Wie lange kann das finanzamt steuerbescheide rückwirkend ändern

Die Verjährung von Steuerschulden ist eine komplexe Materie. Wie lange das Finanzamt rückwirkend prüfen darf, hängt von der Festsetzungsfrist ab, die im jeweiligen Fall gilt.

Was versteht man unter Festsetzungsfrist?

Die Festsetzungsfrist bezeichnet jenen Zeitraum, in dem das Finanzamt Steuern festsetzen und deren Zahlung einfordern darf. Dabei ist zwischen verschiedenen Festsetzungsfristen zu unterscheiden:

  • Verbrauchsteuer: ein Jahr
  • Einkommensteuer und Umsatzsteuer: vier Jahre
  • Einfuhr- und Exportsteuern: drei Jahre

Die Festsetzungsfrist beginnt mit dem Ende jenes Kalenderjahres, in dem die Steuerschuld aufgetreten ist (Entstehungszeitpunkt). Innerhalb der Festsetzungsfrist ist das Finanzamt dazu berechtigt, die wirtschaftliche Situation und die steuerlichen Belange eines Steuerpflichtgen rückwirkend zu analysieren. Auch die Frage, ob der Betroffene eine Steuererklärung abgegeben hat oder nicht, beeinflusst die Dauer der Prüfungsmöglichkeit. Bei Personen, die ihre Steuerpflicht verletzen, gelten verlängerte Fristen. Nach dem Ablauf der Festsetzungsfrist kann das Finanzamt offene Steuerforderungen aufgrund der Verjährung nicht mehr einfordern.

Szenario 1: keine Abgabepflicht

Die Festsetzungsfrist von vier Jahren ab Ende des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, bleibt nur dann anwendbar, wenn der Betroffene nicht dazu verpflichtet ist, eine Steuererklärung abzugeben. Das betrifft insbesondere Arbeitnehmer der Steuerklasse 1 sowie Eheleute in den Steuerklassen 4/4.

Beispiel: Die Steuerpflicht ist im Jahr 2018 entstanden. Die Festsetzungsfrist beginnt am 1. Januar 2019 zu laufen und erlischt am 31. Dezember 2023.

Szenario 2: Steuererklärung eingereicht

Wenn der Betroffene eine Steuererklärung eingereicht hat (freiwillig oder verpflichtend) beginnt die Festsetzungsfrist mit Anfang des Kalenderjahres zu laufen, das der Abgabe der Steuererklärung folgt.

Beispiel: Die Steuererklärung für 2018 trifft im Jahr 2019 beim Finanzamt ein. Die Festsetzungsfrist beginnt am 1. Januar 2020 und endet am 31. Dezember 2024.

Szenario 3: Pflichtsteuererklärung nicht eingereicht

Wenn die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung verletzt wurde, verlängert sich die Festsetzungsfrist. In diesem Fall setzt der Fristenlauf erst mit Ende des dritten Kalenderjahres ein, nach dem die Steuerschuld entstanden ist. Für eine Steuerschuld aus 2018 beginnt die Festsetzungsfrist erst im Jahr 2022 zu laufen. Das Recht des Finanzamts, die Situation zu prüfen und die Steuer einzuheben, erlischt erst mit Anfang 2027.

Szenario 4: leichtfertige Steuerverkürzung und Steuerhinterziehung

Im Falle einer leichtfertigen Steuerverkürzung verlängert sich die Festsetzungsfrist auf fünf Jahre, bei einer Steuerhinterziehung auf zehn Jahre. Der Fristenlauf dieser verlängerten Fristen setzt ebenfalls erst drei Jahre nach dem Entstehen der Steuerschuld ein.

Eine leichtfertige Steuerverkürzung setzt ein grob fahrlässiges Handeln des Steuerpflichtigen voraus. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine steuerpflichtige Person bei der Abgabe der Steuererklärung säumig war, sodass das Finanzamt keine Steuerschuld festsetzen konnte. Wurden steuerpflichtige Einnahmen verschwiegen, handelt es sich um den Straftatbestand der Steuerhinterziehung.

Diese Szenarien sind sehr komplex. Im Zusammenhang mit strittigen Festsetzungsfristen ist es daher sinnvoll, einen Steuerberater zu kontaktieren.

Wie lange kann das finanzamt steuerbescheide rückwirkend ändern

Bemerken Sie erst nach Ablauf der einmonatigen Einspruchsfrist, dass ein Steuerbescheid Fehler enthält, ist nicht alles verloren. Es gibt Möglichkeiten, den Bescheid vom Finanzamt ändern zu lassen. Das ist zwar mitunter kompliziert, doch der Kampf wird oftmals belohnt.

Wie lange kann das finanzamt steuerbescheide rückwirkend ändern
Einspruchsfrist verpasst und Fehler im Steuerbescheid erst jetzt entdeckt? Es gibt dennoch Möglichkeiten, den Bescheid noch ändern zu lassen. - © Björn Wylezich - stock.adobe.com

Wichtig: Sämtliche Änderungsmöglichkeiten, die wir Ihnen im Folgenden vorstellen, sind nur innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist nach § 169 ff. Abgabenordnung möglich. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung beim Finanzamt eingereicht wurde.

Beispiel: Sie entdecken im Steuerbescheid 2019 einen Fehler zu Ihren Ungunsten. Die Steuererklärung 2019 haben Sie im Jahr 2020 beim Finanzamt eingereicht.

Folge: Sie haben tatsächlich noch bis Ende 2024 Zeit, um beim Finanzamt Ihre Änderung durchzuboxen (Beginn der Frist 1.1.2021 + 4 Jahre = 31.12.2024).

Steuerbescheid steht unter Vorbehalt der Nachprüfung

Haben Sie die einmonatige Einspruchsfrist verschlafen, werfen Sie doch einen Blick in die Betreffzeile Ihres Steuerbescheids. Steht dort sinngemäß "Dieser Steuerbescheid ergeht nach § 164 Abgabenordnung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.", kann dieser Bescheid trotz Ablauf der Einspruchsfrist jederzeit noch geändert werden.

"Unter Vorbehalt der Nachprüfung" bedeutet, dass der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft ist und jederzeit in beide Richtungen – also zu Ihren Gunsten und zu Ihren Ungunsten – noch geändert werden kann.

Steuerbescheid ändern aufgrund offenbarer Unrichtigkeit

Handelt es sich bei dem Fehler um einen rein mechanischen Fehler des Sachbearbeiters im Finanzamt (Tippfehler, Zahlendreher, Angaben in Steuererklärung), können Sie nach Ablauf der Einspruchsfrist eine Änderung aufgrund neuer Tatsachen nach § 129 Abgabenordnung beantragen.

Ist Ihnen der Fehler selbst unterlaufen und das Finanzamt übernimmt diesen, können Sie trotzdem eine Bescheidänderung nach § 129 AO durchboxen. Hätte der Sachbearbeiter Ihren mechanischen Fehler nämlich bei sorgfältiger Bearbeitung Ihrer Steuererklärung erkennen müssen, macht er durch Übernahme Ihren Fehler zu seinem eigenen.

Praxis-Tipp: Liegt kein mechanischer Fehler vor, sondern ein Rechtsirrtum (andere Beurteilung eines Sachverhalts durch das Finanzamt), scheidet die Bescheidänderung nach § 129 AO leider aus. Das kann den Erläuterungstexten zum Steuerbescheid entnommen werden. Begründet der Finanzbeamte dort die Abweichungen zum Erklärten, ist die Änderungsmöglichkeit nach § 129 AO verloren. Auch wenn Ihr Fehler auf einem Rechtsirrtum basiert und der Finanzbeamte diesen Fehler hätte erkennen müssen, scheidet § 129 AO aus.

Korrektur des Steuerbescheids aufgrund neuer Tatsachen

Greift die Vorschrift des § 129 AO nicht, können Sie einen weiteren Versuch starten, den fehlerhaften und für Sie ungünstigen Steuerbescheid aus der Welt zu schaffen. Sie können einen Antrag auf Änderung aufgrund neuer Tatsachen stellen (§ 173 AO). Das ist immer dann möglich, wenn dem Finanzamt Tatsachen oder Beweismittel erst nach Bearbeitung der Steuererklärung bekannt werden.

Weitere Hürde für diese Änderungsvariante: Es darf Ihnen kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden angelastet werden.

Beispiel: Sie beantragen für einen bestimmten Sachverhalt keinen Sonderausgabenabzug, weil Sie schlichtweg nicht wissen, dass es hierzu eine Steuerminderung gibt. Sie reichen dem Finanzamt die Belege dazu erst gar nicht ein. Ein Jahr später fällt dieser Fehler auf. Sie reichen die Belege nun nach und beantragen eine Bescheidänderung zu Ihren Gunsten. Zum groben Verschulden Ihrerseits gilt Folgendes:

  • Grobes Verschulden: Kann dem Steuererklärungsvordruck eindeutig entnommen werden, dass für bestimmte Ausgaben eine Steuerminderung winkt und Sie haben aus Unwissenheit unterlassen, diese Ausgaben geltend zu machen, trifft Sie ein grobes Verschulden und eine Bescheidänderung nach § 173 AO scheidet aus.
  • Kein grobes Verschulden: Sind die Zeilen in der Steuererklärung dagegen so vage oder unvollständig, dass ein steuerlicher Laie niemals verstehen kann, dass bestimmte Ausgaben steuerlich absetzbar sind, trifft Sie kein grobes Verschulden und eine Bescheidänderung aufgrund neuer Tatsachen ist zulässig.

Steuerbescheid korrigieren: Neue Tatsachen bei unaufgeforderter Belegvorlage

In den Finanzämtern wird seit Jahren an einem automatisierten Verfahren gearbeitet. Bestenfalls überprüft der Finanzamtscomputer die eingehenden elektronischen Steuererklärungen. Gibt es keine Auffälligkeiten, landet die Erklärung erst gar nicht auf dem Tisch eines Finanzbeamten. Es wird voll automatisiert ein Steuerbescheid erstellt und verschickt. Neu ist seit 2017 auch, dass Sie dem Finanzamt keine Belege mehr mitschicken müssen. Nur auf explizite Anforderung müssen Steuerbelege vorgelegt werden.

Schicken Sie nun freiwillig Steuerbelege mit Ihrer Steuererklärung ans Finanzamt, wissen aber nicht genau, wo diese in der Erklärung zu erfassen sind, kann Folgendes passieren: Der Fall ist ein 0815-Fall und es wird voll automatisiert ein Steuerbescheid erstellt. Die Belege werden, ohne vom Bearbeiter im Finanzamts kontrolliert worden zu sein, an Sie zurückgeschickt. Die steuerlich abziehbaren Kosten sind dadurch im Bescheid nicht berücksichtigt.

Stellen Sie nun nach Ablauf der Einspruchsfrist einen Antrag auf Änderung des Bescheids aufgrund neuer Tatsachen, könnte der Finanzamt das ablehnen, weil der Steuerbeleg schließlich bereits eingereicht wurde und damit keine neue Tatsache darstellt. Diese Problematik können Sie verhindern, indem Sie in der Steuererklärung im Freitextfeld in Zeile 98 die Zahl 1 eintragen. Das führt dazu, dass der Finanzbeamte Ihre Steuererklärung auf den Tisch bekommt, Kenntnis von Ihrem Steuerbeleg bekommt und die Ausgaben dort einträgt, wo sie hingehören.

Fazit: Um zu verhindern, dass Sie eine Bescheidänderung zu Ihren Gunsten mit Änderungsvorschriften durchboxen müssen – mit teilweise mäßigen Erfolgsaussichten – sollten Sie besser direkt nach Erhalt des Steuerbescheids eine intensive Bescheidprüfung durchführen und bei Abweichungen vom Erklärten innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids Einspruch einlegen.

Wie lange kann das Finanzamt rückwirkend prüfen?

Innerhalb der gesamten 4 Jahre darf das Finanzamt dann zurück prüfen. Dabei ist es unerheblich, ob Sie eine Steuererklärung abgegeben haben, oder nicht. Diese „kurze“ Frist von 4 Jahren gilt aber nur, wenn Sie nicht verpflichtet sind oder waren, eine Steuererklärung abzugeben.

Kann ein endgültiger Bescheid geändert werden?

Ob sich ein Steuerbescheid ändern lässt, hängt zuerst einmal davon ab, ob der Steuerbescheid „endgültig“ ist (im Steuerdeutsch: „bestandskräftig“) oder nicht. Wenn er es noch nicht ist, lässt er sich jederzeit ändern, ist er hingegen schon bestandskräftig, nur noch unter bestimmten Voraussetzungen.

Kann das Finanzamt Fehler zugunsten des Steuerzahlers korrigieren?

Fehler des Finanzamts zu Deinen Gunsten musst Du nicht aktiv korrigieren lassen. Dies gilt zumindest, wenn Deine eingereichte Steuererklärung richtig und vollständig war. Der Bundesfinanzhof hat geurteilt, dass bei einem bloßen Fehler des Finanzamts keine Steuerhinterziehung vorliegt.

Kann eine Steuererklärung nachträglich geändert werden?

Wenn Sie nachträglich noch Ausgaben in der Steuererklärung geltend machen möchten, haben Sie dazu mehrere Möglichkeiten. Innerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Bescheides kann auf diesen Wegen eine Änderung angestoßen werden: Antrag auf schlichte Änderung. Einspruchsverfahren.