Wir können alleine durch den wegfall der hunde baerbock

Der Wahlkampf in Deutschland wurde – wie erwartet – Ziel von Fake-News-Attacken. Am meisten manipulativer und böswilliger Unsinn kursiert über die grüne Kandidatin Annalena Baerbock; warum das so ist und welche zweifelhafte Rolle die etablierten Medien spielen.


Am 21. April, zwei Tage nachdem die deutschen Grünen Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin gekürt hatten, wurde auf Facebook ein Screenshot mit einem angeblichen Zitat der Politikerin verbreitet. Über einem Bild von Baerbock stand zu lesen: «Wir können alleine durch den Wegfall der Hunde in Deutschland ca. 19 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid einsparen. (…) Dazu kommen noch Katzen, Pferde und viele weitere Tiere. Die private Tierhaltung muss daher ein Ende haben und wenn es durch eine CO2-Steuer auf Haustiere erfolgt.» Sofort begann die Facebook-Community aus allen Rohren zu schiessen. «Wenn dieses Dummchen wirklich Kanzlerin werden sollte, kommen harte Zeiten», wetterte einer. «Hunde sind mir lieber als diese Kleinhirne», geiferte ein anderer. Nur: Baerbock hat diese Aussage nie gemacht und auch keine CO2-Steuer auf Haustiere gefordert. Das Zitat ist frei erfunden.

Zwar reagierten die Faktenprüfer von Correctiv, die mit Facebook kooperieren, schnell und kennzeichneten den Beitrag, so dass zumindest bei einer Google-Suche nach «Baerbock» und «Hunde» die Richtigstellung als erster Treffer angezeigt wird. Aber auf Facebook steht der Screenshot weiter online – ohne Warnhinweis.

Gemäss einer Analyse geraten die Grünen im laufenden Bundestagswahlkampf besonders häufig ins Fadenkreuz von Desinformationskampagnen.

Es ist nicht die einzige Falschmeldung, mit der sich Baerbock konfrontiert sieht. So wurde ihr etwa die Aussage angedichtet, wonach sie die Witwenrente abschaffen wolle. Auch über andere Politikerinnen der Grünen kursieren Falschmeldungen. Bekannt ist der Fall von Renate Künast. Über die frühere Ministerin und amtierende Bundestagsabgeordnete findet sich auf Facebook schon seit einiger Zeit eine rufschädigende Aussage, die nicht von ihr stammt. Dagegen geht Künast gerichtlich vor. Sie will Facebook verpflichten, nicht nur einen einzelnen Beitrag, sondern auch alle «identischen» und «sinngleichen Inhalte auf der ganzen Plattform» zu löschen.

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Gemäss einer Analyse des Kampagnen-Netzwerks Avaaz geraten die Grünen im laufenden Bundestagswahlkampf besonders häufig ins Fadenkreuz von Desinformationskampagnen. Eine Auswertung von über 800 Fact-Checks im Zeitraum zwischen Januar und August 2021, die von unabhängigen Faktenprüfern von AFP, DPA und Correctiv durchgeführt wurden, zeigt, dass 25 Prozent der Falschnachrichten die Grünen-Spitzenkandidatin Annalena Baerbock betreffen. Auf Platz 2 des «Desinformationsbarometers» liegt die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel mit 13 Prozent, gefolgt von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder (beide 10 Prozent). SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz taucht in dem Ranking gar nicht auf. Eine von Avaaz beim Meinungsforschungsinstitut YouGov Deutschland in Auftrag gegebene Umfrage ergab, dass zum Zeitpunkt der Befragung im vergangenen Juli 56 Prozent der Erwachsenen in Deutschland mindestens eine Falschnachricht über Annalena Baerbock gesehen haben.

Aus den Überschriften der Zeitungsartikel geht nicht klar hervor, dass sie über eine Falschmeldung berichten.

Die Avaaz-Untersuchung fördert auch eine pikante Erkenntnis zutage: Falschnachrichten werden nicht primär über Social Media, sondern über klassische Medien, wie Fernsehen und Zeitungen, verbreitet und sickern so in den öffentlichen Diskurs ein. So veröffentlichten Lokalzeitungen, etwa die «Stuttgarter Nachrichten» oder «Der Westen», Artikel mit Titelzeilen wie: «Fordert die Kanzlerkandidatin wirklich ein Haustierverbot?» oder «Annalena Baerbock: Hasst sie wirklich Hunde?» Aus den Überschriften geht nicht klar hervor, dass über Falschmeldungen berichtet wird. So bleiben beim Leser zumindest Zweifel. Damit erreichen die Urheber der Fake News genau ihr Ziel: Zweifel an der Kandidatin zu säen.

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