Alle lebewesen wurden von gott in einem schöpfungsakt geschaffen

Juden und Christen glauben, dass Gott den Himmel, die Erde, alle Lebewesen und die ersten Menschen Adam und Eva erschaffen hat.

Teilen

Teilen

Tweet

Senden

Empfehlen

Jane Baer-Krause

Debora Lapide

04.06.2016 - 22:32

Menschen im Judentum und im Christentum glauben, dass der Gott, an den sie glauben, den Himmel, die Erde, alle Lebewesen und alle Dinge erschaffen hat.

Das Buch Genesis in der Bibel erzählt, dass Gott in sechs Tagen Licht und Dunkelheit, die Meere und das Land, Pflanzen, Sonne und Mond, alle Tiere, den ersten Mann und die erste Frau erschuf. Das waren Adam und Eva. Am siebten Tag war Gott mit seinem Werk zufrieden und feierte es. Mit den Menschen hatte Gott nach Überzeugung der jüdischen und christlichen Gläubigen etwas Besonderes vor. Sie gehen davon aus, dass nur die Menschen eine hoch entwickelte Seele besitzen, und dass sie an Gott glauben und zu ihm beten können und dass sie Gottes Auftrag erfüllen sollen. Dazu gehört es, friedlich miteinander zu leben, die Natur zu schützen und den Erdboden zu bearbeiten. Die Umwelt muss für nachfolgende Generationen so gut erhalten werden, dass auch alle Lebewesen mit dem Menschen gesund leben können.

Aber schon eine der ersten Geschichten in der Bibel berichtet über das Scheitern der Menschen. Darin heißt es, dass Gott die Menschen nach seinem Abbild erschuf und dem ersten Paar einen wunderschönen Ort zum Leben gab: das Paradies. Dort mussten sie sich um nichts kümmern und hatten alles, was sie brauchten. Nur ein einziges Verbot sollten sie beachten: Die Früchte vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen waren tabu. Alles ging gut, bis sich Satan in der Gestalt einer Schlange in den Paradiesgarten schlich. Von ihm ließen sich Adam und Eva verführen, von den verbotenen Früchten zu naschen. Damit enttäuschten sie Gott sehr. Er vertrieb sie aus dem Paradies und ließ sie seither für alles, was sie zum Leben brauchten, hart arbeiten.

Die Bibel mit ihren Geboten dient gleichwohl dem Schutz der Schöpfung und dem Tierwohl.

Jüdinnen und Juden glauben, dass Gott seine Schöpfung erhält. Wenn er das nur einen Augenblick nicht täte, würde die gesamte Schöpfung in sich zusammenfallen. Sie würde nicht mehr existieren.

In Südkorea, in dem 30 % der Bevölkerung christlichen Glaubensrichtungen angehören, erreicht der Prozentanteil der Bevölkerung, die an Kreationismus glaubt, ähnliche Werte wie in den USA. Im Juni 2012 wurde die Streichung von Details der Evolutionstheorie in Schulbüchern diskutiert.[51] Diese Änderung wurde aber verhindert.[52]

„Natural selection”, „struggle for existence“, „survival of the fittest“ sind Metaphern, die unzertrennbar mit seiner Evolutionstheorie verbunden sind. Diese laden zu Missverständnissen ein. Darwin hat bereits frühzeitig die Metapher „natürliche Selektion“ bedauert, gerne hätte er sie durch „natural preservation“ („natürliche Erhaltung“) ersetzt. Auch die deutsche Übersetzung „Kampf ums Dasein“ entsprach nicht seinen Vorstellungen. Die Formulierung „struggle for existence“ zielt weniger auf einen „Kampf“. Vielmehr meint der Ausdruck ein „Ringen um die Existenz“. Dabei geht es sowohl um Wettbewerb als auch um Kooperation im Sinne einer optimalen Anpassung an eine vorgegebene Umgebung.

 

Folgerungen für das Verhältnis von Naturforschung und Naturtheologie

Spätestens mit seiner Veröffentlichung zur Abstammung des Menschen hat Darwin den Boden der zeitgenössischen Naturtheologie verlassen, da sein Gesetz über die Entstehung der Arten auch die Verzichtbarkeit einer göttlichen Erstursache für das Verständnis von Artenentstehung und Zweckmäßigkeit in der lebendigen Natur implizierte. Mit anderen Worten: Darwin erklärte „die Möglichkeit der Entstehung von Zweckmäßigkeit im Lebendigen ohne die Vor­aussetzung eines zwecksetzenden und zweckrealisierenden Subjekts“5.

Für Darwin war mit seinen Entdeckungen das alte Verhältnis von Naturkunde und Theologie zerbrochen. Er hat die Naturkunde/Naturwissenschaft von den Vorgaben der Theologie befreit. Die Frage war und sie stellt sich bis heute: Wie ist das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaft zu bestimmen?

In einem Brief an seinen langjährigen amerikanischen Freund Asa Gray schrieb er:
„Ich hatte nicht die Absicht atheistisch zu schreiben. Ich gebe zu, dass ich nicht so deutlich wie andere – obwohl ich wünschte, ich könnte es – Beweise für eine wohltätige Absicht erkennen kann. Dazu scheint es mir zu viel Elend in der Welt zu geben. Ich kann mir nicht einreden, dass ein wohltätiger und ein mächtiger Gott vorsätzlich die Schlupfwespen mit der ausdrücklichen Absicht geschaffen hätte, dass sie sich im inneren der lebenden Körper von Raupen ernähren, oder dass Katzen mit Mäusen spielen sollten. … Ich neige dazu, alles als das Ergebnis von genau geplanten Gesetzen zu betrachten, wobei die Einzelheiten, ob gut oder schlecht, dem überlassen bleiben, was wir vielleicht Zufall nennen (….).“6

Mehrfach gesteht Darwin, dass er in der Frage des intelligent design „völlig im Durcheinander“ sei. Für ein „intelligent design“ sieht er beim Anblick der Natur keine Evidenz:
„Denn ich bin nicht bereit einzuräumen, dass Gott die Federn im Schwanz der Felsentaube dazu bestimmt hat, in höchst eigentümlicher Weise zu variieren, damit der Mensch solche Variationen auswählen kann, um einen Fächer daraus zu machen; und wenn dies nicht eingestanden wird, … kann ich kein Design in den Strukturvariationen bei Tieren im Naturzustand sehen, – jene Variationen, die für das Tier nützlich waren, werden erhalten und die nutzlosen oder schädlichen zerstört.“7

Eve-Marie Engels stellt zusammenfassend fest:
„Letztlich spielt es bei Darwin gar keine Rolle, ob Gott diese Naturgesetze geplant und eingerichtet hat, weil Darwin seine Theorie der Zweitursachen unabhängig von einer Erstursache und deren möglichen Attributen konzipiert. Gerade weil wir Gottes Willen nicht kennen, müssen wir die Gesetze ohne Spekulationen über ihn entwerfen.“8

An dieser Stelle kann zweierlei festgehalten werden:

  1. Darwins Evolutionstheorie lässt sich gerade nicht – wie es etwa das Beispiel des Darwin-Fisches suggeriert – für einen weltanschaulichen Atheismus funktionalisieren.
  2. Darwin sah sich nicht in der Lage, das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaft mit Hilfe eines neuen Modells zu beschreiben. Er zog sich – bei aller Wertschätzung der gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutung von Religion – auf den Standpunkt eines Agnostikers zurück, weil – wie er sagte – wir das „Mysterium vom Anfang aller Dinge“ nicht aufklären können. Damit vertrat er eine Position, die von der radikalen Trennung von Naturwissenschaft und Theologie bestimmt war.


Bischof Huber hat den uneinholbaren und nicht zu widerlegenden Kern der Darwinschen Entdeckung für uns heute wie folgt bestimmt:
„Geschichtlich zu sein, ist Teil der menschlichen Natur. Denn der Mensch erfährt nicht nur das eigene Leben als Geschichte. Er ist auch nicht nur als Individuum in die Geschichte verflochten, sondern die Gattung Mensch ist das Produkt einer Geschichte. In die Geschichte des Kosmos tritt der Mensch erst spät ein; doch die Vorstufen, die schließlich zur Entstehung der Gattung Homo sapiens führen, lassen sich Schritt für Schritt und mit wachsender Präzision bestimmen.“9

 

2. Verhältnismodelle von Naturwissenschaft und Theologie

In Anlehnung an Martin Rothgangel10 unterscheide ich im Folgenden drei Modelle der Verhältnisbestimmung von Naturwissenschaft und Theologie:

  1. das Konfliktmodell,
  2. das Trennungs- oder Unabhängigkeitsmodell,
  3. das Dialogmodell.

 

Das Konfliktmodell

Das Konfliktmodell ist dadurch gekennzeichnet, dass beide Disziplinen den Anspruch erheben, über denselben Gegenstand rivalisierende Aussagen zu machen. Die Vertreter dieses Modells konstruieren eine Entweder-oder-Entscheidung, bei der nur eine Position richtig sein kann. Zu dieser soll sich der Anhänger bzw. Gläubige bekennen.

Das Konfliktmodell kann von naturwissenschaftlicher, aber auch von christlicher Seite aus formuliert werden. Daher ist von einer szientistischen bzw. biblizistischen Variante innerhalb des Konfliktmodells zu unterscheiden. Beide Varianten weisen strukturelle Entsprechungen auf: Beide gehen davon aus, dass moderne Wissenschaft und religiöser Glaube notwendiger Weise in Konflikt zueinander stehen, beide proklamieren für ihr Wissen ein festes Fundament (Logik/ Vernunft versus Bibel/ Offenbarung) und beide vertreten die Ansicht, dass sich naturwissenschaftliche und religiöse Aussagen auf den gleichen Bereich beziehen.

Als prominenter Vertreter des szientistischen Modells steht Richard Dawkins, der mit seinem Bestseller „The God Delusion“ (2006) (Der Gotteswahn) aus einer evolutionstheoretischen Perspektive beansprucht, die Nicht-Existenz Gottes „beweisen“ zu können.

Für das biblizistische Modell steht der Kreationismus bzw. im modernisierten Gewand unter der Bezeichnung „intelligent design“.

Vertreter des Kreationismus fordern eine Anpassung der Naturwissenschaften, insbesondere der Biologie, an die Aussagen der Bibel. Der Theologe Lutz von Padberg, einer der bekanntesten Vertreter des Kreationismus in Deutschland, begründet seine Position in Bezug auf die Weltentstehung folgendermaßen:

„Gott offenbart sich in seinem Wort, weshalb eine klare Stellung zur Bibel die zentrale Voraussetzung der biblischen Wissenschaftsphilosophie ist. Wenn hier Abstriche gemacht werden, gerät die entscheidende Grundlage des Denkens ins Wanken. (…) Die Bibel als Offenbarungsurkunde ist daher die unfehlbare autoritative Richtschnur auch für die denkerische Erfassung des Schöpfungsbestandes und gibt somit den Deutungsrahmen für die naturwissenschaftliche Forschung.“11

Aus kreationistischer Sicht sind die Evolutionstheorie Darwins sowie die Urknalltheorie als Irrlehren anzusehen, die dem biblischen Wortlaut widersprechen. Nach dem so genannten „Kurzzeit-Kreationismus“ ist die Erde weniger als 10.000 Jahre alt. Sie wurde einschließlich aller Lebewesen und des Menschen in sechs Tagen erschaffen, wie die Bibel es beschreibt.12

 

Das Trennungs- oder Unabhängigkeitsmodell

Eine Möglichkeit, eine konfliktfreie Verhältnisbestimmung von Naturwissenschaft und Theologie zu beschreiben, bietet das Unabhängigkeits- oder auch Trennungsmodell. Es geht von der Behauptung aus, Naturwissenschaft und Theologie seien zwei voneinander völlig unabhängige und autonome Forschungsfelder. Als prominenter theologischer Vertreter ist Karl Barth zu nennen. So schreibt er in einem Brief an seine Großnichte vom 18. Februar 1965, dass Naturwissenschaft und Theologie gar nichts miteinander zu tun hätten und es auch nicht möglich sei, sich mit beiden gleichzeitig auseinanderzusetzen:
„Hat euch im Seminar niemand darüber aufgeklärt, dass man die biblische Schöpfungsgeschichte und eine naturwissenschaftliche Theorie, wie die Abstammungslehre, so wenig miteinander vergleichen kann wie, sagen wir: eine Orgel mit einem Staubsauger! – dass also von ‚Einklang’ ebenso wenig die Rede sein kann wie von Widerspruch?“13

 

Das Dialogmodell

Vertreterinnen und Vertreter von Theologie und Naturwissenschaften stellten verstärkt seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts die scharfe Abgrenzung von Naturwissenschaft und Theologie in Frage zugunsten einer Suche nach Gemeinsamkeiten und Überschneidungen, aber ohne beide Bereiche vorschnell miteinander zu identifizieren. „Wissenschaftstheoretische Überlegungen zeigten, dass die Naturwissenschaften keineswegs rein objektiv sind. Wissenschaftliche Daten sind von Vorüberlegungen und vorhergehenden Auswahlkriterien abhängig. Die Auswertung von Daten erfolgt nicht rein logisch, da sie einem subjektiven Interpretationszwang unterworfen ist. Das Dialogmodell zeigt zwar die charakteristischen Unterschiede naturwissenschaftlichen und theologischen Arbeitens auf, versucht aber, beide Positionen miteinander ins Gespräch zu bringen.“14

Das Prinzip der Komplementarität steht für das Dialogmodell im Zentrum der wissenschaftstheoretischen Reflexion: Die sich dem Menschen eröffnende Wirklichkeit ist so komplex, dass sie nur in verschiedenen Sichtweisen und Perspektiven zu beschreiben ist. Damit gibt es prinzipiell verschiedene, möglicherweise auch sich widersprechende Möglichkeiten, von ein und demselben „Objekt“ zu sprechen. Das Dialogmodell überwindet die Gegensätzlichkeit der Sichtweisen von Wirklichkeit, ohne aber eine unmittelbare und vollständige Vereinbarkeit von Naturwissenschaft und Theologie zu behaupten.

Für das Dialogmodell steht exemplarisch der Physiker Jürgen Audretsch, der mit seinen Überlegungen einen Beitrag zum interdisziplinären Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie leisten will:
„Das Verständnis eines der beiden Gebiete soll dabei durch den Vergleich mit dem anderen Gebiet eine besondere Vertiefung erhalten. Aus dem vergleichenden Blick auf das andere Gebiet entwickeln sich Ansatzpunkte für die Fortführung des Dialogs. (…)


Wir machen durch experimentelle Anordnungen vermittelte und durch entsprechende Theorien gedeutete Erfahrungen in erschlossenen Anwendungsbereichen. Auch durch den religiösen Glauben erschließen sich dem Gläubigen neue Wirklichkeitsbereiche, die dem Nicht-Gläubigen verschlossen sind. Ein Beispiel ist der Bereich des Göttlichen, soweit er dem Gläubigen zugänglich ist. Gleichfalls gilt, dass dieser Bereich sich nur vermittelt in gedeuteten Erfahrungen zeigen kann.“15

Grundlage des Dialogs ist hier die Erkenntnis unterschiedlicher Erfahrungen, deren Deutungen sich aber auf einen gemeinsamen, umfassenden Begriff von Wirklichkeit beziehen.

 

3. Alltagstheorien von Kindern und Jugendlichen zum Verhältnis von Naturwissenschaft und Theologie

Empirische Untersuchungen zur Ausbildung des Gottes- und Weltbildes sowie des Denkens in Komplementarität belegen, dass sich die Verbindung einer naturwissenschaftlichen und einer theologischen Sichtweise der Wirklichkeit in der Lebensgeschichte eines Menschen sehr konfliktreich gestalten kann. Dabei werden religiöse und naturwissenschaftliche Faktoren sehr unterschiedlich aufeinander bezogen, eine Perspektive kann dabei durchaus weitgehend von der anderen verdrängt werden.

In religionspädagogischer Perspektive steht die Frage der Voraussetzungen eines Denkens in Komplementarität im Vordergrund. Die Studien von Fritz Oser und Karl Helmut Reich zeigen, dass eine begründete Anerkennung scheinbar gegensätzlicher Sichtweisen erst in späteren Stufen des Denkens in Komplementarität möglich wird. Und das bedeutet: Erst ab dem späten Jugendalter können komplementäre Sichtweisen eigenständig nachvollzogen werden.16

Das Gottesbild von Kindern im Grundschulalter lässt sich beschreiben mit den Attributen „anthropomorph“ und „artifizialistisch“. Gott ist der „große Macher“, der alles erschaffen hat. Ein Konflikt zwischen Gottesbild und naturwissenschaftlichem Weltbild ist daher faktisch vorprogrammiert. In der Regel führt dies bei Kindern dazu, dass naturwissenschaftliche Weltbildelemente mit Gottesbildvorstellungen zu „hybriden“ Weltbildkonstruktionen vermischt werden. Gott hält sich dann gleichsam wie ein Hyperkosmonaut zwischen Sonne, Erde und Milchstraßen auf. Dies verdeutlicht die Aussage eines zwölfeinhalbjährigen Jungen:

„Am Anfang geschah ‚von selbst’ eine große Explosion, Materieklumpen flogen durch das Weltall, das ‚immer schon da war’, dann sah Gott einen dieser Klumpen, nämlich unsere Erde, fand ihn für seine Zwecke geeignet und schuf auf ihm gemäß der im Sechstagewerk beschriebenen Ordnung an einem Tag die Pflanzen, dann die Tiere und den Menschen.“17

Erkennbar ist hier unschwer die Vermengung von Urknalltheorie und priesterlicher Schöpfungserzählung. „Das Bedeutsame an diesem Stadium ist, dass mit der „Physikalisierung des Himmels“ die vertikale Achse verloren geht. Gott wohnt nicht mehr in einem ganz andersartigen Bereich, es findet eine Banalisierung der Transzendenzerfahrung statt.“18

Befragungen von Jugendlichen zeigen, dass sich etwa die Hälfte der Jugendlichen von ihrem Kinderglauben distanzieren. Die Fähigkeit zu formalen Denkoperationen und Hypothesenbildung führt vielfach dazu, dass die Frage der wissenschaftlichen Beweisbarkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt. Deutlich wird dies an dem Anstieg von zustimmenden Äußerungen zu der Aussage „Die Naturwissenschaft hat die Bibel widerlegt“ von 17 Prozent der Elfjährigen auf 29 Prozent der 16-Jährigen. Noch gravierender ist der Anstieg bei der Aussage „Die Naturwissenschaft hat die biblische Schöpfungserzählung widerlegt“ (von 20 Prozent der Elfjährigen auf 49 Prozent der 16-Jährigen).19

Nicht ohne Grund hat Nipkow als eine der vier Einbruchstellen jugendlichen Gottesglaubens „die enttäuschte Erwartung an Gott als Schlüssel zur Erklärung der Welt“ (neben Theodizee, Gebet und Kirche) bestimmt. Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass Wissenschaftsgläubigkeit ein negativer Faktor hinsichtlich der Einstellung zum Christentum ist und sich mit zunehmendem Alter eine steigende Wissenschaftsgläubigkeit unter Jugendlichen finden lässt.

Aber: Auch wenn beim Gottesbild von Jugendlichen die Kategorie „Naturwissenschaft widerlegt Gott“ scheinbar dominiert, gilt es keine vorschnellen Schlüsse zu ziehen. So finden sich in einer Erhebung von 245 Texten aus dem Jahr 1999 ebenso viele Meinungen, die einen Gottesglauben mit Naturwissenschaft vereinbaren. Systematisiert lassen sich drei charakteristische Argumentationsmuster aufzeigen:

  1. Naturwissenschaft widerlegt biblische Schöpfungserzählung,
  2. Naturwissenschaft „und“ Glaubenskonflikt,
  3. Vermittlungsstrategien von Naturwissenschaft und Gottesglaube.

Dazu drei typische Aussagen von Jugendlichen:20

„Gott war mal da und es gibt ihn nicht mehr. Wenn man logisch denkt, sieht man das auch ein. Die Menschen wären von Gott entstanden. Das ist doch Blödsinn. Man hat doch bewiesen, dass die Menschen vom Affen abstammen (…) Wenn es Gott gibt, dann soll er doch kommen und uns helfen. Soll er doch die Kriege, die auf der Erde sind abschaffen, dann soll er doch kommen und allen Menschen beweisen, dass er da ist (…) Wenn er was beweist, dann erst glaube ich an ihn.“

An dieser Aussage zeigt sich, welche Bedeutung der Themenkreis „Welt- bzw. Lebensentstehung“ und die Forderung nach einem „Beweis“ für Jugendliche hat.

„Ich komme in den Gedanken, wie ist die Erde entstanden. Denn kann man sagen, Gott hat die Welt erschaffen, oder die Erde ist durch biologische Weise entstanden. Je länger ich darüber nachdenke, desto aufgeregter und angeregter werde ich, und dann sage ich zu mir, es hat ja sowieso keinen Sinn darüber nachzudenken und lasse das Thema wieder fallen.“

Gott ist hier nicht widerlegt, aber eine reflektierte „Vermittlungsstrategie“ zwischen Naturwissenschaft und Theologie steht nicht zur Verfügung.

„Ich bin nicht der Ansicht, dass Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften den Glauben an Gott widerlegen können, weil man das, was man glaubt, nicht mit realen Dingen vergleichen kann. Keiner wird behaupten, die Welt wurde in 7 Tagen erschaffen. Die Schöpfungsgeschichte ist wohl eher sinnbildlich gemeint. Man kann nicht mit Naturwissenschaft Zufälle messen. (….) Man kann keine Liebe seh’n und sie ist da, wir werden von ihr beeinflusst, sie lässt uns Dinge tun, aber keiner kann’s wissenschaftlich belegen. Man kann die Pulse messen etc. aber nicht das Gefühl, also kann man die Existenz Gottes nicht nachweisen.“

Deutlich werden drei Vermittlungsansätze: Glaube als eigene Dimension, der Verweis auf die Grenzen der Naturwissenschaft und ein nichtwörtliches Verständnis der biblischen Schöpfungsgeschichte.

Weiterhin kann festgehalten werden: Die Alltagstheorien der Jugendlichen haben eine deutliche Affinität zu den skizzierten wissenschaftlichen Verhältnismodellen von Naturwissenschaft und Theologie; sie haben – nicht nur deshalb – eine eigene Dignität.

 

4. Biblischer Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie im Unterricht

Nicht nur im Blick auf die von der hessischen Kultusministerin Wolff im Sommer vorletzten Jahres ausgelöste Debatte zur Gegenüberstellung von Evolution und biblischen Schöpfungsaussagen im Biologieunterricht muss gesagt werden, dass in der schulischen Wirklichkeit das „Dialogmodell“ keineswegs bestimmend ist. Auch in der öffentlichen Debatte wurde vielfach im Sinne des „Trennungsmodells“ von Naturwissenschaft und Theologie argumentiert nach dem Motto: „Der Schöpfungsbericht wird im Religionsunterricht, die Evolutionstheorie im Biologieunterricht ‚gelehrt’“.

Diese Argumentation greift auch deshalb zu kurz, da in der weltanschaulich neutralen Schule – wie ebenso die neue Orientierungshilfe der EKD feststellt – „sich prinzipiell alle Unterrichtsfächer sowohl mit dem Schöpfungsglauben als auch mit der Evolutionstheorie auseinandersetzen (können)“21. Allerdings muss gewährleistet sein, dass dies unter Beachtung der Standards einer wissenschaftlich verantworteten Bildung erfolgt.

 

Curriculare Vorgaben

Curriculare Vorgaben betonen durchgängig die Notwendigkeit fächerübergreifenden Arbeitens. Im Gegensatz zu Lehrplänen aus anderen Bundesländern22 enthält das niedersächsische „Kerncurriculum Biologie“ für die Jahrgänge 5 bis 10 des Gymnasiums im Rahmen der Unterrichtsthematik Evolutionstheorie keine expliziten Hinweise auf Stichworte wie „Schöpfungsgeschichte“ oder „Schöpfungserzählungen“. Allerdings werden für den Kompetenzbereich „Bewertung“ die Bedeutung von Themen „angewandter Biologie“ (z.B. Umwelt- und Naturschutz) herausgestellt und Fragen eigener und gesellschaftlicher Werthaltungen hervorgehoben. Im Zusammenhang der Themenschwerpunkte „Liebe und Sexualität“ wird explizit auf Bezüge zu den Fächern Religion und Werte und Normen verwiesen. Wertentscheidungen erfordern die „Fähigkeit zum Perspektivwechsel“, diese wird als Kompetenz im Kerncurriculum verankert.23 Daher kann gesagt werden, dass das Kerncurriculum Biologie zumindest Voraussetzungen beschreibt, die fächerübergreifendes Arbeiten zum Thema „Evolution und Schöpfung“ ermöglichen.

Die Analyse von gymnasialen Biologielehrbüchern zeigt ein sehr unterschiedliches Bild. Die Lehrbücher für die Sekundarstufe I enthalten in der Regel ein eigenständiges Kapitel zu evolutionsbiologischen Fragestellungen („Ab­stammungslehre“, „Evolutionsbiologie“, „Die Herkunft des Menschen“). Hinsichtlich der Schöpfungsthematik finden sich in den Lehrbüchern für die Klassen 7 bis 10 entweder keine Bezüge oder der Hinweis auf die Schöpfungslehre wird innerhalb der Darstellung eines historischen Überblicks der Evolutionstheorien eingefügt. Eine Auseinandersetzung zwischen dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur Evolution mit den Inhalten und Aussagen der biblischen Schöpfungsberichte findet man vergeblich. Exemplarisch für derartige Gegenüberstellungen ist ein Auszug aus dem Biologie-Lehrbuch des Schroedel-Verlages:

„ ‚Und Gott machte die Tiere auf Erden, ein jegliches nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art, allerlei Gewürm auf Erden nach seiner Art.’ Nach diesen Sätzen der Bibel richteten sich die Vorstellungen der Menschen lange Zeit. Man glaubte, dass alle Lebewesen einmal in der Form, wie sie heute leben, von Gott geschaffen worden waren. Veränderungen, wie etwa die Entstehung des langen Giraffenhalses aus einer kürzeren Form konnte man sich nicht vorstellen. Diese Betrachtungsweise ist die Theorie von der Konstanz der Arten.“24

Auch hier wird deutlich: Das Lehrbuch ist von einem „dialogischen“ Verständnis der Betrachtungsweisen von Naturwissenschaft und Theologie weit entfernt. Der Schöpfungsglaube wird lediglich als historische Wissenstheorie eingeführt, der sich durch die moderne Wissenschaft erledigt hat.