Was bedeuten leukozyten im sperma

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Urogenitale Infektionen als Risiko f�r m�nnliche Infertilit�t

Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 339-46; DOI: 10.3238/arztebl.2017.0339

MEDIZIN: �bersichtsarbeit

; Pilatz, Adrian; Hossain, Hamid; Diemer, Thorsten; Wagenlehner, Florian; Weidner, Wolfgang

Klinik und Poliklinik f�r Urologie, Kinderurologie und Andrologie, Universit�tsklinikum Gie�en und Marburg GmbH � Standort Gie�en, Justus-Liebig-Universit�t Gie�en: Prof. Dr. med. Schuppe, PD Dr. med. Pilatz, PD Dr. med. Diemer, Prof. Dr. med. Wagenlehner, Prof. Dr. med. Weidner
Institut f�r Medizinische Mikrobiologie, Universit�tsklinikum Gie�en und Marburg GmbH � Standort Gie�en, Justus-Liebig-Universit�t Gie�en: Dr. med. Hossain

Hintergrund: Bei m�nnlichen Fertilit�tsst�rungen werden Infektionen des Genitaltraktes mit einer Pr�valenz von 6�10�% zu den h�ufigsten Ursachen gerechnet. Die Mehrzahl der betroffenen Patienten ist asymptomatisch. Die Diagnostik st�tzt sich prim�r auf Laboranalysen. Bedingt durch uneinheitliche diagnostische Kriterien gibt es kontroverse Diskussionen zu den Auswirkungen von Infektionen/Entz�ndungen im Genitaltrakt. Das Risiko irreversibler Fertilit�tsst�rungen darf nicht untersch�tzt werden.

Methode: Es erfolgte eine selektive Literaturrecherche in PubMed unter Bezug auf nationale und internationale Leitlinien sowie systematische �bersichtsarbeiten.

Ergebnisse: Wesentliche Ursache von Entz�ndungsreaktionen im m�nnlichen Genitaltrakt sind aszendierende sexuell �bertragbare Infektionen (STI) oder Uropathogene. Der Einfluss der chronischen Prostatitis auf Ejakulatvariablen ist begrenzt. Nach akuter Epididymitis kommt es in circa 10�% der F�lle zu einer persistierenden Azoospermie und in 30�% zu einer Oligozoospermie. Neben Obstruktionen der Samenwege sind auch entz�ndliche Spermatogenesesch�den m�glich. Differenzialdiagnostisch werden hier Hodenvolumina, Hormon- sowie Ejakulatparameter erhoben. Zur Infertilit�t nach infekti�s bedingter, prim�rer Orchitis fehlen epidemiologische Daten, in circa 25�% der wegen Infertilit�t entnommenen Hodenbiopsien finden sich jedoch fokale Entz�ndungsreaktionen. Verschiedene Studien sprechen f�r einen negativen Einfluss von Leukozyten/Entz�ndungsmediatoren auf Spermienparameter, der Stellenwert einer Bakteriospermie ist hingegen unklar.

Schlussfolgerung: Bei Verdacht auf infekti�s-entz�ndlich bedingte Erkrankungen im m�nnlichen Genitaltrakt ist ein systematisches diagnostisch-therapeutisches Vorgehen zu empfehlen. Bei obstruktiver Azoospermie ist die �tiologische Abkl�rung sowie Lokalisation der Obstruktion entscheidend f�r die Planung einer operativen Therapie. Die Aufkl�rung zugrunde liegender Pathomechanismen sowie die Entwicklung geeigneter Biomarker k�nnten neue konservative Therapiestrategien erm�glichen.

Weltweit sind etwa 15 % der Paare im reproduktionsf�higen Alter von Infertilit�t betroffen, wobei erhebliche regionale Unterschiede bestehen (1, 2). In mindestens der H�lfte der F�lle finden sich Fertilit�tsst�rungen auf Seiten des Mannes, zu deren h�ufigsten Ursachen mit einer Pr�valenz von 6�10 % Infektionen und hieraus resultierende Entz�ndungen des Genitaltraktes gerechnet werden (3�5). �tiopathogenetisch spielen aszendierende Infektionen mit sexuell �bertragbaren Erregern wie Chlamydia (C.) trachomatis oder typischen Uropathogenen wie Escherichia (E.) coli eine zentrale Rolle, daneben ist eine h�matogene Ausbreitung systemischer, insbesondere viraler Infektionen zu ber�cksichtigen (5�7). Nosologisch sind Urethritis, Prostatitis/Prostatovesikulitis, Epididymitis/Epididymo-Orchitis und Orchitis zu unterscheiden. Mit Blick auf die Einwirkung von Erregern oder Erregerbestandteilen sowie Entz�ndungszellen und ihren Mediatoren muss insbesondere in Hoden und Nebenhoden mit irreversiblen Sch�den gerechnet werden (Tabelle 1) (7�9).

Was bedeuten leukozyten im sperma

Organabh�ngige Exposition von Keimzellen bzw. Spermien gegen�ber Erregern oder Erregerbestandteilen sowie an Entz�ndungsprozessen beteiligten Zellen und ihren Mediatoren

Die mit akuten Infektionen einhergehenden Krankheitsbilder lassen sich eindeutig diagnostizieren, entsprechende Empfehlungen zur Therapie und zum Umgang mit Komplikationen sind etabliert (e1, e2). Die Mehrzahl der Patienten mit Fertilit�tsst�rungen und Hinweisen auf Infektionen/Entz�ndungen des Urogenitaltraktes ist jedoch asymptomatisch, was eine hohe Rate chronischer Verl�ufe nahelegt (7, 8). Hier st�tzt sich die Diagnostik haupts�chlich auf den Erregernachweis, erh�hte Leukozytenzahlen und/oder Entz�ndungsmediatoren in Ejakulat, Prostatasekret und Urinproben. Eine kompartimentspezifische Differenzialdiagnostik ist schwierig, weshalb pathologische Befunde gem�� Welt­gesund­heits­organi­sation (WHO) zumeist unter der Bezeichnung �Samenwegsinfektion� (�male accessory gland infection�, MAGI) zusammengefasst werden (eTabelle) (10). Kritisch ist hierbei die fehlende Unterscheidung zwischen �Infektion� und �Entz�ndung�, da auch prim�r nichterregerbedingte Entz�ndungsreaktionen vorkommen (Kasten) (11). Ebenso bleiben asymptomatische testikul�re Entz�ndungsreaktionen in den WHO-Kriterien unber�cksichtigt (7). Dementsprechend kontrovers werden m�gliche Auswirkungen urogenitaler Infektionen auf die m�nnliche Fertilit�t und ihre Therapie diskutiert (5). Vor diesem Hintergrund erscheint es praxisrelevant, den aktuellen Kenntnisstand zusammenzufassen und Empfehlungen zum diagnostisch therapeutischen Vorgehen zu formulieren.

WHO-Kriterien zur Diagnose einer �male accessory gland infection� (MAGI) (modifiziert nach [10])

Pathogenese m�nnlicher Fertilit�tsst�rungen infolge urogenitaler Infektionen

Methode

Die �bersicht basiert auf einer selektiven Literaturrecherche in PubMed mit den Suchbegriffen: �male infertility�, �bacteriospermia�, �leukocytospermia�, �urogenital infection�, �male accessory gland infection + MAGI�, �inflammation�, �chronic urethritis�, �chronic prostatitis + CP/CPPS�, �epdidymitis, orchitis�. Dar�ber hinaus wurden aktuelle Leitlinien einbezogen.

Krankheitsbilder

Chronische Prostatitis

Circa 10 % aller M�nner leiden an Symptomen eines Prostatitissyndroms wie Beckenschmerz und irritativen Miktionsbeschwerden (12). Unter diesen Patienten betr�gt die H�ufigkeit einer chronisch bakteriellen Prostatitis allerdings lediglich 5�10 %. Nach der Klassifikation des National Institute of Health (NIH) ist die chronisch bakterielle Prostatitis (Kategorie II) vom entz�ndlichen (Kategorie IIIA) oder nichtentz�ndlichen Beckenschmerzsyndrom (Kategorie IIIB) zu unterscheiden (e3).

Definitionsgem�� finden sich bei der chronisch bakteriellen Prostatitis in der 2-Gl�ser-Probe mindestens 10-fach h�here Keimzahlen im Urin nach Prostatamassage als im Anfangsurin, in 50 % der F�lle findet man auch eine signifikante Keimzahl des gleichen Erregers im Ejakulat (Bakteriospermie) (Grafik 1) (12). Neben dem Erregerspektrum komplizierter Harnwegsinfektionen k�nnen auch atypische und Erreger sexuell �bertragbarer Infektionen (STI, �sexually transmitted infections�) eine Rolle spielen (6, e4, e5). Dar�ber hinaus gehen Erkrankungen der NIH-Kategorien II und IIIA mit erh�hten Leukozytenzahlen in Prostatasekret beziehungsweise Urin nach Prostatamassage und Ejakulat einher (Grafik 1) (12). Als Entz�ndungsmarker wurde insbesondere Interleukin 8 (IL-8) herausgestellt, der diagnostische Stellenwert der klassischen biochemischen Ejakulatparameter ist dagegen gering (e6, e7) (Tabelle 2).

Fraktionierte Gewinnung und Untersuchung urogenitaler Sekrete: Kombination der �2-Gl�ser-Probe� mit einer nachfolgenden Ejakulatanalyse (modifiziert nach [e8])

Ejakulatver�nderungen bei chronisch entz�ndlichen Prozessen im m�nnlichen Genitaltrakt

Angesichts der Pr�valenz der Erkrankung auch bei j�ngeren M�nnern stellt sich die Frage nach dem m�glichen Einfluss einer chronischen Prostatitis auf die Fertilit�t. Ergebnisse bisheriger Studien sind kontrovers. K�rzlich publizierte Metaanalysen legen einen negativen Einfluss auf die Spermienmotilit�t und -morphologie nahe (13, e8�e10) (Tabelle 2). Die Aussagekraft eines Basisspermiogramms ist jedoch limitiert, wie Ver�nderungen der Spermienfunktion und epigenetischer Marker bei Patienten mit chronischer Prostatitis verdeutlichen (14, e11).

Epididymitis, Epididymo-Orchitis und Orchitis

Die j�hrliche Inzidenz der akuten Epididymitis betr�gt circa 400/100 000 M�nner (15). Die Leitsymptome Schmerz und Schwellung des Nebenhodens manifestieren sich zumeist unilateral. Bei bis zu 60 % der Patienten liegt eine Hodenbeteiligung vor, sodass viele Autoren prim�r von einer Epididymo-Orchitis sprechen (7). �tiologisch ist die Aszension bakterieller Erreger von der Urethra in den Nebenhoden von zentraler Bedeutung. Am h�ufigsten sind typische Uropathogene wie E. coli oder STI-Erreger nachzuweisen (16).

Ein Zusammenhang zwischen Epididymitis/Epididymo-Orchitis infolge einer durch STI-Erreger ausgel�sten Urethritis und einer gest�rten Fertilit�t ist �tiopathogenetisch plausibel (e12, e13). Die in der akuten Erkrankungsphase beobachtete Abnahme der Spermienkonzentration im Ejakulat ist meist im Verlauf von 3�6 Monaten reversibel, in einer gepoolten Analyse wiesen jedoch circa 10 % der Patienten eine persistierende Azoospermie und weitere 30 % eine Oligozoospermie auf (13). Proteomanalysen legen nahe, dass trotz erregergerechter antimikrobieller Therapie zus�tzlich zur Reduktion der Spermienkonzentration qualitative Ver�nderungen der Spermien auftreten (e14). Auch Virulenzfaktoren der Erreger wie zum Beispiel H�molysine k�nnen den Krankheitsverlauf beeinflussen (e15).

Wenngleich epidemiologische Daten zur Chronifizierung der Epididymo-Orchitis fehlen, gilt die Hodenatrophie mit dauerhaftem Verlust der Spermatogenese als gef�rchtete Komplikation (7, e16). Eine aktuelle Sonographiestudie mit 80 Patienten mit unilateraler Epididymitis/Epididymo-Orchitis konnte allerdings zeigen, dass sich das Hodenvolumen verglichen mit der gesunden Gegenseite nach initialer Zunahme wieder normalisiert, ohne in eine Hodenatrophie zu m�nden (17). Diese Daten sprechen daf�r, dass Obstruktionen der Samenwege als Ursache persistierender Einschr�nkungen der Ejakulatqualit�t eine wichtige Rolle spielen.

Prim�re Hodenentz�ndungen werden zumeist infolge einer h�matogenen Ausbreitung systemischer, viraler Infektionen (zum Beispiel Mumps) beobachtet, chronisch granulomat�se Orchitiden k�nnen im Rahmen einer Tuberkulose, lepromat�sen Lepra, Syphilis oder Brucellose auftreten (7, 18). Epidemiologische Daten zur H�ufigkeit einer Azoospermie beziehungsweise Infertilit�t nach infekti�s bedingter Orchitis fehlen weitgehend. Eine mongolische Studie belegt das erh�hte Risiko f�r Einschr�nkungen der Ejakulatqualit�t nach Mumps-Orchitis beziehungsweise Orchitiden anderer Genese (Odds Ratios [OR]: 3,4 beziehungsweise 2,3) (19).

Bemerkenswerterweise finden sich bei circa 25 % der M�nner, die sich wegen Infertilit�t einer Hodenbiopsie unterziehen, asymptomatische testikul�re Entz�ndungsreaktionen. Die meist fokalen, lymphozyt�ren Infiltrate korrelieren mit dem Sch�digungsgrad der Spermatogenese und klinisch endokrinologischen Parametern der Hodenfunktion (7). Anamnestisch geben allerdings nur circa 2 % dieser Patienten eine fr�here (Epididymo-)Orchitis an.

Infekti�s-entz�ndlich bedingte Obstruktionen der Samenwege

Die Verlaufsbeobachtungen nach akuter Epididymitis weisen auf das Risiko einer infekti�s-entz�ndlich bedingten Azoospermie hin (13). Verglichen mit Obstruktionen des Ductus epididymidis oder Ductus deferens sind Verschl�sse der Ductus ejaculatorii selten (20, e17). Bei einer Gesamtpr�valenz der Azoospermie in andrologischen Sprechstunden von 5�15 % liegt in circa 40 % der F�lle eine sogenannte obstruktive Azoospermie vor, der Anteil infekti�s-entz�ndlich bedingter Verschl�sse hieran reicht in Studien von 18�47 % (21, e18, e19).

Die Differenzialdiagnose der obstruktiven Azoospermie st�tzt sich neben normalen Hodenvolumina sowie FSH-Spiegeln (FSH, follikelstimulierendes Hormon) im Serum als Ausdruck einer erhaltenen Spermatogenese auf Volumen, pH-Wert und biochemische Parameter des Ejakulats (Tabelle 1) (22, e1). Die Abgrenzung infekti�s-entz�ndlich erworbener von kongenitalen Formen der obstruktiven Azoospermie sowie die Lokalisation des Verschlusses sind entscheidend, um gegebenenfalls operative Therapieoptionen wie die Vasoepididymostomie nutzen zu k�nnen (20, e18, e20).

Asymptomatische Patienten mit Kinderwunsch

Die Pr�valenzangaben von Infektionen und Entz�ndungen des Genitaltraktes als Ursache m�nnlicher Sub- beziehungsweise Infertilit�t beziehen sich zumeist auf eine �male accessory gland infection� (MAGI) gem�� der WHO-Klassifikation (eTabelle) (10). Aufgrund fehlender nichtinvasiver diagnostischer Marker bleiben asymptomatische testikul�re Entz�ndungsreaktionen unber�cksichtigt (7). W�hrend aus andrologischen Sprechstunden in Deutschland H�ufigkeiten von circa 9 % berichtet werden (4, 5), kann der Anteil in L�ndern ohne ausreichende medizinische Versorgung �ber 30 % betragen (23). Diese regionalen Unterschiede legen einen direkten Zusammenhang zwischen dem Vorkommen von STI und sekund�rer Infertilit�t nahe (2, e21).

Eine Bakteriospermie spiegelt aufgrund der Kontamination von Ejakulatproben mit urethralen Kommensalen nicht unbedingt eine Genitalinfektion wider (6, 24). Zur Differenzierung einer �signifikanten� Bakteriospermie wurde f�r uropathogene Bakterien ein Grenzwert von � 103 koloniebildenden Einheiten/mL vorgeschlagen (5, e22). In einer kanadischen Studie mit fast 5 000 subfertilen M�nnern fand sich allerdings nur bei gleichzeitig erh�hten Leukozytenzahlen im Ejakulat ein Zusammenhang zwischen einer bei 15 % der Untersuchten festgestellten Bakteriospermie und Spermiogrammvariablen (25). Trotz einer hohen Pr�valenz positiver Befunde bei der Polymerasekettenreaktion (PCR) f�r C. trachomatis und Mycoplasma spp. sind die Studienergebnisse in Bezug auf einen Zusammenhang mit der Ejakulatqualit�t widerspr�chlich, jedoch wurden signifikante Effekte auf Spermienfunktion und -qualit�t gezeigt (26, e23�e26). Der Einfluss humaner Papillomviren, f�r die eine Pr�valenz von 10�36 % im Ejakulat berichtet wurde (27), l�sst sich noch nicht abschlie�end bewerten. Trichomonas-vaginalis-Infektionen kommt nach heutigem Kenntnisstand keine Bedeutung bei Fertilit�tsst�rungen des Mannes zu (5).

Die pathologische Relevanz einer Leukozytospermie, das hei�t der von der WHO vorgeschlagene Grenzwert f�r Peroxidase-positive Zellen im Ejakulat von 106/mL, wird kontrovers diskutiert (9, 22, e27, e28). Bei subfertilen M�nnern wurde jedoch ein negativer Zusammenhang zwischen Leukozytenzahl und Spermienkonzentration, -motilit�t sowie -morphologie gezeigt (e27, e29, e30). Eine negative Assoziation fand sich auch zwischen der Anzahl neutrophiler Granulozyten im Ausstrichpr�parat und Variablen des Basisspermiogramms sowie der Spermien-DNA-Integrit�t (25). Die Vorhersagekraft einer Leukozytospermie in Bezug auf den Nachweis relevanter Bakterien oder Viren ist dagegen gering (25, 28).

Infektionen beziehungsweise Entz�ndungen des m�nnlichen Genitaltrakts k�nnen neben Einschr�nkungen der Spermienmotilit�t auch St�rungen weiterer, essenzieller Spermienfunktionen nach sich ziehen (Tabelle 2) (14, e31). Bereits unterhalb des WHO-Grenzwertes von 106 Leukozyten/mL ist eine oxidative Sch�digung der Spermien einschlie�lich DNA-Fragmentierung durch erh�hte Spiegel reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) im Ejakulat m�glich (e32, e33). Eine Assoziation besteht auch zwischen Granulozytenelastase beziehungsweise Zytokinen im Ejakulat und DNA-Fragmentierung der Spermien (e34). Als Quelle proinflammatorischer Zytokine spielen Makrophagen eine vorherrschende Rolle (29, 30, e35, e36).

F�r die sogenannte immunologisch bedingte Infertilit�t, den Nachweis spermienimmobilisierender beziehungsweise -agglutinierender Autoantik�rper im Ejakulat, wird eine Pr�valenz von 4�6 % angegeben (4, e37, e38). W�hrend nach einer Vasektomie �ber 50 % der Betroffenen Spermienautoantik�rper aufweisen, gilt die Induktion infolge von Infektionen/Entz�ndungen im Genitaltrakt nicht als gesichert (31, 32). Eine Kreuzreaktivit�t erregerspezifischer Antik�rper mit Spermienantigenen als Ursache einer Assoziation zwischen Helicobacter-pylori-Infektionen und m�nnlicher Infertilit�t wird diskutiert (e39).

Diagnostik urogenitaler Infektionen und Entz�ndungen

Klinische Diagnostik

Neben fertilit�tsrelevanten Aspekten gilt anamnestisch die besondere Aufmerksamkeit Vorerkrankungen wie STI sowie anderen urogenitalen und systemischen Infektionen. Zur Erfassung von Sexualfunktionsst�rungen und prostatitisassoziierten Symptomen existieren validierte Frageb�gen (e1, e40).

Die klinische Untersuchung der Genitalorgane sollte grunds�tzlich durch eine Sonographie des Skrotalinhalts erg�nzt werden (33). Mittels farbkodierter Duplexsonographie lassen sich Vaskularisation und Perfusion der Organe darstellen (17). Die transrektale Sonographie ist bei Verdacht auf eine abszedierende Prostatitis unerl�sslich, die Relevanz der h�ufig anzutreffenden Prostatakalzifikationen dagegen fraglich (e8).

Bei akuten urogenitalen Infektionen/Entz�ndungen sind Blutbild sowie die CRP- und Serum-PSA-Bestimmung (als Hinweis auf eine Begleitprostatitis) hilfreich (CRP, C-reaktives Protein; PSA, prostataspezifisches Antigen). Zur Beurteilung der endokrinen Hodenfunktion sollte ein Hormonstatus erhoben werden (basal: follikelstimulierendes Hormon [FSH], luteinisierendes Hormon [LH], Gesamttestosteron; erweitert: Estradiol, sexualhormonbindendes Globulin [SHBG], Inhibin B).

Fraktionierte Gewinnung und Untersuchung urogenitaler Sekrete

In Kombination mit Ejakulatuntersuchungen wurde zur Lokalisation von Entz�ndungen/Infektionen im m�nnlichen Genitaltrakt, insbesondere zur Diagnostik der Prostatitis, die sogenannte 4-Gl�ser-Probe etabliert (12). Hierbei erfolgen vergleichende, quantifizierende Untersuchungen von Urinportionen vor und nach Prostatamassage sowie Prostataexprimat. Als vereinfachte Vorgehensweise hat sich eine 2-Gl�ser-Probe bew�hrt (Grafik 1) (12).

Untersuchung des Ejakulats

Die Untersuchung des Ejakulats nach WHO-Empfehlungen (22) ist ein zentraler Bestandteil der Diagnostik von Infektionen und Entz�ndungsprozessen im m�nnlichen Genitaltrakt. F�r die Beurteilung der Fertilit�t stellen Spermienkonzentration/-gesamtzahl, -motilit�t und -morphologie allerdings lediglich Surrogatparameter dar. Auch im Hinblick auf pathologische Ver�nderungen infolge von Infektionen/Entz�ndungen sind sie nicht spezifisch. Ejakulatvolumen, pH-Wert und biochemische Parameter spiegeln die sekretorische Funktion der akzessorischen Dr�sen wider (Tabelle 1). Spermienagglutinationen k�nnen ein Hinweis auf membrangebundene Autoantik�rper sein (IgG, IgA; Nachweis mittels �mixed antiglobulin reaction�-Test) (22).

Die Quantifizierung von Leukozyten als Entz�ndungsmarker im Ejakulat st�tzt sich auf den Nachweis Peroxidase-positiver Granulozyten (5, 22). Dar�ber hinausgehende Analysen werden von der WHO derzeit noch als fakultativ/experimentell eingestuft. Im Vergleich zur Peroxidase-Methode weist die immunzytochemische Detektion beziehungsweise Flowzytometrie von Leukozyten eine deutlich h�here Sensitivit�t auf und erm�glicht die Differenzierung von Leukozyten-Subpopulationen im Ejakulat (22, 29). Als weitere Entz�ndungsindikatoren dienen Granulozyten-Elastase und proinflammatorische Zytokine (8, e8, e34, e41).

Mikrobiologische Untersuchungen

Bei Verdacht auf urogenitale Infektionen werden Urinproben und Sekrete beziehungsweise Abstriche mikrobiologisch untersucht (Grafik 1). Allerdings k�nnen urogenitale Proben durch die physiologische Flora der Urethra verunreinigt werden, zum Beispiel durch S. epidermidis und vergr�nende Streptokokken (Viridans-Gruppe). Diese Bakterien sind in der Regel als apathogen einzustufen. Bei gesunden M�nnern sind nur etwa 10 % der urogenitalen Proben keimfrei (5, 24). Dagegen k�nnen fakultativ pathogene Bakterien wie Enterobakterien (zum Beispiel E. coli, Klebsiella spp., Proteus spp.), Enterokokken, Ureaplasmen, Mycoplasmen und Staphylococcus (S.) saprophyticus sowie obligat pathogene Bakterien wie Neisseria (N.) gonorrhoeae und C. trachomatis eine Infektion ausl�sen (6).

Gem�� mikrobiologisch infektiologischen Qualit�tsstandards (MiQ) muss daher bei der Untersuchung urogenitaler Proben zur Bewertung der �tiologischen Relevanz sowohl der Keim als auch die Keimzahl bestimmt werden (e42). Ebenfalls entscheidend sind die sachgem��e Probenabnahme, -transport und -verarbeitung innerhalb von 2�4 Stunden nach Gewinnung (e43). Zu den pr�analytischen Fehlern z�hlt die fehlende Reinigung der Harnr�hren�ffnung und ihrer Umgebung; eine mikrobiologische Untersuchung des Ejakulats ist nur nach vorheriger Miktion sinnvoll (22, e42).

Zwecks Erregernachweis in urogenitalen Sekreten ist eine Kombination aus Kultur und Nukleins�ure-Amplifikationstechniken (NAT) vorteilhaft (34�36). Mittels kultureller Verfahren werden schnell wachsende Bakterien nachgewiesen (e42), mittels kulturunabh�ngiger NAT schwer kultivierbare und sehr empfindliche Bakterien (zum Beispiel STI-PCR) (e44). Bei negativer Kultur und negativer STI-PCR kann zus�tzlich eine universelle Bakterien-PCR eingesetzt werden, die als Zielsequenz das in allen Bakterien hochkonservierte 16S rDNA-Gen benutzt. Die hochsensitive universelle Bakterien-PCR mit nachfolgender Sequenzierung erkennt 99 % der humanpathogenen Bakterien (16, 36, e45). Hierdurch k�nnen Bakterien nachgewiesen werden, die kulturellen Methoden oder STI-PCR entgehen.

Therapieoptionen

Therapieziele sind die Reduktion beziehungsweise Eradikation pathogener Bakterien im Ejakulat beziehungsweise Prostatasekret, die Normalisierung von Entz�ndungsparametern sowie eine Verbesserung eingeschr�nkter Spermienparameter. Die antibiotische Behandlung asymptomatischer, bez�glich ihrer Akuit�t nicht sicher zuzuordnender Genitaltraktinfektionen bei unerf�lltem Kinderwunsch erfolgt nach den prim�r f�r akute beziehungsweise symptomatische Krankheitsbilder formulierten Empfehlungen (16, e1, e2) (Grafik 2). Bei Nachweis von STI ist eine leitliniengerechte antimikrobielle Therapie unter Einbeziehung der Partnerin obligat (37, 38, e46). Bei Uropathogenen richtet sich die Therapie nach Keimzahlen und Resistenzbestimmung; liegt keine chronisch bakterielle Prostatitis oder symptomatische Epididymitis vor, sollte der mikrobiologische Befund zun�chst in einer Verlaufsuntersuchung best�tigt werden. Bei Notwendigkeit einer ad-hoc-Therapie symptomatischer Patienten gelten Fluorchinolone mit Aktivit�t gegen C. trachomatis aufgrund ihrer guten lokalen Gewebepenetration als Mittel der Wahl (e2, 12, 16).

Algorithmus zum Management urogenitaler Infektionen/Entz�ndungen bei M�nnern mit Fertilit�tsst�rungen

Am Beispiel der Epididymitis/Epididymo-Orchitis wird deutlich, dass die Entwicklung einer persistierenden Sub- oder Infertilit�t trotz Erreger-eradizierender antibiotischer Akuttherapie nicht vorhersagbar ist (13, 16, e47). Ebenso bewirkt eine antibiotische Behandlung bei MAGI nicht notwendigerweise eine verbesserte Konzeptionsrate (e48, e49). Obwohl negative Effekte von Antibiotika, wie zum Beispiel Sulfonamiden oder Tetrazyklinen, auf die Spermatogenese beziehungsweise Spermienfunktion beschrieben wurden, sind irreversible Therapiefolgen hier �u�erst unwahrscheinlich (e50). Vielmehr ist von einer Induktion zellul�rer und humoraler Immunantworten im Genitaltrakt auszugehen (Kasten) (39). Trotz der diagnostischen Unzul�nglichkeiten kommt somit bei Entz�ndungszeichen im Ejakulat (ohne Erreger beziehungsweise nach antibiotischer Therapie) die Gabe nichtsteroidaler Antiphlogistika in Betracht, f�r die in einigen offenen Studien eine Verbesserung der Ejakulatqualit�t unter R�ckgang der Leukozytenzahlen gezeigt wurde (e51, e52) (Grafik 2). �hnliche Ergebnisse finden sich f�r Mastzellblocker (e53, e54). Schwache Evidenz besteht f�r die therapeutische Wirksamkeit adjuvanter Medikationen wie Antioxidanzien (e55). Bei Nachweis von Spermien-Autoantik�rpern wird heute der assistierten Reproduktion anstelle einer Immunsuppression mit Glukokortikosteroiden der Vorzug gegeben (e8, e56).

(Re-)fertilisierende Eingriffe betreffen Verschl�sse am Nebenhoden und im Verlauf des Ductus deferens (mikrochirurgische Vasoepididymo- beziehungsweise Vasovasostomie) sowie die zentralen Areale der Prostata (transurethrale Resektion des Ductus ejaculatorius) (20). Bei nichtobstruktiver Azoospermie infolge einer Epididymo-Orchitis beziehungsweise Orchitis verbleibt lediglich die M�glichkeit einer multilokul�ren Hodenbiopsie zur testikul�ren Spermienextraktion (20, 40).

Res�mee

Erregergerechte antibiotische Therapien f�hren nicht immer zur Restitution von Spermienparametern beziehungsweise Fertilit�t. Neue diagnostische Verfahren (zum Beispiel Transkriptom- und Proteomanalysen) er�ffnen die M�glichkeit, Entz�ndungsreaktionen infolge persistierender Infektionen von postinfekti�sen, prim�r nichtinfekti�sen sowie autoimmunologischen Prozessen zu differenzieren, gegebenenfalls auch kompartimentspezifische Marker zu identifizieren. Diese Verfahren sowie die Erforschung der zugrunde liegenden Pathomechanismen bilden die Grundlage f�r die Etablierung neuer Therapiestrategien.

F�rderung
Die Autoren wurden als Mitglieder des Schwerpunkts �M�nnliche Infertilit�t bei Infektion und Entz�ndung (MIBIE)� der Landesoffensive zur Entwicklung wissenschaftlich-�konomischer Exzellenz (LOEWE) durch das Land Hessen gef�rdert.

Interessenkonflikt

Prof. Schuppe erhielt Vortragshonorare von den Firmen Merck-Serono und Ferring.

PD Dr. Diemer unterh�lt Aktien der Firma Lilly Deutschland GmbH. Er erhielt Honorare f�r Beratert�tigkeit von den Firmen AMS, Jenapharm, Bayer Vital, Cheplapharm und Pfizer.

Prof. Wagenlehner wurde honoriert f�r Beratert�tigkeit und erhielt Studienunterst�tzung (Drittmittel) von den Firmen Achaogen, Astellas, AstraZeneca, Bionorica, Calixa Pharmaceuticals, Cerexa Pharmaceuticals, Cubist Pharmaceuticals, LEO, MSD, Pfizer, Rempex Pharmaceuticals, Rosen Pharma, Shionogi und Vifor Pharma.

Die �brigen Autoren erkl�ren, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten
eingereicht: 13. 7. 2015, revidierte Fassung angenommen: 13. 3. 2017

Anschrift f�r die Verfasser
Prof. Dr. med. Hans-Christian Schuppe
Sektion Konservative Andrologie
Klinik und Poliklinik f�r Urologie, Kinderurologie und Andrologie
Universit�tsklinikum Gie�en und Marburg GmbH � Standort Gie�en
Gaffkystra�e 14, 35392 Gie�en
Hans-Christian.

Zitierweise
Schuppe HC, Pilatz A, Hossain H, Diemer T, Wagenlehner F, Weidner W: Urogenital infection as a risk factor for male infertility. Dtsch Arztebl Int 2017; 114: 339�46. DOI: 10.3238/arztebl.2017.0339

The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de

Zusatzmaterial
Mit �e� gekennzeichnete Literatur:
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eTabelle:
www.aerzteblatt.de/17m0339 oder �ber QR-Code

Woher kommen Bakterien im Sperma?

Manchmal hat verminderte Fertilität eine nachweisbare Ursache. Oft bleibt sie jedoch ungeklärt und wird der Umweltverschmutzung, zu viel Stress, Schlafproblemen oder Faktoren des Lebensstils zugeschrieben. Schätzungen zufolge verursachen jedoch asymptotische Infektionen 30 bis 40 % der Fälle.

Kann man Bakterien im Sperma haben?

Die Samen- oder Spermakultur ermöglicht den Nachweis von Mikroorganismen im Sperma. Unter normalen Bedingungen sollte das Sperma keine Bakterien oder Pilze enthalten.

Wie sollte ein gutes Spermiogramm aussehen?

Spermiogramm Normalbefunde Morphologie: Das normale Erscheinungsbild sollte bei mindestens 4 Prozent der Spermien im Ejakulat aufweisbar sein. Anteil der lebenden Spermien: Mindestens 58 Prozent der Spermien müssen lebendig sein.

Was ist ein gutes Spermiogramm?

Spermiogramm: WHO-Richtwerte Die Spermiogramm-WHO-Richtwerte besagen zum Beispiel, dass Männer als fruchtbar gelten, wenn die Konzentration der Samenzellen mindestens 15 Millionen Spermien pro Milliliter Ejakulat beträgt. Liegt die Zahl darunter, spricht man von einer Oligozoospermie.