Welches Auto fährt der Chef der Deutschen Umwelthilfe

Es herrscht Stau in der Hauptstadt. Wie auf einer Perlenkette reihen sich Limousinen im Berliner Regierungsviertel aneinander. Die Fahrer tragen schwarze Sakkos und weiße Hemden mit gesteiftem Kragen. Auf den Rückbänken hinter schwarzen Scheiben sitzen Bundestagsabgeordnete auf dem Weg zum Parlament, Minister fahren zu Pressekonferenzen, Parteispitzen sind unterwegs in ihre Zentralen. Während die Wagen stehen, röhren die Motoren, beim kalten Wind in der Hauptstadt laufen die Antriebe auf Hochtouren. Ob BMW, Audi oder Mercedes – ein kleines „E“ am Ende des Kennzeichens, Symbol für ein Elektrofahrzeug, prangt kaum an den Kennzeichen.

1,9 Kilometer Fußweg trennen die Zentrale der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und die Bundespressekonferenz im Herzen des Regierungsviertels. Zu Fuß dürfte man an diesem Morgen schneller durch die Hauptstadt gekommen sein. Auf einem Podium sitzt Barbara Metz, stellvertretende DUH-Chefin, und wettert genau über diese Fahrzeugschlange, die sich gerade durch Berlin windet. Dienstwagen werden „immer größer, durstiger, Sprit-gieriger“, beklagt sie. Warum? „Die Bundesregierung tanzt nach der Pfeife der Automobilindustrie“, sagt sie.

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Das jedenfalls geht aus der 13. Dienstwagen-Umfrage der Umweltorganisation hervor, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Sie kommt zu dem Ergebnis: Kein einziger Dienstwagen der Regierungspolitiker im Bund und in den Ländern hält den EU-Flottengrenzwert für CO2 im Realbetrieb ein.

Ausgerechnet einen Minister trifft die Untersuchung besonders hart: CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer lasst sich mit dem höchsten realen CO2-Ausstoß durch die Republik fahren. Auf Landesebene fährt der Bremer Regierungschef Andreas Bovenschulte mit dem CO2-ärmsten Pkw, erneuter Negativspitzenreiter unter den Regierungschefs ist der Berliner Landesvater Michael Müller. Seine Limousine Mercedes-Benz S-Guard 600 soll im realen Betrieb satte 408 Gramm CO2 je Kilometer ausstoßen.

245 Spitzenpolitiker wurden abgefragt

Einen strategisch klugen Zeitpunkt hat sich die Umwelt-Lobbyorganisation ausgesucht, um solche Zahlen zu präsentieren. Gerade ist im spanischen Madrid die zweite Woche der Weltklimakonferenz gestartet. Sie gilt als entscheidungsträchtige Woche, soll die weltweite Klimapolitik entscheidend voranbringen. Deutschlands politische Lenker unter Druck setzen sollen nun zeitgleich die DUH-Zahlen: Kein einziger der 237 untersuchten Politiker-Dienstwagen hält den seit 2015 geltenden EU-CO2-Flottengrenzwert von 130 g CO2 je Kilometer im Realbetrieb ein. Dieses Bild passe, sagt die DUH, „zur Klimapolitik dieser Bundesregierung und setzt sich auch bei der aktuellen Weiterentwicklung der Dienstwagenbesteuerung und der geplanten Kaufprämie für Pseudo-Elektro-Pkw fort“.

Insgesamt wurden für die Umfrage 245 Spitzenpolitiker auf Bundes- und Landesebene mit 237 Fahrzeugen abgefragt. Davon sind 143 Fahrzeuge mit reinem Dieselantrieb, 74 mit Plug-in-Hybridantrieb und 17 Pkw ganz konventionelle Benziner. Erstmals gibt es aber auch drei Fahrzeuge mit reinem Elektroantrieb.

Trotzdem: Mit einem durchschnittlichen realen CO2-Ausstoß von etwa 225 g pro Kilometer liegen die Dienstwagen deutlich mehr als 100 Prozent oberhalb des ab dem kommenden Jahr geltenden EU-Flottengrenzwertes von 95 Gramm, aber auch 70 Prozent höher als der EU-Zielwert des Jahres 2015 in Höhe von 130 Gramm. „Kein einziger Dienstwagen hält mit dem realen CO2-Ausstoß die EU-Vorgaben ein“, fasst die Umwelthilfe zusammen. „Bei unserem Dienstwagencheck 2019 zeigt sich einmal mehr, dass weder Politiker noch Autobauer verstanden haben, wofür die Menschen seit über einem Jahr auf die Straße gehen“, kommentiert Barbara Metz, stellvertretende DUH-Chefin, die Ergebnisse bei einer Pressekonferenz. Statt „Spritschlucker-Limousinen“ brauche es sparsamere Fahrzeuge, „idealerweise mit reinem Elektroantrieb“.

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Doch die scheinen besonders im Bundeskabinett unbeliebt zu sein. Auf Negativspitzenreiter Scheuer folgen Christine Lambrecht, Svenja Schulze, Hubertus Heil und Peter Altmaier – allesamt mit einem realen Ausstoß von über 230 Gramm CO2 pro Kilometer. Die niedrigsten Werte erreichen Julia Klöckner und Gerd Müller – mit immer noch hohen 216 Gramm. Bei Stephan Kühn, Sprecher für Verkehrspolitik bei den Grünen im Bundestag, stoßen die Ergebnisse auf Unverständnis: „Wie ernst es Verkehrsminister Scheuer mit dem Klimaschutz meint, sieht man an seinem überdimensionierten Dienstwagen mit überschaubarer elektrischer Reichweite. Mit einem solchen PS-Schlitten kann Scheuer nicht glaubwürdig für eine Verkehrswende eintreten“, meint Kühn.

Bei öffentlichen Beschaffungen müsse deshalb eine Umkehr der Beweislast gelten, fordert der Abgeordnete, „sodass Verbrenner nur dann angeschafft werden dürfen, wenn kein reines E-Fahrzeug genutzt werden kann“. Gleichzeitig stünden Autohersteller in der Pflicht, die Reichweite von Plug-In-Hybriden deutlich zu erhöhen.

Zur Wahrheit gehört aber ebenfalls: Auch ohne schwarz-rote Regierung und mit Beteiligung der Grünen gibt es keinen Freifahrtschein für eine klimafreundliche Dienstwagenflotte. Im Bundesländervergleich steht ausgerechnet das schwarz-grün regierte Hessen mit einem durchschnittlichen realen Ausstoß der Fahrzeuge von 255 Gramm je Kilometer auf dem letzten Platz.

Der BMW 740Le xDrive iPerformance – ein Hybrid – der grünen hessischen Verkehrsministerin Priska Hinz liegt mit 243 Gramm CO2 pro Kilometer bei allen Umweltministern auf dem letzten Platz. Ein kritisches Statement dazu aus Reihen der Grünen gibt es auch auf Anfrage nicht. Immerin: Den geringsten Verbrauch hat die Dienstwagenflotte im rot-rot-grün regierten Bremen – mit durchschnittlich 199 Gramm CO2.

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In Andreas Scheuers Verkehrsministerium will man hingegen am liebsten gar nicht über Dienstfahrzeuge reden. „Siehe nachfolgenden Link“, heißt es auf WELT-Anfrage schmallippig von einer Sprecherin. Jener Verweis führt auf das Twitter-Profil von Scheuers Kommunikationschef Wolfgang Ainetter. Der schreibt, das Ministerium könne die Angaben der Umwelthilfe nicht nachvollziehen. „Das genannte Dienstauto des Ministers stößt nach geltendem internationalen Prüfverfahren WLTP 60 Gramm CO2 pro Kilometer aus“, erklärt Ainetter.

Dass Scheuer zudem meist einen rein elektrischen e-Tron fahre, sei nicht berücksichtigt. Tatsächlich weist die Umwelthilfe den Ausstoß auf Basis des NEFZ-Testzyklus, der unter Experten als antiquiert gilt, aus. Dieser wurde 2017 durch den moderneren Standard WLTP ersetzt. Er bildet „mit höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten bis 131 km/h, stärkeren Temposchwankungen und strikteren Prüfvorgaben den Verbrauch im realen Verkehr besser ab“, erklärt etwa der Verband der Automobilindustrie.

Kritik an den DUH-Zahlen kommt auch von Alexander Eisenkopf von Zeppelin Universität in Friedrichshafen: „Die Skandalisierung der Dienstwagenflotten von Bundes- und Landesregierungen passt in das Geschäftsmodell der Deutschen Umwelthilfe, Politiker auf allen Ebenen vor sich herzutreiben“, so der Verkehrswissenschaftler. Kritisch zu hinterfragen sei auch der methodische Ansatz, „reale Emissionen mit auf dem Prüfstand ermittelten, aktuellen und zukünftigen Flottengrenzwerten zu vergleichen.“ Dass die tatsächlichen CO2-Emissionen von den Norm-Emissionen um 40 Prozent abweichen, sei „ein Alter Hut“, so Eisenkopf. Ein Vergleich mit einem normierten Flottendurchschnitt sei zudem wenig hilfreich.

Trotz Kritik lässt es sich die Umwelthilfe nicht nehmen, ihre Zahlen mit politischen Forderungen zu garnieren. Dorothee Saar, zuständig für Verkehr und Luftreinhaltung, fordert deshalb erneut CO2-Messungen auf der Straße im Rahmen der Typzulassung. So könnten sich Politiker mit frei verfügbaren Daten ein Bild über die realen Emissionen ihrer Dienstwagen machen. „Auf dieser Grundlage müssen sie sich endlich ein sparsames Fahrzeug zulegen, wenn die zahlreichen Bekenntnisse zum Klimaschutz ernst genommen werden sollen.“

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Quelle: WELT/Peter Haentjes

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Warum Deutsche Umwelthilfe?

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