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„Ich-bin-da“-Gott
Noch heute sprechen fromme Juden aus Ehrfurcht vor Gott seinen Namen nicht aus. Begriffe und Bilder würden den biblischen Gott festlegen, ihn seiner Spontaneität und seiner Freiheit berauben. Die einzige Bibelstelle, die den Namen Gottes ausdeutet, finden wir im Buch Exodus, das wohl zu den ältesten Elementen der Bibel gehört. Den Namen der Gottheit will Mose wenigstens wissen, um Legitimation und Überzeugungskraft zu haben bei den Israeliten, die er aus Ägypten - aus dem Sklavenhaus - herausführen soll. Wie soll er denn das Volk hinter sich bringen, wenn er nicht einmal den Namen der Gottheit kennt, in dessen Auftrag er kommt? Denn mit einem Gott ohne Namen, in der Vielzahl der damaligen Götterwelt, kann man nichts bewirken, ihn kann man nicht beschwören. Doch der Name wird ihm nicht verraten. Nur dieser Satz wird ihm gesagt: Ich bin ´der Ich-bin-da`. Da in hebräischen Verben Präsens und Futur oft identisch sind, könnte man auch übersetzen: „Ich werde sein, der ich sein werde“ oder „Ich werde da sein, als der ich da sein werde.“ Martin Buber übersetzt Exodus 3,14 so:
Gott wird da sein, aber er wird womöglich anders da sein als wir erwarten oder vorausberechnen. Wie und wann wir ihm begegnen, das können wir nicht erlernen, wir können Ihn durch keinen Namenszauber, durch keine Methode oder Ritus herbeizwingen. Es kann sein, dass er an ganz anderer Stelle und in ganz anderer Weise auftaucht als wir bislang vermuteten. „Ihr begegnet mir, wenn ihr mir begegnet.“ Gottes Gegenwart, sein Wirken und Wirksam-sein verträgt keine Festlegung. Wer Gott festgelegt hat, erfährt oft im Laufe seines Lebens, dass Bild und Vorstellung zu klein sind für den wahren Gott und manches Gottesbild vom Leben selbst zertrümmert wird. Ihm zu begegnen sollten wir womöglich gar nicht wünschen, weil eine solche Begegnung zu „groß“ (oder auch: zu fürchterlich“) wäre und „wir“ – so die Vermutung von William Blake - auf die Erde gesetzt sind, um uns langsam an die Strahlen Seiner Liebe zu gewöhnen. Aber „Er“ verheißt und verspricht uns, dass er „da“ sein wird: in unserer Not, im Leid, in der Krankheit, in unserer Gefangenschaft, in unserer Trauer, in unserem Scheitern, in unserer Mutlosigkeit ... Und wir, die „Israeliten“, was können wir tun? Wir können seiner Verheißung vertrauen, wir können uns trauen, alle selbst gemachten Sicherheiten loszulassen, wir können Ihm trauen, dass er schon da sein wird , in der Weise wie wir es verkraften, dass er da sein wird und uns nicht im Stich lässt. Wir können Ihn anrufen, dass er dieses Versprechen hält, auch wenn er frei ist in der Art und Weise wie er sein Versprechen einlöst. Impuls
(Text von Gustav Schädlich-Buter) JHWH (hebräisch יהוה) ist der unvokalisierte Eigenname des Gottes Israels im Tanach. Zu Beginn der Zehn Gebote stellt dieser Gott sich seinem Volk wie folgt vor:
„Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus, herausgeführt habe. In der Bibel ist JHWH der gnädige Befreier und gerechte Bundespartner des erwählten Volkes Israel und zugleich der Schöpfer, Bewahrer, Richter und Erlöser der ganzen Welt. Er wird dort auch mit Titeln wie Elohim („Götter“, Pluralis Majestatis für Gott) oder El („Gott“, oft mit Personennamen oder Eigenschaften verbunden) bezeichnet. Um die Aussprache des Eigennamens JHWH zu vermeiden, verwendet das Judentum für dieses Tetragramm die Ersatzlesungen Adonai („meine Herren“) oder HaSchem („der Name“). Die ursprüngliche Aussprache des Namens ist unbekannt. Das Tetragramm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Langform[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Gottesname erscheint im Tanach immer als selbständiges Wort aus den hebräischen Konsonanten Jod, He, Waw, He. Sie ergeben von rechts nach links gelesen das Tetragramm (Vierfachzeichen) יהוה „JHWH“. Nach älteren Bibelwörterbüchern erscheint es im Tanach 6823-mal,[1] in der heutigen Biblia Hebraica Stuttgartensia 6828-mal.[2] JHWH ist damit der weitaus häufigste biblische Eigenname. Da dieser im Tanach nie mit anderen Namen kombiniert ist, gilt er als der eigentliche Gottesname. Alle außerbiblischen Belege des Tetragramms bezeichnen ebenfalls diesen Gott. Die Mescha-Stele (um 840 v. Chr.) belegt ihn erstmals als (hier unterlegenen) Volksgott der Israeliten parallel zum Volksgott der Moabiter: „Und ich nahm von dort die Geräte JHWHs und schleifte sie vor Kemosch.“[3] Fragmente aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. in Kuntillet ʿAdschrud nennen JHWH neben den Namen der Gottheiten Ba’al und Aschera (einer Fruchtbarkeitsgöttin) sowie Ortsnamen wie smrn, der als Beleg für einen JHWH-Tempel in der Stadt Samaria gedeutet wird. Da Baal und Aschera im Tanach strikt abgelehnt werden, gelten diese außerbiblischen Inschriften als Belege für einen zeitweisen Synkretismus im Nordreich Israel.[4] In Geschäftsbriefen aus Arad und Lachisch (7./6. Jahrhundert v. Chr.) wird nur der Gottesname JHWH als stilisierter Gruß, Segenswunsch oder Schwurformel verwendet, etwa: „JHWH möge meinen Herrn hören lassen [gute Nachricht] gerade jetzt“ oder „So wahr JHWH lebt!“[5] Daraus wird die inzwischen vollzogene Abkehr von synkretistischer Monolatrie und Durchsetzung des exklusiven JHWH-Glaubens in Israel gefolgert.[6] In Keilschrift ist der selbständige Gottesname JHWH bisher nicht belegt.[7] Kurzformen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ähnlich buchstabierte Gottesnamen sind in der altorientalischen Umwelt lange vor Beginn der Bibelkompilation belegt. Ob sie den JHWH der Bibel bezeichnen, ist umstritten. Tontafeln von Ugarit (auf der Landspitze Ras Shamra nahe Latakia) aus dem 15. Jahrhundert v. Chr. nennen einen Gott jw als „Sohn des El“.[8] Eine altägyptische Ortsnamensliste aus der Zeit von Amenophis III. (1402–1363 v. Chr.) nennt „das Land der Schasu-Nomaden von jhw“. Diese Ortsangabe wird oft als Gottesname gedeutet, weil die Liste auch andere Ethnien nach ihren Göttern benennt. Eine weitere Liste aus der Zeit von Ramses II. (1279–1213 v. Chr.) gibt als Wohngegend dieser Nomaden s-rr an: Dies wird auf das südöstlich von Palästina gelegene Gebirge Seir gedeutet. Da einige Bibelstellen den Seir als Herkunftsort JHWHs nennen, wird seine Identität mit jhw angenommen.[9] In den jüngeren Elephantine-Papyri (ab 500 v. Chr.) finden sich synkretistische Eid- und Segensformeln, etwa „die Anat des Jhw“ oder „durch Jhh und Chnum“. Die Kurzformen Jhw und Jhh stehen beide für JHWH, der in der jüdischen Militärkolonie von Elephantine (Ägypten) bis 410 v. Chr. in einem Tempel neben ägyptischen Lokalgöttern verehrt wurde.[10] Die durchgängig in diesen Dokumenten verwendete Form jhw wird nicht als andere Sprechweise, sondern als vom Tetragramm abweichende Schreibweise gedeutet, dessen letzter Buchstabe bei kurzem Endvokal als mater lectionis wegfällt.[11] Die Kurzformen jw, jh, jhw, jhh und hjw sind in und außerhalb der Bibel immer theophorer („Gott-tragender“) Bestandteil von Personennamen: meist als erste Silbe vorangestellt, seltener nachgestellt, nie in der Wortmitte. Mit solchen Kurzformen kombinierte Namen sind archäologisch ab etwa 950 v. Chr. belegt und bezeichnen immer Israeliten und Judäer, frühestens ab 500 v. Chr. in Elephantine eventuell auch Perser und Ägypter.[12]
Die Vorsilbe Jhw- (vokalisiert Jeho- oder Jahu-) verkürzte sich zu Jw- (Jo- oder Ja-), die Nachsilbe -jhw verkürzte sich zu -jh (-jah) oder -jw (-jo oder -jaw). Die Vokalisierung und damit die Aussprache sind jeweils fraglich. Nur die Kurzform Jh erscheint in der Bibel vereinzelt für sich, etwa in Ex 15,2. Meist erscheint sie mit dem Imperativ Plural von hll („preisen, verherrlichen, ausrufen“) verbunden in dem Ausruf Hallelu Jah („lobet Gott!“): so in einigen biblischen Psalmen.[14] Etymologische Erklärungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Verhältnis der Kurzformen zur Langform JHWH ist ungeklärt. Viele Hebraisten und Alttestamentler versuchten, die Langform aus den selbständigen oder in Personennamen enthaltenen Kurzformen abzuleiten. Godfrey Rolles Driver (1928) fand in dem ekstatischen Ausruf „Jah!“ ihren Ursprung, ausgedrückt im Lied am Schilfmeer in Ex 15,2 ELB: „Meine Stärke und mein Loblied ist Jah, denn er ist mir zur Rettung geworden.“[15] Bernardus Dirks Eerdmans (1942) sah als ihre Wurzel die zweisilbige Kurzform Ja-Hu, die er als lautmalerischen Ausruf von Blitz und Donner deutete. JHWH sei also ursprünglich ein Gewittergott gewesen.[16] Sigmund Mowinckel (1961) erklärte die Langform aus dem emphatischen Kultruf Ja Hu („Oh Er!“).[17] Die Gesetze der hebräischen Sprache erklären jedoch eher die Kurzformen aus der Langform als umgekehrt: In Verben gehen geschlossene Silben oft in offene über, während sie an Namensendungen wegfallen können.[18] Die Langform wird aus den Verbwurzeln hwh oder hjh abgeleitet. Hwh bedeutet im Altarabischen „fallen“, „wehen“ oder „lieben, begehren“.[19] Im 19. Jahrhundert deuteten manche Exegeten den Namen daher kausativ als „der Fällende“, „der Wehende“.[20] Julius Wellhausen (1894) übersetzte ihn imperfektiv mit „Er fährt durch die Lüfte, er weht“.[21] Auch für diese Interpreten war JHWH ursprünglich ein Wettergott.[22] Meist wird die Langform jedoch im Anschluss an Ex 3,14 als Form des hebräischen Verbs hjh bzw. seinem aramäischen Äquivalent hwh in der dritten Person Singular Imperfekt aufgefasst.[23] Diese Form wurde mit analog gebildeten altorientalischen Personennamen verglichen, etwa den babylonischen Namen Jahwi-Ilum, Jahwi-Adad[24] oder dem amoritischen Namen Jahwi-GN.[25] Weil das aramäische Verb hjh „leben, existieren, dasein, wirksam werden“ bedeutet, übersetzte Wolfram von Soden (1966) JHWH mit „Er ist“, „Er erweist sich“ (als gegenwärtig, mächtig, helfend).[26] William Foxwell Albright (1968) und andere übersetzten JHWH als Kausativ von aramäisch hjh im Sinne einer Schöpfungsaussage: „Er, der Sein schafft“, „der ins Dasein ruft“, „der veranlasst zu werden“.[27] Die Kausativform ist jedoch im Tanach nicht belegt und widerspricht dem Kontext von Ex 3,14, das den Namen als „Beistandsformel“ (Ex 3,12) auf die Rettungstat des Exodus bezieht. Der Exodusgott JHWH wurde erst später auch mit dem Weltschöpfer EL der Kanaanäer identifiziert.[28] Im Anschluss an Gerhard von Rad (1962) betonen viele Alttestamentler, die Etymologie des Gottesnamens könne seine Bedeutung im Tanach nicht erklären.[29] Antonius H. Gunneweg (1993) betonte: Jede Deutung des Namens JHWH als Aussage über Gottes Dasein und Wesen unterstelle einen hohen Grad an theologischer Reflexion, der für die sprachliche Herkunft noch nicht anzunehmen sei. Eine Schöpfungsaussage sei wegen der biblischen Exodus- und Sinaibindung dieses Namens unwahrscheinlich.[30] Weil der Tanach nirgends auf Ex 3,14 zurückkommt, meinte Rainer Albertz (1996), Israel habe dessen Ursprungsbedeutung nicht mehr gekannt: „Gottesnamen sind häufig sehr viel älter als die aktuellen Religionen, und die Gottesvorstellungen wandeln sich unter der Hülse des gleichen Namens.“[31] Herkunftshypothesen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Woher der Gottesname JHWH stammt, wo und wann die Israeliten ihn kennenlernten, ist ungeklärt. Nach einer seit Julius Wellhausen (1878) oft vertretenen These verehrten die Midianiter und Keniter einen Berggott namens JHWH. Diesem Kult hätten sich einige Israelitenstämme früh angeschlossen. Die These geht von Ex 3,1 aus, wonach Mose JHWH in Midian (Ex 2,15) am Berg Horeb begegnete, als er Hirte und Schwiegersohn des „Priesters von Midian“ war. Dieser Priester, hier genannt Jitro, opfert später JHWH als höchstem Gott auf dem „Gottesberg“ zum Dank für den Exodus der Israeliten und feiert mit deren Ältesten ein Mahl (Ex 18,1–12): Dies deutete etwa Karl Budde (1900) als Übertritt der Israeliten zum JHWH-Kult der Midianiter.[32] Volker Haarmann (2008) hat diese Exegese für unhaltbar erklärt; es gehe in Ex 18,12 um die Hinwendung eines Nichtisraeliten zum Gott der Israeliten JHWH.[33] Nach Ri 4,11 hieß Moses Schwiegervater Hobab und gehörte zu den Kenitern; nach Num 10,29–32 führte er die Israeliten durch die Wüste. Die Keniter gelten daher biblisch als Freunde der Israeliten (1 Sam 15,6; 30,29). Weil ihr nomadischer Stammvater Kain laut Gen 4,15f. durch ein Zeichen JHWHs vor Ausrottung geschützt wird, sah etwa Ludwig Köhler (1966) sie ebenfalls als vorisraelitische JHWH-Verehrer und als Teilvolk der Midianiter an.[34] Der Gottesberg im Land Midian (Ex 3,1) wurde wegen Ex 19,1.11 mit dem „Berg Sinai“ identifiziert und wegen der Theophanie-Motive von Rauch, Feuer und Erdbeben in Ex 19,18 als tätiger Vulkan gedeutet (seit Hermann Gunkel 1903). Das schloss die seit etwa 300 übliche Lokalisierung auf der Sinai-Halbinsel aus.[35] Tätige Vulkane gab es in der fraglichen Zeit nur in Nordwestarabien, also östlich des Golfs von Akaba.[36] Gunneweg (1964), Ernst Axel Knauf (1988), Klaus Koch (1998) und andere haben die Midianiterthese fortgeführt.[37] Für die Herkunft eines Berggottes JHWH aus einer Region südöstlich Palästinas zogen sie auch Stellen heran, die ein „Kommen JHWHs vom Sinai“ mit an Ex 19 erinnernden Theophaniemotiven (Regen, Gewitter, Erdbeben, Aufleuchten) und den Ortsnamen „Seir“ und Edom verbinden (Ri 5,4f.; Dtn 33,2; Hab 3,3; vgl. Ps. 68,9). Der Seir war ein Gebirgszug im Gebiet der Edomiter südöstlich des Toten Meeres. Daher wurde der Herkunftsort JHWHs dort oder noch weiter südlich im Midianitergebiet vermutet.[38] Diese Lokalisierung sahen Rainer Albertz (1992), Werner H. Schmidt (1997), Othmar Keel (2007) und andere durch die Angaben „(Land der) Schasu-jhw“ und „Schasu-s’rr“ in Ortslisten von Pharaonen bestätigt.[39] JHWHs vorisraelitische, südpalästinische Herkunft gilt heute als kaum belegt. Denn unklar ist, ob jhw in den Pharaonenlisten einen Gottesnamen meint; die Schasu-jhw werden darin auch auf Gegenden nördlich von Israel bezogen.[40] „Sinai“ meint in den Bibelstellen außerhalb der Tora eine Gegend, keinen Einzelberg.[41] Nach Henrik Pfeiffer (2005) sind diese Stellen alle nachexilisch, literarisch voneinander abhängig und daher für die Midianiterthese nicht verwendbar.[42] Der Name JHWH wurde früh auch mit der Exodustradition verknüpft (Ex 15,21). Welche Herkunftsangabe die ältere ist und ob und wie ein vorisraelitischer Berggott mit dem mitziehenden Exodusgott Israels identifiziert wurde, ist ungeklärt.[43] Aussprache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Umschreiben des Gottesnamens war um die Zeitenwende im vom Hellenismus und Pharisäismus geprägten palästinischen Judentum üblich, um das Gebot Ex 20,7 („Missbrauche nicht den Namen JHWHs, deines Gottes“) nicht unabsichtlich zu verletzen. Nur der Hohepriester durfte den Gottesnamen am Jom Kippur (Versöhnungstag) aussprechen, wobei der laute Gesang der Leviten dies akustisch überdeckte. Die Tempelzerstörung im Jahr 70 beendete diese Praxis. Spätestens seit 100 n. Chr. wurde der Gottesname im Judentum nicht mehr genannt. Daher ging das Wissen um seine ursprüngliche Aussprache allmählich verloren. Sie wurde wegen der masoretischen Punktuation im Mittelalter auch im Judentum selbst weithin vergessen. Clemens von Alexandria (Stromata V, vi, 34, 5) war eine vokalische Aussprache als I-a-u-e (᾿Ιαουέ) bekannt.[44] Seit dem frühen 18. Jahrhundert versuchten historisch-kritische Alttestamentler die Aussprache des Tetragramms und seine Urform zu rekonstruieren. Dabei knüpften sie an die biblischen Kurzformen und ihre masoretische Vokalisierung an. Der lutherische Theologe Romanus Teller zählte 1749 folgende Lesarten auf: Jevo, Jao, Jahe, Jave, Javoh, Jahve, Jehva, Jehovah, Jovah, Jawoh oder Javoh.[45] Die Aussprache „Jahwe“ war um 1800 bereits rekonstruiert worden; sie gilt heute als die wahrscheinlichste. Dafür sprechen die masoretische Vermeidung des Langvokals auf der ersten Silbe, die Eigenart des Hebräischen, offene Schlusssilben eines Verbs mit langem Vokal zu unterlegen, neue vor- und nachexilische Belege aus Israels Umwelt, die den jüdischen Gottesnamen als „Jawe“, „Jabe“ oder „Jauwe“ überliefern, und griechische Übertragungen aus dem 1. Jahrhundert wie iabe oder iaoue. Das griechische Beta oder Omikron+Ypsilon wurde ähnlich ausgesprochen wie das hebräische Waw, für das es kein griechisches Äquivalent gab.[46] JHWH im Tanach[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Namensoffenbarung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Tetragramm JHWH im Text einer Torarolle (etwa in der Mitte des Bildes) Im Tanach erscheint der Name JHWH ab Gen 2,4 in der zweiten, für älter gehaltenen Schöpfungserzählung. Gott wurde laut Gen 4,26 schon in der Urzeit unter diesem Namen verehrt. Dieser Darstellung widerspricht die Berufungsgeschichte Ex 3,1–18 EU: Danach offenbarte JHWH seinen Namen erstmals dem Mose auf dessen Nachfrage. Der Text beschreibt Gott im brennenden Dornbusch als „Feuer, das brennt, aber nicht verbrennt“ (v. 2) und erklärt dann (v. 6) die seltene Verwendung seines Namens in Gen 12–50: Er sei Israels Erzvätern nicht namentlich gegenübergetreten, sondern habe sie wie nun Mose bei ihrem Namen gerufen: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Dem folgt die Verheißung (v. 7f.):
Auf seine Bedenken und Einwände hin erhält Mose Gottes Zusage (v. 12): „Ich werde mit dir sein.“ Auf seine weitere Nachfrage, welchen Gottesnamen er den Israeliten als Auftraggeber nennen solle, erhält Mose die Antwort (Ex 3,14 OT): ’ehyeh ’ascher ’ehyeh Nur diese Bibelstelle deutet den Gottesnamen aus. Sie geht auf die eng verwandten hebräischen Verben hwh („sein, werden“) und hjh („geschehen, veranlassen, da sein“) zurück, die sich präsentisch oder futurisch übersetzen lassen: im Präsens mit „Ich bin, der ich bin“, im Futur mit „Ich werde sein, der ich sein werde“. Exegeten nehmen an, dass der Vers bewusst mit dieser Mehrdeutigkeit spielt. Wegen der futurischen Aussage in Vers 12 wird auch Vers 14 oft futurisch übersetzt, etwa: „Ich werde für euch da sein“; „Ich werde mich für euch hilfreich erweisen“; „Ich bin (für euch) da“. Denn Vers 14b bekräftigt:
In Vers 15 identifiziert sich JHWH mit den in Vers 6 aufgezählten Göttern der Erzväter und betont: „Das ist mein Name für immer und so wird man mich nennen in allen Generationen.“ So ist der Gottesname biblisch unlösbar mit der exklusiven Erwählung des Volkes Israel und dessen Rettung aus der Sklaverei verknüpft: In dieser Befreiungsgeschichte legt er sich aus, von da aus will er gedeutet werden, darin erweist und bewährt sich seine Identität. Er wiederholt diese Selbstauslegung in der Bibel auch nach dem Exodus, um sein Subjektsein zu wahren, seine Rettungszusage zu erneuern und zugleich seine Gestalt zu verbergen (Ex 33,19 LUT):
Als Selbstaussage ist der Gottesname auch sonst eng mit seiner Gnade, Barmherzigkeit und Treue (Ex 34,6), aber auch seiner Eifersucht (Ex 34,14) verbunden, die andere Gottesverhältnisse in Israel ausschließen will. Im Tanach finden sich keine Bezüge auf die Namenserklärung von Ex 3,14. Nur bei Hos 1,9 EU („nicht-für-euch-da“) wird erwogen, dass der Vers Ex 3,12 negieren soll. JHWH bleibt unverfügbar und souverän der Person gegenüber, die ihn anruft. So erhält Jakob nach der Zusage, er werde „Israel“ heißen, auf die Frage nach dem Namen des Unbekannten die Antwort (Gen 32,30 EU): „Warum fragst du nach meinem Namen? Und er segnete ihn an diesem Ort.“ Demgemäß beginnen Gottesreden in der Prophetie im Tanach mit der Selbstvorstellungsformel: „So spricht JHWH: Ich …“ Der Gottesname rückt hier nie in die Objektstellung. Die Selbstaussage „Ich bin JHWH“ wurde in der Prophetie zum Schlüsselwort für den exklusiven Glauben des Judentums.[47] Befreier der Hebräer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit dem Auszug aus Ägypten beginnt für die Bibel JHWHs eigentliche Geschichte mit dem Volk Israel. In der Befreiung der hebräischen Sklaven aus der Fronarbeit in Ägypten zeigt dieser Gott seine Identität und beansprucht von da an dieses Volk zu seinem „Eigentum“ (Hos 13,4 EU):
Das Motiv „JHWH, Israels Gott von Ägypten her“ gilt wegen seiner Häufigkeit und Verbreitung als der wichtigste Glaubenssatz im Tanach. Der Exodus gilt als Urdatum oder Urbekenntnis der JHWH-Religion. Deren Ursprung war demnach kein Naturereignis und Weltentstehungsmythos, sondern die Erfahrung einer innergeschichtlichen Wende für Menschen, die in den Kulten antiker Großreiche keinerlei Rechte und Bedeutung hatten. Das Exodusthema ist Zentrum der biblischen Heilsgeschichte in der Tora und Ausgangspunkt der biblischen Gesetzgebung, Geschichtsschreibung und Prophetie. Es bildete den normativen Kern der gesamtisraelitischen Glaubensbekenntnisse (Dtn 6,20 ff.; Dtn 26,5–10), auf die spätere Bibelautoren immer wieder zurückkamen (Jos 24,1–28; Ri 10,11; Ps 136; Hos 11,1; Jes 51,9; Ez 23,3 und andere).[48] Dagegen fehlt es in anderen Büchern des Tanach, vor allem in spezifisch Jerusalemer Traditionen und späten Ketuvim (Schriften). Die Exodustradition (Ex 1–15) war anfangs selbstständig. Als ihre Keimzelle und ältestes Glaubensbekenntnis des Tanach gilt das Mirjamlied (Ex 15,21 EU): „Mirjam sang ihnen vor: Singt dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und erhaben! Rosse und Wagen warf er ins Meer.“ Der rettende Durchzug durch das Schilfmeer vor dem Heer des Pharao (Ex 14) wird hier als Begegnung mit dem bis dahin unbekannten JHWH, nicht als glücklicher Zufall gedeutet. Das Lob dieses Gottes wurde Ausgangspunkt der dann immer mehr ausgemalten „Zeichen und Wunder“, mit denen die Bibel seine Überlegenheit und Demütigung des ägyptischen Pharao als seines irdischen Gegenspielers darstellt. Demgemäß wurde die altorientalische Vergottung von toten oder lebenden Herrschern in Israel auch nach dem Aufkommen des dortigen Königtums abgelehnt (etwa in 1Sam 8,5ff.). Historisch gesehen war nur ein kleiner Teil der späteren Israeliten in Ägypten. Ein Frondienst von Gruppen fremder Herkunft beim Bau von Vorratsstädten ist für etwa 1200 v. Chr. unter Ramses II. belegt. Sie wurden als HPR bezeichnet; derselbe Wortstamm oder Name („Chabiru“) ist auch in akkadischen und sumerischen Dokumenten jener Zeit nachweisbar. Er bezeichnete keine ethnische, sondern eine soziale Gruppe von Tagelöhnern, Sklavenarbeitern, Söldnern oder Räubern. Demnach war JHWH kein Stammes- oder Volksgott, sondern einer, mit dem diese landlosen, von Großreichen abhängigen und immer wieder versklavten Gruppen unerwartete Befreiungs- und Rettungserlebnisse verbanden. Dies ermöglichte anderen Nomadenstämmen, diesen Gottesnamen bei ihrer Begegnung im Kulturland Kanaan mit ihren eigenen unabhängig überlieferten religiösen Überlieferungen zu identifizieren.[49] Die Exodustradition wurde vermutlich vom Stamm Josef nach Palästina gebracht und wuchs mit anderen Stammesüberlieferungen allmählich zum gemeinsamen Glauben Israels zusammen. Der „Auszug aus Ägypten“ verband sich mit strukturell analogen Motiven der „Verheißung“ aus den nomadischen Erzvätererzählungen, der „Führung in der Wüste“, der „Gesetzesoffenbarung“ am Sinai und der „Landnahme“. Daraus entstand – nach heutiger überwiegender Meinung wohl erst nach der Rückkehr aus dem Exil (539 v. Chr.) – die theologische Gesamtkonzeption der Ursprungsgeschichte Israels im Pentateuch. Jörg Jeremias geht davon ebenso aus, dass JHWH und Israel nicht von Anfang an zusammengehörten, sondern dass wahrscheinlich erst später die Rahelstämme den JHWH-Glauben in Israel einführten. Dafür spricht, dass die wichtigsten Heiligtümer der Richterzeit in dem Gebiet der Rahelstämme liegen und dass Jos 24,15 noch von einer Entscheidungssituation weiß. Es war nicht selbstverständlich, an JHWH zu glauben, sondern man hatte sich als früher Israelit noch zu entscheiden.[50] Eine Rede Josuas in Sichem (Jos 24,1–28) resümiert die vorstaatliche Zeit ohne die Tora-Offenbarung (Ex 19–23) und stellt die Israeliten vor die Wahl, JHWH oder den überkommenen Vätergöttern zu dienen. Das Volk verspricht in Form einer Rechtsverpflichtung, nur noch JHWH zu dienen. Gerhard von Rad deutete diesen Text als Erinnerung an die Übernahme des JHWH-Glaubens durch Stämme, die nicht in Ägypten waren. Sie hätten ihre selbständigen Überlieferungen erst nach der Landnahme Israels zu diesem heilsgeschichtlichen Glaubensbekenntnis verknüpft.[51] Heute wird der Text meist in die frühe Königszeit datiert und auch als Absage an ein dynastisches Königtum gedeutet.[52] Die „Erwählung“ Israels zum „Volk JHWHs“ im Exodus tendierte also auf eine kontinuierliche Selbstverpflichtung aller Israeliten und verantwortliche Bindung an diesen Gott, der sie zu einem Volk vereinte. Die Kategorie der befreienden Rettung blieb maßgebend zur Deutung späterer Geschichtserfahrung, so dass das Judentum seine historischen Krisen und Katastrophen in der Erinnerung an seine Ursprünge bewältigen konnte. JHWH blieb sein Geschichtslenker und Hoffnungspotential: auch für andere Sklaven und Völker und gerade auch dort, wo Haftpunkte seines Glaubens, der Tempel, die soziale Ordnung und der Landbesitz, verloren gingen. Geber von Bund und Recht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das „Bundesbuch“ (Ex 19–24) verbindet die Theophanie JHWHs auf dem Gottesberg Sinai (Ex 19), Proklamation der Gebote (Ex 20–23) und Bundesschluss mit dem Gottesvolk Israel (Ex 24) in einem größeren Überlieferungsblock. Dieser wurde wohl älteren Gesetzeskorpora und Landnahmetraditionen vorgeschaltet und als Station der Wüstenzeit in den Verlauf der Heilsgeschichte eingefügt (Gerhard von Rad). Hier liegt neben der Exodustradition das zweite Zentrum biblischer JHWH-Theologie im Pentateuch vor. Die Theophanie ist begleitet von erschreckenden Naturphänomenen, die JHWHs Heiligkeit betonen: In seinem „Feuer“ (Ex 19,18; vgl. 24,17) würde der Mensch vergehen, so dass Gott ihn vor sich schützt und Abstand gebietet (Ex 19,12; vgl. 3,5). Nur Mose als Mittler seines Willens darf sich ihm nähern. Posaunenklang (v. 13 und 19) ertönt und die Priester werden davor gewarnt, Mose zu folgen (v. 24). Erst nach Gebotsoffenbarung und Bundesschluss dürfen 70 Vertreter Israels „Gott schauen“ und in seinem Beisein das Bundesmahl halten (Ex 24,9 ff.). Diese Motive lassen erkennen, dass die Theophanie-Erzählung in der Zeit des ersten Tempels ausgestaltet und als Fest regelmäßig kultisch wiederholt wurde. Die Gebote werden dem ganzen Volk mitgeteilt und mit der gnädigen Zusage eröffnet (Ex 20,2f EU): „Ich bin JHWH, dein Gott, der dich aus dem Sklavenhaus Ägypten befreit hat…“ Die zurückliegende Befreiung, als besondere Erwählung Israels verstanden, begründet den exklusiven Rechtsanspruch dieses Gottes auf sein Volk: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Die vermutete vorisraelitische Vulkan- oder Gewittergottheit ist hier ganz mit dem JHWH des Exodus identisch: Er kann darum auch an anderen Orten und auch Nichtjuden erscheinen und mit seinem Volk mitziehen, etwa mit der Bundeslade der vorstaatlichen Richterzeit. Während das Wort „Bund“ in Israels Umwelt meist eine gegenseitige Rechtsverpflichtung für Interessenausgleich und Friedenssicherung meinte, ist der hebräische Berît besonders in den Verheißungen an die Erzväter und im 5. Buch Mose asymmetrisch: „JHWH, der Gott Abrahams“ bzw. „Israels“ erscheint als zuvorkommender souveräner Bundesstifter, der sein Recht offenbart und gebieterisch dessen Einhaltung einfordert. „Israel, das Volk JHWHs“ ist sein Bundespartner, dem kein eigenmächtiges Fordern von Rechten gegenüber Gott und Aufstellen von Geboten, die er nicht gegeben hat, zusteht. Aber die den Geboten vorausgehenden Verheißungen von Land, Nachkommenschaft, Segen, Frieden mit den Nachbarn usw. kann das Volk sehr wohl einklagen. Die Voranstellung der Zehn Gebote macht alle folgenden Gebote zur Weisung JHWHs und stellt ihre Einhaltung unter seine Gnadenzusage, aber auch unter seine Vergeltung an denen, die sein Recht brechen und ihn leugnen (Ex 34,14). Das Volk hat die Wahl zwischen Tod oder Leben, Segen oder Fluch (Ex 23,20–33; Lev 26), wie besonders die späteren großen Mosereden Dtn 28 und Dtn 30 ausführen. Innerhalb wie außerhalb des Bundesbuchs stehen kasuistisch formulierte Rechtssätze, die mit dem Recht der Hethiter und dem babylonischen Codex Hammurapi verwandt sind, neben apodiktischen Gebotsreihen, die besonders kultische Vergehen und den Schutz der Schwachen betreffen. Letztere werden öfter mit der Erinnerung an Israels Befreiung aus der Sklaverei begründet (Ex 22,20 und öfter). Schöpfer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erst ab etwa 540 v. Chr. entstandene nachexilische Bibeltexte bezeichnen JHWH als den „Schöpfer des Himmels und der Erde“ (Gen 1–11; Ps 8, 19, 74, 77, 89, 104, 139; Deuterojesaja; Buch der Sprichwörter; Ijob). Die Israeliten übernahmen diese titulare Formel aus Kanaans Religion, wie es Gen 14,18–22 EU nahelegt: Melchisedek, König von „Salem“ (Jerusalem) und ein „Priester des Höchsten Gottes“ (El Eljon), segnet Abraham nach dessen Sieg über die Ostkönige „vom Höchsten Gott, dem Schöpfer des Himmels und der Erde“. Abraham erkennt Melchisedeks Gott mit der Abgabe eines Beuteteils an. Gegenüber einem der besiegten Könige schwört er dann bei „JHWH, dem höchsten Gott, der Himmel und Erde gemacht hat“.[53] Archäologische Funde in der altorientalischen Umwelt belegen den Titel El Eljon und das Schöpfer-Attribut; ob er den obersten Gott des kanaanäischen Pantheons El oder einen anderen Gott bezeichnet, ist umstritten.[54] Ps 93 reflektiert Übernahme und Umprägung kanaanäischer Göttermythen: JHWH thront als König der Erde auf ihr (ein Bild, das den Tempelkult voraussetzt) und setzt seine universale Herrschaft gegen mythische Fremdmächte durch, um sie dauerhaft zu bewahren. Schöpfung wird als fortlaufender Kampfprozess verstanden, nicht als einmaliger vorzeitlicher Akt. Erst der jüngere Ps 74 dehnt das Motiv der universalen Gottesherrschaft auf die Weltentstehung aus. Die Erschaffung des Menschen ist kein eigenständiges Thema, auch wo seine einzigartige Nähe zu Gott betont wird (Ps 8), sondern in das Lob des Schöpfers eingeordnet. Ps 86, 95. 100 und 149 zählen auch Israel und die Völker zu JHWHs Geschöpfen.[55] Von den Schöpfungspsalmen zeigt nur Ps 104 eine auffällige Nähe zum Sonnenpsalm Echnatons, der den monotheistischen Kult Atons in Ägypten einführte. Doch auch hier wird nicht das Licht der Sonne selbst, sondern JHWH als sein Urheber gepriesen, der den Gestirnen den Weg weist (v. 19). Anders als die Glaubenssätze über den Exodusgott, die ihn als Befreier aus der Sklaverei Ägyptens definieren, sind Aussagen über den Schöpfer in der Bibel vielfältig und nicht an ein bestimmtes Weltbild gebunden. Die ältere der beiden Schöpfungserzählungen (Gen 2,4–25) beschreibt JHWH aus der Perspektive des sesshaften Landbauern als Gärtner, der trockenes Land befeuchtet und den Garten Eden bepflanzt, und als Töpfer, der dann Tiere und Menschen aus feuchtem Lehm formt. Er bläst Adam Lebenshauch ein, vertraut ihm den Garten Eden zum „Bebauen und Bewahren“ des Lebens an, schafft ihm eine Partnerin und gibt ihm auf, den Tieren Namen zu geben: So soll der Mensch als Partner Gottes alles Leben bewahren und regieren. Der jüngere exilische Schöpfungsbericht (Gen 1,1–2,2) ist kosmologisch orientiert: Der Urzustand gleicht einem wässerigen Urchaos (Tohuwabohu), darüber schwebt Gottes Geist (ruach). Diese Motive sind mit Schöpfungsmythen der Umwelt wie dem phönizischen Sanchuniathon verwandt. Das Chaos tritt Gott hier aber nicht als eigene Macht gegenüber, sondern er beherrscht es ganz, indem er die Welt daraus schafft (bara: ein exklusiv für Gott verwendetes Verb), und zwar allein durch sein wirkungsmächtiges Wort ohne Drama, Kampf und Mühe (Ps 33,9 EU): „Er sprach, und es geschah; er befahl, und es stand da.“ Dieses Wort formt und strukturiert die Grundelemente des Weltenbaus: zuerst das Licht, das die Finsternis erhellt und Tag von Nacht unterscheidet. Dann werden Himmelsfeste und Urchaos, Meer und Festland unterschieden, es folgen die Pflanzen, die Fixsterne, Sonne und Mond. Diese höchsten Gottheiten Babyloniens werden bewusst nicht mit ihren Namen genannt, sondern zu dem Leben nachgeordneten „Leuchtkörpern“ depotenziert, die zwar Tag und Nacht „regieren“, aber nur als Zeit- und Wegmarken für den Menschen. Diese deutliche Abgrenzung des JHWH-Glaubens gegen die Astralkulte der Umwelt bestätigte auch die Exilsprophetie (Jes 40,26).[56] Dann wird der so geordnete Kosmos mit Pflanzen, Wassertieren, Vögeln, Landtieren und zuletzt dem Menschen bevölkert. Dies alles geschieht in einer Arbeitswoche, nach der Gott sein Werk betrachtet, es für gut befindet und am siebten Tag ruht. Das begründet den Sabbat als Ruhetag für Israel. Dieser verbindet die Schöpfung mit der besonderen Erwählung Israels als Bundesvolk, das den Sklavenbefreier als wahren Schöpfer der Welt bekannt machen und mit dem Tages- und Wochenrhythmus von Arbeit und Ruhe ehren soll. Das weist auf Autorschaft von Priestern hin, die JHWH den Göttermythen Babylons gegenüberstellten. Diese sollten die ewige Herrschaft der Gottkönige mit metaphysischen Mächten begründen und sichern. Demgegenüber zielen beide biblischen Schöpfungsberichte auf den Menschen und sein lebenserhaltendes partnerschaftliches Gottesverhältnis. Bei Deuterojesaja wird die Schöpfung zum Erweis der universalen Einzigkeit JHWHs. Radikaler als in Gen 1 heißt es in Jes 45,7 EU: „Ich bin JHWH und sonst keiner mehr, der ich das Licht mache und die Finsternis, der ich Frieden gebe und Unheil schaffe. Ich bin JHWH, der dies alles tut.“ Damit wird das Unheil nicht sanktioniert, dessen endgültige Überwindung gerade dieser Prophet ankündet. Aber auch im Unheil habe Israel sich nur an seinen Gott zu halten. So wird der babylonische Mythos vom Sieg Marduks über den Chaosdrachen, aus dessen Bruchstücken die Welt entstand, auf JHWH bezogen und eng mit Israels Befreiung aus Ägypten verknüpft (Jes 51,9f EU; vgl. Ps 74,13 f.; Ps 89,10–13):
Urflut und Schilfmeer sind hier gleichgesetzt, Gottes die Welt sinnvoll ordnendes Schöpferhandeln und sein befreiendes Eingreifen in den Geschichtslauf gehen also unmittelbar ineinander über. Die Spruchweisheit deutet das Wort, mit dem Gott die Welt schuf, als Weisheit (Spr 3,19), die dann als personales Wesen vor Gott „spielt“ (Spr 8,22 ff.). Dies tat in Ägypten auch die Göttin Maat, die die weise Weltordnung verkörpert. Hier aber ist die Weisheit nur Gottes erstes Werk, das seine weiteren begleitet, ohne ein eigenes Wort zu sagen. Es stellt heraus, was Ps 19,2 EU verkündet: „Die Himmel erzählen die Herrlichkeit JHWHs.“ Ijob, der dies angesichts der Erfahrung ungerechten und sinnlosen Leidens herausfordernd in Frage stellt (siehe dazu: Theodizee), wird wiederum auf JHWHs wunderbare Schöpfungswerke hingewiesen, vor denen sein Fragen in staunendes Schweigen, Umkehr und Lob übergeht (Hi 38,4ff.). Zugleich drückt das Wort „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“ (Hi 19,25 EU) die Erwartung einer kommenden Erlösung aus. Die Heiligung des Gottesnamens[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Indem JHWH Moses seinen Namen offenbarte und so Israel zu seinem Bundesvolk erwählte, verpflichtete er dieses Volk nach biblischer Auffassung bleibend dazu, seinen Namen nach innen wie außen zu „heiligen“. Dies geschieht laut Tanach in verschiedenen Bereichen:
Die Israel gegebene Namensoffenbarung wird besonders in der spätnachexilischen Prophetie zum Ziel der Heilsgeschichte: Zuletzt werde JHWH selbst seinen Namen aller Welt so offenbaren, dass aller Götzenkult verschwinde und alle Menschen ihn anerkennen und ehren würden (Sach 14,9; Jes 45,23). Judentum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hebräische Schriften vor 70[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ps 146,8 nach der Biblia Hebraica mit vokalisiertem Tetragramm am Zeilenanfang rechts Die meisten Schriftrollen vom Toten Meer (ab 250 v. Chr.) geben das Tetragramm und manche seiner Ersatzlesungen auch dort in althebräischer Schrift wieder, wo der übrige Text in anderer Schrift geschrieben wurde. Sie verlangen zudem häufig die Ersatzlesungen El, Elohim („Gott“ bzw. „Götter“) oder Adonai („mein Herr“; eigentlich Plural „meine Herren“, also ein Pluralis Majestatis). Die althebräische Schreibweise für JHWH und seine Ersatzlesungen wurde auch in jüngeren griechischen Codices beibehalten. Das gilt als Zeichen besonderer Ehrfurcht vor dem Gottesnamen.[58] Septuaginta[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zwölfprophetenrolle vom Nachal Chever, 1. Jh., mit dem Tetragramm in Zeile 3, 5 und 13 Tetragramm ΙΑΩ im Septuaginta-Fragment 4Q120, 1. Jahrhundert v. Chr. Die griechische Übersetzung des Tanach, die Septuaginta, gibt das Tetragramm in den ältesten Handschriften seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. nur mit althebräischen[59] oder aramäischen Buchstaben mitten im griechischen Text wieder. Der hebräische Gottesname erscheint so in griechischen Handschriften von Büchern der Tora, der Psalmen, des Hiob- und des Zwölfprophetenbuchs. In einigen ist der Platz für das Tetragramm frei gelassen (Papyrus Rylands 458), nur in der Handschrift 4Q120 wird er mit den griechischen Buchstaben ΙΑΩ geschrieben. Erst ab etwa 150 taucht in griechischen Bibelhandschriften stattdessen Kyrios (Herr) für den Gottesnamen auf.[60] Bis zum 9. Jahrhundert verdrängte dieser Titel den hebräischen Namen ganz. Im 4. Jahrhundert übertrugen manche Kopisten die hebräischen Konsonanten des Tetragramms ihrer Vorlagen vereinzelt in die optisch ähnlichen griechischen Buchstaben ΠΙΠΙ („PIPI“). Ex 3,14 übersetzt die Septuaginta mit ἐγώ εἰμι ὁ ὤν („Ich bin der Seiende“). Das deutete den Vers als Aussage über Gottes ewige geheimnisvolle Identität im Unterschied zu allem sinnlich Wahrnehmbaren und als Zustand einer immerwährenden Gegenwart. Damit verschob sich der Sinnakzent vom dynamischen Handeln, in dem Gott sich als Retter und Helfer zeigt (wer ist Gott-für-uns?), zur statischen Theorie des Essenz- oder Substanzbegriffs (was ist Gott-an-sich?). Dies zeigt den Einfluss des Hellenismus und der antiken Metaphysik auf die jüdische Theologie im 3. vorchristlichen Jahrhundert. Mit der Septuaginta begann eine jüdische Tradition, wonach die verschiedenen Bezeichnungen Gottes in der Bibel einschließlich der Ersatzlesungen seines Namens verschiedene Aspekte seines Handelns und Eigenschaften seines Wesens repräsentieren. Das Tetragramm JHWH wurde überwiegend für Gottes liebende Barmherzigkeit verwendet, Elohim für das Gerechtigkeit wirkende Handeln Gottes, der Zusatz Zeba’oth (Gott bzw. Herr „der Heerscharen“) für kriegerische Aspekte Gottes, El schaddaj für sein Strafhandeln. Rabbinisches Judentum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das rabbinische Judentum bewahrte die Tradition, indem es den Konsonantentext des Tanach um 100–135 verbindlich festlegte und alle abweichenden Versionen allmählich verdrängte. Bis etwa 100 setzte sich die Anrede Adonaj oder Adonaj Elohim bei Bibellesungen in der Synagoge durch. Da auch das Ersatzwort Adonaj sonst nur im Gebet genannt wird, lesen Juden den Gottesnamen beim alltäglichen Vorlesen eines Bibel- oder Gebetstextes als haSchem (der Name), so in der Wendung Baruch haSchem („gesegnet [sei] der Name“). Die rabbinische Tradition folgte der Eigendeutung des Namens in Ex 3,14 und leitete ihn von den drei Zeitformen des Verbs hjh ab: hajah („Er war“, Perfekt), hojêh („Er ist“, Partizip) und jihjêh („Er wird sein“, Imperfekt). Damit betonte sie ihren Glauben an Gottes zeitübergreifende Gegenwart in der jüdischen Geschichte. Im Judentum wird Gottes Namensoffenbarung in engem Zusammenhang mit seinem „Herabkommen“, „Retten“ (Ex 3,8) oder „Erbarmen“ als unvorhersehbare und unbegreifliche Zuwendung zum Menschen verstanden. Jüdische Ausleger betonen daher besonders den Aspekt von Gottes Gnade, die als besonders heilig angesehen wird. Ein Jude, der den Namen öffentlich in negativem Kontext aussprach, lief im alten Israel Gefahr, als Gotteslästerer die Todesstrafe zu erleiden (Lev 24,16). In der Mischna wird das Aussprechen des Gottesnamens implizit verboten, indem Abba Shaul bei der Aufzählung der Menschen, die keinen Anteil an der kommenden Welt haben werden, diejenigen hinzufügt, die den Gottesnamen aussprechen, wie er geschrieben wird.[61] Ausgeschrieben wurde der Gottesname nur noch in Handschriften biblischer Bücher sowie Tefillin und Mesusot. Kabbala[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten] Dieser Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (beispielsweise Einzelnachweisen) ausgestattet. Angaben ohne ausreichenden Beleg könnten demnächst entfernt werden. Bitte hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. In der im 2. Jahrhundert einsetzenden Tradition der Kabbala hat auch die Deutung des Tetragramms mithilfe der spekulativen Zahlensymbolik ihren festen Platz. Im Sithre Othioth („Geheimnisse der Zeichen“) aus dem Zohar (verfasst um 1300) findet sich eine längere Abhandlung zu den Buchstaben des Gottesnamens im Zusammenhang der Schöpfungsgeschichte. Die Zahlenwerte der hebräischen Buchstaben des Tetragramms sind 10-5-6-5, in der Summe 26. Das Jüdische Museum Berlin bot zur Kabbala im August 2004 eine Sonderausstellung mit dem Titel „10+5=Gott. Die Macht der Zeichen“. Der Titel bezog sich darauf, dass der Konsonant „Jod“ gemäß seiner Stellung im hebräischen Alphabet den Zahlenwert 10, „He“ den Wert 5 hat. Beide stehen für die hebräische Kurzform des Tetragramms (JH oder „Jah“). Der Ausstellungskatalog bemerkte dazu: „…den Namen Gottes zu schreiben, ist im Judentum ein Tabu. Dargestellt wird die 15 daher mit den Buchstaben (Waw) und (Teth) = 6 + 9.“ Die Ausstellung selbst verwendete nur die arabischen Zahlenwerte 10 + 5 für „Gott“, nicht aber die hebräischen Zeichen Jod und He. Sie verstieß damit nicht gegen das jüdische Aussprachetabu des Gottesnamens, da im Judentum nur Hebräisch die heilige Sprache auch für die Gottesnamen ist. Christliche Mystiker wie der Theosoph Papus (Die Kabbala) übernahmen Elemente der jüdischen Kabbala und verbanden sie mit spekulativen Erklärungen zum hebräischen Vornamen Jehoschua, der im Neuen Testament zu Ἰησοῦς (Iēsūs) für Jesus von Nazaret gräzisiert wurde. Jüdische Kabbalisten lehnten derartige Werke meist ab, unter anderem weil Jehoschua hebräisch יְהוֹשׁוּעַ buchstabiert wird. Masoreten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zwischen 700 und 1000 vokalisierten die Masoreten den hebräischen Konsonantentext der Bibel nach einheitlichen Regeln. Aus traditioneller Ehrfurcht vor Gottes Heiligkeit vokalisierten sie das Tetragramm mit besonderen Vokalzeichen, die dem Kenner der hebräischen Schrift signalisierten, dass dort etwas Anderes auszusprechen sei (Qere), als geschrieben steht (Ketib). Meist vokalisierten sie JHWH mit den Vokalen von Adonaj, wobei der A-Laut der Anfangssilbe zum unbetonten E-Laut wurde. Dort, wo Adonaj im Konsonantentext neben JHWH stand, vokalisierten sie den Gottesnamen mit den Vokalen von Elohim. Auch bei den Samaritanern ist eine Ersatzlesung üblich: Die Handschriften des Samaritanischen Pentateuch enthalten zwar in der Regel keine Vokalzeichen. Statt des Gottesnamens wird aber in der überlieferten samaritanischen Lesetradition regelmäßig Schēma (auf der vorletzten Silbe betont, samaritanisch-aramäisch „der Name“) gelesen.[62] Die Lesungen Adonai („Herr“), Elohim („Gott“) oder Schēma/Schəma/HaSchem („der Name“) vermeiden das Aussprechen des Gottesnamens und bekräftigen so seine Unfassbarkeit und Einzigartigkeit. Der Sofer (Schreiber), der handschriftliche Kopien heiliger Texte anfertigte, hielt stets einen Moment inne, bevor er einen Gottesnamen abschrieb. Diese Tabuisierung trug dazu bei, dass die ursprüngliche korrekte Aussprache von JHWH in Vergessenheit geriet. Die heutigen Ausgaben der Biblia Hebraica folgen dem Masoretentext und vokalisieren den Gottesnamen je nach Kontext verschieden. Dabei wird die Punktation der Worte verwendet, die an der Stelle ersatzweise gelesen werden sollen. Es handelt sich also nicht um die Vokale des Gottesnamens (der ja nicht gelesen wird), sondern im Einzelnen um das Schwa compositum, Cholem und Kamez [(a), o und a] von Adonaj, das Schwa compositum, Cholem und Chirek [(ä), o und i] von Elohim, bzw. das Schwa compositum und Kamez des jüdisch-aramäischen Wortes für „Name“(Schəma, die hebräische Entsprechung wäre HaSchem).[63]
Neuzeitliche Übersetzungen von Ex 3,14[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Moses Mendelssohn, der die Hebräische Bibel im 18. Jahrhundert als erster jüdischer Theologe ins Deutsche übertrug, übersetzte Ex 3,13–15:
Diese Übersetzung berücksichtigte, dass „Ehje“ auf Hebräisch sowohl „Ich war“, „ich bin“ und „ich werde sein“ bedeuten kann. Andererseits deutete Mendelssohn die dem Subjekt „Ich“ (Gott) vorbehaltene Selbstoffenbarung in der Zeit, die sich der Ausdeutung seines „Wesens“ in gewisser Weise entzieht, analog zur griechischen Metaphysik als Eigenschaft der immerwährenden Präsenz Gottes. In seiner Psalmenübersetzung gab Mendelssohn den Gottesnamen an einigen Stellen mit Jehovah wieder. Mehrere jüdische Übersetzer folgten ihm zumindest an einzelnen Bibelstellen: so die Rabbiner, die in Sankt Petersburg Mendelssohns Übersetzung revidierten, im Buch Exodus; Julius Fürst. Lazarus Goldschmidt gab in den 1920er Jahren in seiner unvollendeten dreibändigen Übersetzung das Tetragramm über 4000-mal so wieder. Simon Bernfeld nahm zudem „Jahweh“ in die Anmerkungen auf. Martin Buber und Franz Rosenzweig begründeten ihre Übersetzung für Die Schrift (1926–1938): „Die Einsicht in den pronominalen Charakter oder Gehalt der ursprünglichen Namensform gab die Richtung an. Darum steht in unserer Verdeutschung Ich und Mein, wo Gott redet, Du und Dein, wo er angeredet wird, Er und Sein, wo von ihm geredet wird. … An einzelnen Stellen der Schrift – außerhalb des Pentateuch –, wo der Name in seiner vollen Erschlossenheit sich manifestiert, weil eben die Gegenwärtigkeit Gottes verkündigt werden soll, musste ‚Er ist da‘ gewagt werden.“ Sie verstanden die Namensoffenbarung nicht als ontologische Wesensaussage, sondern als Verheißung, die Gottes mitgehendes, helfendes Dasein für die von ihm erwählten, notleidenden Menschen in Aussicht stellt. Sie übersetzten Ex 3,14f. daher: „Ich werde dasein, als der ich dasein werde … So sollst du zu den Söhnen Jissraels sprechen: Ich bin da schickt mich zu euch.“[64] Buber paraphrasierte die Aussageabsicht von Ex 3,14 in Verbindung mit Dtn 30,12–14 daher so: „Ihr braucht mich nicht zu beschwören; denn ich bin da, bin bei euch. Aber ihr könnt mich auch nicht beschwören; denn ich bin jeweils so bei euch, wie ich jeweils sein will; ich selber nehme keine meiner Erscheinungen vorweg, ihr könnt mir begegnen nicht lernen, ihr begegnet mir, wenn ihr mir begegnet.“[65] Heutige Praxis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nur in Bibeltexten wird das Tetragramm noch ausgeschrieben. In Gebetbüchern und Bibelzitaten wird der Gottesname mit besonderen Buchstabenkombinationen dargestellt: meist mit zwei oder drei Jod, seltener mit Jod-Waw-Jod, gelegentlich mit einem Daleth, der als Zahlzeichen für die Vier die vier Buchstaben des Tetragramms vertritt. Ein abgekürztes He steht für ha-schem („der Name“). Als Anrede und eine Art Deckname für JHWH, der an seiner Stelle ausgesprochen werden sollte, fungiert weiterhin Adonai („mein Herr“, wörtlich Plural). Dort, wo es den Gottesnamen ersetzt, übersetzt man es meist mit „der Herr“. Es kann auch in Verbindung mit Elohim auftreten und wird dann meist mit „der Herr, mein Gott“ oder „Gott der Herr“ wiedergegeben.[66] Da die Ersatzlesung adonaj zum Teil als „der Name“ verstanden wurde, haben sich stattdessen weitere Ersatzlesungen oder Aussprachen eingebürgert. Orthodoxe Juden benutzen adonaj nur im Gebetsvollzug. In profaner Rede oder bei der Lektüre wird zumeist ha-schem benutzt. In bestimmten Kreisen ist auch die Mischform ado-schem (adonaj + ha-schem) üblich. Auch für dem Tetragramm ähnliche Buchstabenkombinationen haben sich Vermeidungsstrategien herausgebildet. So werden Namen mit dem Element -yah bzw. -yahu oft nur abgekürzt geschrieben. Die Zahlen 15 und 16, die der Systematik entsprechend yod"he (10+5) und yod"waw (10+6) geschrieben werden müssten, drückt man mit teth"waw (9+6) und teth"zajin (9+7) aus. Auch das Wort Elohim – Gott wird oft nur abgekürzt geschrieben. Ausgesprochen wird es in orthodoxen jüdischen Kreisen nur im Gebetsvollzug. Ansonsten wird die Form Eloqim benutzt, die sich gelegentlich auch geschrieben findet. Die wichtigste im rabbinischen Schrifttum neugeschaffene Ersatzbenennung ist ha-qadosh, baruch hu! („Der Heilige, er sei gepriesen!“). In den Handschriften findet sich diese häufige Formel meist abgekürzt הקב"ה. Weiterhin existieren Benennungen, die die räumliche oder zeitliche Dimension Gottes betonen. Im Deutschen wurde für „Gott“ auch die Schreibweise G’tt/G*tt (engl. G-d, frz. D.ieu, D-ieu, D’ieu oder D.eu) üblich, um das Risiko des Namensmissbrauchs im Sinne von Ex 20,7 zu vermeiden. Ausgesprochen wird G’tt meist wie Gott [gɔt], oder das Wort wird beim Vorlesen wie JHWH mit Adonaj oder ha-schem umschrieben. Die Heiligkeit des Wortes „Gott“ ist jedoch umstritten, da es nicht als Name, sondern Allgemeinbegriff gilt. Die meisten Rabbiner meinen, das Wort sei nur im Hebräischen als heilig zu betrachten und könne in jeder anderen Sprache auch ausgelöscht werden. Trotzdem betrachten die meisten orthodoxen und viele andere Juden die Schreibweise G’tt als Minhag (Brauch). Christentum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neues Testament[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Urchristentum entstand in einer Zeit, als das Judentum den Gottesnamen schon weitgehend tabuisiert und durch Adonaj („[mein] Herr“) ersetzt hatte. Frank Crüsemann vermutet, dass die Septuaginta-Texte, die die neutestamentlichen Autoren kannten, den Gottesnamen mit hebräischen Buchstaben oder mit Sonderzeichen enthielten.[67] Die Schriften des Neuen Testaments (NT) wurden im damals gebräuchlichen Griechisch abgefasst; nur einige Aussprüche Jesu sind auf Aramäisch überliefert. Der Gottesname JHWH kommt für sich im NT nicht vor. Seine Kurzformen sind aber auch im NT in hebräischen Personennamen und im „Halleluja“ (Offb 19,1–6) enthalten. Er wird in Bibelzitaten regelmäßig als kyrios („Herr“, „Besitzer“, „Gebieter“) wiedergegeben. Damit knüpft das NT an den Sprachgebrauch der Septuaginta an, die mit Kyrios die Ersatzbezeichnung Adonaj übersetzt.[68] Jesus von Nazaret war ein aramäisch sprechender, eventuell rabbinisch geschulter Galiläer. Auch sein hebräischer Vorname „Jehoschua“, westaramäisch „Jeschua“ oder „Jeschu“, enthält eine Kurzform des Gottesnamens. Der gräzisierte Vorname Jesus, der im NT etwa 900-mal vorkommt, lautet daher als Satz: „JHWH rettet“ oder „JHWH ist Rettung“. Jesus sprach mehrmals vom „Namen Gottes“ (Mt 6,9; Joh 17,6.26; Joh 12,28). Sein Verbot jedes Schwörens (Mt 5,33-37) verschärfte eine jüdische Tradition, den Gottesnamen beim Schwören zu vermeiden.[69] Kyrios ist neben Christos der häufigste Hoheitstitel für Jesus im NT. Dieser Titel ist laut Phil 2,11 EU Gabe Gottes (JHWHs) selbst an seinen Sohn, weil dieser gehorsam den Tod am Kreuz getragen und so auf seine Macht verzichtet habe. Demgemäß werden Jesus Christus im NT einige Handlungsweisen JHWHs oder für JHWH zugeschrieben: Beiden soll der Weg bereitet werden (Mal 3,1; Mt 11,10); beide „prüfen Nieren und Herzen“ (Jer 17,10; Offb 2,23) und vergeben Sünden (Mk 2,5f.); beide werden „Herr der Herren“ (Ps 136,3; Offb 17,14) und „der Erste und der Letzte“ (Jes 44,6; Offb 1,17) genannt. Das einzigartige Verhältnis zwischen JHWH und Jesus Christus wird im NT mit den Anreden „Vater (Jesu Christi)“ für JHWH und „Sohn (Gottes)“ für Jesus umschrieben, etwa im Missionsauftrag Mt 28,19 EU. Die „Vater“-Metaphorik war im Tanach als Anrede JHWHs als des Schöpfers und Erhalters vorgeprägt. Jesus von Nazaret griff die aramäische Anrede Abba („Vater“) auf und lehrte seine Jünger im Vaterunser, Gott als „Vater“ anzurufen (Mt 6,8f.). Daran knüpfte die spätere christliche Lehre der Trinität an. Durch ihren Einfluss wurde der Eigenname JHWH im Christentum weitgehend durch den Titel „Gott der Vater“ (Gott Vater, Gottvater) ersetzt. Jehova[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Schreibweise Jehova(h) geht auf den Dominikaner Raymundus Martinus zurück. Er gab das Tetragramm in seinem lateinischsprachigen Werk Pugio Fidei adversus Mauros et Judaeos (1278; zahlreiche Abschriften und Nachdrucke in den folgenden Jahrhunderten) mit Iehovah wieder. Dabei kombinierte er die Vokale e-o-a des Ersatzwortes Adonaj, mit denen masoretische Bibelhandschriften den Gottesnamen punktierten, mit den Konsonanten I(J)-H-V(W)-H. Diese Lesart beruhte auf Unkenntnis der masoretischen Punktierung, die das Ersatzwort zu lesen verlangte.[70] Einige Theologen übernahmen diese Schreibweise seit dem 16. Jahrhundert, so Petrus Galatinus (1518), William Tyndale (1530) und Immanuel Tremellius (1580). Ihnen widersprachen jedoch schon damals andere Theologen, denen die masoretische Praxis bekannt war, etwa Johannes Drusius.[71]
An und in Kirchengebäuden in Europa tauchen Inschriften Jehova oder Iehova seit der Reformationszeit öfter auf,[72] ebenso in Texten mancher evangelischer Kirchenlieder.[73] Der Choral „Dir, Dir Jehova will ich singen“ von 1695 wurde in das heutige Evangelische Gesangbuch aufgenommen (EG 328); dabei wurde „Jehova“ durch „o Höchster“ ersetzt.[74] Jehova findet sich auch in sonstigen Kompositionen, darunter Oratorien Georg Friedrich Händels,[75] Giuseppe Verdis Oper Nabucco, Franz Schuberts Lied „Die Allmacht“ (D 852 op. 79,2),[76] sowie in poetischen Werken, etwa Heinrich Heines Ballade Belsatzar.[77] Die Schreibweise Jehova drang auch in einige deutsche Bibelübersetzungen ein, darunter die Elberfelder Bibel von 1891 und 1905. Deren Herausgeber distanzierten sich später ausdrücklich davon.[78] Auch auf Münzen ist sie anzutreffen. Die Zeugen Jehovas nennen sich seit 1931 so und verwenden diese Schreibweise in ihrer „Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift“ (deutsche Gesamtausgabe seit 1971) durchgängig für JHWH im AT und Kyrios im NT.[79] Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Mormonen) bezeichnet Jesus (nicht Gott) in ihren Schriften meist als Jehova.[80] Übersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Martin Luther übersetzte den Vers Ex 3,14 in seiner Lutherbibel von 1545 in das Frühneuhochdeutsche: „Jch werde sein, der ich sein werde“. Im NT übersetzte er Kyrios dort, wo es Gott als Vater Jesu Christi meint, ebenso wie JHWH im AT mit HERR (150-mal). Dort, wo Kyrios Jesus Christus als Sohn Gottes meint, übersetzte er es mit HErr. Die meisten evangelischen Bibelübersetzungen übersetzen JHWH im Anschluss an jüdische Tradition ebenfalls mit Herr. Manche unterscheiden HErr oder HERR, um darauf hinzuweisen, dass an dieser Stelle JHWH oder Adonaj im Urtext stehen könnte; für Adonaj JHWH steht dann entsprechend Herr GOTT oder „Herr HErr“. In den meisten anderen Sprachen wird dies ähnlich gehandhabt. Die um 1900 von Emil Kautzsch und vielen evangelischen Exegeten herausgegebene Textbibel übersetzt JHWH überall, wo dieser Name im hebräischen Grundtext vorkommt, mit „Jahwe“. Die Bibel in gerechter Sprache (2006) legt keine Übersetzung fest, sondern bietet ihren Lesern stattdessen abwechslungsweise verschiedene Lesemöglichkeiten an: Adonaj, der Ewige, die Ewige, Schechina, GOTT, Ich-bin-da, der Name, der Lebendige, die Lebendige, ErSie etc. Die Neue evangelistische Übersetzung (NeÜ) gibt den Namen Gottes im Alten Testament durchweg mit Jahwe wieder. Die unrevidierte Einheitsübersetzung (1980) gebrauchte an 133 Stellen Jahwe, schrieb an den meisten Stellen aber Herr. In der revidierten Einheitsübersetzung (2016) wird das Tetragramm einheitlich durch „Herr“ wiedergeben. Dies folgt den Normen des Vatikan für die Übersetzung der Heiligen Schrift in die Volkssprachen (Liturgiam authenticam) von 2001: Mit Rücksicht auf die kirchliche Tradition soll das Tetragramm nur noch durch ein Wort wiedergegeben werden, das dem lateinischen dominus („Herr“) entspricht. In der Herder-Bibel („Benedikt-Bibel“) wurde ebenfalls das Wort „Jahwe“ durch „Herr“ ersetzt. Exegetisch-theologische Kommentare[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Alttestamentler Ludwig Köhler (1936) betonte zu Ex 3,14: „‚Ich bin der ich bin‘ ist eine Aussage, welche die Auskunft verweigert. Gott gibt Mose nicht das Geheimnis seines Wesens preis. Wer Gott ist, wird Mose an seinem Wirken schon sehen.“[81] Für den Alttestamentler Gerhard von Rad grenzte sich die biblische Theologie damit von der altorientalischen Umwelt ab: Dort enthüllt der Name immer das ganze „Wesen“ seines Trägers, so dass dieser darin greifbar ist. Für den Kult war diese Enthüllung unentbehrlich, um ein „Gedenken“ an die Gottheit zu stiften: „Der Name zwingt die Gestalt zu bleiben und verbürgt, dass der Mensch sie immer wieder findet.“[82] Nur wer ihren Namen kannte, konnte eine Gottheit herbeirufen und für die eigene Not interessieren. Damit war unvermeidbar Missbrauch für menschliche Interessen verbunden. So wurden Gottes- oder Dämonennamen in der Magie zur Zauberformel, mit der sich der Genannte herbeizitieren lässt (vgl. Rumpelstilzchen). Auch für den Alttestamentler Walther Zimmerli weist Ex 3,14 diesen Missbrauch zurück. Das redende Subjekt behalte sich seine Selbstoffenbarung vor und setze allen Versuchen, Gottes Wesen aus seinem Namen zu erschließen, eine unübersteigbare Grenze: „Für Israel ist der Jahwename ein das Persongeheimnis feststellender, kein das Wesen Jahwes aufschließender, es zuordnender Name.“[83] Von da aus betonen viele jüdische und christliche Ausleger den Zukunftsaspekt. Ernst Bloch übersetzte Ex 3,14 mit „Ich werde sein, der ich sein werde“ und stellte dieses erst in der Zukunft vollendete Sein einer zeitlos unveränderlichen Gottesexistenz gegenüber. Diese repräsentiere der von Plutarch überlieferte Name Apollons: „El: Du bist“.[84] Walter Kreck widmete dem Verhältnis von Gegenwart und Zukunft Gottes den Werktitel „Gottes Sein ist im Werden.“ Hans Küng nannte im Anschluss an Martin Buber beide Übersetzungsmöglichkeiten: „Ich bin da, als der ich da bin“ oder „Ich bin da, als der ich da sein werde.“ Dies sei keine metaphysische Wesensaussage wie das „Sein-selbst“ oder „Sein-an-sich“ im Thomismus, sondern eine Absichtserklärung zur Anwesenheit, zum dynamischen Dasein, Gegenwärtigsein, Wirklichsein, Wirksamsein, die keine Objektivierung, Festlegung oder Verfestigung eines Gottesbildes zulasse.[85] Im Anschluss an die beiden Aspekte der Zurückweisung im Blick auf Gottes Subjektsein, der Verheißung im Blick auf Gottes heilvoll zugewandtes Wirken in der Geschichte kommentierte Karl Barth: „Ich bin der, dessen eigentlichen Namen niemand nachspricht – das ist bedeutsam genug: Der offenbarte Name selbst soll durch seinen Wortlaut an die Verborgenheit auch und gerade des offenbarten Gottes erinnern.“[86] Diesen als „eschatologischer Vorbehalt“ bezeichneten Aspekt – Gott allein weiß, wer er sein und wie er sich zeigen wird – deutete Barth später als Offenheit des Alten Testaments für die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus: „Der Name Jahwes, der im Alten Testament die alleinige Quelle allen Trostes und Heils ist, ist jetzt konkret gefüllt durch das Heilsgeschehen, dessen Subjekt der Mensch Jesus ist.“[87] Gottesdienstliche Verwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Vatikan verlangte mit der Instruktion Liturgiam Authenticam von 2001, das Tetragramm mit einem Äquivalent für „Herr“ in den jeweiligen Landessprachen zu übersetzen. Am 29. Juni 2008 schrieben Kardinal Francis Arinze und Erzbischof Albert Malcolm Ranjith als Vertreter der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung an alle römisch-katholischen Bischofskonferenzen der Welt: Der Gottesname solle in Liturgie, Gebeten und Kirchenliedern aus Respekt vor der jüdischen Tradition und in Treue zu den Gebräuchen der christlichen Tradition nicht mehr ausgesprochen werden.[88] Damit habe Papst Benedikt XVI. auf eine Bitte des römischen Oberrabbiners Riccardo Di Segni vom Januar 2006 reagiert.[89] Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Übersicht
Zum Tetragramm
Biblische Religions- und Sozialgeschichte
Alttestamentliche Theologie
Kiddusch HaSchem
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Was bedeutet mein Gott ist Jahwe?Bedeutungen: [1] jüdische und christliche Religion: alttestamentlicher Name Gottes. Herkunft: Entlehnung aus dem Hebräischen יהוה (CHA: jāhṿe) , gedeutet als „ich bin, der ich bin (und der ich sein werde)“
Was meint Gott mit Ich bin der ich bin?Altes Testament
In Ex 3,14 offenbart Gott sich dem Mose auf dessen Frage nach seinem Namen als der „Ich bin, der ich bin“ (oder in anderer Übersetzung als „Ich werde sein, der ich sein werde“).
Wie heißt Gott laut Exodus 3 14?Wenn sie auf dich hören, so geh mit den Ältesten Israels zum König von Ägypten; sagt ihm: Jahwe, der Gott der Hebräer, ist uns begegnet.
Was heißt Gott auf Hebräisch?Sein Name wurde durch die Israeliten übernommen und mit JHWH (יהוה), ihrem einzigen Gott im Tanach, identifiziert (z. B. Num 23,22). Häufiger wird allerdings der ähnlich klingende hebräische Plural von Eloah (אֱלֹהַ), Elohim, als Alternativbezeichnung für JHWH verwendet, z.
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