Wer denkt ist nicht wütend

Ich will ja gar nicht anderes, als dass die Welt so eingerichtet wird, dass die Menschen nicht ihre überflüssigen Anhängsel sind, sondern, dass in Gottes Namen, die Dinge um der Menschen willen da sind, und nicht die Menschen um der Dinge willen, die sie noch dazu selbst gemacht haben, und dass sie sie selbst gemacht haben, dass die Institutionen schließlich auf die Menschen zurückweisen, das ist – für mich jedenfalls – ein sehr geringer Trost. (Theodor Adorno)

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„Wer denkt, ist nicht wütend“

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Biografie: Theodor W. Adorno war ein deutscher Philosoph, Soziologe, Musiktheoretiker und Komponist. Seine Arbeiten als Philosoph und Soziologe stehen in der Tradition von Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Karl Marx und Sigmund Freud. Mit seiner Gesellschaftskritik war er neben Max Horkheimer einer der Begründer und Hauptvertreter der als Frankfurter Schule oder Kritische Theorie bekannten Denkrichtung.

In der Diskussion über die Ursachen des Terrorismus in der Bundesrepublik wird der Vorwurf erhoben, daß ohne die Frankfurter Schule die »Rote Armee Fraktion« nicht verständlich und denkbar sei.

Als Max Horkheimer im Januar 1931 die Leitung des 1922 gegründeten Frankfurter Instituts für Sozialforschung übernahm, sah er in der Tat in revolutionärer Gewalt ein Instrument im Kampf »gegen die herrschende Gesellschaft, denn diese hatte ... das Entsetzliche des Faschismus und des terroristischen Kommunismus hervorgebracht«. »Deshalb setzten wir zu jener Zeit unsere Hoffnung auf die Revolution«, so beschrieb Horkheimer später die Sitution der frühen dreißiger Jahre, »denn schlimmer als im Nationalsozialismus konnte es in Deutschland nach ei ncr Revolution ganz bestimmt nicht werden.«

Freilich, das Bekenntnis der Frankfurter Schule zu revolutionärer Gewalt war von Anfang an sehr differenziert. Horkheimer übersah nicht die Gefährlichkeit der Forderung, »Gewalt durch Gewalt abzuschaffen«. Aber er stellte zugleich die Frage, ob die Menschheit nicht ohne diejenigen, »welche zu allen Zeiten gewaltsam ihre Befreiung betrieben, noch tiefer in der Barbarei« stecken würde?

Die Emigration des Instituts 1933 in die USA, die Erfahrungen mit der amerikanischen Gesellschaft und dem Stalinismus haben das Verhalten der Frankfurter Schule zur revolutionären Gewalt entscheidend verändert.

»Wir sind zu der Überzeugung gelangt, daß die Gesellschaft sich zu einer total verwalteten Welt entwickeln wird«, schrieb Horkheimer. »Das ist eine immanente Tendenz in der Entwicklung der Menschheit, die allerdings durch Katastrophen unterbrochen werden kann. Diese Katastrophen mögen terroristischer Art sein. Hitler und Stalin sind dafür Symptome.«

Die Konsequenz war, »daß unsere neuere kritische Theorie nicht mehr für die Revolution eingetreten ist, denn nach dem Sturz des Nationalsozialismus würde in den Ländern des Westens die Revolution wieder zu einem neuen Terrorismus ...führen«.

Als die Studenten in den sechziger Jahren rebellierten, bezogen sie ihre Parolen vor allem aus den frühen Schriften der Frankfurter Schule. Horkheimer beeilte sich, den Rebellen die inzwischen vollzogene Kehre deutlich zu machen, den Unterschied zwischen den Ideen der Frankfurter Schule nach 1945 und den Vorstellungen der Rebellion hervorzuheben.

»Der Unterschied betrifft das Verhältnis zur Gewalt ... Offen zu sagen, die fragwürdige Demokratie sei bei allen Mängeln immer noch besser als die Diktatur, die ein Umsturz heute bewirken müßte, scheint mir jedoch um der Wahrheit willen notwendig zu sein.«

Doch als die Studenten immer wieder auf die in Raubdrucken verbreiteten frühen Schriften Horkheimers hingewiesen, entschloß er sich. das Gift der dreißiger Jahre neu tu veröffentlichen -- allerdings mit einem Vorwort, in dem er nochmals eindringlich vor dem Terrorismus warnte: »Mit welchen Argumenten auch immer, dem Vormarsch totalitärer Bürokratie von links Hilfe zu leisten, ist pseudorevolutionär ...«

Horkheimers Warnung blieb ungehört. Er wurde von Herbert Marcuse übertönt, der allerdings seit 1943 nicht mehr dem Institut der Frankfurter angehörte. Marcuse proklamierte die »Freie Welt« als ein auch mit Gewalt durchzusetzendes Ziel der Menschheit.

In der Studentenbewegung sah er die »vielleicht ... einzige Chance einer zukünftigen radikalen Veränderung« und er exkulpierte die Rebellen: »Wenn sie Gewalt anwenden, beginnen sie keine neue Kette von Gewalttaten, sondern zerbrechen die etablierte.«

Die Ablehnung revolutionärer Gewalt (Adorno: »Wer denkt, ist nicht wütend"), zu der sich die beiden Häupter der Frankfurter Schule, Horkheimer und Adorno, hingegen entschlossen hatten, beruhte auf politischer Lebenserfahrung. Sie war, wie einer ihrer Schüler, nämlich Jürgen Habermas, es ausdrückte: »defensive Pragmatik«.

»Wenn Horkheimer und Adorno ein Versäumnis vorzuhalten wäre, dann allein die Ungewißheit, in der sie andere darüber gelassen haben, ob sie jene defensive Pragmatik genauso triftig aus theoretischen Einsichten wie aus nur zu gut fundierten lebensgeschichtlichen Erfahrungen gewonnen haben« -- mit anderen Worten: Vor 1945 konnte man es anders lesen.