Woher kommt der Begriff Body Positivity?

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Das kulturelle Gespräch über Body Positivity verändert sich dank Figuren wie Lizzo und La'Shaunae Steward, die die Flagge für diverse Körper hissen. Aber wie an den Reaktionen auf Adeles Gewichtsverlust kürzlich erst wieder zu sehen war, haben wir noch einen langen Weg vor uns, bis wirklich Körper aller Größen akzeptiert werden.

16. Juni 2020

Woher kommt der Begriff Body Positivity?

Courtesy Universal Standard

Body Positivity – Über Selbstliebe und -akzeptanz

Vor nicht allzu langer Zeit haben wir in sozialen Medien und dem TV-Bildschirm scheinbar nichts als schlanke, vermeintlich sozialverträgliche Körper gesehen. In Werbung für Kleidung und Make-up-Produkte sind HauptdarstellerInnen häufiger attraktiv und schlank gecastet, die erfolgreiche Jobs und Beziehungen haben und in der Lage sind, mit allen Privilegien, die man sich als schlanker Mensch leisten kann, in der Gesellschaft in Erscheinung zu treten.

Dennoch: Was in den letzten fünf und mehr Jahren (glücklicherweise) sichtbar wird, ist der bedeutende Wandel in der Art und Weise, wie Körper in der Medienwelt und in der Gesellschaft repräsentiert werden. Die Body-Positivity-Bewegung erhielt 2012 mit einem Hashtag die erhoffte größere Aufmerksamkeit. Verwendet wurde dieser innerhalb der Bewegung für die Akzeptanz der gesellschaftlich als zu dick wahrgenommenen Körper. Eine Initiative, die von übergewichtigen, dunkelhäutigen Frauen und Frauen aus ethnischen Minderheiten angeführt wurde und die sich in erster Linie auf die bedingungslose Selbstliebe sichtbar dickerer Körper konzentrierte – und zudem weitere Anliegen und Facetten der Body-Positivity-Bewegung widerspiegeln würde. Nachdem der Leitgedanke in damals Tumblr- und Facebook-Gruppen und später über die übergroßen BloggerInnen auf Instagram schnell an Zulauf gewann, ist sie seither weltweit bekannt. Die Revolution der Körperform und der Selbstliebe war somit ausgelöst.

Positive Körper-Darstellungen

Barbie Ferreira als Kat Hernandez in Euphoria.Photography Shutterstock

Fortan haben wir einen Aufschwung von Marken im Plus-Size-Bereich wie Vero Moda, Soncy, Pink Clove und Universal Standard erlebt. Hinzu einen Marken-Mix von sowohl High-Street- als auch Mainstream-Marken wie ASOS, River Island, Monsoon, H&M nebst Mary Katrantzou, Christopher Kane und Diane von Fürstenberg, die ihre Abmessungstabelle erweitert haben, um auch größeren Kleidungsgrößen gerecht zu werden.

In Shows und Filmen wie "Empire", "Dumplin" und "Euphoria" – letzterer mit dem körperbetonten Model und der Schauspielerin Barbie Ferreira – werden ProtagonistInnen in Übergröße gezeigt. Diese müssen sich nicht länger Stereotypen von dicken Charakteren beugen, die wir alle im Fernsehen erlebt haben, sondern repräsentieren ein positives Körpergefühl. Sie sind lustig, stark, unabhängig, erfolgreich, klug und fähig, zu lieben und dafür geliebt zu werden. Immer öfter werden die Rollen auf dem Bildschirm natürlich und im positiven Licht dargestellt – und lassen damit mehr Möglichkeiten für Plus-Sizes sichtbar werden, sich entfalten zu können.

Paloma Elsesser fotografiert von Craig McDean für British Vogue, Mai 2018.Photography Craig McDean / British Vogue

Es ist aber nicht nur die Mediensparte von Serien und Filmen – Plus-Sizes eroberten in den letzten Jahren die Titelseiten einiger der renommiertesten Modemagazine und Kampagnen der Welt. Von Ashley Grahams Titelbild der "Sports Illustrated" 2016 bis hin zu Paloma Elsessers Cover der British VOGUE 2018 scheint es, als ob die Welt allmählich ihnen und der Tatsache die Aufmerksamkeit zugesteht, dass größeren und dickeren Körpern ihr Platz in der Gesellschaft zusteht.  

Für mich habe ich die Gemeinschaft der Body Positivity im Jahr 2014 entdeckt, als ich beschloss, nach Jahren voller Diäten, Selbstverletzung und Selbsthass mich auf eine Reise in Richtung Selbstliebe und Körperakzeptanz zu begeben. Als dunkelhäutige, übergewichtige Frau, die in der westlichen Gesellschaft lebt, war ich damit aufgewachsen, dass Körper wie meiner an den Rand gedrängt, beleidigt, fetischisiert und dämonisiert wurden. Mein Körper und meine Körperformen  waren nie in Mode. Als ich aufwuchs, wurde mir über die Medien- und die Unterhaltungsindustrie gesagt, dass weiß und dünn "in" sei und wunderschön. Alles, was diesem Standard nicht entsprach, wurde als weniger gut betrachtet.

Als ich auf die Body-Positivity-Bewegung traf, war sie eine etwas andere, auf sozialen Medien basierende Gemeinschaft, die Selbstliebe und radikale Selbstakzeptanz von übergewichtigen Körpern aller Herkünfte huldigte. Prominenten Persönlichkeiten wie Jes Baker, Sonya Renee Taylor, Jessamyn Stanley und Kivan Bay nahmen an der Bewegung teil. Doch dann änderte sich etwas.

Eine dunklere Seite der Bewegung

Bei der Body Positivity geht es darum, unseren Körper als etwas zu betrachten, das nicht nur rundum akzeptabel, sondern vollkommen wunderbar ist. In einer Welt, in der die vorherrschende Mentalität darin besteht, dass wir uns für unseren Körper schämen sollten (insbesondere wenn unser Körper dicker, vernarbt oder auf andere Weise vermeintlich abnormal ist), ist dies eine überwältigend starke Botschaft.

In den letzten Jahren ist die Bewegung jedoch immer mehr zu einer Ware geworden. Body Positivity scheint jetzt eine "Free for all"-Bewegung zu sein, die von Marken und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in einer Weise monetarisiert und politisiert wird, die oft dazu führt, dass Personen ab einer bestimmten Größe und einer bestimmten ethnischen Zugehörigkeit erneut von der Konversation ausgeschlossen werden – obwohl sie diejenigen waren, die das Gespräch überhaupt erst begonnen haben.

Während die Bewegung wunderbare Dinge und erstaunliche Möglichkeiten für weniger privilegierte Körper, zuvor oft ausgeschlossene Körper geschaffen hat, hat sie auch auf gefährliche Weise ihren eigenen Schönheitsstandard geschaffen – und von denen viele, davon angesprochene Frauen glauben, diese nicht anstreben zu können. Wir haben gesehen, dass die Bewegung nicht mehr nur auf die Achtung und das Feiern von Übergrößen ausgerichtet ist, sondern dass sie sich jetzt auf "akzeptabel dicke" Frauen konzentriert: schöne Frauen mit extremen Sanduhrformen, typischerweise weiß oder hellhäutig, mit kleiner Taille, großen Hüften und hohen Wangenknochen.

Eine weitere Etappe

Dennoch hat es einige Ausnahmen gegeben: Models und InfluencerInnen, die ähnliche Körperformen wie ich haben, wie La'Shaunae Steward, Ashleigh Tribble, Gabi Gregg und Enam Asiama, beginnen damit, die Selbstliebe in der Gemeinschaft neu gedeihen zu lassen. Sie machen wieder auf die Berechtigung, die Wertschätzung und den Respekt gegenüber größeren und breiter geformten Körpern in der Gesellschaft aufmerksam.

"Ich weiß, dass ich vielen Mädchen helfe, die in den Medien eben nicht viele schwarze, dicke Mädchen sehen", sagte das 23-jährige Model und Body-Positivity-Aktivistin Steward im August 2019 gegenüber Teen VOGUE. "Mädchen in Übergröße über Größe 44 sieht man im Allgemeinen nicht viele." Seit ihre Kampagne für den Universal Standard 2018 bekannt wurde, nutzt Steward ihre Plattform, um über Inklusivität in der Modebranche zu sprechen.

Da ist auch noch die amerikanische Sängerin Lizzo. Im Jahr 2019 verursachte sie einen absoluten Wirbelwind – ein Solo-Cover der British VOGUE wurde zum weltweiten Aushängeschild für radikale Selbstliebe und Body Positivity. Auch sie hat ihre Frustration über die Kommerzialisierung der Body Positivity zum Ausdruck gebracht. "Jeder, der Body Positivity benutzt, um etwas zu verkaufen, benutzt sie zu seinem persönlichen Vorteil", sagte sie VOGUE in ihrem Titel-Interview. "Am Anfang haben wir gar nichts verkauft. Wir haben nur uns selbst verkauft." Für viele von uns symbolisiert Lizzo den Wandel innerhalb der Gesellschaft und die Art und Weise, wie sie wohlgeformte, runde Körper, insbesondere übergewichtige, dunkelhäutige Körper, betrachten –dicke Frauen mit dunkler Haut in den Medien zu sehen, die ihr Selbstbewusstsein und ihre Sexualität mit ihrer eigenen Autonomie besitzen, war schon immer eine extreme Seltenheit. Aber das ist noch nicht genug.

Einen sicheren Raum schaffen

Die Body-Positivity-Bewegung hat noch einen langen Weg vor sich. Bis wir an einen Ort kommen, an dem Menschen aller Körpergrößen und Ethnien die Bewegung selbst wieder als einen sicheren Raum sehen können, in dem wir unseren Körper feiern und friedlich leben können, ohne die Respektlosigkeit, das Gelächter und die Unfreundlichkeit anderer Menschen. Bis dahin werden wir immer noch Fälle von Angst vor Übergewicht sehen, die sich ausbreiten. Man denke nur daran, was kürzlich mit der britischen Sängerin Adele geschah, als man sie für ihren Gewichtsverlust lobte, obwohl es nicht einmal geringsten Anlass geben sollte, dass die Leute darüber diskutieren.

Wie können wir das also ändern? Eine großartige Sache, die der Bewegung weiterhelfen kann, ist Verbundenheit. Menschen, die in privilegierten und schlanken Körpern leben, können ein Teil der Bewegung für Body Positivity sein, indem sie ihre Plattformen und Stimmen dazu nutzen, die Gedanken, Meinungen und Perspektiven von Stimmen, die sonst aufgrund ihres Aussehens nicht gehört werden, zu erheben, zu retweeten und neu zu bloggen. Mit ihrer Hilfe können wir die gefährlichen und schädlichen Erzählungen über Gewicht auflösen, die von den Medien und der Ernährungsindustrie geschaffen wurden.

Zeit für Veränderung 

Veränderungen müssen auch hinter den Kulissen stattfinden. Von DirektorInnen und AgentInnen bis hin zu PR-MitarbeiterInnen und Marketingfachleuten kann eine Zunahme der körperlichen Vielfalt bei den MitarbeiterInnen einen tiefgreifenden Wandel in der Art des Medienoutputs bewirken, den wir erhalten. Aber der Wandel vollzieht sich langsam. Die Bewegung braucht schlichtweg mehr Unterstützung und Verantwortlichkeit in allen Bereichen, damit sie jemals an einen Ort gelangen kann, an dem alle gleich behandelt werden.

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Woher kommt die Body Positivity Bewegung?

Die Bewegung hat sich aus dem Fat Acceptance Movement in den USA entwickelt, ist aber unter anderem durch die Sozialen Medien (insbesondere Instagram) zu einem internationalen Phänomen geworden.

Was heißt Body Positivity auf Deutsch?

"Body Positivity" nennt sich die Bewegung. Sie plädiert für Körperakzeptanz oder auch Selbstliebe. Mittlerweile hat die Bewegung auch Deutschland erreicht.

Warum Body Positivity schlecht ist?

Insbesondere Kindern und Jugendlichen würde so ein falsches Bild von gesunder Ernährung und Krankheitsrisiken vermittelt. Dass Übergewicht viele gesundheitsschädliche Folgen haben könne, etwa Diabetes und Herzkreislauferkrankungen wie zum Beispiel Bluthochdruck, sei längst bekannt.

Ist Body Positivity gut?

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem eigenen Körper? In einer Umfrage gaben 2019 drei von fünf Deutschen (59 Prozent) an, dass sie sich in ihrem Körper wohlfühlen. 14 Prozent sind mit ihrem Körper unzufrieden - deutlich mehr Frauen als Männer.