Inhalt / Kritik
Simon (Roeland Wiesnekker) und Karen Wagner (Birge Schade) sind am Boden zerstört, als ihre 19-jährige Tochter Nele an der deutsch-dänischen Grenze ermordet aufgefunden wird. Eigentlich dachten sie, dass sie mit ihrer Freundin Jennifer Petersen (Bianca Nawrath) Urlaub in Norwegen macht. Was sie stattdessen im Jardelunder Moor zu suchen hatte, kann niemand sagen, zumal auch Jennifer spurlos verschwunden sind. Als Kommissarin Jana Winter (Natalia Wörner), Matthias Hamm (Ralph Herforth) und Arne Brauner (Martin Brambach) die Ermittlungen aufnehmen, führt die Spur sie zu Maik Leinemann (Timo Jacobs), der mit schlüpfrigen Cam-Videos sein Geld macht …
Viel Stoff zum Rätseln
Obwohl – oder weil? – die ZDF-Krimireihe Unter anderen Umständen nicht übermäßig produktiv ist, nur ein bis zwei Filme pro Jahr gedreht werden, ist sie doch zu einer festen Größe in ihrem Segment geworden. Zuletzt lockte die seit 2006 laufende Reihe im Schnitt sieben bis acht Millionen Zuschauer und Zuschauerinnen vor die Fernseher. Lediglich Lügen und Geheimnisse fällt da aus der Reihe, die Zuschauerzahl lag eine knappe Million unter dem Schnitt. Und das obwohl der 17. Film der Reihe mitten in die Corona-Lockdowns fiel, als die Alternativen rar waren. Qualitative Gründe hat das jedoch nicht. Stattdessen handelt es sich bei der Suche nach einem Mörder um einen weiteren grundsoliden Krimi des Dauerbrenners.
Vor allem ein Publikum, das gern rätseln möchte, kommt hierbei auf seine Kosten. Wie der Titel bereits vorwegnimmt, haben in Unter anderen Umständen: Lügen und Geheimnisse ganz viele Leute etwas zu verschweigen. Das ist bei einer Folge, die viel über Sexvideos, die per Cam übertragen werden, nicht übermäßig verwunderlich. So sagt zwar Winter an einer Stelle, dass 90 Prozent aller Männer Pornos schauen. Kaum jemand will das aber öffentlich zugeben. Gleiches gilt für die Produktion eben solcher Videos. Vor Fremden ausziehen ist das eine. Der Familie davon erzählen das andere. Wobei der Film zu keinem eindeutigen Ergebnis kommt, ob solche Videos nun verwerflich sind. Auch die Frage, ob Frauen, die solche Videos sind, selbstbestimmt den Bedarf für sich nutzen oder Opfer einer sexualisierten Welt sind, wird nicht beantwortet.
Viel Streit, wenig Tiefgang
Überhaupt ist Unter anderen Umständen: Lügen und Geheimnisse ein Film, der gern gesellschaftliche oder moralische Fragen aufwirft, diese dann aber frustrierend schnell wieder fallen lässt. So ist der Verkauf des eigenen Körpers eng mit dem Druck verbunden, einem bestimmten Schönheitsideal zu entsprechen. Die groteske Tragik, wenn gerade junge Frauen nicht mit ihrem Körper zufrieden sind, wird angesprochen und hinterfragt. Doch auch dieses spannende Thema hinterlässt keinen dauerhaften Eindruck. Stattdessen lässt das Drehbuch die Figuren ständig von einem Ort zum nächsten rennen. Diese Rastlosigkeit darf man spannend finden. Oder auch etwas bemüht, wenn das gern mal zum Selbstzweck degradiert wird und aus inhaltlicher Sicht nicht unbedingt notwendig gewesen wäre.
Gleiches gilt für die offenkundige Vorliebe für Konfrontationen. Da wird ständig gestritten, sei es innerhalb des Teams, mit Verdächtigen oder auch den Opfern. Dabei ist das oftmals gar nicht zu rechtfertigen, gerader der deutsch-dänische Dauerzwist ist völlig überflüssig. Dafür ist die Auflösung doch recht überraschend. Zwar gibt es zwischendurch einen Hinweis auf die eigentliche Tatperson. Dennoch dürften nur die wenigsten wirklich vorhersagen können, was da geschehen ist. Wem es also in erster Linie auf diesen rein kriminologischen Aspekt ankommt, der schaut bei Unter anderen Umständen: Lügen und Geheimnisse rein, zumal das Ensemble gewohnt gute Arbeit macht. Aber es bleibt ein eher oberflächliches Vergnügen, welches die offensichtlichen Selbstansprüche des Films nicht erfüllt.
Credits
OT: „Unter anderen Umständen: Lügen und Geheimnisse“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Judith Kennel
Drehbuch: Johannes Rotter, Natalie Tielcke
Musik: Sven Rossenbach, Florian Van Volxem
Kamera: Nicolay Gutscher
Besetzung: Natalia Wörner, Ralph Herforth, Martin Brambach, Lisa Werlinder, Hansjürgen Hürrig, Roeland Wiesnekker, Birge Schade, Stephan Kampwirth, Hary Prinz, Bianca Nawrath, Timo Jacobs, Mads Reuther
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