Wie viele Menschen können nachhaltig auf der Erde leben

Die Weltbevölkerung überschreitet am Dienstag nach Berechnungen der Vereinten Nationen (UN) die Acht-Milliarden-Marke. Nie zuvor haben so viele Menschen gleichzeitig auf der Erde gelebt. Und es werden noch mehr: 2037 sollen es nach Schätzungen der UN neun Milliarden sein, 2058 zehn Milliarden.

UN-Generalsekretär António Guterres spricht von einem "Meilenstein": Die Geburt des achtmilliardsten Menschen sei ein Anlass, um "Vielfalt und Fortschritt zu feiern und gleichzeitig die gemeinsame Verantwortung der Menschheit für den Planeten zu bedenken".

Hälfte des Wachstums entfällt auf nur acht Länder

Mehr als 50 Prozent des Wachstums bis 2050 entfalle auf nur acht Länder, die meisten davon in Afrika und einige in Asien, sagt Frank Swiaczny, Wissenschaftler am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. Dabei handele es sich um die Demokratische Republik Kongo, Ägypten, Äthiopien, Indien, Nigeria, Pakistan, die Philippinen und die Republik Tansania. In den Ländern südlich der Sahara bekämen Frauen im Durchschnitt 4,6 Kinder, in einigen seien es sogar sechs Kinder und mehr.

Auch in der Bundesrepublik ist die Bevölkerung im ersten Halbjahr dieses Jahres stark gewachsen - auf jetzt 84 Millionen Menschen. Der Hauptgrund dafür: Zuwanderung – vor allem aus der Ukraine. Ohne sie wäre die Bevölkerung geschrumpft. Auch Bayerns Bevölkerung wächst weiter – vor allem wegen Zuzugs. Ende 2021 lebten rund 13 Millionen Menschen im Freistaat. Das waren gut 36.800 oder 0,3 Prozent mehr als im Vorjahr.

Bevölkerungswachstum geht bis etwa 2080 weiter

Das Bevölkerungswachstum verlangsame sich aber inzwischen insgesamt und liege derzeit bei weniger als einem Prozent pro Jahr. Ab etwa dem Jahr 2080 soll es den UN-Prognosen zufolge kein weiteres Wachstum geben. Dann läge die Zahl der Menschen bei rund 10,4 Milliarden. Andere Experten errechnen abweichende Zahlen. So sagte das US-Institut für Gesundheitsmessung und -auswertung (IHME) in einer vor zwei Jahren veröffentlichten Studie voraus, dass der Scheitelpunkt bis zum Jahr 2064 erreicht und unter zehn Milliarden liegen werde. Grund sind andere Annahmen zur Geburtenrate.

Die UNO führt das Wachstum aber auch auf Verbesserungen der Gesundheitsversorgung, der Ernährung, der persönlichen Hygiene sowie Fortschritte in der Medizin zurück. Dadurch steigt auch die durchschnittliche Lebenserwartung stetig an - von 63,8 Jahren im Jahr 1990 auf 72,8 Jahre im Jahr 2019. Bis 2050 erwartet die UNO eine durchschnittliche Lebenserwartung von 77,2 Jahren.

WWF: Ernährung der wachsenden Bevölkerung kein Problem

Dies führt in Kombination mit der sinkenden Geburtenrate dazu, dass der Anteil der Menschen über 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung von derzeit zehn Prozent bis zum Jahr 2050 auf 16 Prozent steigen wird. Dadurch steigt die Belastung der staatlichen Rentensysteme und der Bedarf an Altenpflege wächst, gleichzeitig stehen weniger junge Arbeitskräfte zur Verfügung.

Die Ernährung der stetig steigenden Weltbevölkerung sei indes kein Problem, heißt es bei der Umweltschutzstiftung WWF. "Die Erde kann acht und auch zehn Milliarden Menschen nachhaltig und gesund versorgen", sagt Rolf Sommer, Fachbereichsleiter Landwirtschaft und Landnutzungswandel beim WWF Deutschland. "Dafür muss die Weltgemeinschaft die vorhandene landwirtschaftliche Fläche aber besser nutzen." Das bedeute vor allem weniger tierische Erzeugnisse.

  • Zum Artikel: Ernährung - Was essen wir 2050?

Von sieben auf acht Milliarden in nur elf Jahren

Die Zeitspanne, die die Weltbevölkerung braucht, um eine weitere Milliarde Menschen zu wachsen, wird indes immer kürzer. Für die erste Milliarde brauchte die Menschheit noch etwa 300.000 Jahre, nur 130 Jahre später waren es schon zwei Milliarden. Bis zu den heutigen acht Milliarden Menschen brauchte es schließlich keine 100 Jahre. Das Wachstum von sieben auf acht Milliarden dauerte gar nur elf Jahre.

Mit Informationen von dpa und AFP.

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Interview

Stand: 15.11.2022 18:13 Uhr

Nicht die Zahl der Menschen auf der Erde ist entscheidend, sagt Expertin Rose, sondern wie diese leben. Mit den richtigen Maßnahmen können auch zehn Milliarden Menschen auf der Welt leben. Dafür müssen aber vor allem reiche Länder umdenken.

tagesschau.de: Jetzt sind wir acht Milliarden Menschen, bald werden es neun und irgendwann zehn Milliarden sein. Wie viele Menschen kann unser Planet denn überhaupt versorgen?

Colette Rose: Grundsätzlich sind acht oder auch zehn Milliarden nicht zu viele Menschen für den Planeten. Aber bei der Frage kommt es vor allem darauf an, wie diese Menschen leben. Also nicht die schiere Zahl ist entscheidend, sondern wie viel diese Menschen konsumieren, wie viel Energie und Ressourcen sie verbrauchen. Wenn zum Beispiel alle Menschen so leben würden wie die US-Amerikaner, bräuchten wir fünf Erden. Es ist also eine Frage der Nachhaltigkeit, des Verhaltens und auch der Ernährung, die sich vor allem in den Industriestaaten ändern muss.

Colette Rose | Colette Rose

Colette Rose

Die Soziologin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung und forscht zu Themen rund um internationale Demografie. Wie Geschlechtergerechtigkeit und sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung in Afrika nehmen können, interessiert sie besonders.

tagesschau.de: Was bedeutet eine so große Weltbevölkerung für das Klima und die Umwelt?

Rose: Dieser Tag ist eigentlich ein wichtiger Tag, um daran zu appellieren, dass wir in Nachhaltigkeit investieren müssen. Denn es können nicht alle Menschen auf der Welt leben, wie wir in Europa und Amerika. Das macht der Planet nicht mit, vor allem mit Blick auf den Klimawandel. Es geht also vor allem um die Ungleichheit. Denn wenn wir global hohe Ungleichheit haben, wird es sehr schwierig, so viele Menschen zu versorgen.

Die Industriestaaten verbrauchen viel mehr Ressourcen, als wir haben - das kann so nicht weitergehen, hier muss zwangsläufig der Verbrauch verringert werden. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir die Lebensbedingungen der Menschen verbessern können, ohne den ökologischen Fußabdruck zu vergrößern. Und auch da sehen wir schon, dass das möglich ist.

tagesschau.de: Können Sie da Beispiele nennen?

Rose: Es gibt das Phänomen des "Leapfrogging". Da geht es um große Sprünge in der Entwicklung, um nicht nachhaltige Entwicklungsstadien zu überspringen und direkt Methoden zu implementieren, die nachhaltiger und klimaschonender sind. Da spielt die Digitalisierung eine große Rolle, zum Beispiel in afrikanischen Ländern wie Kenia. Dort gibt es per App eine Art Carsharing für Traktoren, was günstiger und klimaschonender ist, als wenn sich jeder Bauer einen eigenen kauft. Es kann aber auch bedeuten, dass Regionen, die bislang nicht über flächendeckende Stromversorgung verfügen, keine Kohlekraftwerke bauen, sondern direkt auf Erneuerbare Energien umsteigen.

tagesschau.de: Mal andersrum gedacht: Welche Folgen hat denn der Klimawandel auf die wachsende Bevölkerung zum Beispiel in Afrika? Dort gibt es jetzt schon oft Hungersnöte und Wasserknappheiten. Könnten Konflikte dadurch zunehmen?

Rose: Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass es zu Konflikten über die Verteilung von Land oder Wasser kommen wird. Aber es gibt auch Konzepte, um zum Beispiel die Ernährung der Menschen zu sichern. Dabei gibt es drei große Dinge, die passieren müssen: Wir müssen erstens die bestehende Landwirtschaft intensivieren auf verschiedene Weisen, also zum Beispiel durch besseres Saatgut, bessere Düngemittel oder Dürre-resistente Züchtungen.

Zweitens ist es ganz wichtig, die Lebensmittelverschwendung zu minimieren. Im Moment wird extrem viel verschwendet. Und drittens müssen wir auch wieder speziell in den Industriestaaten in der Ernährung weg von den vielen tierischen Produkten. Das ist auch ein ganz großer Faktor für Lebensmittelsicherheit, dass die Ernährung sich ändern muss. Wir können nicht langfristig so viel tierische Produkte essen, wie wir es jetzt tun.

tagesschau.de: Könnte die wachsende Weltbevölkerung auch zu größeren Migrationsbewegungen führen?

Rose: Das ist schwer zu sagen, weil viel von den Lebensbedingungen der Menschen vor Ort abhängt. Aber es ist anzunehmen, dass es mehr Migration geben wird, wenn auch genaue Zahlen schwierig zu nennen sind. Was wir dabei aber oft vergessen: Deutschland braucht Zuwanderung aus dem Ausland. Wir haben ja eine gegenteilige Entwicklung, bei uns schrumpft die Bevölkerung ja. Deshalb sind wir auf Zuwanderung angewiesen, um unseren Fachkräftebedarf und um die Finanzierung unserer Sozialsysteme zu sichern.

tagesschau.de: Was gibt denn bei einer Bevölkerung den Ausschlag, ob sie wächst - wie das in vielen ärmeren Ländern der Fall ist - oder abnimmt - wie es in vielen Industriestaaten zu beobachten ist?

Rose: Kurz gesagt: Wo weniger Menschen sterben, werden weniger geboren. Das heißt erfahrungsgemäß sinkt das Bevölkerungswachstum, wenn sich die Lebensbedingungen der Menschen verbessern, und vor allem wenn weniger Kinder sterben. Und das kann man vorantreiben, indem man in Schlüsselbereiche investiert, die nachweislich sowohl die Lebensbedingungen der Menschen verbessern und auch zu sinkenden Kinderzahlen führen.

Dazu zählen in erster Linie die Gesundheitsversorgung, dann die Bildung vor allem von Mädchen, das Fördern von Frauen, von Geschlechtergerechtigkeit und auch die Schaffung von Arbeitsplätzen. Außerdem spielen natürlich auch Familienplanung und die Bereitstellung von Verhütungsmitteln eine zentrale Rolle, damit Frauen selbstbestimmt entscheiden können, wie viele Kinder sie haben.

Wie viele Menschen können auf der Erde leben?

Elf Milliarden – das Maximum.

Wie viele Menschen werden in Zukunft auf der Erde leben?

Ab dem 15. November gilt also die Acht-Milliarden-Marke als geknackt. In den 2080er-Jahren könnten es etwa 10,4 Milliarden Menschen auf der Erde sein, das geht aus einem neuen UN-Bericht hervor. Bislang war man davon ausgegangen, dass diese Zahl erst zu Beginn des nächsten Jahrhunderts erreicht wird.

Wie viele Menschen könnten 2050 auf der Erde leben?

Prognose zur Entwicklung der Weltbevölkerung von 2010 bis 2100 (in Milliarden)¹.

Wie viele Menschen hat es jemals gegeben?

Zahl aller jemals geborenen Menschen Die im Jahr 2011 lebenden sieben Milliarden Menschen waren über sechs Prozent der zu diesem Zeitpunkt rund 110 Milliarden jemals geborenen modernen Menschen; über 100 Milliarden waren somit in der Vergangenheit einschließlich der Steinzeit gestorben.