Was bedeuten die beiden blauen linien auf israels flaggen

Wenn ich mit Breschnew zusammensitze und mich diplomatisch aufwerten lasse, wenn ich mich mit Suzuki unterhalte oder mit der chinesischen Führung, dann habe ich zwar diplomatisch etwas erreicht, aber ich kann doch darüber die Realitäten nicht vergessen.

SPIEGEL: Zu den Realitäten gehört aber auch, daß es da einen Staat Israel gibt; der ist nun mal da. Und eine zweite S.153 Realität ist, daß dieser Staat Israel Mitglied eben jener Uno ist, auf deren Beschlüsse Sie sich so gern beziehen. Was kostet es Sie schon, diese Realitäten, die Existenz des Staates Israel anzuerkennen?

ARAFAT: Eure Massenmedien sind alle Gefangene der zionistischen Propaganda. Die Nazis haben Verbrechen begangen, und dafür müssen wir als Palästinenser bezahlen und unseren Kopf hinhalten. Nicht nur dieses politische Opfer ist es, sondern auch die deutsche Wiedergutmachung. Sie haben mehr als 60 Milliarden Mark an Israel gezahlt, die in Waffen umgewandelt wurden, um uns zu schlachten. Ich, der ich hier mit euch sitze, bin also praktisch euer eigenes unmittelbares Opfer. Nicht ich allein, auch alle meine Mitarbeiter sind Opfer des Nationalsozialismus.

SPIEGEL: Nun mal langsam. Daß die Deutschen Unrecht an den Juden begangen haben, wollen Sie doch sicher nicht bestreiten. Aber damit sind wir noch lange nicht Gefangene der zionistischen Propaganda.

ARAFAT: Ich bin regelmäßiger Leser des SPIEGEL. Er ist eines der internationalen Magazine, die ständig für mich ausgewertet werden. Meine Mitarbeiter legen ihn mir stets vor. Und wenn ihr sagt, ihr seid kritisch gegenüber Israel, dann doch nur, um das liberale Gesicht zu wahren. Von der Wahrheit ist der SPIEGEL immer noch weit entfernt.

SPIEGEL: Dann wollen wir sehen, daß wir heute noch mehr von der Wahrheit herausbekommen. Warum also weigern Sie sich so beharrlich, die Existenz Israels anzuerkennen?

ARAFAT: Wieso muß eigentlich das Opfer immer seine Unterdrücker anerkennen? Bevor ich den Staat Israel anerkenne, frage ich Sie: Wo bleiben die Rechte der Palästinenser? Wo ist der Staat Palästina? Wo bleiben die Rechte des palästinensischen Volkes? Sie verlangen von mir nichts anderes, als daß ich auf meine Rechte verzichte und dem Aggressor und Okkupanten Konzessionen mache.

SPIEGEL: Daß an der Anerkennung Israels kein Weg vorbeiführt, wissen Sie doch genausogut wie wir. Bislang hat aber nur ein einziger Araber, eben Anwar el-Sadat, den Mut gehabt, den Realitäten ins Auge zu sehen.

ARAFAT: Und welches Ende nahm Sadat? Glauben Sie denn, daß dieser Offizier, der da hinter Ihnen steht, mir erlauben würde, das zu tun, was Sadat getan hat, also auf seine Rechte zu verzichten? Wenn Sie an meiner Stelle wären: Würden Sie denn alle Karten auf einmal auf den Tisch legen und sagen: Hier, bedient euch ...?

SPIEGEL: Nicht alle, aber vielleicht endlich mal eine, um überhaupt ins Spiel zu kommen.

ARAFAT: Ich bin immer noch ohne Heimat, ohne Identität, ohne Flagge. Noch nicht mal einen Personalausweis habe ich. Wir sind hier neun Palästinenser in diesem Raum. Fragen Sie irgendeinen, ob er weiß, was er für eine Identitätskarte hat.

Wissen Sie oder haben Sie gewußt, was für Probleme es gibt, wenn ein Palästinenser geboren wird oder stirbt? Wenn einer geboren wird, müssen wir uns fragen, wie und worunter wir ihn eigentlich registrieren. Und wenn er stirbt: Wo soll er eigentlich beerdigt werden?

Ich gebe Ihnen ein kleines Beispiel. Im Libanon dürfen Palästinenser keine Grundstücke kaufen. Der Friedhof hier, auf dem unsere Toten ruhen, wurde uns von einem Wohltätigkeitsverein zum Geschenk gemacht. Jetzt ist der Friedhof voll; denn jeden Tag fallen Menschen bei uns. Ich kann nicht verhindern, daß sie sterben. Aber ich habe keinen Platz mehr für sie. Wo soll ich mit ihnen hin? Mein Friedhof ist voll. Ich bin aber stolz darauf, daß auf diesem Friedhof auch Christen und Moslems beerdigt werden können. Da machen wir keinen Unterschied, da gibt es bei uns keine Diskriminierung. Es ist der einzige Friedhof in der gesamten arabischen Welt, auf dem Moslems und Christen beerdigt werden können.

SPIEGEL: Aber wie wollen Sie aus der politischen Sackgasse herauskommen, wenn Sie nicht ...

ARAFAT: Noch eine Zwischenfrage: Werden Sie alles veröffentlichen, was ich sage?

SPIEGEL: Worauf Sie sich verlassen können! Aber noch mal: Wie wollen Sie aus der gegenwärtigen Sackgasse herauskommen? Natürlich können Sie noch jahrelang darauf pochen, ein Recht auf Ihr Territorium zu haben. Aber erreichen werden Sie damit kaum etwas. Warum zeigen Sie sich nicht etwas flexibler, versuchen, Ihre Ziele durch Verhandlungen zu erreichen? Wie lange sollen denn die Palästinenser nur noch mit ihren Rechten zufrieden sein, aber weiterhin größtenteils in Flüchtlingslagern S.154 dahinvegetieren? Können Sie das Ihrem Volk überhaupt noch länger zumuten?

ARAFAT: Wir haben versucht, in der Uno zu verhandeln. Wir haben darauf gewartet, daß uns die Uno unsere Rechte gibt, so wie sie es beschlossen hat. Aber inzwischen sind 30 Jahre vergangen. Und was ist geschehen? Nichts! Sogar in der Uno-Resolution 242 ist nicht von »palästinensischen Flüchtlingen« die Rede, sondern nur von »Flüchtlingen«.

SPIEGEL: Wir möchten gern einmal ganz präzise von Ihnen wissen, wo denn die Grenzen eines künftigen palästinensischen Staates verlaufen sollen, wie dieser Staat aussehen soll.

ARAFAT: Ich bin vom Nationalrat der Palästinenser auf der Basis eines ganz eindeutigen politischen Programms gewählt worden. Dieses besagt: Auf jedem Stück palästinensischen Territoriums, das befreit oder von den Israelis zurückgegeben wird oder von dem sie sich zurückziehen, bin ich beauftragt und verpflichtet, meinen palästinensischen Staat zu gründen.

SPIEGEL: Das heißt also, daß die Grenzen eines palästinensischen Staates keineswegs so aussehen wie auf der Landkarte, die auf den Flügen der Middle East Airlines verteilt wird? Denn was dort als Palästina bezeichnet wird, ist nichts anderes als Israel.

ARAFAT: Warum fragen Sie nicht Israel, den einzigen Staat in der Uno, der noch nicht genau definiert hat, wo seine Grenzen liegen? Hier zeigt sich doch, wie Sie auf der Seite Israels stehen.

SPIEGEL: Wieso das denn?

ARAFAT: Sie haben nur Israel im Auge. Aber Israel ist der einzige Staat auf dieser Welt, der Sonderwünsche bezüglich seiner Grenzen hat: Israel verlangt die biblischen Grenzen, historische Grenzen, sichere Grenzen, die man auch militärisch verteidigen kann, und dazu noch natürliche Grenzen mit Flüssen und Bergen. Das sind alles Sonderwünsche. Nennen Sie mir einen einzigen Staat auf dieser Welt, der solche Sonderwünsche hat wie Israel. Und das sagen die Israelis ganz offiziell! Das ist keine verschleierte Politik. Jeder verantwortliche israelische Politiker sagt das ganz offen. Wo bleibt da die internationale Verantwortung gegen diese Expansion?

SPIEGEL: Warum stellen Sie dann nicht auch offen Ihre Forderungen und sagen, welches Gebiet genau Sie haben wollen?

ARAFAT: Ich habe schon gesagt: Egal, welchen Teil, geben Sie mir einen Teil, da baue ich meinen Staat auf. Wenn die Israelis mir morgen Jericho geben, baue ich da morgen meinen Staat auf. Aber das wissen Sie viel besser als ich, daß die Israelis nie daran denken, sich aus diesem Gebiet zurückzuziehen. Dies haben sie auch eindeutig zu ihrem Sadat gesagt. Sogar zu Carter haben sie es gesagt. In Camp David, was wir als Verschwörung gegen uns ansehen, haben sie auch eindeutig gesagt: Von dort ziehen wir nicht ab; wir verstehen unter Autonomie etwas für die Bewohner, aber nicht für das Gebiet; das Gebiet bleibt unser Eigentum. Noch nicht mal das Wasser gehört den Palästinensern; das gehört uns, das Trinkwasser.

Aus diesem Grunde werden in den besetzten Gebieten jeden Tag neue Siedlungen gebaut - nur aus diesem Grund, aus keinem anderen.

SPIEGEL: Aber es geht doch darum, politisch etwas zu erreichen. Zu diesem Zweck ist zum Beispiel Sadat damals nach Jerusalem gereist. Sehen Sie denn keine Möglichkeit, durch Verhandlungen zum Ziel zu kommen?

ARAFAT: Was hat Sadat denn erreicht? Er hat Jerusalem für eine Handvoll Sand vom Sinai verkauft. Jetzt fragen Sie mal einen Araber, sei er Moslem oder Christ, ob er billigt, was Sadat gemacht hat. Jerusalem ist für uns etwas ganz Besonderes.

SPIEGEL: Immerhin war Sadat der einzige Araber, der besetztes Gebiet von den Israelis zurückbekommen hat - in Verhandlungen. Sein Nachfolger verhandelt weiter, und so bleiben die Ägypter die einzigen Araber, die mit den Israelis über die Palästinenser reden. Haben Sie denn nicht den Wunsch, über Ihre eigene Sache selbst zu sprechen?

ARAFAT: Über eine neue Versklavung? Um die Besetzung noch einmal zu bekräftigen? Um dieser Besetzung eine Legitimation zu geben?

SPIEGEL: Bedeutet das, daß Sie Verhandlungen mit Israel in jedem Fall ausschließen?

ARAFAT: Ich rede über das, was die Uno beschlossen hat. Ich rede von der internationalen Legalität. Warum lehnt Israel ab, zur Uno zu gehen? Ist das nicht das internationale Gremium, vor das diese Frage gebracht werden muß? Nennen Sie mir einen einzigen Uno-Beschluß, den Israel bejaht hat, obwohl Israel doch der einzige Staat der Welt ist, der durch Beschluß der Uno entstand. Sie sprachen doch vorhin von Realitäten. Dies sind Realitäten. Beherzigen Sie das bitte. Geben Sie bitte eine Antwort darauf.

SPIEGEL: Die Antwort ist, daß Sie nicht alles von der anderen Seite erwarten können. Ihre arabischen Freunde sehen das doch offenbar genauso. Sie präsentieren, im Gegensatz zu Ihnen, eigene Pläne, zuletzt der saudische Kronprinz Fahd.

ARAFAT: Ich habe diesen Plan begrüßt. Ich habe ihn als Grundlage für einen gerechten, dauerhaften Frieden in diesem Gebiet betrachtet. Ich habe das auf einer Pressekonferenz in Japan, auf einer Pressekonferenz in Peking und auf einer Pressekonferenz in Moskau gesagt. Was haben die Israelis geantwortet? Totale Ablehnung des Fahd-Plans: Für die acht Punkte des Fahd-Plans bauen sie jetzt acht neue Siedlungen in den besetzten Gebieten. Und was haben die Amerikaner geantwortet? Kein einziges positives Wort.

SPIEGEL: Die Amerikaner haben erklärt, daß der Fahd-Plan sehr wohl Elemente enthalte, die zu einer Lösung beitragen können. Und Sie selbst haben S.156 in Moskau auch noch etwas anderes gesagt ...

ARAFAT: Bevor Sie von Moskau anfangen, will ich noch was zu Amerika sagen. Reagan hat heute ganz gefährliche Sachen gesagt: Obwohl es im Fahd-Plan positive Elemente gebe, könne die Lösung nur - nur, nur! - durch die Camp-David-Vereinbarungen erreicht werden, sonst gar nicht. Bringt mir (zu einem seiner Mitarbeiter) die Zeitung, und dann zeige ich euch das.

SPIEGEL: Und wie ist es, wenn Sie innerhalb von drei oder vier Tagen Ihre Meinung ändern? In Tokio haben Sie den Fahd-Plan noch begrüßt, in Moskau dagegen haben Sie die Friedensinitiativen der Sowjet-Union als Grundlage für eine globale Lösung im Nahen Osten gepriesen. Was denn nun?

ARAFAT: Das ist unfair, was Sie da erzählen. Ich habe in Tokio eindeutig gesagt: Ich begrüße den Fahd-Plan, und ich begrüße die Initiative der Sowjet-Union.

SPIEGEL: Wieso hieß es dann aber, Ihre Tokioter Erklärung sei falsch zitiert worden?

ARAFAT: Ich habe nicht gesagt, daß ich falsch zitiert worden bin. Nur: In den Berichten war von einer friedlichen Koexistenz mit Israel die Rede. Ich aber habe gesagt: mit allen Juden. Und das ist etwas anderes.

SPIEGEL: Haben Sie Ihre Meinung nicht vielleicht doch eher geändert, weil ein paar arabische Staaten, die für Sie sehr wichtig sind, Syrien etwa und Libyen, den Fahd-Plan abgelehnt haben?

ARAFAT: Die Meinung dieser beiden Staaten beeinflußt unsere Beschlüsse keinesfalls. Eines, worauf wir stolz sind, ist die Unabhängigkeit, mit der wir unsere Beschlüsse fassen; aber natürlich sind wir zugleich darauf bedacht, eine Art arabischer Solidarität zu erreichen. Was glauben Sie denn, warum ich in den letzten Tagen und Wochen soviel herumgereist bin? Um vor der Gipfelkonferenz in Fes am 25. November ein Höchstmaß an Solidarität zu erreichen.

SPIEGEL: Haben Sie versucht, Ihre syrischen und libyschen Freunde auf den Fahd-Plan einzuschwören?

ARAFAT: Wer das versuchen sollte, ist doch Saudi-Arabien, nicht ich. Saudi-Arabien hat den Plan vorgelegt. Nicht ich!

SPIEGEL: Und es bestehen wirklich keine Verbindungen zwischen Ihrer Haltung und der Ihrer Freunde in Syrien und Libyen? Sie sind zum Beispiel mit einem Privatjet in den Fernen Osten geflogen, den Ihnen die Libyer zur Verfügung gestellt haben. Sie haben von den Libyern - gerade in jüngster Zeit - sehr viele Waffen bekommen, entstehen dadurch keine Abhängigkeiten?

ARAFAT: Eines kann ich Ihnen versichern: Was ich hier sage, sage ich auch draußen. Ich rede nicht mit zwei Zungen. S.157 Deshalb vertraut das Volk uns, innerhalb der besetzten Gebiete und außerhalb. Und vergessen Sie bitte nicht: Mein Volk geht manchmal hart mit mir ins Gericht. Da lassen die keine Milde walten.

SPIEGEL: Das ist aber doch auch das, was einen Führer stark macht?

ARAFAT: Richtig. Ich bin glücklich über jede Abrechnung mit mir.

SPIEGEL: Wie ist es nun mit der Abhängigkeit der PLO von Libyen?

ARAFAT: Wir bekommen Hilfe von allen Staaten in diesem Gebiet, nicht nur von Libyen, auch von Saudi-Arabien, von Syrien, von Algerien. Die Beschlüsse der arabischen Gipfelkonferenz besagen ganz klar und eindeutig, daß alle Araber verpflichtet sind, den Palästinensern zu helfen. Ebenso hat sich die islamische Gipfelkonferenz, haben sich die blockfreien Staaten verpflichtet, den Palästinensern zu Hilfe zu kommen.

Vergessen Sie nicht: Ich bin ein arabischer Staatsmann. Ich habe zwar keine Heimat, ich habe keinen Staat; aber trotzdem bettele ich bei keinem arabischen Staat. Wenn ich jedoch einen Wunsch äußere, stellt jeder zur Verfügung, was ich wünsche. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Soll ich etwa meinen Jet von den EG-Ländern verlangen?

SPIEGEL: Sie finden heute in Europa größeres Verständnis als vor fünf oder sechs Jahren. Und Sie würden vermutlich noch mehr Verständnis finden, wenn von Ihnen auch mal etwas Konstruktives käme. Was wollen Sie denn nun mit dem Fahd-Plan erreichen? Soll er eine Basis sein für Verhandlungen, oder sollen nur Ihre Standpunkte ein weiteres Mal festgeschrieben werden?

ARAFAT: Ich möchte in meine Heimat zurückkehren. Die Kinder wollen, mein Volk will in seine Heimat zurückkehren. Ist das nicht das Recht eines jeden Volkes, das aus seiner Heimat vertrieben wurde? Gelten die Menschenrechte nicht auch für mich und mein Volk, oder ist mein Volk dazu verurteilt, ewig in der Diaspora zu leben?

SPIEGEL: Befürworten Sie deshalb eine Neuauflage der Genfer Nahost-Konferenz?

ARAFAT: Ich sage immer: Was die Uno beschließt und bejaht, das bejahe ich auch. Das ist die internationale Deckung für mich, dazu stehe ich. Ich werde mit allen solidarisch zusammenarbeiten, solidarisch kämpfen, um die Beschlüsse der Uno zu verwirklichen.

SPIEGEL: Wenn es nur um die Verwirklichung bisheriger Uno-Resolutionen geht, wozu dann überhaupt noch Pläne wie den Fahd-Plan?

ARAFAT: Fahd hat keinen vollständigen Plan vorgelegt, sondern nur Vorschläge. Er hat eindeutig gesagt: Das sind Vorschläge, wie sie sich aus Uno-Beschlüssen ergeben.

SPIEGEL: Könnte möglicherweise dadurch etwas in Bewegung geraten, daß S.158 im wichtigsten arabischen Staat, in Ägypten, inzwischen eine neue Regierung an der Macht ist?

ARAFAT: Abwarten und Tee trinken.

SPIEGEL: Aber setzen Sie nicht bestimmte Erwartungen in die neue ägyptische Regierung?

ARAFAT: Wenn die neuen Machthaber in Ägypten in dieselbe Richtung weitergehen wie Sadat, erwarte ich gar nichts. Vergessen Sie nicht: Ich kenne Ägypten sehr gut. Ich bin ein Offizier der ägyptischen Armee, Reserveoffizier. Ich habe in Ägypten studiert. Ich habe in zwei Kriegen Ägyptens mitgekämpft: während der englischen Besetzung und 1956 bei der Dreier-Aggression der Israelis, Engländer und Franzosen gegen Ägypten.

SPIEGEL: Haben Sie deshalb, weil Sie ägyptischer Reserveoffizier sind, dem Präsidenten Sadat eine Warnung zukommen lassen, er solle der Parade am 6. Oktober fernbleiben, weil dort ein Attentat auf ihn geplant sei?

ARAFAT: Das stimmt nicht.

SPIEGEL: Palästinenser in Kairo behaupten das. Und sie behaupten auch, daß Sie vorher bereits den österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky wie auch Sadat vor möglichen Attentaten in Wien gewarnt hätten.

ARAFAT: Ganz im Gegenteil. Bruno Kreisky hat mir mitgeteilt, es gebe Mord- und Verschwörungspläne gegen mich, wenn ich nach Wien käme. Bei dieser Gelegenheit möchte ich meinem Freund Kreisky meinen besonderen Dank dafür zum Ausdruck bringen, daß er mich gewarnt hat. Das ist eine der vielen positiven Gesten, die Kreisky uns gegenüber gezeigt hat, die werden wir nicht vergessen.

SPIEGEL: Inzwischen ist Kreisky aber gar nicht mehr so glücklich über Sie. Ihre Freude über den Mord an Sadat hat ihn empört, und er hat von »persönlichen Konsequenzen« gesprochen.

ARAFAT: Das ist mehr eine Übertreibung als eine Tatsache. Er hat es später dementiert, wie ich weiß.

SPIEGEL: Aber Sie haben die Ermordung Sadats, die Tat als solche, doch bejubelt.

ARAFAT: Das muß man politisch betrachten. Ich habe damit gerechnet, daß S.160 er ermordet und hingerichtet wird. Diejenigen, die Sadat ermordet haben, waren Reagan und Begin. Die haben ihn ermordet. Die haben ihn so weit gedrückt und gequetscht, weitere Konzessionen und Zugeständnisse zu machen, daß er nicht mehr weiterkonnte.

SPIEGEL: Daß Sadats Leben gefährdet war, wußte man. Aber das steht hier nicht zur Debatte. Die Frage ist, ob man sich über einen Mord - und ein Mord war es doch wohl - freuen kann.

ARAFAT: Wir sind moslemische Gläubige, wir freuen uns nicht, wenn Menschen sterben oder getötet werden. Wir waren gegen Sadats Politik, und wir sind immer noch gegen seine Politik. Das hat aber mit unseren persönlichen Empfindungen nichts zu tun ...

SPIEGEL: ... die sich in Ihrem Jubel und den Freudentänzen in der arabischen Welt manifestierten.

ARAFAT: Das war das Empfinden des Volkes, die Stimmung des Volkes, denn Sadat hatte ja tatkräftig mitgemacht bei Verschwörungen gegen die Palästinenser. Er hatte den Rubikon überschritten und sich angemaßt, über Dinge zu reden, die ihn gar nichts angingen.

SPIEGEL: Doch nur weil Sie es abgelehnt haben und immer noch ablehnen, mit den Israelis über die Palästinenser zu reden.

ARAFAT: Niemand hatte ihn dazu beauftragt. Wer hat überhaupt das Recht, im Namen der Palästinenser zu sprechen? Sind wir vielleicht Kinder, die nicht selbst darüber entscheiden können, was sie wollen? Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß niemand in diesem Gebiet über mehr gebildete Menschen verfügt als wir. Wir sind hier nicht die Indianer, wir geben niemandem das Recht, in unserem Namen zu reden. Wir sind sehr wohl fähig genug, unsere Sache selbst in die Hand zu nehmen.

SPIEGEL: Aber Sie sind damit nicht weitergekommen.

ARAFAT: Es wird keine Stabilität, keinen Frieden, keine Sicherheit, keine Ruhe in diesem Gebiet geben, solange die Rechte der Palästinenser nicht berücksichtigt werden: das Recht auf Rückkehr in unsere Heimat, unser Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf einen unabhängigen Nationalstaat mit einer Hauptstadt Jerusalem entsprechend den Beschlüssen der Uno. Wir fordern nicht das Unmögliche, sondern das, was die Uno beschlossen hat.

Meine Pflicht ist es, den organisierten Terror des Staates Israel zu entlarven und vor der ganzen Weltöffentlichkeit zu zeigen, welche Lügen die Israelis über uns verbreiten. Oder ist es nicht organisierter Terror, wenn die Israelis an der Grenze zum Südlibanon vier Divisionen gegen uns konzentrieren? Die »New York Times« meldet heute auf der ersten Seite, daß einer der verantwortlichen Politiker in den USA nicht ausschließen mag, Israel werde im Südlibanon einen Schlag gegen die PLO führen.

SPIEGEL: Das wäre dann ein Bruch des Waffenstillstands, den Sie mit Israel dort geschlossen haben.

ARAFAT: Ich möchte dem israelischen Verteidigungsminister Scharon nur eines sagen: Lies, was Nahum Goldmann geschrieben hat: »Den Palästinenser, der Angst hat, den gibt''s nicht mehr.« Ich habe das nicht gesagt; das hat sein Freund Nahum Goldmann gesagt. Im übrigen habe ich nicht mit den Israelis eine Feuereinstellung beschlossen, sondern mit der Uno.

SPIEGEL: Aber auf der anderen Seite stand Israel. Ist das nicht in gewisser Weise schon eine Anerkennung?

ARAFAT: Das müssen Sie dem Begin sagen! Wir sind doch keine Gespenster, oder? Wir sind hier, wir sind doch die Realität, die es hier im Nahen Osten gibt.

SPIEGEL: Dann setzen Sie sich doch mit der anderen Realität an einen Tisch und verhandeln!

ARAFAT: Wer da sagt, es gibt keine Palästinenser, wir sind Gespenster, und es gibt keine Rechte der Palästinenser, der ist selbst ein Gespenst. So reden doch Begin und die israelischen Militärs. Das ist dumm, dumm, stupide.

SPIEGEL: Einige Israelis haben, als es zu diesem Dreiecks-Waffenstillstand im Libanon kam, sehr wohl gesehen, daß darin durchaus eine Art Anerkennung von beiden Seiten steckte.

ARAFAT: Aber das hat nicht Menachem Begin gesagt. Als ich in Sofia mit dem Knesset-Abgeordneten Charlie Biton zusammentraf, hat Begin öffentlich erklärt, er würde Biton am liebsten ins Gefängnis stecken. Begin hat die Mentalität S.162 der Kolonialisten. Die sind gegen den Lauf der Geschichte.

SPIEGEL: Aber Begin isoliert sich zunehmend mit dieser Haltung.

ARAFAT: Noch nicht ganz. Die letzten Parlamentswahlen in Israel waren enttäuschend für uns alle.

SPIEGEL: Nicht nur für Sie, gewiß auch für viele Israelis. Aber glauben Sie nicht, Sie könnten Begin noch weiter in die Isolation treiben, indem Sie beispielsweise auf der Basis dieses Dreieck-Waffenstillstands im Libanon aufbauen? Statt dessen sagen Sie: Nein, erst müßt ihr etwas tun.

ARAFAT: Ich sage den Israelis: Kommen Sie bitte zur Uno. Aber die wollen nichts mit uns zu tun haben, die lehnen sogar die Uno und ihre Beschlüsse ab. Und sie fühlen sich - leider Gottes - bestätigt durch die unbegrenzte wirtschaftliche, militärische und diplomatische Unterstützung der Amerikaner.

SPIEGEL: Und deshalb lehnen Sie sich enger an die Sowjets an? Die diplomatische Anerkennung haben Sie ja nun bekommen. Aber haben Sie auch die Waffen bekommen, die Sie sich von Moskau erhofften, die Boden-Luft-Raketen gegen Israels Luftwaffe?

ARAFAT: Meine Beziehungen zu Moskau sind nicht neu. Ich habe Moskau 1968 zum erstenmal besucht, in der Begleitung von Gamal Abd el-Nasser. Die Sowjet-Union hat von Anfang an unsere gerechte Sache unterstützt und auf unserer Seite gestanden. Das ist kein Geheimnis. Das letzte Mal, als ich Breschnew traf, hat er mir einen schönen Satz gesagt. Als ich ihm erklärte, wir seien ein kleines Volk von vier Millionen Menschen und könnten nicht viel ausrichten, da antwortete er: »Nein, ihr seid viel mehr als vier Millionen, alle Sowjets sind Palästinenser.«

SPIEGEL: Also müßten die Sowjets nach Ihrer Meinung am Friedensprozeß beteiligt werden?

ARAFAT: Davon bin ich überzeugt. Das hat sogar der Außenminister von Saudi-Arabien gefordert, und viele der europäischen Länder glauben auch daran. Sogar manche Amerikaner sind davon überzeugt. Man sagt doch von den Amerikanern, sie wären Pragmatiker. Pragmatik heißt doch auch, Realitäten zu erkennen. Warum denn eigentlich nicht?

SPIEGEL: Werden Sie sich nun am 25. November auf dem arabischen Gipfel in Fes für oder gegen den Fahd-Plan aussprechen?

ARAFAT: Selbstverständlich werde ich in Fes meine Meinung zu dem Plan sagen.

SPIEGEL: Ihre persönliche Meinung oder die der gesamten PLO? Offenbar gibt es doch auch innerhalb der PLO Widerstände gegen den Fahd-Plan.

ARAFAT: Ich werde die Meinung der PLO vertreten, das ist klar. Es gibt in der PLO durchaus Leute, die dagegen sind. Ich bin nicht mit 99,99 Prozent gewählt worden wie Sadat. Als ich gewählt wurde, gab es auch Gegenstimmen. Das ist unsere Demokratie, auf die ich sehr stolz bin.

SPIEGEL: Sie sind also wirklich noch der von allen Palästinensern anerkannte Sprecher der PLO, nicht nur eine Galionsfigur, weil Sie inzwischen mit Ihrem Kopftuch, Ihrem Stoppelbart und der Pistole in der Tasche zu einer Art Markenzeichen geworden sind?

ARAFAT: Sie müssen nicht denken, daß ich von mir selbst überzeugt sei; mein Volk ist von mir überzeugt. Das Vertrauen meines Volkes hat mich zum Führer gemacht. Und ich führe Kämpfer, keine Schafe, und darauf bin ich natürlich stolz.

SPIEGEL: Herr Arafat, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

S.150Mit Berater Mahmud Labadi (3. v. l.), Redakteuren Heinz P. Lohfeldt,Wolf Dieter Steinbauer, Adel S. Elias, Stenograph Horst Peter Neu.An der Wand ein Bild des am 8. Oktober 1981 in Rom ermordetenPLO-Funktionärs Abu Scharar.*S.154Nach einem israelischen Bombenangriff.*

Wie viele blaue Streifen hat die Flagge Israels?

Die Flagge Israels besteht aus einem zentral angeordneten blauen Davidstern zwischen zwei waagerechten blauen Streifen auf weißem Grund.

Was bedeuten die Farben in den Flaggen?

Schwarz-Weiß stand für die preußischen Anteile des Bundes und Rot-Weiß für die dem Norddeutschen Bund ebenfalls zugehörigen Hansestädte. Rot-Weiß war aber auch ein Erkennungsmerkmal Brandenburgs. Die schwarz-weiß-rote Flagge war zwischen 1871 und 1918 die Fahne des deutschen Reiches zwischen 1871 und 1918.

Was bedeutet die schwarz blau rote Flagge?

Diese Flagge wurde am 7. Mai 1883 zur offiziellen Nationalflagge Russlands erklärt.

Auf welcher Flagge ist ein Tempel?

Als nationales Symbol findet sich der Tempel auf fast allen Nationalflaggen in der Geschichte Kambodschas. Blau steht für die Monarchie, Rot für die Nation und Weiß für die Religion, den Buddhismus.