Secrets and lies wer ist der mörder

Das muss man erst einmal hinkriegen: Zunächst die Idylle einer properen amerikanischen Vorstadt mit einem mysteriösen Mordfall zerstören, dann den unbescholtenen, in Gestalt von Ryan Philippe auch ausreichend ansehnlichen Familienvater Ben als einzigen Tatverdächtigen ins Visier der Polizei geraten lassen, auf dass die Pressemeute und die versammelte Nachbarschaft ihn als Kindsmörder vorverurteilen. Schließlich den Kampf des Gejagten zeigen, der sich mit Ermittlungen auf eigene Faust zu retten hofft, bei denen ein finsteres Nachbarschaftsgeheimnis nach dem anderen ans Licht kommt – und daraus eine solch beispielhafte Fernsehserie zu komponieren. Beispielhaft dafür, wie ein Drama in zehn Folgen danebengehen kann.

Secrets and lies wer ist der mörder

„Secrets and Lies“, also Geheimnisse und Lügen, will die ABC-Serie aufbieten, für die die Produzentin Barbie Kligman keinen Einfallsreichtum beweisen musste, denn sie adaptierte eine von Kritikern gefeierte australische Miniserie gleichen Namens, die sich Stephen M. Irwin ausgedacht hatte. Das klingt nach einer leichten Übung, aber vielleicht war gerade das die Schwierigkeit. Die Kopisten waren sich ihrer Sache wohl so sicher, dass sie kaum Mühe in die eigene Fassung steckten.

Der Mord schockt offenbar niemanden

Sie beginnt schon so unglaubwürdig, vorhersehbar und für die Kulissen gespielt, wie es weitergehen wird. Es regnet natürlich in Strömen, und das Licht ist stahlblau, als Ben in wilder Hatz durch die vorweihnachtlich geschmückte Vorstadt rennt und um Hilfe schreit. Er hat einen Nachbarsjungen tot im Wald gefunden, beim Joggen vor Sonnenaufgang. Seltsam, findet die immer den gleichen mürrischen Blick aufsetzende Polizistin Detective Andrea Cornell (Juliette Lewis), der Sandra Bullocks deutsche Synchronsprecherin Bettina Weiß zu allem Unglück noch einen unangenehm meckernden Tonfall in den Mund legt. Aber selbst ohne diesen wäre man froh, wenn die aus unerklärlichen Gründen Ben zu allen Tages- und Nachtzeiten plagende Ermittlerin wieder aus dem Bild tritt.

Ryan Philippe tritt dagegen gerne in engen Shirts auf und trägt Varianten der Naivität im Antlitz. Sein Charakter leidet – ein reichlich abgegriffener dramaturgischer Kniff – an Amnesie, was die Nacht der Tat betrifft. Er war mit seinem Kumpel (Dave Dan Fogler), der sicher nicht so moppelig-gemütlich ist, wie er tut, und noch sicherer nicht die Wahrheit sagt, abends einen trinken bis zum Filmriss. Angeblich. Grund genug hatte Ben. Die Ehe mit seiner schönen blonden Frau Christy (KaDee Strickland) ist aus Gründen, die man sofort erahnt, zerrüttet. Von den beiden pubertierenden Töchtern hält nur die jüngere zu ihrem Dad. „Ich weiß, dass du kein Mörder bist“, haucht Abby (Belle Shouse), als beide den Christbaum schmücken. Wenn das der einzige Zuspruch ist, den man erfährt, muss man sich Gedanken machen.

Für ihren Vater läuft es schlecht, er landet im Mahlstrom der Drehbuch-Versatzstücke aus „Broadchurch“, „CSI“ und „Twin Peaks“. Die Nachbarn bringen Lasagne vorbei und reden von Todesstrafe, Bens Hofeinfahrt wird mit dem Schriftzug „Kid Killer“ beschmiert, Detective Cornell schleppt Ben an den Tatort, wo er im Holzfällerhemd den Standardsatz aufsagt: „Während Sie hier mit mir Ihre Zeit vergeuden, läuft der Mörder frei herum.“ Polizisten ohne Durchsuchungsbefehl stellen sein Haus auf den Kopf, weil Christy es erlaubt hat. Alles sehr merkwürdig, aber nicht merkwürdig genug, um aufregend zu werden. Die Figuren wirken eher betäubt. Geschockt von dem Mord scheint niemand in diesem Vorort zu sein, und das große Geheimnis, das am Ende der ersten Folge enthüllt wird, war von Anfang an nicht wirklich eines. Eine Dreiviertelstunde kann ziemlich lange dauern. Da sind die Doppelfolgen, in denen Vox die Serie wegsendet, schon ambitioniert. Doch es gibt Trost: Nach zehn Folgen sind die erste Staffel und der erste Fall abgeschlossen. In der zweiten allerdings geht es bei ABC wieder von vorne los: mit Detective Crawford und neuen Verdächtigen.

Jeder hat Geheimnisse. Jeder lügt. Und nichts ist so, wie es scheint: Mitten zwischen "Secrets and Lies" findet sich in der gleichnamigen US-Krimiserie ein Familienvater wieder, der nach einem Leichenfund als Hauptverdächtiger ins Kreuzfeuer der Ermittlungen gerät. Die Hollywoodstars Ryan Phillippe und Juliette Lewis liefern sich auf der Suche nach der Wahrheit ein Katz-und-Maus-Spiel der Extraklasse, wenn "Secrets and Lies" seine deutschsprachige Free-TV-Premiere feiert: am 28. und 30.12. sowie am 04.01. ist das Crime-Drama jeweils in drei bzw. vier Folgen ab 20:15 Uhr in ORF eins zu sehen.

ALLE HABEN ETWAS ZU VERBERGEN...

Vom Zeugen zum Mörder – dieser Anschuldigung muss sich Ryan Phillippe als Ben Crawford in "Secrets and Lies" stellen: Als der Familienvater auf seiner morgendlichen Joggingrunde im Wald auf die Leiche des fünfjährigen Nachbarsbuben Tom Murphy stößt, hat die energische und unbeirrbare Ermittlerin Andrea Cornell schnell Ben selbst als Hauptverdächtigen im Visier. Für Ben ist sein bis dato ruhiges Familienleben damit Vergangenheit: Der Druck droht ihn und seine Familie in den Wahnsinn zu treiben – und so beginnt er, auf eigene Faust zu recherchieren, um seine Schuldlosigkeit zu beweisen. Dabei wird bald klar, dass jeder Bewohner in der Stadt etwas zu verbergen hat....

2. STAFFEL KOMMT BALD

Mit Ryan Phillippe ("Eiskalte Engel") und Juliette Lewis ("Natural Born Killers") konnte das Team rund um Drehbuchautorin und Produzentin Barbie Kligman ("Private Practice", "The Vampire Diaries") ein prominentes Hauptdarsteller-Gespann gewinnen – und auch die weiteren Rollen sind mit KaDee Strickland ("Private Practice"), Natalie Martinez ("Under the Dome") und Indiana Evans ("H2O - Plötzlich Meerjungfrau") namhaft besetzt. Die US-Serie, die übrigens schon demnächst in eine zweite Runde gehen wird, basiert auf dem gleichnamigen australischen Original von Stephen M. Irwin.

Bild: © ORF/Disney/Bob D'Amico