Wie gut ist Baldrian für die Nacht?

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Baldrian ist bei Unruhezuständen und nervös bedingten Einschlafstörungen indiziert. | Bild: alisseja / AdobeStock

Geht es um Nervenruhe und guten Schlaf, ist Baldrian wohl die hierfür bekannteste Arzneipflanze. Baldrianwurzel steckt in zahlreichen Fertigarzneimitteln und ist eine der am häufigsten verwendeten Drogen. Die beruhigende Wirkung von Valerianae radix ist wissenschaftlich gut belegt. 

Wurzel gegen "böse Geister"

Baldrianwurzel als Droge | Bild: © Heike Rau - Fotolia

Die Baldrian-Wurzeldroge erkennt man leicht an ihrem charakteristischen Geruch. Sie riecht nach Isovaleriansäure und damit nicht gerade angenehm. Wie auch andere Pflanzen mit starkem Aroma wurde diese „Stinkwurzel“ früher verwendet, um böse Geister abzuwehren. Für den unangenehmen Geruch sorgen übrigens nur die unterirdischen Teile dieser bis zu 150 Zentimeter hohen krautigen Pflanze. Die üppige Staude mit den weiß-rosa Trugdolden und den gegenständigen, gefiederten Blättern ist bei uns häufig an feuchten, nährstoffreichen Standorten anzutreffen. 

Früher ein Allheilmittel

Die Baldrian-Blüte | Bild: emer1940 - iStockphoto.com

Nicht nur um Geister fernzuhalten, sondern auch zur Abwehr vielerlei Krankheiten fand die Wurzel des Echten Baldrian (Valeriana officinalis) schon vor Jahrhunderten Beachtung. Beispielsweise um den Harn zu treiben oder gegen Krämpfe aller Art. Man empfahl Baldrianwurzel außerdem als Wundarznei und baute auf ihre Wirkung gegen die Pest. Zu einem beruhigenden Nervenmittel wurde Valeriana officinalis erst im ausgehenden 18. Jahrhundert. 

Bei Unruhe und Schlafstörungen

Heute ist Valerianae radix phytotherapeutisch bei Unruhezuständen und nervös bedingten Einschlafstörungen indiziert. Extraktzubereitungen erwiesen sich in vielen Studien als entspannend und schlaffördernd. Unter der Einnahme bessert sich die Schlafqualität und die Einschlafzeit wird verkürzt. Es kommt zu einem allgemein entspannten Zustand. Als wichtigen Wirkmechanismus sieht man die Beeinflussung des Neurotransmitterhaushalts im Gehirn an. Insbesondere wird offenbar der hemmende Botenstoff GABA (Gamma-Aminobuttersäure) gefördert.

Das Zusammenspiel macht's

Man geht davon aus, dass für die Wirksamkeit das Zusammenspiel der vielen verschiedenen Baldrianinhaltsstoffe entscheidend ist. Zu den wichtigen Substanzen zählen unter anderem ätherisches Öl, Valerensäurenund Ligane. Phytotherapeutisch wird Baldrianwurzel in Extraktform eingesetzt. Um eine Wirkung zu erzielen, sollte die Dosis ausreichend hoch sein (400 bis 600 mg Trockenextrakt) oder eine synergistische Kombination mit anderen sedativ wirkenden Arzneipflanzen eingesetzt werden. Als Monopräparate stehen viele Fertigpräparate zur Verfügung (z. B. Baldriparan® Stark für die Nacht, Euvegal® Balance 500 mg, Klosterfrau Baldrian forte 600).
In Kombination mit Hopfenzapfen, Melissenblättern oder Passionsblumenkraut kann die Baldriankomponente niedriger gehalten werden (z. B. in Sedacur® forte, Allunapret®, Kytta-Sedativum®, Vivinox® Day). Traditionell wird Baldrianwurzel als Tee (ca. 1 Teelöffel pro Tasse), Pulver oder Tinktur eingesetzt.

Geduld ist gefragt

Im Gegensatz zu synthetischen Schlafmitteln haben Baldrianpräparate einen großen Vorteil: Sie beeinträchtigen nicht die physiologische Schlafarchitektur. Auch bleibt der gefürchtete Hangover am nächsten Morgen aus. Was aber vielen Kunden nicht klar ist: Baldrian wirkt nicht bei allen Anwendern sofort, sondern entfaltet seine volle Wirkung zum Teil erst nach etwa zweiwöchiger Anwendung. Und ein immer wieder wichtiger Hinweis in der Kundenberatung: Bei länger andauernden Schlafstörungen einen Arzt aufsuchen!

Bild: LianeM - iStockphoto.com

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Baldrian als beliebtes Hausmittel. Es gibt aber keine guten Hinweise darauf, dass Baldrian wirksam gegen Schlafstörungen ist.

Gesunde Erwachsene verschlafen etwa sieben Stunden pro Tag bzw. Nacht. Kinder verbringen rund neun Stunden im Bett, ältere Menschen nur sechs – soweit die Statistik. Individuell brauchen wir etwas mehr oder weniger Schlaf, gewisse Schwankungen sind völlig normal [3].

Jeder Fünfte findet keine Ruhe

Problematisch wird es für diejenigen, die über einen längeren Zeitraum mehr als drei Mal pro Woche Probleme beim Ein- oder Durchschlafen haben. Dann spricht man von Schlafstörungen.

Personen mit Schlafstörungen brauchen beispielsweise lange, um einzuschlafen. Oder sie wachen nachts auf und liegen dann, trotz Müdigkeit, wach. Oder sie werden frühmorgens munter, lange bevor der Wecker klingelt, und können nicht mehr schlummern.

So geht es fast jedem fünften Menschen. Ältere Personen und Frauen sind besonders häufig von Schlafstörungen betroffen [3]. Die Ursachen sind vielfältig. Dazu zählen etwa Stress, Sorgen, bestimmte Medikamente, Lärm und Schichtarbeit.

Wunsch nach Hilfe aus der Natur

Schlafstörungen können sich massiv auf die Gesundheit und das Wohlbefinden auswirken und viele Lebensbereiche negativ beeinflussen. Sie sind oft behandlungsbedürftig: Es gibt einerseits verschreibungspflichtige Schlaftabletten, die nur über einen begrenzten Zeitraum eingenommen werden dürfen, weil sie viele Nebenwirkungen haben und abhängig machen können.

Deswegen erhoffen sich viele Betroffene Hilfe von pflanzlichen Beruhigungs- und Schlafmitteln [3]. Denn diese sind rezeptfrei erhältlich, und sie gelten als natürlich und sicher – auch wenn die Sicherheit und Wirksamkeit von pflanzlichen Mitteln oft kaum erforscht sind. Neben Hopfen, Melisse und anderen Arzneipflanzen soll auch Baldrian für einen ruhigen, erholsamen Schlaf sorgen.

Wurzel der Ruhe?

Baldrian – von dem es über 250 Arten gibt – hat eine lange Tradition in der Volksmedizin; seit hunderten Jahren soll er Nervosität, Stress und Schlafprobleme lindern. Bei uns wird insbesondere der Echte Baldrian (Valeriana officinalis) genutzt. Aus Baldrianwurzeln werden beispielsweise Extrakte für Kapseln hergestellt [6,7].


Trotz seiner Beliebtheit hat die Wissenschaft bisher keine guten Beweise für die Wirksamkeit von Baldrian als Schlafmittel sammeln können. Es gibt zwar eine Reihe von Studien über Baldrian – viele davon hatten nur wenige Teilnehmer, maßen unterschiedliche Symptome und verwendeten verschiedene Baldrian-Dosierungen. Und so waren die Ergebnisse bisheriger Studien oft weder belastbar noch untereinander vergleichbar [5,6]. Dies macht es schwierig, über eine mögliche (Un-)Wirksamkeit von Baldrian zu urteilen.

Stand des Wissens

Die Autorinnen und Autoren zweier Übersichtsarbeiten [1,2] haben sich davon nicht abschrecken lassen und lieferten eine gute Zusammenfassung zum aktuellen Stand des Wissens über Baldrianmittel. Wiewohl die Übersichtsarbeiten gut gemacht sind, kann dies nicht darüber hinweg täuschen, dass ihnen Studienmaterial zugrunde liegt, das etliche Mängel hat und daher eventuell die Realität nicht gut widerspiegelt.

  • Es ist nicht belegt, dass Baldrian dabei helfen kann, rascher einzuschlafen [1,2].
  • Es ist auch nicht belegt, dass die Mittel für einen längeren Schlaf sorgen [2] oder so wirken, dass die Schlafenszeit besser ausgenutzt wird [2].
  • Auch in punkto Schlafqualität [1,2] konnten Studien insgesamt keine deutliche Verbesserung zeigen – allerdings gibt es hier widersprüchliche Ergebnisse.
  • Denn Testpersonen hatten während der Baldrianeinnahme den Eindruck, dass sich ihre Schlafstörungen gebessert hätten [1].

Weiter Forschungsgebiete

Die bisherige Forschung zu Baldrian hat also keine eindeutigen Ergebnisse erbracht. Sie konnten weder eindeutig zeigen noch ausschließen, dass Baldrian bei Schlafstörungen wirksam ist. Mehr Studien über die Wirksamkeit und Sicherheit sind durchaus wünschenswert, da die Pflanzenmittel beliebt sind. Mögliche Fragen in diesen Studien wären beispielsweise:

  • Gibt es vielleicht bestimmte Baldrian-Arten, die wirksamer sind als andere?
  • Welche Rolle spielen etwa Anbau, Ernte, Gewinnung des Extrakts?
  • Welche Darreichungsform (Tropfen, Dragées, Tee usw.) sind eher wirksam?
  • Gibt es die erwünschten Effekte erst ab einer bestimmten Dosis?
  • Wie lange dauert es bis sich ein Effekt einstellt?
  • Ist die langfristige Einnahme sicher?
  • Hilft Baldrian eventuell besser bei einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, bei einer bestimmten Form von Schlafstörung?
  • Welche Nebenwirkungen kann Baldrian auslösen? So ist etwa bekannt, dass Baldrian, in hohen Mengen verzehrt, die Leber schädigen kann [4]. Baldrian wird auch mit Nebenwirkungen wie Durchfall, Übelkeit und Bauchkrämpfen in Verbindung gebracht [1,2] [7].

Für einen besseren Schlaf

Eine bessere Schlafhygiene [3,5] kann, in Kombination mit anderen Maßnahmen, gegen Schlafstörungen helfen. Zum Beispiel: einige Stunden vor dem Schlafengehen nicht mehr viel essen und auf Kaffee, Nikotin und Alkohol verzichten. Wichtig ist auch, einen regelmäßigen Schlafrhythmus einzuhalten und untertags keine Nickerchen einzulegen. Während leichte Bewegung wie Spazierengehen den Schlaf verbessern soll, wird von anstrengenden Sportarten schon einige Stunden vor dem Schlafengehen abgeraten.

Hilfreich sein kann in manchen Fällen eine Kognitive Verhaltenstherapie. Ziel dieser psychologischen Behandlung ist es, Denkmuster und Verhaltensweisen zu verändern, die vom Schlaf abhalten können. Schlaftabletten werden nur bei schweren Schlafstörungen vorübergehend verschrieben, da sie rasch abhängig machen und starke Nebenwirkungen haben können [3].

Die Studien im Detail

Um die Wirksamkeit von Baldrian-Präparaten einschätzen zu können, fasste ein spanisches Forschungsteam 18 randomisiert-kontrollierte Studien mit 1317 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zusammen [1]. Die Studien dauerten mindestens vier, maximal 56 Tage.

Die Ergebnisse zeigten im großen Überblick, dass Baldrian-Mittel die Schlafdauer im Vergleich zu Scheinmedikamenten (Placebo) nicht verlängern konnten. Wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten, die Qualität ihres Schlafs auf einer Skala zu bewerten, gab es keinen Unterschied zwischen der Baldrian-Gruppe und der Placebo-Gruppe.

Auf Fragen, ob sie das Gefühl hätten, nun besser zu schlafen, antworteten die Probandinnen und Probanden aus der Baldrian-Gruppe häufiger mit „Ja“ als Personen aus der Placebo-Gruppe. Ein durchaus widersprüchliches Ergebnis, das nur durch weitere Studien mit ausreichend vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aufgeklärt werden kann.

Eine weitere Übersichtsarbeit [2] zu verschiedenen pflanzlichen Schlafmitteln hat u.a. die Ergebnisse von zwölf Baldrian-Studien mit insgesamt 1356 Probandinnen und Probanden analysiert. Einige dieser Studien sind auch in die bereits erwähnte Übersichtsarbeit aus 2010 [1] eingeflossen.

Die einzelnen Studien hatten 14 bis 434 erwachsene Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die nach Zufallsprinzip entweder Baldrianmittel bekamen oder Placebopräparate. In einer Studie gab es zwecks Vergleich ein homöopathisches Mittel (statt Placebo), in einer anderen ein bewährtes Schlafmittel. Die kürzeste Untersuchung dauerte einen Tag, die längste sechs Wochen.

Die Autorinnen und Autoren zogen, wo es sinnvoll war, Vergleiche zwischen einzelnen Studien. In der großen Zusammenschau der Studien schnitt Baldrian nicht signifikant besser (oder schlechter) ab als seine Alterativen. Es gab also keinen deutlichen Unterschied zwischen Baldrian und Placebo bei der Zeit bis zum Einschlafen, bei der insgesamt schlafend verbrachten Zeit oder bei der effizienten Ausnutzung der Schlafenszeit. Wie auch bei der 2010 erschienenen Übersichtsarbeit [2] zeichnete sich auch in punkto Schlafqualität kein eindeutiger Trend ab.

Die Autorinnen und Autoren weisen darauf hin, dass das Verzerrungspotenzial der zugrunde liegenden Studien oft nicht klar war – daher sind die darauf fußenden Ergebnisse mit viel Vorsicht zu genießen. Bessere Studien könnten den derzeitigen Wissensstand durchaus noch verändern.

(AutorIn: A. Polubotko, J. Harlfinger, Review: C. Christof)

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Information zu den wissenschaftlichen Studien

[1] Fernandez-San-Martin u.a. (2010)
Studienart: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 18 randomisiert-kontrollierte Studien
Studiendauer: 4 – 56 Tage
Teilnehmer insgesamt: 1317 Patienten mit Schlafstörungen (zwischen 5 und 434 pro Studie)
Fragestellung: Baldrian-Präparate im Vergleich zu Placebo-Präparaten gegen Schlafstörungen
Mögliche Interessenskonflikte: keine angegeben

Fernández-San-Martín MI, Masa-Font R, Palacios-Soler L, Sancho-Gómez P, Calbó-Caldentey C, Flores-Mateo G. Effectiveness of Valerian on insomnia: a meta-analysis of randomized placebo-controlled trials. Sleep Med. 2010 Jun;11(6):505-11. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit) (kritische Bewertung der Übersichtsarbeit)

[2] Leach & Page (2015)
Studienart: systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossene Studien: 12 randomisiert-kontrollierte Studien
Studiendauer: 1 Tage bis 6 Wochen
Teilnehmer insgesamt: 1356 Patienten (14 bis 434 pro Studie)
Fragestellung: Sind pflanzliche Mittel (u.a. Baldrian) wirksam und sicher?
Mögliche Interessenskonflikte: keine laut Autorinnen und Autoren

Leach MJ, Page AT. Herbal medicine for insomnia: A systematic review and meta-analysis. Sleep Med Rev. 2015 Dec;24:1-12. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[3] IQWIG (2017)
Schlafstörungen. Abgerufen am 24. 12. 2017 unter //www.gesundheitsinformation.de/schlafstoerungen.2179.de.html

[4] UpToDate (2018)
Treatment of insomnia in adults. Abgerufen am 24. 1. 2018 unter //www.uptodate.com/contents/treatment-of-insomnia-in-adults

[5] DynaMed (2017)
Insomnia in adults. Abgerufen am 9. 1. 2018 unter //www.dynamed.com/login.aspx?direct=true&site=DynaMed&id=114839

[6] NIH Office of Dietary Supplements (2013)
Valerian. Fact Sheet for Health Professionals. Abgerufen am 13. 1. 2018 //ods.od.nih.gov/factsheets/Valerian-HealthProfessional/

[7] European Medicines Agency (2016)
Valerianae radix. Abgerufen am 13. 1. 2018 unter //www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/herbal/medicines/herbal_med_000015.jsp&mid=WC0b01ac058001fa1d

Wie lange wirkt Baldrian für die Nacht?

Basics fürs Beratungsgespräch.

Kann ich jeden Tag Baldrian nehmen?

Ja. Im Gegensatz zu chemischen Schlafmitteln eignet sich Baldrian als pflanzliches Schlafmittel auch für eine langfristige Anwendung und gilt als gut verträgliches Mittel zur Linderung von Schlafstörungen.

Ist Baldrian gut zum Schlafen?

Seine schlaffördernde Wirkung ist seit Jahrhunderten bekannt und verbessert das Ein- und Durchschlafen. Die Wirkstoffe in Baldrian helfen bei Schlafstörungen und Einschlafproblemen und mindern Nervosität und Unruhe.

Wie wirkt Baldrian auf die Psyche?

Bei Einnahme am Tag wirkt Baldrian beruhigend, entkrampfend, vegetativ ausgleichend, und antriebssteigernd; er fördert die Konzentration, die Leistungsbereitschaft sowie die Bewältigung von Stresssituationen und stabilisiert das Nervensystem.

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