird er häufig zur Tierkörperbeseitigung gebracht. Die toten Haustiere landen dann zusammen mit Schlachtabfällen oder toten Wildtieren in der Anlage. Dort wird das „Material“ nach den gesetzlichen Bestimmungen in kleine Stücke zerteilt, gekocht und dabei sterilisiert. So entsteht Tiermehl und Tierfett, beispielsweise für die Industrie.
Kremierung als Alternative
Keine schöne Vorstellung, findet Nicole Köse. Wer seinem Haustier dieses Ende ersparen will, kann es entweder im eigenen Garten oder auf einem Tierfriedhof beerdigen lassen. Oder ins Krematorium bringen. Köse ist Tierbestatterin. Vor dem Anubis-Büro in Karlsruhe-Neureut parkt Köse ihren weißen Kleintransporter. Im Laderaum hat sie verschieden große Transportboxen und einige Kuscheldecken. So ist sie für alle Abholungen gerüstet – vom großen Schäferhund bis zum Meerschweinchen.
Emotional darf man das nicht zu sehr an sich ranlassen.
Nicole Köse, Tierbestatterin
Mit den „Tierchen“, wie die schlanke, blonde Frau sie nennt, geht sie sehr behutsam um. Ein großer Hund liegt in der Wanne, am Morgen wurde er wegen Altersschwäche eingeschläfert. Im grauen Körbchen sieht er aus, als würde er schlafen. Inzwischen ist der große Körper kalt. „Emotional darf man das nicht zu sehr an sich ranlassen“, sagt die 31-Jährige. Die toten Körper zu transportieren und zu versorgen, mache ihr nichts aus. „Aber beim Tierarzt könnte ich nicht arbeiten. Das Einschläfern der Tierchen mitzuerleben, das wäre mir emotional zu schwierig“, gibt sie zu.
Eigentlich hat Köse Wirtschaftspsychologie studiert. Wo sie später einmal arbeiten würde, wusste sie damals noch nicht. Als aber der Familienkater starb, änderte sich das. „Ich fand es seltsam, meinen Kater in die Erde zu legen“, erinnert sie sich. Also habe sie nach Alternativen gesucht. Und ein Tierkrematorium gefunden.
Die junge Frau findet ihre Berufung im Tierkrematorium
Die Vorstellung war faszinierend und irritierend zugleich. Doch am Ende überwog die Faszination. „Als ich die Asche mit nach Hause nehmen konnte, hatte ich ein gutes Gefühl“, sagt Köse. Da war für sie klar: Das Gefühl will ich an andere Menschen weitergeben.
Köse streichelt den kalten Tierkörper noch kurz, dann wird der Mischling auf eine Bodenwaage gelegt. Etwas mehr als 30 Kilo wiegt er. Zusammen mit ihrem Kollegen legt sie ihn in eine Art Beutel. Die Tierbestatter tragen den leblosen Körper in den Kühlraum. Kein Geruch von Verwesung liegt in der Luft. In den kleinen Räumen ist es sauber und frisch. Die Tiere werden nach dem Wiegen direkt gekühlt, so bleibt der strenge Geruch aus.
Jeder Besitzer bekommt nur die Asche seines Tierchens zurück.
Nicole Köse, Tierbestatterin
Mehrmals pro Woche fahren die Bestatter nach Durmersheim. Seit Juli hat Anubis-Tierbestattungen dort ein neues Krematorium speziell für Haustiere. Tiere bis zu 50 Kilo Körpergewicht können dort eingeäschert werden.
Übrig bleiben etwa ein Kilogramm Asche
Übrig bleibt vom Liebling auf vier Pfoten nach der Kremierung weißlich graue Asche. Teils ganz fein wie Sand, teils gröber wie etwa Kies. Vom 30 Kilogramm schweren Mischlingshund wird etwa ein Kilogramm Asche übrigbleiben. Und ein Schamottestein mit einer Nummer. Der Stein kommt mit dem Tier in den Verbrennungsofen und überdauert die Prozedur. So kann die Asche genau zugeordnet werden. „Da darf nichts schiefgehen“, sagt Köse. „Jeder Besitzer bekommt nur die Asche seines Tierchens zurück.“
Meistens werden Hunde und Katzen zu Anubis gebracht. Aber auch Hasen, Schildkröten und sogar Fische bringen Tierbesitzer, sagt Köse. Die meisten Tiere holen die Bestatter bei Tierärzten ab. Auch eine Abholung zu Hause ist möglich, oder, dass die Besitzer ihren Liebling vorbeibringen. „Da muss man viel Zeit einplanen“, weiß die Tierbestatterin. „Viele wollen sich in Ruhe verabschieden.“
Am schwierigsten sei das bei alten Menschen. „Wenn da zum Beispiel schon der Mann gestorben ist und die 80-jährige Frau nur noch das Hundchen hatte. Und mit dem dann oft der letzte Bezug wegbricht, das geht einem nahe“, erzählt Köse. „Wenn man dann mit dem Tierchen geht und die alte Frau ganz alleine zurücklässt.“
Tierbestatter brauchen Einfühlungsvermögen
Köse braucht viel Feingefühl in ihrem Beruf. Man müsse einfach spüren, was die Menschen wollen. Einige Tierbesitzer wären abgeklärt und gefasst, andere sehr verzweifelt. Bei Anubis stehen fast überall Boxen mit Taschentüchern bereit. Auf dem Glastisch, an dem die Beratung stattfindet und im gelb gestrichenen Abschiedsraum nebenan. Dieser ist mit einem Sofa, einem Körbchen für das Tier, Kerzen und gedimmten Lichtern geschmückt. Jeder würde mit dem Tod des geliebten Tiers anders umgehen. „Oft muss man einfach nur zuhören.“
An manchen Tagen steht Köses Telefon nicht still. Tiere müssen abgeholt werden, traurige Tierbesitzer wollen wissen, wann sie die Urne mit der Asche des Lieblings abholen können. „Manche wollen einfach reden und ihren Schmerz teilen.“ Täglich ist die junge Frau so mit dem Tod konfrontiert. Doch für sie zählt die Dankbarkeit der Kunden. „Dann weiß ich: Du machst etwas Sinnvolles.“
Bestatterin ist häufig mit Vorurteilen konfrontiert
Trotzdem ist die gebürtige Brettenerin mit Vorurteilen konfrontiert. „Ist das überhaupt ein Beruf, was du da machst?“, werde sie immer mal wieder gefragt. Auch Spott trifft sie. Menschen, die keine Tiere hätten, würden sich schwerer tun, ihre Arbeit zu verstehen. „Wer aber selbst mal in der Situation war, weiß es zu schätzen.“
Am Nachmittag fährt Köse wieder los, dieses Mal in eine Tierklinik. Ein Meerschweinchen wurde eingeschläfert und soll eingeäschert werden. In der Klinik ist die junge Frau bekannt. „Unseren bekommt ihr aber noch nicht“, ruft ihr ein Hundebesitzer im Wartezimmer zu. Im hinteren Teil der Klinik gibt es einen Kühlraum. Köse nimmt nur das Meerschweinchen mit. Die übrigen Tiere, die im kalten weißen Raum liegen, landen bei der Tierkörperbeseitigung.
Wer aber selbst mal in der Situation war, weiß es zu schätzen.
Nicole Köse, Tierbestatterin
Der Großteil ihrer Kunden lässt das Tier einzeln kremieren, weiß Köse. Wenn Besitzer die Asche nicht zurück möchten, gibt es die Möglichkeit einer Sammeleinäscherung. Die Asche wird dann in der Nähe des Krematoriums anonym beigesetzt. Das Wandregal im Büro in Neureut ist voller Tierurnen. Von unterschiedlich großen, ovalen Gefäßen mit goldenen Pfotenabdrücken, über Bilderrahmen mit Platz für die Asche dahinter, bis hin zu Anhängern gibt es etliche Möglichkeiten, die Asche des Tierchens aufzubewahren.
Am Abend steht das Telefon still. Es war ein ruhiger Tag. Heute Abend hat Köses Kollege Rufbereitschaft. Die Erinnerungen an die Tiere nimmt die junge Frau selten mit nach Hause. Nur das gute Gefühl, Tierbesitzern ein bisschen geholfen zu haben.