Wo ist die Macke Ausstellung in Münster?

Theorie der Sphärentrennung, Praxis der Lichtmischung: Das Landesmuseum in Münster zeigt August Macke und macht das Verdienst seiner Ehefrau Elisabeth um sein Werk sichtbar.

Ottilie Deubner, die Tochter von Sir William H. Lindley, dem ersten Tiefbaudezernenten der Stadt Frankfurt, und Ehefrau des Altphilologen Ludwig Deubner, brachte fünf Söhne und eine Tochter zu Welt. Die Sorge des Malers August Macke, dass Frau Deubner wegen ihrer geistigen Interessen „die erste und heiligste Pflicht der Frau“, die Mutterschaft, vernachlässigen werde, erwies sich als unbegründet. Macke hatte im September 1905 mit dem Ehepaar Deubner in Kandern in Schwarzwald Umgang, wo seine Schwester Auguste und sein Schwager Karl Giss ein Hotel betrieben. Seiner Verlobten Elisabeth Gerhardt teilte er mit: „Ich finde, dass die Frau zu gelehrt ist.“

Wo ist die Macke Ausstellung in Münster?

Patrick Bahners

Feuilletonkorrespondent in Köln und zuständig für „Geisteswissenschaften“.

Macke war damals achtzehn Jahre alt und als Student an der Kunstakademie in Düsseldorf eingeschrieben. Ottilie Deubner war sechs Jahre älter. Mackes Hochzeit fand 1909 statt. Elisabeth Macke erfüllte ebenfalls ihre Pflicht. Sie hatte fünf Kinder, zwei Söhne mit August und zwei weitere Söhne sowie eine Tochter mit ihrem zweiten Mann Lothar Erdmann. Dieser war ein Schulfreund Augusts, und August hatte ihn 1914 gebeten, sich seiner Familie anzunehmen, falls er aus dem Krieg nicht zurückkehren sollte. August Macke fiel in der vierten Kriegswoche in der Champagne.

Elisabeth Erdmann-Macke überlebte auch ihren zweiten Mann, der 1939 an Misshandlungen im Konzentrationslager Sachsenhausen starb, und ihre beiden ältesten Söhne. Erst 1975 gab sie ihre Bonner Wohnung im ehemaligen Atelier ihres ersten Mannes auf. Im gleichen Jahr erwarb das Westfälische Landesmuseum in Münster die 78 Skizzenbücher Mackes. Damals engagierte man sich in Bonn nicht besonders für das Andenken an den aus Meschede im Sauerland gebürtigen Maler, der 1900 mit seiner Familie nach Bonn gekommen war.

Mackes Vorbehalte gegenüber gelehrten Frauenzimmern verleiteten ihn nicht dazu, seiner Lisbeth, in die er sich auf dem Schulweg verliebt hatte, den intellektuellen Ehrgeiz auszureden. Er lobte nicht nur ihre (nicht erhaltenen) dichterischen Versuche, sondern ermutigte sie, dieselben Studien zu treiben wie er und typisch weibliche Verausgabungen dahinter zurückzustellen. 1907 erteilte er ihr den brieflichen Rat, sich ältere Hefte der von Bruno Cassirer verlegten illustrierten Monatsschrift Kunst und Künstler zuzulegen und dafür auf einen Kleiderkauf zu verzichten.

Mit der Scheinevidenz des Biologismus hatte Macke zwei Jahre vorher im Brief aus Kandern die bürgerliche Theorie der getrennten Geschlechtersphären verteidigt. „Der Mann wirkt eben außerhalb, die Frau innerhalb der Familie.“ Rollentausch undenkbar: „Die Männer wollen ja auch nicht, dass sie in Stand gesetzt würden, Kinder zu kriegen.“ Ob er sich darüber wohl auch mit dem Bonner Privatdozenten Ludwig Deubner verständigt hatte, der sich im Zuge seiner religionsgeschichtlichen Forschungen mit den Fruchtbarkeitsriten befasste? Mackes Schema wurde eigentlich schon durch das Familienunternehmen des Hotelbetriebs widerlegt, in dem er es zu Papier brachte. Das sah er nicht, aber ausgerechnet für die Tätigkeit, die er selbst anstrebte, machte er eine Ausnahme: Er glaube, „der einzige Beruf“, den die Frau „gleich gut wie der Mann ausüben könnte“, sei „der der Künstlerin, da er auf Empfindung und Seele beruht“. An diesem Satz wirkt mindestens der Verzicht aufs generische Maskulinum verblüffend modern.

Die Macke-Pflege in Münster begann in den Fünfzigerjahren im Zuge der Rehabilitierung der aus den Museen entfernten Expressionisten; der erste Nachkriegsdirektor Walther Greischel sprach von einer „Aktion der Gerechtigkeit“. Die Retrospektive zu Mackes hundertstem Geburtstag 1986 war mit 400.000 Besuchern die bis dahin erfolgreichste Ausstellung des Landesmuseums. Zwanzig Jahre nach „August Macke und die frühe Moderne in Europa“ zeigt das Haus wieder eine Sonderschau seiner Macke-Schätze. Dass August und Elisabeth Macke diesmal mit gleichen Rechten im Titel erscheinen, entspricht dem Trend zur feministischen Inspektion der Kunstgeschichte. Es ist aber ebenfalls eine Aktion der Gerechtigkeit: Macke-Werkschauen können stattfinden, weil Mackes Witwe gemeinsam mit dem Sohn Wolfgang Macke dieses Werk katalogisiert und zusammengehalten beziehungsweise wieder zusammengebracht hat.

Der Garten
An den einstmals riesigen und vielgestaltigen Garten, der sich ursprünglich hinter Mackes ehemaligem Wohn- und Atelierhaus erstreckte und dem  Künstler eine Fülle an Motiven bot, erinnert der sinnliche Museumsgarten. Er wurde in Anlehnung an Mackes Gartenbilder angelegt und bepflanzt und bietet den Besuchern des Museums eine beschaulich-erholsame Oase inmitten der Stadt Bonn.

Wo ist die Macke Ausstellung in Münster?

Impressum Wohn- und Atelierhaus

Projektleitung: Klara Drenker-Nagels
Idee und Konzeption: Klara Drenker-Nagels, Ina Ewers-Schultz, Matthias Arndt Ausstellungskonzeption, Inszenierung, Texte:  
Ina Ewers-Schultz, Kunst-Ausstellungen-Texte, Köln 
Ausstellungskonzeption, Szenische und Grafische Gestaltung:  
Arndt + Seelig Kommunikationsdesign, Bielefeld 
Lektorat: Amelie Soyka, Schreibweisen, Köln 
Übersetzungen: Albert Brancato
Drucktechnik: Heerlein Serigrafie, Berlin + Eberswalde,  
Picos Grafik, Bad Honnef
Medientechnik: electronic GmbH, Coesfeld 
Möbel- und Vitrinen-Bau: Gerken Tischlerei GmbH, Kutenholz

Audio-Guide  
Texte: Ina Ewers-Schultz
Kinderführung: Amelie Soyka 
Produktion: Alex Hardt, Amelie Soyka, Ina Ewers-Schultz 
Sprecher, Deutsch: Birte Schrein (Elisabeth Macke)  
Timo Berndt (Objekttexte und Kinderführung/ August Macke)  
sowie Hüseyin Michael Cirpici, Philipp Basener, Daniel Breitfelder

Museumseinrichtung: Stephanie Horster, Birgit Kulmer,  
Dirk Püllen, Dirk Ufermann, Christian Hüsges, Thomas Jüptner 
Restaurierung: Petra Bachmann
Organisation: Barbara Kollarzik, Mirjam Franke

Für die großzügige Unterstützung danken wir allen Stiftern und Leihgebern insbesondere den Nachkommen von August Macke sowie dem Kunstmuseum Bonn, dem Evarist Adam Weber Archiv, dem LWL-Museum für Kunst und  Kultur. Westfälisches Landesmuseum, Münster, dem Rheinischen Archiv für Künstlernachlässe Stadtarchiv Bonn und allen, die nicht genannt werden möchten.