Was wäre wenn deutschland schuldenfrei wäre

Wohin wollen wir fliegen: einmal auf den Mars oder 26-mal zum Mond? Oder bauen wir eine Autobahn nach Bagdad? Null Problem - wäre Deutschland kein Schuldenstaat. 40.400.000.000 Euro wird der Bund laut Haushalt 2010 allein an Zinsen zahlen. SPIEGEL ONLINE rechnet vor, was damit alles erschwinglich wäre.

Von Ole Reißmann

16.12.2009, 18.42 Uhr

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Was wäre wenn deutschland schuldenfrei wäre

Volle Kasse: Was, wenn der Staat plötzlich keinen Schuldendienst zu leisten hätte?

Foto: THOMAS KIENZLE/ AP

Hamburg - Der Bund hat fast eine Billionen Euro Schulden bei den Banken. Das ist eine Zahl mit zwölf Nullen hinter der ersten Ziffer: 1.000.000.000.000.

Im kommenden Jahr muss der Finanzminister allein für die Zinsen 40,4 Milliarden Euro in den Haushaltsplan schreiben. Nach dem Sozialbudget (147 Milliarden Euro) ist es der zweitgrößte Ausgabeposten im Budget der Bundesregierung, das an diesem Mittwoch im Kabinett beschlossen worden ist.

Mit der Summe könnte man viel bewegen. Es muss ja nicht gleich ein 818 Meter hoher Rekord-Wolkenkratzer sein wie in Dubai. Aber auch in Deutschland ist genug Platz für etwas Wagemut.

Schuldenpolitik im Euroraum: Teil I

In 29 Jahren ist Deutschland schuldenfrei
So hätte zum Millennium eine weissagende Schlagzeile lauten können, denn die Einführung des Euro führte in allen Euroländern zu hohen Zinsentlastungen. Das lässt sich sogar verständlich vorrechnen.

Von Prof. Dr. Jan Körnert und Dipl. Kfm. Jörn von Elsenau

Veröffentlicht am 23. Januar 2016

Was wäre wenn deutschland schuldenfrei wäre

Prof. Dr. Jan Körnert

Universität Greifswald

Forschungsschwerpunkte
Finanz-, Bank- und Rechnungswesen

Dipl. Kfm. Jörn von Elsenau

Universität Greifswald

Forschungsschwerpunkte
Finanz-, Bank- und Rechnungswesen

Investitionen für die Zukunft: Der Staat muss Schulden machen, weil auch die kommenden Generationen davon profitieren

(Foto: Imago Stock&People)

Wann wird Deutschland seine Staatsschulden zurückzahlen? "Hoffentlich nie", sagt Finanzminister Schäuble - und hat recht damit. Länder mit stabiler Wirtschaftsleistung wie Deutschland und die USA dürfen und müssen sich Geld leihen. Die Furcht davor wird an den Stammtischen genährt. Diese Hysterie kann für Staaten lebensgefährlich sein.

Ein Kommentar von

Nikolaus Piper

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Politische Sprache klingt häufig auch deshalb so inhaltsleer, weil Politiker Angst haben, etwas Falsches zu sagen. Umso erfrischender, wenn einer ungeschützt die Wahrheit sagt, wie zum Beispiel gerade Wolfgang Schäuble.

Am Rande der Währungskonferenz in Washington meinte der Finanzminister auf die Frage, wann denn Deutschland seine Schulden zurückgezahlt haben werde: "Hoffentlich nie!" Zum letzten Mal sei das Land 1948 schuldenfrei gewesen, also nach Krieg und Diktatur. Ein Finanzminister, der nicht schuldenfrei werden möchte - ein Skandal? Natürlich nicht. Schäuble hat eine Selbstverständlichkeit gesagt, die nur leider oft vergessen wird.

Die Furcht, dass "wir nie unsere Schulden zurückzahlen können", wird seit Jahren an Deutschlands Stammtischen genährt. Viele Politiker bedienen diese Furcht. Dabei reicht es vollkommen aus, wenn der Staat einen Teil der Schulden zurückzahlt - und es muss noch nicht einmal der größere Teil sein. Jede Regierung wird, wenn sie vorausschauend plant, große Investitionen auf Kredit finanzieren und auf diese Weise einen Teil der Kosten auf künftige Steuerzahler verlagern, die ja den Nutzen haben werden. Sichere Staatsanleihen sind ein unverzichtbares Instrument des Finanzsystems. Wo würden Lebensversicherungen das Geld ihrer Kunden anlegen, gäbe es keine Bundesanleihen?

Die Schuldenquote ist entscheidend

Worauf es alleine ankommt, ist, dass der Schuldendienst den Staat nicht überfordert. Die Messzahl dafür ist die Schuldenquote, der Anteil der Schulden am Bruttoinlandsprodukt. In Deutschland liegt er heute bei 81 Prozent. Das ist zu hoch, vor allem, weil viele künftige Verpflichtungen, etwa für Beamtenpensionen, in diesem Schuldenberg gar nicht enthalten sind. Aber die Zahl muss niemals auf null sinken. Die alte Bundesrepublik hatte kurz vor der Wiedervereinigung eine Quote von 40 Prozent.

Das Wichtigste dabei: Die Schuldenquote ist ein Bruch, bei dem die Politiker nicht nur den Zähler (die Schulden), sondern auch den Nenner (die Wirtschaftsleistung) beeinflussen können. In den Debatten um die Staatsschuld wird dieser Nenner meist ignoriert.

Deutschland wächst derzeit langsamer als die meisten Industrieländer außerhalb der Euro-Zone. Das hat zum Teil mit der Demografie zu tun. Deutschlands Bevölkerung schrumpft, anders als die Frankreichs oder der USA. Zum Teil hat die Schwäche aber auch politische Ursachen. So ist es unpopulär geworden, mehr Wachstum zu fordern; auch gibt es keine systematische Wirtschaftspolitik, auch dann nicht, wenn das Wirtschaftsministerium in FDP-Händen ist.

Lebensgefährliche Hysterie

Die privaten Investitionen sind im internationalen Vergleich außerordentlich niedrig, ohne dass dies jemanden erkennbar stören würde. Dabei ist Konsolidierung unendlich viel schwerer und kann im Extremfall scheitern, wenn man den Nenner des Bruchs, also die Wirtschaftsleistung, vergisst. Die internationale Kritik an den konsolidierungswütigen Deutschen hat hier ihren berechtigten Kern.

Der Blick über den Atlantik mag den Zusammenhang illustrieren. Eigentlich müsste man sich um Amerikas Schuldenquote (derzeit über 100 Prozent) keine Sorgen machen, weil die Wirtschaft trotz aller Krisen dynamisch genug ist. Die USA hätten ausreichend Zeit, ihr langfristiges Problem - die Finanzierung des Sozialstaats - zu lösen, wenn denn nicht das politische System so dysfunktional wäre. Nicht die heutigen Schulden sind das Problem, sondern der hysterische Streit um die Schuldengrenze. Wenn Politiker mutwillig den Staatsbankrott riskieren, dann wird auch die dynamischste Wirtschaft überfordert.

Hysterie beim Thema Staatsschulden kann lebensgefährlich sein. Deshalb nützt es, gelegentlich an einfache Wahrheiten zu erinnern, wie Schäuble es getan hat.

Wem schuldet Deutschland am meisten Geld?

Die Niederlande sind mit Abstand der größte Gläubiger der Bundesrepublik im Ausland. Die deutschen Schulden stiegen Ende 2019 von 654 auf 666 Milliarden Euro. Das entsprach laut der Bundesbank 13 Prozent der gesamten Auslandsschulden.

Was passiert wenn der Staat verschuldet ist?

Staatsschulden werden in der Regel nicht zurückbezahlt, sondern nach Ablauf ihrer Frist neu aufgelegt. Es geht nicht darum, den absoluten Wert der Schulden zurückzuzahlen. Entscheidend ist die Zinslast.

Ist Staatsverschuldung gut oder schlecht?

Wirkungen der Staatsverschuldung Staatsverschuldung kann positive Effekte nach sich ziehen, wenn mit den Krediten öffentliche Investitionen finanziert werden - etwa in die Infrastruktur. Solche Ausgaben erhöhen mittelfristig das Wachstumspotenzial einer Volkswirtschaft.

Wie viel Geld schuldet Deutschland?

Im In- und Ausland: Wem Deutschland Geld schuldet Offene Kredite haben sowohl der Bund als auch die Länder und einzelne Kommunen. Laut dem Bund der Steuerzahler entfallen 67 Prozent der Staatsschulden auf den Bund, gefolgt von den Bundesländern mit 27 Prozent und den Gemeinden mit sechs Prozent.