Bin ich unterhaltspflichtig wenn mein kind eine ausbildung hat

Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern die Ausbildung zu einem Beruf zu finanzieren. Absolviert das Kind eine Lehre, wird die Ausbildungsvergütung zum großen Teil auf den Unterhalt angerechnet. Der Unterhalt bei Lehre ist jedoch immer im Einzelfall zu betrachten. So muss etwa bei einer zweiten Ausbildung geprüft werden, ob der inhaltliche und zeitliche Zusammenhang zur ersten Ausbildung ausreicht oder bei einem Wechsel, ob das Kind sich beruflich noch in der Orientierungsphase befindet.

Kindesunterhalt für Azubis

Wer noch keine 18 Jahre alt ist, gilt im Hinblick auf den Unterhalt bei einer Ausbildung unter 18 Jahren bedingungslos als unterhaltsbedürftig. Lebt das Kind im Haushalt Ihrer Eltern oder im Haushalt eines Elternteils nach der Trennung der Eltern, erfüllt der betreuende Elternteil die Unterhaltspflicht, indem das Kind dort wohnt und verpflegt wird.

Leben die Eltern getrennt, ist der Elternteil, in dessen Haushalt das Kind nicht ständig lebt, barunterhaltspflichtig. Die Höhe des Unterhalts bemisst sich in Abhängigkeit von Lebensalter und dem Nettoeinkommen des Elternteils nach der Düsseldorfer Tabelle. Soweit das Kind jedoch eine Auszubildendenvergütung bezieht, muss diese zumindest teilweise auf den Unterhalt angerechnet werden.

Eltern akzeptieren Berufswunsch nicht

Wenn das Kind noch minderjährig ist, müssen die Eltern den Ausbildungsvertrag mit unterschreiben und haben dementsprechend Einfluss auf die Berufswahl des Kindes. Grundsätzlich können die Eltern also über die konkrete Ausbildung entscheiden, das Kind sollte jedoch entsprechend seiner Einsichtsfähigkeit mit einbezogen werden. Auch die Interessen und Fähigkeiten des Kindes sollten in die Entscheidung mit einfließen.

Ist das Kind bereits volljährig, entscheidet es selber, welche Ausbildung es absolvieren möchte. Es kann sich auch  für einen Beruf entscheiden, mit dem seine Eltern nicht einverstanden sind. An der Unterhaltspflicht ändert das nichts, die Eltern müssen eine Ausbildung finanzieren, selbst wenn sie nicht mit der Wahl einverstanden sind. Jedoch sollte die Ausbildung angemessen sein, also den Fähigkeiten des Kindes entsprechen und die Eltern finanziell nicht überlasten. Bei Streit muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Ausbildung angemessen ist oder nicht und wie sich das auf den Unterhalt auswirkt.

Wie ist die Ausbildungsvergütung auf Unterhalt bei Lehre anzurechnen?

Bei einer Lehre besteht dem Grundsatz nach Anspruch auf Unterhalt. Zahlt der Betrieb jedoch eine Ausbildungsvergütung, ist diese auf den Unterhalt anzurechnen. Vorab kann ein Pauschalbetrag von 100 EUR abgezogen werden. Auch Fahrtkosten dürfen abgezogen werden. Übersteigt die Vergütung den nach der Düsseldorfer Tabelle berechneten Unterhaltsanspruch, sind die Eltern nicht mehr unterhaltspflichtig.

Berücksichtigen Sie zudem, dass der sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergebende Unterhalt um das Kindergeld zu reduzieren ist. Bei Minderjährigen ist die Hälfte des Kindergeldes anzurechnen. Bei Volljährigen wird das Kindergeld in voller Höhe in Abzug gebracht. Im Regelfall dürfte der Unterhaltsbedarf durch die Ausbildungsvergütung abgedeckt sein. Nur dann, wenn die Ausbildungsvergütung nicht den gesamten Bedarf abdeckt, gibt es noch Anspruch auf Unterhalt.

Wie wird Kindesunterhalt mit Ausbildungsvergütung verrechnet?

Das Kind ist 17 Jahre alt und lebt im Haushalt der vom Vater geschiedenen Mutter. Sie erhält das Kindergeld. Der Vater ist barunterhaltspflichtig und verdient netto 3.700 EUR. Das Kind absolviert eine Lehre als Automechaniker und erhält 800 EUR Auszubildendenvergütung.

Unterhalt bei Ausbildung unter 18

Für das Alter von 17 Jahren gilt die Altersstufe 3 der Düsseldorfer Tabelle. Der Vater müsste bei 3.700 EUR Nettoeinkommen in der Einkommensgruppe 6 = 683 EUR Kindesunterhalt zahlen (Düsseldorfer Tabelle Stand 1.1.2022).

Beachten Sie, dass auf das bereinigte Nettoeinkommen abzustellen ist. Das bereinigte und damit unterhaltsrelevante Nettoeinkommen ist nicht identisch mit dem in der Gehaltsabrechnung ausgewiesenen Einkommen. Es ergibt sich, wenn das Bruttoeinkommen um Steuern, Sozialversicherungsabgaben und ehebedingte Verbindlichkeiten bereinigt wird.

Kindergeld abziehen

Der Unterhalt von 683 EUR ist um das halbe Kindergeld = 109,50 EUR (von 219 EUR für das 1. Kind) auf 573,50 EUR herabzusetzen. Ab 18 Jahren ist das volle Kindergeld abzuziehen. Der Elternteil, der das Kindergeld bezieht, muss das Kindergeld dem Kind in voller Höhe zur Verfügung stellen.

Anrechnung der Ausbildungsvergütung

Die Ausbildungsvergütung ist auf den Unterhalt anzurechnen. Von 800 EUR dürfen Sie 100 EUR Pauschale abziehen, so dass 700 EUR maßgebend sind. Mit 700 EUR ist das Kind nicht mehr unterhaltsbedürftig sind.

Anders wäre es, wenn die Ausbildungsvergütung 500 EUR betrüge. Nach Anrechnung von 100 EUR Pauschale, wären 400 EUR maßgebend. Dann bestünde noch Anspruch auf 173,50 EUR Barunterhalt.

Mehr Unterhalt bei hohen Einkommen der Eltern

Die Chancen, trotz einer Ausbildungsvergütung noch Unterhalt von den Eltern einzufordern, steigt mit Alter und dem Einkommen der Eltern. Ist das Kind 18 Jahre alt, gehört es in die Altersstufe 4 und damit in die höchste Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle. Vor allem, wenn der betreuende Elternteil seine Unterhaltsleistung nicht mehr allein durch die Betreuung erfüllt, werden die Einkommen beider Elternteile zusammengerechnet.

Verdienen beide Eltern beispielsweise mehr als 5.300 EUR netto, liegt die Höhe in der Altersstufe 3 bereits bei 811 EUR und in der Altersstufe 4 Anspruch bei 865 EUR. Die Chancen, Unterhalt zu beziehen, steigen damit deutlich. Bei Nettoeinkommen bis 7.000 EUR ergeben sich 939 EUR und 1.002 EUR.

Kindesunterhalt in der Ausbildung bei eigener Wohnung des Kindes

Lebt das Kind in einer eigenen Wohnung, gibt es keinen festen Bedarfssatz, der unabhängig vom Einkommen der Eltern besteht. Das Kind hat in der Regel nach der Düsseldorfer Tabelle Anspruch auf 860 EUR im Monat. In dem Betrag sind 375 EUR für Unterkunft einschließlich der umlagefähigen Nebenkosten und Heizung enthalten. Diesen Betrag müssten die Eltern im Verhältnis ihrer jeweiligen Einkommen aufbringen. Auch insoweit ist Ihre Ausbildungsvergütung auf diesen Betrag anzurechnen.

Achtung: Kind muss BAföG beantragen

Gibt es keine Ausbildungsvergütung, besteht möglicherweise Anspruch auf BAföG. Soweit der Anspruch besteht, ist das Kind verpflichtet, BAföG in Anspruch zu nehmen und einen Antrag zu stellen. BAföG ist als Einkommen auf den Unterhalt anzurechnen. Die Eltern dürfen darauf bestehen, dass das Kind vorrangig BAföG beantragt und deren wirtschaftliche Ressourcen schont. Zahlen die Eltern keinen Unterhalt und bekommt das Kind keine Ausbildungsvergütung, kann es beim BAföG-Amt einen Antrag auf „Vorausleistung“ stellen. Das Amt wird dann versuchen, die Eltern in Regress zu nehmen.

Wie steht es um den Unterhalt für eine zweite Ausbildung?

Dafür, dass die Eltern die Erstausbildung finanzieren müssen, steht das Kind in der Pflicht, seine Ausbildung zielstrebig in einem zumutbaren zeitlichen Rahmen zu betreiben und abzuschließen. Dabei ist ihm eine gewisse Orientierungsphase zuzugestehen. Stellt es nach kurzer Zeit fest, dass die begonnene Ausbildung nicht seiner Eignung oder seinen Erwartungen entspricht, darf es diese abbrechen und eine weitere Ausbildung beginnen. Dem Unterhaltsanspruch schadet das nicht. Vor allem bei schwierigen Familienverhältnissen oder nur schwachen Abschlussnoten, ist zuzugestehen, dass das Kind etwas mehr Zeit braucht, um den passenden Weg zu finden.

Beispiele:

  • Eine 24-jährige Frau hatte die mittlere Reife mit einer Abschlussnote von 3,6 erworben und ihren Unterhalt durch verschiedene Jobs selbst abgedeckt. In der Hoffnung auf einen Ausbildungsplatz hatte sie mehrere Praktika absolviert. Danach begann sie eine Ausbildung als Fleischereifachverkäuferin. Der Vater verweigerte den Unterhalt und argumentierte, das Kind habe zu lange gewartet, um eine Ausbildungsstelle anzutreten. Der Bundesgerichtshof wies jedoch darauf hin, dass gerade Bewerber mit schlechten Ausbildungszeugnissen darauf angewiesen sind, durch berufliche Praktika oder und Aushilfstätigkeiten künftige Arbeitgeber zu überzeugen. Berufliche Aktivitäten im Vorfeld der Ausbildung liegen daher im Interesse des Kindes. Jugendlichen müsse eine gewisse, der Lebenssituation, dem Alter und dem Entwicklungsstand entsprechende Orientierungsphase zugestanden werden. Insoweit bestehe auch nach drei Jahren ein Anspruch auf Kindesunterhalt, da das Kind die Zeit zuvor sinnvoll genutzt habe (BGH, Beschluss vom 3.6.2013, Az. XII ZR 2220/12).
  • In einem Fall des OLG Celle (Beschluss vom 10.10.2013, Az. 610 F 5057/12) musste ein Vater seiner 24 Jahre alten Tochter Unterhalt für eine Zweitausbildung bezahlen. Die Tochter hatte die Erstausbildung wegen der Geburt eines Kindes und der anschließenden dreijährigen Kinderbetreuung abgebrochen. Im Hinblick auf die Unterhaltspflicht komme es nicht unbedingt darauf an, ob das Kind den Abbruch der Erstausbildung verschuldet habe. Da Schwangerschaft und Kinderbetreuung ohnehin kein vorwerfbares Verhalten begründen, bestand die Unterhaltspflicht des Vaters fort.

Unterhalt bei Abitur – Lehre – Studium

Auch wenn Eltern nur Unterhalt für eine erste Berufsausbildung schulden, bleiben sie weiterhin verpflichtet, Unterhalt zu zahlen, wenn die Ausbildungswege in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zueinanderstehen. Wann genau dies der Fall ist, hat die Rechtsprechung in einer Reihe von Einzelfällen entschieden.

Beispiele:

  • Am zeitlichen Zusammenhang fehlt es, wenn eine Tochter zwei Jahre als Sekretärin arbeitet und sich erst dann zum Studium entschließt. Hätte sich das Studium direkt an die Lehre angeschlossen, hätte der zeitliche Zusammenhang bestanden (BGH, Urteil vom 23.5.2001, Az. XII ZR 148/99).
  • Unterscheiden sich Lehre und Studium inhaltlich grundlegend, fehlt ein Zusammenhang, so dass die Unterhaltspflicht entfällt. Dies wurde angenommen bei einer Lehre zum Industriekaufmann mit anschließendem Medizinstudium (BGH, Urteil vom 12.6.1991, Az. XII ZR 163/90).
  • Anerkannt wurden die Kombinationen Bankkaufmann zum Betriebswirt, Bauzeichner zum Architekten, Heilpraktiker zum Arzt oder Tischler zum Produktdesigner.
  • Ein Zusammenhang wurde abgelehnt zwischen Bürogehilfin und Informatikerin, Industriekaufmann und Ingenieur oder Speditionskaufmann und Jurist.

Unterhalt bei Hauptschul- und Realschulabschluss – Lehre – Fachhochschulstudium

Bei Haupt- und Realschülern brauchen Eltern nicht davon auszugehen, dass das Kind nach Abschluss der Lehre noch ein Fachhochschulstudium aufnimmt. Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn das spätere Studium bereits am Anfang der Lehre eingeplant war (BGH, Urteil vom 17.5.2006, Az. XII ZR 54/04).

Fazit

Es lässt sich keine klare Linie aufzeigen, wann die Unterhaltspflicht von Eltern für ein Kind in der Ausbildung entfällt. Es kommt immer auf die Umstände im Einzelfall an. Soweit Sie auf Unterhalt angewiesen sind oder mit einer Forderung konfrontiert werden, ist wichtig, dass Sie sich dazu frühzeitig anwaltlich beraten lassen.

Wann verliert ein Kind seinen Unterhaltsanspruch?

Der Unterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes entfällt, wenn es entweder genügend eigene Einkünfte hat (siehe: eigene Einkünfte des Kindes ) bzw. haben könnte oder wenn der Unterhalt zahlende Elternteil nicht (mehr) leistungsfähig ist.

Wie wird die Ausbildungsvergütung auf den Unterhalt angerechnet?

Anrechnung der Ausbildungsvergütung Die Ausbildungsvergütung ist auf den Unterhalt anzurechnen. Von 800 EUR dürfen Sie 100 EUR Pauschale abziehen, so dass 700 EUR maßgebend sind. Mit 700 EUR ist das Kind nicht mehr unterhaltsbedürftig sind. Anders wäre es, wenn die Ausbildungsvergütung 500 EUR betrüge.

Wie lange ist man als Eltern unterhaltspflichtig?

Wie lange müssen Eltern Unterhalt ab 18 Jahren zahlen? Generell gilt, dass der Unterhalt so lange geleistet werden muss, bis das Kind seine erste berufliche Ausbildung abgeschlossen hat. Bei einem Studium gibt die Regelstudienzeit einen Anhaltspunkt für die Dauer der Zahlungsverpflichtung.

Wann darf der Vater den Unterhalt kürzen?

Unterhalt kann gekürzt werden, wenn z. B. die Unterhaltsleistung für den Pflichtigen unzumutbar ist, nach einer kurzen Ehedauer oder einer neuen Lebenspartnerschaft des Unterhaltsberechtigten.