Wenn die eigene mutter einen krank macht

Meine Gastautorin heute widmet sich einem Tabu-Thema: Narzisstische Mütter. In ihrer Kindheit wurde sie oft bloßgestellt, schlimm gedemütigt, seelisch misshandelt. Bis sich eines Tages das Jugendamt einschaltete. J. wurde ein paar Jahre aus ihrem Zuhause genommen. Heute sagt sie: “Das hat mir das Leben gerettet!” Sie arbeitet als Bibliothekarin und lebt mit ihrer Familie, Kindern und Hund in Potsdam. Liebe J., ich danke dir für deine Offenheit und Aufklärung zu diesem Thema.

“Ich kann mich noch erinnern, als ich im Auto neben ihr saß und mich so schlecht dabei fühlte. Nicht schlecht aufgrund des Ausschlages an meinem Körper, sondern aus schlechtem Gewissen und der Tatsache wegen, dass sie mich zum Arzt fahren musste. An einem Sonntag! „Nur weil du die Krätze hast, muss ich mir den Stress antun.“ Sie war so wütend. Ich erinnere mich an die Heimwege, die ich gerne zu Fuß über das Feld ging, zu jeder Jahreszeit. Egal ob im Hellen oder Dunkeln. Zeit für mich. Und mir passiert ja eh nichts, denn Mama sagte „So hässlich wie Du bist, vergewaltigt Dich eh keiner.“ Das ich nicht hübsch aussehe, dafür sorgte sie jedes mal, wenn sie mir in ihrer Wut die Haare abschnitt. 

Wenn die eigene mutter einen krank macht

Ich habe eine narzisstische Mutter

Heute bin ich selbst Mutter, vieles liegt es in der Vergangenheit. Jahre der Aufarbeitung folgten, viele Tränen der Angst, aber auch der Wut. Der Verzweiflung, aber auch der Hoffnung. Und der Gewissheit, dass man all dies hinter sich lassen kann, um eines Tages anderen Mut zu machen. Denn es gibt so viele von ihnen da draußen. So viele Töchter einer narzisstischen Mutter. Doch, was ist genau Narzissmus? Ich habe mich damit lange beschäftigt, weil ich irgendwie auch verstehen wollte, was da mit mir geschah – und was mit meiner Mutter. Das Wort Narzisst leitet sich von einem Mythos aus der griechischen Antike ab. Der junge Narziss lehnt die Liebe einer Frau ab und wird dadurch mit unsäglicher Selbstliebe gestraft. Er verliebt sich in sein eigenes Spiegelbild, welches er im Wasser reflektiert entdeckt. Da er das das Objekt seiner Liebe nicht erreichen kann, verwandelt er sich nach dem Tod in eine Narzisse. Heute definiert sich Narzissmus in verschiedenen Kategorien. Die meisten Menschen tragen Selbstliebe in sich, was auch gut und normal ist. Dann gibt es egoistischere Personen, die jeder kennen dürfte. Unangenehm, aber ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein zeichnet diese Personen aus. Ja, und dann gibt es da den malignen (krankhaften) Narzissmus. Diese Personen drehen sich nur um sich selbst und erwarten, dass es die Welt ihnen gleich tut. In der Literatur werden Narzissten u.a. als emotionale Vampire beschrieben. Dies ich sehr treffend. Sie ziehen ihre Energie aus der Aufmerksamkeit anderer Personen und dabei ist ihnen jedes Mittel recht. Ähnlich einer Sucht wie beim Alkohol, benötigen sie ständig neue Zufuhr. Wenn man diese verweigert, werden sie oft bösartig. „Stiehlt“ man ihnen die Aufmerksamkeit, muss diese hart erkämpft werden. Derjenige, welcher es wagt sie zu entblößen, wird kriegerisch bekämpft. Sie weiden sich geradezu am Leid des von ihnen ernannten Feindes. Einem solchem Menschen im Alltag zu begegnen und aus dem Weg zu gehen ist oft schon schwer, am Arbeitsplatz beispielsweise. Aber als Kind hat man keine andere Wahl. Dazu kommt, das Narzissten gute Schauspieler sind. Das Selbstbild des perfekten Menschen muss nach außen aufrecht erhalten werden. Daher durchschauen Außenstehende diese Spiel oft sehr spät oder gar nicht, denn in der Familie scheint alles heil zu sein, geradezu perfekt. Jedes kleine Erwähnen seitens des Kindes wird nach außen als Phantastereien dargestellt. „Ach sie hatte schon immer eine rege Fantasie, neigt zum Träumen, schaut zu viel fern oder steht gerne im Mittelpunkt. Wir wissen langsam nicht mehr weiter.“

Typisch für diese Familien ist die Klassifizierung der Kinder

Während die Mutter auf das eine Kind alles Schlechte projiziert, ist das Geschwisterkind das gute Kind. Macht alles perfekt, nahezu fehlerfrei. In der Psychologie spricht man vom goldenen Kind und dem Sündenbock. Das goldene Kind, welches auch nicht in der Lage ist all dies zu durchschauen, himmelt die Mutter oft geradezu an. Erzählt logischerweise gegensätzliche Erlebnisse und entwickelt sich ganz anders. Typisch ist auch, dass das goldene Kind von der Mutter funktionalisiert und in das Spiel eingebunden wird. Klassisch „Ich war das nicht, Mama, es war meine Schwester.“ Das andere Kind wird ungefragt bestraft, denn das goldene Kind hat immer recht. Das Kind mit der Sündenbockrolle traut mit der Zeit nicht mehr seiner Wahrnehmung, wird immer unsicherer und zweifelt an sich als Mensch. Somit ist ein Kind in dieser Konstellation völlig isoliert. Dazu kommt, das solche Kinder in der Schule sehr unaufmerksam sind und teilweise auch Verhaltensauffällig. Ein gefährlicher Kreislauf, denn nun ist es auch in der Schule ein Außenseiter.

Meine schlimmsten Jahre

Bei mir ging das Jahre so. Irgendwann wurde meine Angst vor meiner Mutter zu groß und ich lief von zu Hause weg. Das Jugendamt schaltete sich ein und ich wurde für ein paar Jahre aus meinem Zuhause weggenommen. Das hat mir das Leben gerettet und das meine ich so, wie ich es schreibe. Bis heute nimmt mir dies meine Mutter übel. Aber auch nach so einem drastischen Eingriff von außen war sie nicht in der Lage zu erkennen, dass sie als Erwachsene Fehler gemacht hat. Sie bauschte Kleinigkeiten auf und versuchte nach außen, ein Bild des bösartigen Kindes darzustellen. Eine Sache, die sie gerne verbreitet hat, war, ich hätte meine Geschwister misshandelt und wegen mir hätte das Jugendamt ihr diese auch fast noch abgenommen. Fakt war, sie lies mich im Grundschulalter des öfteren mit meinen jüngeren kleinen Geschwistern über Stunden alleine. Ich war überfordert und habe sie geschlagen, wenn sie nicht hören wollten.

Das Gute war, dass ich als junge Erwachsene eine Therapie gemacht habe. Noch bevor ich Mutter wurde, wollte ich all dies aufarbeiten, denn sie sagte mir immer, ein Mensch wie ich dürfe keine Kinder bekommen. Sie nahm selbst diese Situationen war, als wäre ich eine Erwachsene gewesen, der sie die Kinder anvertraut hat. Sicher eine Folge ihres Alkoholkonsums, denn erschwerend kam hinzu, dass meine Mutter Alkoholikerin war und oft nicht nüchtern. Sie konnte es gut verbergen, da sie „stilvoll“ trank … hochwertige Alkoholika und somit nicht mit der Schnapsflasche umherlief. Auch dies wurde mir erst bewusst, als ich erwachsen war. Noch heute trinke ich selten Alkohol. Aber ich kämpfte und wurde innerlich heil. “Sie verfügen über eine gute Resilienz“, meinte damals mein Psychologe am Ende der Therapie. Resilienz ist die psychische Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Diese Aussage hat mir sehr geholfen. Ich persönlich fand schon als Kind, dass man als Erwachsene selbst für sein Handeln verantwortlich ist und die Fehler nicht auf seine Kindheit schieben darf. Etwas, dass mich übrigens bei meiner Mutter immer störte. Sie gab für alle Probleme ihren Eltern die Schuld. Somit kämpfte ich jahrelang dagegen an und bin bis heute dabei, mein Handeln stets zu reflektieren. Mühselig, aber auch heilsam.

Als Mutter weiß ich auch, dass Kinder nicht die Verantwortung für solche Probleme in der Familie tragen. Ich würde niemals mein Kind auf Stunden mit den wesentlich kleineren Geschwister alleine lassen und danach behaupten, sie habe sie misshandelt. Ein Kind in diesem Alter ist einfach zu Recht überfordert und schlägt leichter zu, wenn die Geschwister etwas anstellen. Wofür ich im übrigen auch bestraft worden wäre und somit der Druck noch viel größer war. Ich musste ja aufpassen.

Mein Vater war mir leider auch keine Hilfe, denn er hatte keine eigene Meinung und schien nicht wirklich präsent zu sein. Auch typisch für narzisstische Beziehungen. Der Partner hat keine eigenen Interessen, kein eigenes Ich und fungiert wie ein verlängerter Arm. Dennoch kann ich ihm bis heute nicht wirklich böse sein. Er ist auf seine Art auch ein Opfer ihres narzisstischen Verhaltens.

Dennoch bleiben auch bei einer guten Verarbeitung Narben und Wunden zurück. Kinder mit einer solchen Vergangenheit tun sich im Erwachsenenalter leider auch oft schwer, achtsam mit sich selbst zu sein. Ein Problem, mit dem ich oft kämpfe. Ich fürchte meine Grenzen und ich habe Angst zu versagen. Mache ich Fehler, folgt die Angst der Ablehnung des anderen. Auch nehme ich mir schnell Dinge zu Herzen, reflektiere einmal zu viel und bin sehr selbstkritisch. Aber ich habe Glück und einen wunderbaren Mann und Freunde, die um all dies wissen. Darin finde ich Trost und Halt. Da ich mit meiner Mutter so gut wie keinen Kontakt mehr pflege, geht es uns als Familie gut. Ich möchte nicht, dass meine Kinder in diesem Umfeld aufwachsen. Die Gefahr, dass sich dies wiederholt, ist mir zu groß.

Ich liebe es Mutter zu sein und meine Kinder strahlen zu sehen. Jeden Einzelnen in seiner Einzigartigkeit zu unterstützen. Zu lieben, so wie sie oder er gedacht sind und nicht wie ich oder ein anderer sie haben möchte. Vielleicht neige ich auch dazu meine Kinder zu sehr zu verwöhnen, aber mal ehrlich, es gibt Schlimmeres.

Es ist mir persönlich ein Anliegen, sowohl darauf aufmerksam zu machen, als auch Mut zu geben, dass jeder Mensch, sei die Kindheit noch so schwer, die Gewissheit haben kann, ein glückliches, heiles und erfülltes Erwachsenenleben zu führen.

Es ist nämlich möglich.

Was ist eine toxische Mutter?

Toxische Mütter können keine echte Empathie für ihre Kinder aufbringen, dabei brauchen diese es so sehr, wirklich als sie selbst gesehen und geliebt zu werden. Alles andere kann das Selbstwertgefühl und die Selbstwahrnehmung stark beschädigen – und zwar nachhaltig.

Wie verhält sich eine narzisstische Mutter?

Narzisstische Mütter sehen in ihren Kindern sich selbst. Sie lieben ihre Kinder ungemein, sie lieben, wie die Kinder sie bewundern. Dr. Dierssen führt weiter aus und beschreibt, dass narzisstische Mütter den "Abkömmling" von sich selbst im Kind über alles lieben.

Was tun wenn die Mutter toxisch ist?

Wichtig: Leiden Sie sehr unter der toxischen Beziehung zu Ihrer Mutter, sollten Sie sich professionelle Hilfe suchen. Eine Psychotherapie kann Ihnen unter anderem dabei helfen, das Erlebte aufzuarbeiten, es zu ordnen und gegebenenfalls zu akzeptieren oder abzuschließen.

Wie verhalten sich narzisstische Eltern?

Charakteristika narzisstischer Eltern Sie sind egozentrisch, überschätzen sich, einige bis zur Hybris, und sind vorrangig damit beschäftigt, ihr eigenes Selbstbild zu schützen. Sie sind meist unflexibel und es fehlt ihnen die notwendige Empathie für die Erziehung von Kindern.