Warum ist die türkei gegen nato beitritt

Nato-Beitritt von Schweden und Finnland:Warum Erdoğan so knallhart blockiert

26. Mai 2022, 8:44 Uhr

Lesezeit: 4 min

Warum ist die türkei gegen nato beitritt

Recep Tayyip Erdoğan, Präsident der Türkei, stellt harte Forderungen für einen Nato-Beitritt von Schweden und Finnland.

(Foto: Turkish Presidency/AP/dpa)

Die Türkei verhindert im Moment den Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands. Nach einem Treffen der drei Länder bekräftigt Ankara Forderungen - doch in eine Frage kommt offenbar Bewegung.

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Einen doppeldeutigen Willkommensgruß für die Gäste aus Schweden und Finnland hatte der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu schon vom fernen Palästina aus geschickt. "Sie sagen, wir können konkrete Schritte unternehmen", so der Minister. "Wir aber fordern eine schriftliche Vereinbarung."

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Der Ärger der Türkei richtet sich vor allem gegen Schweden und den Umgang mit der kurdischen PKK dort. Der Sprecher von Präsident Erdogan, Ibrahim Kalin, machte am Wochenende klar, dass man mit den schwedischen Kollegen natürlich diskutieren werde: "Wir schlagen die Tür nicht zu. Uns geht’s um die nationale Sicherheit der Türkei."

Türkei sieht Aktivitäten der PKK in Schweden und Finnland

Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu listet in einem aktuellen Artikel angebliche Aktivitäten der PKKin Schweden auf. Diese erwirtschafte dort erhebliche Einnahmen durch Diebstahl, Waffenhandel, Drogenhandel und Erpressung. Außerdem toleriere Schweden Demonstrationen der PKK und ihrer Unterorganisationen.

Weiter berichtet Anadolu von Treffen der schwedischen Regierung mit Vertretern der Kurdenmiliz YPG in Syrien. Die Türkei setzt die YPG mit der PKK gleich. Diese habe ein Büro in Stockholm. Außerdem gebe es eine PKK-Sympathisantin im schwedischen Parlament.

Schweden und Finnland dementieren

Schwedens Außenministerin Ann Linde stellt die Lage aber ganz anders dar. Man sehe die PKK als Terrororganisation an. Und man verurteile deren terroristische Bestrebungen. Auch Finnland erlaube Aktivitäten der PKK, heißt es weiter bei Anadolu. Und auch hier gibt es ein heftiges Dementi vom finnischen Präsidenten Sauli Niinistö: "Die PKK ist in Finnland verboten, weil sie auf der Terrorliste der EU steht. Wenn das zu unklar war, können wir das auch nochmal in Großbuchstaben aufschreiben."

Den Sprecher von Präsident Erdogan, Ibrahim Kalin, scheint all das nicht zu überzeugen. Er forderte von den Regierungen beider Länder, sie dürften im Zusammenhang mit der PKK nicht länger Büros, irgendwelche Aktivitäten, Unter-Organisationen, Anhänger oder sonstiges in ihren Ländern dulden.

Anadolu prangert auch Umgang mit Gülen-Bewegung an

Der Artikel der staatlichen Nachrichtenagentur geht auch auf die Gülen-Bewegung in Schweden ein, die die Türkei ebenfalls als Terrororganisation einstuft. Ankara macht den islamischen Prediger Fetullah Gülen, der an der Spitze der Bewegung steht, für den Putschversuch 2016 verantwortlich. Dazu heißt es in dem Bericht, Stockholm sei nicht bereit, gegen Gülen-Anhänger vorzugehen. Und Anadolu greift auch Finnlands Umgang mit der Bewegung auf. Dort gebe es beispielsweise mehrere Gülen-Schulen.

Ankara beschwert sich regelmäßig auch in Berlin

Die PKK ist nicht nur in der Türkei, sondern auch in den USA und Deutschland verboten. Ankara beschwert sich beispielsweise auch immer wieder in Berlin darüber, dass man nicht entschieden genug gegen sie vorgehe.

Was Schweden und Finnland aber aktuell von den anderen Ländern unterscheidet, ist die Tatsache, dass es eben Finnland und Schweden sind, die an der Tür der Türkei klopfen und etwas von ihr wollen. Sie sind die Bittsteller. Und die Türkei will offensichtlich dbei ihre Chance nutzen, ihre Forderungen durchzusetzen, was die PKK und die Gülen-Bewegung angeht. Das Land will aber auch keine Einschränkungen mehr bei Waffenlieferungen. Die waren vor allem bei der türkischen Offensive 2019 in Nordsyrien innerhalb der EU ein Thema.

Zugeständnisse wohl auf beiden Seiten nötig

Die Türkei will ihre Brücken zu Russland nicht abbrechen. Aber sie will auch die Nato gegenüber Russland nicht schwächen. Zu einem Kompromiss könnte es kommen, wenn Schweden und Finnland ihre Beziehungen zur PKK und deren Parallel-Strukturen eindämmen, sprich: der Türkei Zugeständnisse machen. Das Zugeständnis der Türkei wiederum wäre der Verzicht auf ein Veto.

Denn die Aufnahme neuer Länder in das Verteidigungsbündnis kann nur beschlossen werden, wenn alle 30 Nato-Länder mit Ja stimmen. Auf die Zustimmung der Türkei kommt es also an.

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Wann ist die Türkei in die NATO eingetreten?

Am 18. Februar 1952 wurden Griechenland und die Türkei in die NATO aufgenommen und in Izmir das NATO-Kommando Allied Land Forces South-Eastern Europe (LANDSOUTHEAST) eingerichtet. Am 20. Februar 1952 erhielt die NATO eine ständige Organisation in Paris.

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Sind Schweden und Finnland in der EU?

Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakei, Slowenien, Spanien, die Tschechische ...