Geh vom Fenster weg Gangsta Rap 6 von 6 Kronen

Yo, ich bin Joshua. Ich werde in meiner monatlichen Kolumne Aktuelles kommentieren, Grundsätzliches klarstellen, Verschiedenes lobpreisen, kritisieren und steile Thesen um mich werfen. Diesmal: Gerüchte um ein Comeback von Bushido, Realness und hängengebliebene Deutschrap-Kiddies.

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    Bushido ist mal wieder in aller Munde. Seit Monaten gibt es regelmäßig neue Schlagzeilen und Updates zu seinem Bruch mit Arafat Abou-Chaker. Ganz frisch ist der vermeintliche Leak eines 28-seitigen Vernehmungsprotkolls, in dem Bushido über Arafat und das Ende ihrer Geschäftsbeziehung „auspackt“. Der Link zu diesem und weiteren Dokumenten, wie etwa dem Protokoll eines angeblichen Telefonats zwischen Bushidos Ehefrau und ihrem Exfreund Mesut Özil, wurde u.a. von Congo verbreitet, dem ehemaligen Admin des Fan-Forums von Bushido. Dieser bestreitet allerdings, mit dem Leak etwas zu tun zu haben und hat mittlerweile alle Tweets dazu gelöscht. Woher die Dokumente stammen und ob sie wirklich echt sind, ist derzeit noch unklar. 

    Seit geraumer Zeit verdichten sich auch die Gerüchte um ein musikalisches Comeback von Bushido. Den Startschuss lieferten Annäherungen mit Baba Saad auf Instagram (der sein Profil mittlerweile gelöscht hat), die Spekulationen um eine Reunion der beiden und das damit verbundene „CCN 4“ mit sich trugen. Saad dementierte das Ganze nach wenigen Tagen und löschte sein Profil. Das kann ein klares Signal sein, dass er auf den Rap-Zirkus endgültig keine Lust mehr hat (wie viele „letzte Alben“ hat er eigentlich schon gemacht?) oder einfach Taktik, um weitere Hinweise zu vermeiden, die den Überraschungseffekt mindern würden. Fler brachte mit einem Tweet auch Animus als möglichen „CCN“-Partner ins Spiel. Denkt man an Bushidos Schikane gegen ihn in der Vergangenheit, klingt das erstmal sehr unwahrscheinlich und es gibt auch sonst bislang keinerlei Anhaltspunkte dafür. Doch er und Bushido haben mit Manuellsen und Fler mehr als einen gemeinsamen Feind, vielleicht reicht das als gemeinsamer Nenner. Eine Entschuldigung von Bushidos Seite gab es ja auch bereits. Von Bushido selbst gab es zu alldem noch keine großen Infos, er selbst zeigt sich auf Instagram nahezu inaktiv. 

    „Ich bring‘ eine Single, selbst Amerika supportet“ – aus „Est. 1998″, 2018

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    Zumindest bis vor wenigen Tagen, als auf dem Profil von Matt Schilt, auch bekannt als Matt Fingaz und Labelchef von Guesswhyld Records, ein Foto von Bushido aus einem New Yorker Studio auftauchte. Seinen Followern stellte er den Berliner als „legendary Bushido“ vor.  Das Foto war binnen weniger Stunden wieder verschwunden. Es zeigte Bushido an der Seite von Matt Schilt und den legendären Produzenten 88-Keys (u.a. Mos Def, Talib Kweli) und Buckwild (D.I.T.C.). Wem das noch nicht spektakulär genug ist, sei gesagt, dass der Münchner Rapper Raptile wahrscheinlich dieses Foto geschossen hat. Er wurde ebenfalls in der Caption markiert, ist aber als einziger nicht im Bild zu sehen. Der taucht auch gerade auf dem Youtube-Kanal von Eko Fresh auf, der ja hartnäckigen Gerüchten zufolge an nicht nur einem Bushido-Album beteiligt war. Über einen möglichen Zusammenhang kann man nur spekulieren. Dass uns neue Musik von Bushido erwarten wird, scheint aber sehr wahrscheinlich – ob Solo oder mit Saad oder Animus, ob mit Ekos Hilfe oder nicht und was genau in New York im Studio passiert ist und wie aktuell das Foto ist, kann nur Bushido selbst beantworten.

    „Ich liebe die Streets sowie / EPMD, Big L, Mobb Deep, D.I.T.C“ – aus „Gangster“ (prod. by DJ Premier), 2011

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    Wir können uns wohl alle darauf einigen, dass Bushido gerade keinen leichten Stand hat. Oder in den Augen vieler sogar als Lachnummer gilt. Der Typ, der jahrelang von Mafiafamilien und Gangsterdasein gerappt hat, soll nun angeblich unter Polizeischutz stehen und 28-Seiten-lange Aussagen bei der Polizei tätigen, die am Ende sogar im Internet landen. Der Typ, der noch vor wenigen Jahren Kay One als Verräter beschuldigt hat, scheint heute selbst auf der anderen Seite zu stehen. Aus Johnny Fontane wurde Henry Hill in der Endszene von „Goodfellas“.

    Nur müssen die Deutschrap-Kiddies mit ihren Gangster-Psychosen so langsam mal begreifen, dass das hier kein Film ist. Ich würde mir nicht anmaßen, Bushidos Verhalten zu bewerten – weder positiv noch negativ. Ich hoffe nur, dass einfach niemand verletzt wird – egal auf welcher Seite. Denn mit diesem Milieu habe ich genau so wenig zu tun wie diese dämlichen Kids, die – na klar – alle nach „Omertà“ leben, wie das „1312“ im Usernamen beweist. Genau die müllen aber gerade Deutschraps Kommentarspalten voll, wenn es um Bushido geht. Wird unter diesem Artikel wahrscheinlich nicht anders sein. Zum Beispiel habe ich vor kurzem einem ziemlich jungen, ehemaligen EGJ-Ultra über eine Facebookgruppe die limitierte „CCN“-Vinyl für den Spottpreis von zehn Euro abgekauft und konnte es kaum glauben. Er wollte seine ganze EGJ-Sammlung so schnell wie möglich loswerden, weil er nach allem, was passiert sei (Trennung von Arafat, Gerüchte um Polizeischutz), einfach nicht mehr hinter Bushido stehen könne. So weit sind wir also. Dass sich Kids einbilden, sie leben nach irgendeinem Kodex, weil sie Rapper X hören, Y aber nicht (mehr). Aber dennoch: Wenn Bushido zurückkommt, ist wieder „Bushido-Season“.

    Nicht nur, dass ich es mir niemals anmaßen würde, über Bushidos Entscheidung zu urteilen, weil ich selbst niemals in so einer Situation war und auch hoffentlich nie sein werde. Nein, weil Deutschrap verdammt vergesslich ist und sowieso niemanden irgendwas wirklich juckt, was dieser oder jener mal ‚schlimmes‘ getan hat. Das zeigt sowohl Bushidos gesamter Karriereverlauf, der – ganz rational betrachtet – viele Gründe gibt, ihn nicht zu mögen. Aber auch Tatsachen wie das Gzuz-Feature auf der neuen Single von Trettmann, obwohl um den Strassenbanditen aktuell schwere Vorwürfe unkommentiert im Raum stehen. Diese Dinge werden einfach ausgesessen, ein paar Abmahnungen verschickt und zwei Monate später ist es „dann ja aber auch mal gut“ und alles wieder vergessen. Nicht falsch verstehen, ich sehe mich genau so als Teil dieses Problems wie jeden anderen auch. Denn so richtig scheint es uns ja dann doch nicht zu jucken. 

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    Ein kurzer Exkurs nach Übersee reicht, um zu erkennen, dass Deutschrap einfach nur wieder die berühmten zehn Jahre hinter den USA hängt. Dort bewies nämlich vor ziemlich genau zehn Jahren der Beef zwischen 50 Cent und Rick Ross, dass auf „Street-Credibility“ oder Authentizität gut und gerne geschissen werden kann, wenn die Musik überzeugt. Damals wurde nicht nur ein für alle Mal geklärt, dass es sich bei dem Rapper Rick Ross und dem Drogenboss „Freeway“ Rick Ross nicht um die gleiche Person handelt (er hatte bis zu diesem Zeitpunkt immer wieder damit gespielt, ähnlich wie Kollegah mit dem Zuhälterdasein), sondern auch, dass der Rapper Rick Ross eine Vergangenheit als Gefängniswärter hat. 50 Cent machte es sich zur Aufgabe, Rick Ross dafür an den Pranger zu stellen. Seien es Disstracks wie „Officer Ricky“, Cartoons mit Ross als Cop oder medienwirksame Auftritte mit der Mutter des Kindes von Ross – Fifty tat alles, was in seiner Macht stand, um Rozay zu entlarven und öffentlich zu demütigen. Jedoch ohne großen Erfolg. Rick Ross war zu diesem Zeitpunkt einfach der Mann der Stunde, brachte die Hits, und katapultierte sich mit den Alben „Deeper Than Rap“, „Teflon Don“ und „God Forgives, I don’t“ an die Spitze. Weiterhin mit Gangster-Talk und Mafia-Rap aus Täterperspektive – die Musik gefiel, da war der Rest egal.

    Nun steht Bushido gewiss schon lange nicht mehr on top of the game, was seine Musik angeht. Dennoch wird sein Comeback bei einer riesigen Menge an Leuten für Begeisterung sorgen und er sich frei nach Rick Ross seinen Status zurückholen.

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    Glaubt man den Kommentaren, die uns Hip-Hop-Medien erreichen, scheint es neben der immer weiter steigenden Hörerschaft der Modus Mio-Playlist, auch eine immer größer (oder zumindest lauter) werdende Anzahl an Leuten zu geben, die genau davon die Schnauze voll haben. Die Motive reichen von prinzipieller Abgneigung gegen Auto-Tune, über Langeweile bis hin zum Verlangen, dass „Rap“ gefälligst gerappt zu sein hat und nicht gesungen. Dass es diese Alternativen bereits zu Hauf gibt, ist nebensächlich. Der Deutschrap-Nörgler ist meist desinteressiert an Untergrund oder etwas in dieser Art. Er will, dass seine fünf bis zehn Rapper, die er seit Jahren feiert, einfach „wieder so rappen wie früher“. Da kommt einer wie Bushido wie gerufen.

    Denn egal, ob er sich mit Saad oder Animus für einen weiteren CCN-Teil verbrüdern wird, oder auf einem neuen Soloalbum Beats von Eastcoast-Legenden platziert: Er wird auf pure Nostalgie setzen. Bushido wird bei seinem Comeback konsequent das durchziehen, was mit „Black Friday“ oder „Mythos“ eigentlich schon hätte klappen können, aber aus diversen Gründen scheiterte. Seien es deplatzierte Features und unbeholfene Trap-Gehversuche auf „Black Friday“ oder Bushidos Obsession, unbedingt beweisen zu wollen, dass er in seinen zwei Jahren im Deutsch-LK Goethes „Faust I“ gelesen hat bei „Mythos“ – immer passte etwas nicht.

     

    Bushido wird einen soften Imagewechsel durchleben. Weg vom Araber mit Großfamilienbackground, hin zum Jungen mit der MPC, der den Eastcoast-Sound gefressen hat wie wenig andere und eigentlich ja doch viel Liebe für diese ganze Sache hier übrig hat. Kann man natürlich nicht so richtig zeigen, sonst wirkt man ja noch wie Torch. Ein Bushido, der schon immer irgendwie Teil des Ganzen war, aber sekundär, und schon in den letzten beiden Alben eine immer größere Rolle gespielt hat. Verbildlicht wurde diese Seite von Bushido z.B. im Video zu „Rohdiamant“ von Samra. Ich hoffe, er ist mutig und clever genug, auf Promo oder große Ankündigungen zu verzichten. Einfach über Nacht raus mit dem ganzen Album und die Sache ist durch. Den Leuten nicht die Chance geben, utopische Erwartungen aufzubauen oder bereits über Wochen zu haten, ohne die Musik zu kennen. Dann werden wir Timbalands Snare aus „Try Again“ so oft hören wie noch nie, Unmengen an recycelten Lines á la „Geh vom Fenster weg / Gangster-Rap, sechs von sechs Kronen“, die natürlich alle im Poloshirt geschrieben wurden, um das Solo hart zu machen. Dazu jede Menge Cuts von Mobb Deep und anderen Eastcoast-Legenden. In den Videos werden sich die Wolken zusammenziehen und das Artwork bushidogrün gehalten. Egal, womit genau er zurückkommen wird, es wird alles vereinen, was seine Fans fernab vom Gangster-Image an ihm und seiner Musik geschätzt haben. Legacy kann einem niemand wegnehmen. Nostalgie ist die Karte, die man immer ziehen kann. Wenn Bushido will, ist wieder 2002.