The revenant – der rückkehrer amazon

[Vorsicht, starke Spoiler!]

Mit diesen Worten unterstützte der Scout Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) einst seinen verwundeten Sohn Hawk (Forrest Goodluck), als dieser um sein Leben kämpfte, und wahrscheinlich werden sie auch sein eigenes Mantra, als er sich schwerverletzt, erschöpft und verzweifelt, doch von bitteren Rachegelüsten getrieben, durch die Wildnis Dakotas kämpft.

Verschiedentlich hat man Alejandro G. Iñárritus Western „The Revenant“, der Ende letzten Jahres in die Kinos kam, vorgeworfen, er warte zwar mit überwältigenden Bildern auf, erzähle aber doch letztlich eine sehr dünne Story, in der sich auch die Charaktere nur unwesentlich entwickeln könnten. Dieses Urteil mag der Rezensent beileibe nicht teilen und empfiehlt allen Skeptikern statt dessen, sich „The Revenant“ unbedingt zwei oder drei Male anzusehen, denn erst bei einer wiederholten Sichtung erschließen sich die leisen Hintergrundtöne und Querverweise, die zuvor durch die Macht der brachialen Handlungen und der atemberaubenden Bilder ein wenig in den Hintergrund gedrängt werden.

Die Handlung läßt sich in der Tat sehr kurz umreißen: Als der Scout Glass zusammen mit seinem Sohn im Jahre 1823 eine Gruppe von Pelzjägern unter Leitung Captain Andrew Henrys (Domhnall Gleeson) durch die Wildnis des Dakota-Territoriums führt, wird der Trupp kurz vor seiner geplanten Heimkehr von den Arikara-Indianern überfallen, wobei nur ein knappes Dutzend Männer entkommen und ein Bruchteil der erjagten Pelze gerettet werden können. Auf Anraten Glass‘ gibt Henry den Befehl, alsbald das Boot, auf dem sie den Missouri entlangfahren zu verlassen, und auf dem Landweg nach Fort Kiowa zurückzukehren. Einer der Trapper, John Fitzgerald, (Tom Hardy) ist mit diesem Vorschlag ganz und gar nicht einverstanden, vor allem weil er sich dagegen sperrt, die Felle, für die er hart gearbeitet und sein Leben riskiert hat, in einem Versteck zurückzulassen, und weil er Glass und dessen Sohn mißtraut. Hawk ist nämlich zur Hälfte ein Pawnee, und somit gelten er und sein Vater Fitzgerald als Menschen, denen nicht zu trauen ist. Als Glass dann wenig später von einem Grizzlybären – müßte der nicht eigentlich Winterschlaf halten? – schwer verletzt wird und Captain Henry schließlich Hawk, den jungen Bridger (Will Poulter) sowie Fitzgerald als Freiwillige bei Glass zurückläßt, nimmt das Verhängnis seinen Lauf. In der Überzeugung, Glass werde ohnehin sterben und jede weitere Minute des Ausharrens vergrößere die Gefahr, sie in die Hände der Arikara fallen zu lassen, versucht Fitzgerald schließlich, den verhaßten Glass zu töten, wobei er allerdings von Hawk überrascht wird. In Anwesenheit des wehrlosen Vaters ersticht der Trapper den aufgebrachten Sohn und bringt später den nichtsahnenden Bridger dazu, sich aus Angst vor vermeintlich in der Nähe befindlichen Indianern mit ihm abzusetzen. Glass allerdings, für dem Tode geweiht zurückgelassen, sammelt neue Kräfte und macht sich auf nach Fort Kiowa, um Rache zu nehmen.

Wer aufgrund dieser Synopse allerdings annimmt, es handele sich bei „The Revenant“ um einen blutrünstigen Rache-Thriller, wird diesem beeindruckenden Film Unrecht tun, denn das Rachemotiv tritt gegenüber dem Überlebenskampf des Protagonisten mehr oder minder in den Hintergrund. In erhabenen Bildern – wie die Säulen einer Kathedrale ragen beispielsweise die von der Kamera eingefangenen Baumstämme vor dem Hintergrund eines winterkalten Himmels in die Luft – läßt Iñárritu die ehrfurchtgebietende Schönheit der kanadischen Wildnis [1] sich vor den Augen des Zuschauers entfalten, und der so oft für Filme dieses Genres bemühte Satz, die Natur sei der eigentliche Hauptdarsteller des Filmes, kann für „The Revenant“ auf jeden Fall seine Geltung beanspruchen. Gleichzeitig unterstreichen die immer wiederkehrenden Bilder standfester Baumstämme sicher auch die Worte seiner toten Frau, deren Glass des öfteren gedenkt: „When there is a storm and you stand in front of a tree, if you look at its branches, you swear it will fall. But if you watch the trunk, you will see its stability.“ Wenngleich auch der Kampf zwischen Mensch und Natur zum Thema wird – nirgends wohl so augenfällig wie in der berühmten Szene, in der Glass sich gegen die Bärenmutter behaupten muß –, läßt dieser Film doch keinen Zweifel daran, daß der bitterste Feind des Menschen wohl der Mensch ist. Dies wird bereits zu Beginn des Filmes deutlich, wenn wir in assoziativ aneinandergereihten Bildern in einer Rückblende sehen, wie dereinst Glass‘ Familienglück von amerikanischen Soldaten zerstört wurde und wie er um das Leben seines Sohnes kämpfte. Gleich darauf zeigt uns Iñárritu einen Strom, der sich über eine mit Bäumen bewachsene Ebene ergießt – sanft gleitet das Auge der Kamera mit dem rauschenden, klaren Wasser voran, bis plötzlich ein Gewehrlauf ins Bild ragt und wir beim Menschen angekommen sind. Hier haben wir Glass vor uns, vermeintlich am „smarter end“ der Waffe, wie er später sagen wird, der für Nahrung für die Trapper jagt, die ihrerseits gekommen sind, um die Natur rücksichtslos auszubeuten. „You have stolen everything from us. Everything! The land, the animals!“ wird später der Arikara Elk Dog (Duane Howard) zu den französischen Pelzjägern entgegenbringen und den aus dem Hinterhalt erfolgenden Angriff, den wir kurz darauf über die amerikanischen Trapper hereinbrechen sehen, im nachhinein in einem anderen Licht erscheinen lassen – nämlich als einen Akt der Selbstbehauptung, der Verteidigung der eigenen Lebensgrundlagen.

Dennoch läßt sich Iñárritu nicht von den Erzählmustern des Öko-Westerns umtreiben und enthält sich jeglicher gesinnungsorthopädischer Winke mit dem Zaunpfahl. Nicht einmal die von Liebe getragene Beziehung zwischen Glass und seinem Sohn will Iñárritu sentimentalisieren, wodurch diese beiden Figuren auf die mit dem billigen Kitsch amerikanischer Mainstreamfilme gemästeten Mainstreamzuschauer wohl seltsam fremd und distanziert wirken dürften. Abgesehen von den französischen Jägern werden darüber hinaus alle Figuren sehr differenziert gezeichnet: So fühlt sich Glass zwar stark von dem Durst nach Rache beseelt – so stark, daß man dafür argumentieren kann, daß es letztlich auch der Rachedurst ist, der ihm die Kraft zum Überleben leiht –, doch muß auch er am Ende erkennen, daß es sich hierbei um eine Leidenschaft handelt, die sein Leben zwar gegen alle Widrigkeiten erhalten, ihm letztlich jedoch keinen Sinn verleihen kann. Auch Fitzgerald, der in vielen Situationen wohl am ehesten der Definition eines Bösewichtes entsprechen dürfte, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als eine gebrochene Figur, ist doch sein Versuch, Glass zu töten, nur zum Teil auf seine Ablehnung des Scouts zurückzuführen. Viel eher dürfte die Angst, den Arikara in die Hände zu fallen, sein grausames Handeln erklären – und diese Angst wiederum läßt sich zurückführen auf die schlimmen Erfahrungen, die er vor den hier geschilderten Ereignissen mit den Ureinwohnern machte und von denen sein halbskalpierter Schädel immer noch ein grimmes Zeugnis ablegt. [2] Allerdings erscheint denn auch die Grausamkeit der Indianer gegenüber den weißen Eindringlingen anhand der Worte Elk Dogs nachvollziehbar.

Moralische Verstrickungen dieser Art durchziehen die an der Oberfläche so simple Handlung von „The Revenant“ vom Anfang bis zum Ende des Filmes und weisen damit über die Oberfläche eines Survival-Westerns hinaus, indem sie uns letztlich die Frage nach dem Sinn unseres Daseins stellen lassen. Gewiß, die Welt, die uns in „The Revenant“ vorgestellt wird, läßt uns an den Ausspruch Thomas Hobbes‘ denken, nach dem das menschliche Leben „solitary, poor, nasty, brutish, and short“ sei, und man mag sich den Kopf darüber zerbrechen, warum denn Glass seinen Sohn in einer Welt, in der Gott sich als ein verzehrbares fettes Eichhörnchen denken läßt, unbedingt überleben lassen wollte. Allerdings gibt es auch in der grausamen und widrigen Welt von „The Revenant“ Momente des Glücks und der Mitmenschlichkeit, und vielleicht mag der Verweis auf solche Momente – beispielsweise die aufkeimende Freundschaft zwischen Glass und dem Pawnee Hikuc (Arthur RedCloud), die einen ihrer berührendsten Augenblicke erlebt, wenn die zwei Männer unter einem Baum sitzen und wie Kinder mit ihren Zungen Regentropfen auffangen, oder wenn Bridger einer Indianerin in einem niedergebrannten Dorf verstohlen seine Essensration überläßt – dazu hinreichen, diese Frage zu beantworten. Sei dem, wie es wolle – „The Revenant“ ist eine beeindruckende Ode an das Leben, [3] ohne überbordenden Optimismus zu verströmen, und so visualisiert Iñárritu denn auch Glass‘ Worte, nach denen man kämpfe, solange man atme, wiederholt dadurch, daß er Glass‘ Atem die Linse der Kamera beschlagen läßt, als könne er auf diese Weise den Drang zum Leben sichtbar werden lassen.

Besonders das Ende dieses ergreifenden Films bringt diesen Gesang auf das Leben ohne billigen Candide-Optimismus auf den Punkt: Nachdem er alles verloren hat und aus mehreren Wunden blutet, blickt Hugh Glass einen Augenblick lang in die Kamera, so daß er den Zuschauer beinahe unvermittelt anzusehen scheint, und alles, was wir hören, nachdem die Bilder uns längst verlassen haben, ist der Atem dieses Mannes. Wird er weiteratmen, oder wird er dem Gesicht seiner toten Frau folgen, die er in diesem Moment zum ersten Male wieder lächeln sieht? Für mich ist die Sache klar, aber dies muß wohl jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden.

[1] Der finale Kampf zwischen Glass und Fitzgerald wurde freilich wegen eintretender Schneeschmelze im argentinischen Feuerland gedreht.

[2] Interessanterweise ist der halbskalpierte Fitzgerald, der von seinen Feinden beinahe getötet wurde, wohl ebenso ein „Revenant“ wie Hugh Glass, und die Parallelen zwischen beiden dürften hiermit nicht enden.

[3] Wohl nicht zufällig lassen sich drei Situationen, die Glass überstehen muß, als symbolische Wiedergeburten deuten – da wäre zum einen sein Wiederauftauchen aus dem seichten Grab, das Fitzgerald dem noch lebenden Scout gräbt, zum anderen seine Nacht in dem behelfsmäßigen Verschlag, den ihm Hikuc baut, um seine zahlreichen Wunden zu desinfizieren, und zu guter Letzt seine Nacht in dem ausgeweideten Pferdeleib, in dem er vor der Kälte Zuflucht sucht. Auch die Szene, in der ein gewaltiger Baum Glass‘ Sturz mitsamt dem Pferd von einem Felsvorsprung bremst, dürfte wohl mehr als die schamlose Anleihe aus Ted Kotcheffs „First Blood“ (1982) sein, als die sie mein entrüsteter Kinobegleiter seinerzeit identifiziert hat. Denn daß ein Baum Glass‘ Leben rettet, dürfte vor dem Hintergrund der oben zitierten Worte seiner verstorbenen Frau innerhalb der Erzählung durchaus einen tieferen Sinn haben.

Wo kann man The Revenant schauen?

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Disney+ Stand: 09.10.2022. The Revenant - Die Rückkehrer. ... .
WOW Sky Stand: 09.10.2022. ... .
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Wie wurde die Szene mit dem Bären in The Revenant gedreht?

Der Bär wurde mit Hilfe von CGI zum Leben erweckt, am Filmset aber schlüpfte der Stuntman Glenn Ennis in ein blaues Bärenkostüm und wälzte sich mit DiCaprio auf dem Waldboden herum. Diese Szene sei chronologisch gedreht worden, verriet Ennis im Gespräch mit Global News.

Wann kommt The Revenant im Fernsehen?

Kabel Eins zeigt „The Revenant“ am heutigen 2. März 2022 ab 20.15 Uhr – einen brillant inszenierten Film, der es sogar in die ultimative FILMSTARTS-Liste der besten Abenteuerfilme aller Zeiten schaffte.

Wie realistisch ist The Revenant?

„The Revenant“ basiert auf wahren Begebenheiten Hugh Glass war tatsächlich ein Trapper, der im Jahr 1823 von einem Bär angefallen und von seinen Kameraden zum Sterben zurückgelassen wurde – und es jedoch schaffte, trotz Verletzungen und monatelanger Reise in die Zivilisation zurückzukehren.