Warum du besser lebst wenn du dich nicht sorgst

Um dich herum ist es still. Keine Musik, kein Handy, keine Stimmen. Du bist allein, ohne Ablenkung. Nur du bist da. Weil du allein lebst oder weil du gerade geplant oder ungeplant ohne Gesellschaft bist.

Wenn es um dich herum still wird, dann werden die Gedanken plötzlich ganz laut. Dann kommen Fragen auf: Wie lebe ich mein Leben? Bin ich überhaupt glücklich? Warum bin ich jetzt gerade überhaupt allein? Vielen fällt es deshalb so schwer, allein zu sein, weil sie auf einmal klar hören, was sie im Alltag so aktiv zu überhören versuchen. Wir zeigen dir, wie du besser damit umgehst.

Warum es immer wichtiger wird, das Alleinsein zu managen

Die Auseinandersetzung mit dem Alleinsein ist heute so wichtig wie nie zuvor. Das hat nicht zuletzt die Pandemie gezeigt, die unerwartet große Herausforderungen mit sich gebracht hat. Als es zum ersten Mal nicht möglich war, Freund*innen und Familie in den Arm zu nehmen oder zu treffen, waren viele gezwungen, das Für-sich-Sein auszuhalten. Laut dem Statistischen Bundesamt lebte 2018 jede fünfte Person hierzulande allein. Das hat das Jahr 2020 nicht leichter gemacht.

Wie du dich deinen Ängsten stellst

Das vermehrte Alleinsein ist jedoch nicht ausschließlich der Pandemie geschuldet: Die gesellschaftliche Vorstellung über ein erfülltes Leben hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Individualität und Freiheit sind wichtiger denn je geworden – während Beziehungen statistisch kürzer und reale Begegnungen seltener werden. Dieser Lebensentwurf bietet zwar die Möglichkeit, unabhängig zu leben und zu arbeiten, lässt dich aber auch häufiger nur mit dir selbst sein.

Warum du besser lebst wenn du dich nicht sorgst

Soziale Medien ermöglichen Kontakt über weite Entfernungen. Realen Kontakt ersetzen sie jedoch nicht

© Mikotoraw / pexels.com

Theoretisch war es auch noch nie einfacher, zugleich allein und doch in Gesellschaft zu sein. Es gibt immer jemanden, mit dem du dich online austauschen kannst. Wenn du Freund*innen und Familie nicht sehen kannst, nutzt du eben Zoom oder Facetime. Wenn du dir eine*n Partner*in wünschst, schlagen Apps potenzielle Matches vor. Allerdings vermittelt das Internet keine echte menschliche Nähe. Deshalb schützt es nicht vor dem Alleinsein, sondern kann letztlich sogar dazu beitragen, dass du dich noch isolierter fühlst, während alle anderen zusammen Spaß haben und davon Reels hochladen. Da ist es kein Wunder, dass Angst und Sorgen gelegentlich Einzug ins Leben halten.

So klappt die Arbeit im Home Office

Werde ich jemals Liebe finden? Passe ich überhaupt zu jemandem? Diese oder ähnliche Fragen halten die Gedanken auf Trab und sorgen dafür, dass du dich gestresst oder unwohl fühlst und dich dann womöglich auch noch deswegen schämst. Aber dafür gibt es keinen Grund. Es ist ein grundlegendes Bedürfnis, Verbundenheit und Nähe zu spüren. Trotzdem ist es wichtig, mit dem Alleinsein umgehen zu lernen – und es positiv für sich zu nutzen.

Was ist der Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit?

Zunächst mal ist es sehr sinnvoll, die Begriffe Alleinsein und Einsamkeit voneinander abzugrenzen: Ein Mensch ist allein, wenn kein anderer um ihn herum ist. Ein Mensch ist einsam, wenn er Verbindungen zu anderen Menschen vermisst. Darauf laufen die Definitionen, die Psycholog*innen und Soziolog*innen für Einsamkeit haben, hinaus. Wer viel allein ist, fühlt sich natürlich mit höherer Wahrscheinlichkeit irgendwann einsam. Auch die Einsamkeit ist ein immer größeres Problem, wie Studien zeigen auch immer mehr ein gesundheitliches.

Es geht bei der Einsamkeit um einen subjektiv empfundenen Mangel an sozialen Kontakten. Das Gefühl der Einsamkeit lässt sich allerdings nicht dadurch bekämpfen, dass du möglichst viele Menschen um dich scharst. Vielmehr geht es darum, Menschen zu suchen, denen du dich wirklich verbunden fühlst. Und das führt unweigerlich über eine gute Verbindung zu dir selbst. Wenn du eine Selbstfreundschaft (quasi die Vorstufe zur Selbstliebe) aufbaust, schaffst du damit die beste Voraussetzung, mit Menschen in Kontakt zu kommen, die dir das Gefühl geben, dazuzugehören.

Warum ist es so wichtig, allein sein zu können?

Wer bist du ohne die anderen? Diese Frage wirst du dir spätestens dann unumgänglich stellen, wenn du dich mit dem Alleinsein beschäftigst. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass du ohne andere nicht unvollständig bist: Du selbst bist immer komplett. Dein Glück ist dein eigenes, du leihst es dir von niemandem aus. Der Weg zu dieser Erkenntnis kann zwar unbequem sein, aber er lohnt sich!

So wirst du selbst zu deiner besten Freundin

„Entwicklung bedeutet hinzuschauen – zu betrachten, wovor man Angst hat“, erklärt die Psychologin und Yogalehrerin Nora Wendt. „Dabei hilft Alleinsein sehr und eröffnet ganz neue Chancen für das eigene Leben.“ Sobald du dich von niemandem abhängig fühlst, entsteht eine tiefe Gelassenheit. Schmerzhafte Momente sind deshalb als Einladung dazu zu betrachten, eine bessere Freundin für dich selbst zu werden. Denn ein Mensch, den man weder kennt noch mag, mit dem verbringt man ungern Zeit, oder?

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Wer sich im Alleinsein übt, wird automatisch glücklicher und gelassener

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5 Rituale, um dich mit dir selbst zu verbinden

Das Leben bietet eine Fülle von Gelegenheiten, die eigenen Bedürfnisse kennenzulernen, und Wege, diese zu erfüllen. „Man muss diese Bedürfnisse nicht immer allein erfüllen, aber man sollte es in der Hand haben, die ersten Schritte dorthin allein zu gehen“, so Wendt. Ein erster Schritt kann sein, die eigene innere Stimme zu analysieren und sie dann gegebenenfalls etwas netter und leichter klingen zu lassen. Dieses Prozedere kann man wie ein Ritual mehrmals am Tag anwenden und ausprobieren.

Wie überwinde ich die Angst vor dem Alleinsein?

Wenn du dich auf den Weg der persönlichen Weiterentwicklung begibst, merkst du nach einiger Zeit, dass sich gewisse Praktiken immer selbstverständlicher in dein Leben integrieren. Vieles verändert sich Stück für Stück. Gedanken werden bewusster und konkreter: Was denke ich? Was sage ich? Wie lebe ich mein Leben? Was sind hinderliche Gewohnheiten auf meinem Weg, die es abzuschütteln gilt?

So sorgst du dich im Alltag gut um dich selbst

„Um irgendetwas verändern zu können, muss man erst wissen, was gerade passiert“, so Nora Wendt. „In der Psychologie gehen wir nicht davon aus, dass die Angst oder Sorge komplett verschwindet. Wichtig ist, wie man das Gefühl umwandelt.“ Im Falle des Alleinseins könne man die Gedanken von „Ich bin einsam“ oder „Was ist falsch mit mir?“ – hin zu „Was habe ich für Möglichkeiten?“ wandeln. Ein guter Ansatz sei, die Emotion nicht wegzudrücken, sondern sie bewusst wahrzunehmen und sich auf sie einzulassen – mit dem Wissen, dass dieser Prozess am Ende Entscheidungsfreiheit bringt. „Dann kann man bestimmen, wie man reagieren möchte und wie man das Alleinsein nutzen kann.“

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Zeit allein, bietet auch viel Zeit zur Selbstreflexion und somit auch Möglichkeiten über sich selbst hinauszuwachsen

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Schließlich kann das Alleinsein eine Energiequelle sein, die immer zur Verfügung steht. Es kann aber auch Selbstbestimmtheit, Freiheit, Reflexion oder Abenteuer bedeuten. Wenn du für dich bist, bist du frei für alles, was du liebst. Alleinsein ist also eine wunderbare Übung, um intim mit dir selbst zu sein. Daraus kann viel entstehen: Kreativität, neue Erkenntnisse, Mut, Liebe und Empathie für dich und andere.

Warum besteht überhaupt Angst vorm Alleinsein?

Vor allem in Bezug auf die Liebe ist der passende Umgang mit dem Alleinsein essenziell. Die Krux: Häufig suchen wir die Liebe nur in anderen. Wir erhoffen uns Gegenliebe, Anerkennung und ein Stückchen vom großen Glück. Doch letztlich kann genau das allein nie die ganz große Erfüllung bringen.

Eine repräsentative Umfrage der Online-Partnervermittlung ElitePartner hat zum Beispiel gezeigt: Raum für die eigenen Interessen und Freund*innen gehört in glücklichen Beziehungen dazu. 3 Viertel der zufriedenen Paare gaben an, oft oder sehr oft Zeit für sich selbst zu haben (76 Prozent), aber nur 63 Prozent der unzufriedenen.

Sprich: Nur wer trotz Partner*innenschaft auch mal allein ist, bleibt unabhängig und sammelt Kraft und neue Impulse. All das kann man dann wiederum in eine Beziehung zurücktragen und bekommt genau dadurch auch mehr Offenheit und Zuneigung vom Partner oder der Partnerin zurück. „In der Psychodynamik sprechen wir davon, dass Menschen spüren, wie sicher das Gegenüber ist. Diese Wahrnehmung beeinflusst wiederum, wie viel Menschen preisgeben und wie weit sie sich öffnen“, erklärt Psychologin Wendt. Also: Genieße die kostbare Zeit mit dir allein – denn sie ist so wichtig!

Wie lerne ich es Alleinsein zu genießen?

Um deine Bedürfnisse besser kennenzulernen und die Zeit für dich so zu nutzen, dass du sie wirklich genießen kannst, gibt es verschiedene Strategien. Die folgenden drei sollen dich auf deinem Weg – und wenn es mal im Herzen schmerzt – begleiten

1. Journaling klärt den Kopf

Die Gedanken werden laut? Schreib sie auf! Einer der Gründe für das Gefühl von Einsamkeit liegt nicht unbedingt daran, dass man es tatsächlich ist. Das Gefühl hat viel damit zu tun, wie wir denken und welche Bedeutung wir der Situation geben. Wenn wir dem Alleinsein eine große Bedeutung zuteilen, wird sie umso realer und größer. Mit Journaling (zum Beispiel mit einem dieser bunten Notizbücher von Project Très, Avocadostore, um 9 Euro) kannst du intuitiv ordnen, was um dich herum los ist. „Aufschreiben, was eine*n bewegt, klärt den Kopf“, sagt auch Nora Wendt. „Schreibt man ein Gefühl auf, muss man sich reduzieren, weil man nur einen Satz nach dem anderen schreiben kann. Das verlangsamt den Prozess der Gedanken.“

Tipps für dein Bullet Journal

Warum du besser lebst wenn du dich nicht sorgst

Journaling kann dabei helfen, sich weniger allein zu fühlen. Es macht den Kopf frei

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2. Yoga und Meditation bringen dich ins Hier und Jetzt

Rituale im Alltag sind eine Art der Beständigkeit, an der wir uns orientieren können, wenn wir uns überwältigt fühlen. „Yoga und Meditation sind Praxen der Bewusstseinsveränderung, mit denen man diese zukunftsgerichtete Eigenverantwortung wieder im Hier und Jetzt verankern kann“, so Wendt. Verirren wir uns in negativen Gedanken, finden wir im Yoga eine gesunde Perspektive, fern von Weltuntergangsfantasien. Es wächst die Erkenntnis: Auch wenn wir einen Abend, ein paar Tage oder einen Lockdown lang allein sind, sind wir nicht vergessen.

„Während des Yogas holt man innere und äußere Reize zurück und simplifiziert sie. Was dann passiert, ist ein erster Schritt in die Freiheit. Yoga kann helfen, den Weg zu einer bestimmten Emotion und dann auch Reaktion zu verstehen“, erklärt die Yogalehrerin. Beim Einstieg hilft dir unsere SOUL SISTER Annika Isterling, zum Beispiel mit ihrem Buch "Ankommen" (Theseus Verlag, Amazon, um 30 Euro)

Meditation für Anfängerinnen: Wie der Einstieg gelingt

Ergänzend kann auch Meditation gegen das Sich-allein-Fühlen helfen. Denn: „Meditation ist eine kurze Erinnerung daran, dass man nicht seine Gedanken ist“, sagt Wendt. „Gedanken sind eine wunderbare Funktion unseres Wesens. Aber wenn diese Gedanken für einen nicht mehr funktionieren, kann man sie auch ändern. Diese Erkenntnis nach und nach zu erlangen ist ein Gewinn in jeder Lebenslage.“

3. Dein inneres Zuhause ist so schön, wie du es dir machst

Auch die amerikanische Schriftstellerin Edith Wharton war der Ansicht, die Lösung gegen das Sich-allein-Fühlen bestünde nicht darin, immer in Gesellschaft zu sein, sondern einen Weg zu finden, mit sich selbst glücklich zu sein. Dabei nicht unsozial zu sein, aber keine Angst vor der eigenen, unbegleiteten Präsenz zu haben. Ihr Ansatz war, „das eigene innere Haus so reich zu schmücken, dass man dort glücklich ist. Man freut sich über jede*n, der kommen und bleiben mag, ist aber genauso zufrieden, wenn man unvermeidlich allein ist.“

Warum du besser lebst wenn du dich nicht sorgst

Das innere, wie das äußere Zuhause behandeln, ist ebenfalls eine Strategie, die hilft, das Alleinsein auch genießen zu können. Mach es dir in dir und um dich schön!

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Um dein inneres Haus zu visualisieren und zu manifestieren, kannst du ein so genanntes Vision Board gestalten, eine Collage aus Zeichnungen, Magazinausschnitten und Affirmationen, die deine Wünsche und Träume repräsentieren. Erinnere dich zugleich daran, deine innere Stimme ein wenig netter klingen zu lassen. So kannst du dein Inneres mit all dem füllen, was dir guttut. Und: Du kannst noch einen Schritt weitergehen und dein inneres und äußeres Zuhause aneinander angleichen.

„Es kann dem Geist helfen, die Umgebung so zu gestalten, dass sie gefällt und die innere Haltung widerspiegelt. Das Äußere beeinflusst das Innere. Ist es außen unordentlich, ist es meist auch innen unaufgeräumt“, erläutert Wendt. Für diese Gesten der Selbstliebe reichen schon wenige Handgriffe, zum Beispiel indem du den Platz aufräumst, an dem arbeitest, oder dir häufiger mal frische Blumen besorgst – denn all das hast du dir verdient!

6 Schritte, um dein Vision Board zu gestalten

Alleinsein ist per se nichts schlechtes! Du siehst, wenn du dich gut um dich sorgst, kannst du lernen die Zeit mit dir selbst zu nutzen und gestärkt und glücklich aus ihr hervorzugehen.