Wer ist aus der pflege ausgestiegen

  1. Startseite
  2. Politik

Erstellt: 14.01.2022, 15:28 Uhr

KommentareTeilen

Wer ist aus der pflege ausgestiegen

Neue Koalition, alte Probleme: Hubertus Heil (re.) und Olaf Scholz zu Besuch in einer Berliner Pflegeeinrichtung. © Wolfgang Kumm/picture-alliance

Alt will (fast) jeder werden. Dann könnte Pflege nötig werden - doch genau in diesem Bereich droht ein Teufelskreis. Eine Studie liefert alarmierende Zahlen.

Hannover - Die Zeiten, in denen alte Menschen in der Familie gepflegt wurden, scheinen in Deutschland vorbei - und wo Verwandte Angehörige pflegen ist oft die Belastung groß. Umso bedenklicher wirkt das Ergebnis einer aktuellen Studie. Denn die Altenpflege in Deutschland könnte in den kommenden Jahren eine regelrechte Personalflucht erleben. Gründe sind schlechte Bezahlung, hohe Arbeitslasten und auch zu wenig Zeit für die Betreuten.

Eine Studie unter dem Titel „Altenpflege im Fokus“ zeigt: 40 Prozent der Befragten erwägen, aus dem Beruf auszusteigen. Dieses Ergebnis stellte Bernadette Klapper, Geschäftsführerin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe, am Donnerstag vor. Die Expertise hatte ihr Verband gemeinsam mit dem Altenpflege-Fachverlag Vincentz Network initiiert. „Das ist alarmierend. Wir brauchen eine Trendwende in der Altenpflege“, sagte Klapper. Schon jetzt werden teils verzweifelt Fachkräfte gesucht*.

Pflege-Misere in Deutschland: 500.000 Kräfte zu wenig bis 2030? Zeitmangel und Bürokratie schmerzen

Für die Studie wurden im August und September 2021 insgesamt 686 Beschäftigte in der stationären Pflege befragt. Nach Angaben des Fachverlags errechneten Experten, dass rund 500.000 Pflegekräfte bis 2030 fehlen werden. 73 Prozent der Befragten meinten, der Personalmangel habe sich in den vergangenen zwei Jahren, also mitten in der Corona-Pandemie*, verschärft. 2018 sagten dies noch 71 Prozent. 68 (2018: 60) Prozent urteilten, es werde immer schwerer, eine gute Pflege zu gewährleisten. Das hänge auch damit zusammen, dass zu wenig Zeit für die Bewohnerinnen und Bewohner bleibe, meinten 67 (2018: 65) Prozent der Befragten. 56 Prozent sagten, neue Regeln zur Qualitätsprüfung sorgten für mehr Bürokratie.

Die Beschäftigten trügen diese Sorgen nach Hause, denn mehr als jeder oder jede Zweite verspüre negative Auswirkungen auf das Familien- und Privatleben, ergab die Studie. Zusätzlich belasteten seit zwei Jahren die Herausforderungen und Auswirkungen der Corona-Pandemie. 96 Prozent der Befragten glaubten den Angaben zufolge nicht einmal, dass die Politik die Lage verstanden habe und bemüht sei, sie zu verbessern.

Pflege: Viele denken an Veränderung - Personalmangel verschreckt vorhandene und potenzielle Kräfte

Insgesamt 67 Prozent der Befragten planen der Studie zufolge eine berufliche Veränderung - entweder per Höherqualifizierung in der Pflege (41 Prozent), Studium (14 Prozent) oder Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber (22 Prozent). Mehr Fachkräfte in der Altenpflege zu halten oder neu zu gewinnen kann nach Einschätzung von 90 Prozent der Befragten nur gelingen, wenn mehr Personal eingestellt werde. Gelinge es nicht, die Personalausstattung zu verbessern, lasse sich das vorhandene Personal nicht halten - und potenzielles zusätzliches Personal werde abgeschreckt.

Klapper forderte daraufhin ein ganzes Bündel an Maßnahmen - mehr Personal, bessere Gehälter und eine Reform der Pflegeversicherung. Der Studie zufolge gaben nur 8 Prozent der Befragten an, ihr Gehalt habe sich in den vergangenen zwei Jahren deutlich verbessert, 38 Prozent urteilten, die Lage in der Pflege werde sich erst verbessern, wenn Pflegekräfte besser bezahlt würden. Aktuell sind Pflegekräfte meist weiblich - und arbeiten oft in Teilzeit, wie offizielle Zahlen zeigen*.

Pflege in der Krise: Experte kritisiert private Anbieter - Patientenvertreter: „Pflegebedürftige können nicht fliehen“

Herrmann Brandenburg, Inhaber des Lehrstuhls für gerontologische Pflege an der Hochschule Vallendar, betonte, das Problem sei nicht nur, dass Pflegekräfte zu wenig verdienten. Sie erlebten darüber hinaus das Dilemma eines Missverhältnisses zwischen dem, was sie unter guter Pflege verstünden, und der Tatsache, dass sie fremdbestimmt seien. Er kritisierte in dem Zusammenhang private Ketten auf dem deutschen Markt, dort gebe es oft Qualitätsprobleme. Der private Sektor müsse zurückgefahren werden, forderte er. Personalgewinnung im Ausland sei zudem ein „Armutszeugnis“. Einer Studie des Mediendienstes Integration zufolge kommt jetzt jede achte Pflegekraft aus dem Ausland.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der Deutschen Presse-Agentur, mehr als zwei Drittel der Altenpflegekräfte zweifelten daran, gute Pflege gewährleisten zu können. „Leidtragende dieser Misere sind 820.000 Pflegeheimbewohner und über eine Million Menschen, die zu Hause zusätzlich von einem ambulanten Dienst versorgt werden“, so Brysch. Er forderte ein zukunftsfähiges und attraktives Konzept, um die Menschen im Beruf zu halten: „Auch muss klar sein, dass Pflegebedürftige im Gegensatz zu den Fachkräften ihrem Schicksal nicht entkommen können.“ (dpa/fn) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

Auch interessant

Wer will noch in der Pflege arbeiten?

Weiterbildung, Umschulung, Selbstständigkeit Auch die Palliativbegleitung von lebensverkürzend erkrankten Menschen, eine Berufstätigkeit im betrieblichen Gesundheitsmanagement oder als Medizinische Fachangestellte (MFA, Arzthelfer/-in) bieten sich an.

Wann darf man nicht mehr in der Pflege arbeiten?

Berufsunfähigkeit. Berufsunfähig bist du dann, wenn du deinen Beruf sechs Monate oder länger zu mindestens 50 Prozent nicht mehr ausüben kannst.

Kann nicht mehr in der Altenpflege arbeiten?

Wenn Sie nicht mehr als Altenpfleger oder Altenpflegerin arbeiten können, dann kann über eine Umschulung zum Medizinischen Fachangestellten ein Berufswechsel erreicht werden. Arzthelferinnen übernehmen medizinische Aufgaben wie Blutabnahme und Wundversorgung, jedoch keine pflegerischen Aufgaben.

Wie lange kann man in der Pflege arbeiten?

Dabei hat sie es in sich: Die gesetzliche Höchstarbeitszeit für alle „systemrelevanten“ Berufe (einschließlich der Pflegekräfte) kann jederzeit bei Pandemiefällen auf bis zu 15 Stunden pro Tag und 105 Stunden pro Woche ausgedehnt werden. Die Süddeutsche Zeitung zitiert unter „60-Stunden-Woche : Mehr geht nicht.