Ein land in dem wir gut und gerne leben

Am 30. August 2017 veröffentlichte die bekannte Publizistin Vera Lengsfeld auf Facebook eine Fotocollage zweier Wahlplakate: Eins der CDU und eins der DDR-Partei SED (Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands). Beide Plakate tragen vermeintlich eine fast identische Aussage. Auf dem CDU-Wahlplakat steht: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“, auf dem SED-Wahlplakat: „Für ein Land, in dem wir gut und gerne leben“ mit der Überschrift „17.-21- April XI. Parteitag der SED“. Zu der Collage schrieb Vera Lengsfeld: „Wie sich die Bilder gleichen.“ 

Der Facebook-Beitrag wurde laut Daten von Facebook bisher mehr als 2.700 Mal geteilt, davon mehr als 200 Mal in den letzten 24 Stunden. Unsere Recherchen zeigen: Eines der Bilder ist gefälscht. 

SED-Originalbild: In Farbe und mit einem anderen Spruch 

Eine Bilder-Rückwärtssuche bei Google führt zu zahlreichen Artikeln über die gefälschte Collage. 2017 berichteten mehrere Medien (Buzzfeed, Spiegel Online, Bento, Merkur, T-Online), dass das vermeintliche SED-Wahlplakat gefälscht sei. Zuvor war das Bild unter anderem von der AfD verbreitet worden. Der AfD-Bezirksverband Hamburg-Nord gab das später auf Twitter zu

Das Originalfoto des SED-Plakats, in Farbe und nicht schwarz-weiß, findet man auf einer Flickr-Seite. Demnach wurde es am 1. Juli 1981 aufgenommen. Das Aufnahmedatum spricht ebenfalls für eine Fälschung, denn der auf dem von Vera Lengsfeld verbreiteten Foto erwähnte XI. Parteitag fand erst 1986 statt. Der Original-Wahlkampfspruch der SED auf dem Plakat lautete: „Alle Kraft zur Stärkung unseres sozialistischen Vaterlandes der Deutschen Demokratischen Republik“. 

Ein land in dem wir gut und gerne leben
Das Originalbild in Farbe bei Flickr (Screenshot: CORRECTIV).

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Was soll passiert sein?

Auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken kursierte ein Doppelbild, das angeblich belegen soll, dass die CDU im Bundestagswahlkampf 2017 auf einen belasteten Wahlslogan setzt. Die Staatspartei der DDR, die SED, soll ihn nahezu wortgleich ebenfalls verwendet haben.

Im oberen Bildteil ist ein echtes CDU-Wahlplakat mit Angela Merkel zu sehen, inklusive dem CDU-Wahlspruch: "Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben." Im unteren Bildteil ist ein zweites Schwarz-Weiß-Foto eingefügt, das angeblich ein SED-Plakat zum elften Parteitag der DDR-Staatspartei   zeigen soll. Auf diesem alten Plakat steht ebenfalls: "Für ein Land, in dem wir gut und gerne leben."

Woher kommt die Meldung?

Wer das Bild zuallererst in Umlauf gebracht hat, ist schwer festzustellen. Klar ist, dass es unter anderem auf der Facebook-Seite "Politik und Zeitgeschehen" auftauchte, wo es viele Likes erhielt und weiterverbreitet wurde.

Auch der AfD-Bezirksverband Hamburg Nord verbreitete das angebliche Beweisbild der CDU-SED-Analogie über seinen Twitter-Account.

Stimmt das?

Das SED-Bild ist eine Fälschung. Das Foto des Plakats wurde von Unbekannten digital bearbeitet. Auf dem Original - einem Farbbild - ist auf dem SED-Plakat nämlich ein ganz anderer Wahlspruch zu lesen. Dort steht: "Alle Kraft zur Stärkung unseres sozialistischen Vaterlandes der Deutschen Demokratischen Republik". Es wird auch nicht auf einen SED-Parteitag verwiesen.

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Mittlerweile haben die Verbreiter der Bildmontage teilweise reagiert. Die Seite "Politik und Zeitgeschehen" löschte nach eigenen Angaben den vielfach geteilten Beitrag und postete eine Richtigstellung. Die hat gleichwohl bisher nicht so viel Aufmerksamkeit bei den Nutzern erzielt wie der Ursprungs-Post. "Politik und Zeitgeschehen steht zu seinem Fehler", heißt es in einem Kommentar unter dem Post von den Verantwortlichen der Seite. Viele andere hätten ihren Fehler aber nicht korrigiert, steht dort weiter.

Dass die Bildmontage jeder faktischen Grundlage entbehrt, stört viele Nutzer aber offenbar nicht. "In diesem Fall wäre es eine gute Versinnbildlichung der eigentlichen Geisteshaltung von Frau Merkel mit Hilfe zweier Wahl-Plakate. Für mich völlig legitim", schreibt ein Facebook-Nutzer unter der Berichtigung der Seite.

Auch die AfD Hamburg-Nord schrieb auf Twitter, man sei "wohl einem Fake aufgesessen". Im gleichen Tweet heißt es aber auch wenig schuldbewusst, die CDU-Plakate klängen nun mal wie SED-Sprech.

Anmerkung: Wir haben die Jahreszahl zum elften Parteitag der SED korrigiert. Er fand 1986 statt, nicht 1981. Das Foto des Plakats wurde 1981 aufgenommen.

Tipps für den Online-Alltag: So enttarnen Sie Fakes


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