Wie heißt das neueste Stephen King Buch?

Krimi

Guter Auftragsmörder: Der großartige neue Roman von Stephen King

Reinhard Kalb 8.9.2021, 16:47 Uhr

© Foto: Imago/Kaszerman Spannung garantiert: Billy Summers, der neue Held von Stephen King, ist ebenfalls Autor – und Auftragskiller.

- Horror-Großmeister Stephen King ist zurück. „Billy Summers“ heißt der neue Roman des US-Amerikaners - wir haben ihn gelesen.

Killer sind unangenehme Gesellen. Wortkarg, emotionslos und hocheffizient. Erbarmen mit der Zielperson? Gibt’s nicht. Was, das Geld stimmt nicht? Dem wird nachgeholfen! Aber nur ein einziger schwerer Fehler – schon geht es um Alles oder Nichts.

Auftragsmörder als Filmhelden zehren von der Aura ihrer Darsteller. Als Romanhelden sind sie nur bedingt tauglich, da muss der Autor gewaltig nachhelfen. Wenn also ein Profikiller sich als Racheengel begreift, ein großes Herz für Kinder hat und die Wartezeit bis zum nächsten Schuss mit den Romanautoren des 19. Jahrhunderts überbrückt, dann ist dies zweifellos eine Kunstfigur. Erdacht hat sie Stephen King.

Billy Summers, Mitte Vierzig, ist der beste Scharfschütze auf dem Markt. Für den letzten Auftrag vor dem Ruhestand winken ihm zwei Millionen Dollar. Viel zu viel Geld, bloß um eine Figur aus der Unterwelt auszuschalten. Die Höhe des Lohns macht den Killer stutzig. Ebenso der todsichere Fluchtweg, den ihm die Handlanger arrangieren. Das stinkt nach Falle, nach Entsorgung des Mitwissers. Doch bis es soweit ist, tarnt Billy sich als idealer Nachbar und Hobbyschriftsteller. Und worüber schreibt er? Über sich selbst. Verfremdet, aber doch klar erkennbar.

Ein Horrorautor auf Abwegen? Eine reine Thrillergeschichte? Ganz kann Stephen King von den Gespenstern doch nicht lassen, denn die Geister der Vergangenheit steigen beim Schreiben aus ihren Gräbern: die Feinde, die Scharfschütze Summers im Irakkrieg ausknipste. Die Kameraden, die neben ihm verbluteten. Vor allem aber seine kleine Schwester, die er als Bub vor dem brutalen Stiefvater nicht zu beschützen vermochte. So entwickelt sich parallel zu den akribischen Mordvorbereitungen eine Binnenerzählung, ein Roman im Roman, eine verfremdete Autobiographie.

Vom Jäger zum Gejagten

Auf einmal wird der Jäger zum Gejagten. Und unversehens wiederholt sich die Vergangenheit: Billy fällt die junge vergewaltigte Alice vor die Füße. Beschützerinstinkte erwachen. Das Mädchen erkennt Billys wahre Profession und schließt sich ihm an. Das kennt man von dem Film „Leon, der Profi“, nur dass hier die Begleiterin etwas älter ist.

Trotz über 700 Seiten hält King den Spannungsbogen. Immer wenn der Leser sich ausmalt, wie es weitergehen dürfte, schlägt der Autor eine überraschende Wendung ein.

Zuerst dient Alice als Stichwortgeberin, wenn Billy laut über Mordkomplott und Auftraggeber nachdenkt und Pläne schmiedet. Nach und nach aber verfolgen wir die Sehnsucht des Killers nach Normalität und die Sehnsucht des Mädchens nach Ausbruch, Abenteuer und Risiko.

Und den Drang beider, eine verpfuschte Lebensgeschichte umzuschreiben. Dass diese Sehnsüchte sich nicht auf einen Nenner bringen lassen, spürt man bald. Das taucht den Thriller in eine tief melancholische Aura. Wie gewohnt teilt King zahllose Seitenhiebe auf Donald Trump, auf Schriftstellerkollegen, amerikanischen Alltag und Phänomene der TV- und Populärkultur aus. Ortsnamen wie „Red Bluff“ sprechen für sich. Und setzt natürlich eigene Duftmarken, so wenn Billy und Alice in der Sicherheit Colorados die Ruinen eines abgebrannten Hotels erblicken. Es ist das Overlook-Hotel aus „Shining“, und wir ahnen, nein, wissen: es gibt keine Sicherheit.

Stephen King: Billy Summers. Roman. Heyne, 720 Seiten, 26 Euro.

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