Am gleiche hack 14 ulm

Am Dienstag hat die Stadt Ulm die Schlösser zum „Verschwörhaus“ austauschen lassen. Es ist der vorläufige Höhepunkt der Eskalation. Auf der einen Seite: die städtische Verwaltung. Auf der anderen: Ehrenamtliche des ehemaligen Leuchtturmprojektes für Digitalisierung. 

Das Verschwörhaus war bis vor kurzem vor allem als erfolgreiche Zusammenarbeit von Verwaltung und Ehrenamtlichen bekannt gewesen. Es entstand 2015 auf Initiative von Menschen aus der Programmierer:innen-, Open-Data- und Maker-Szene. Die Stadt bezahlte die Räumlichkeiten, Ehrenamtliche gründeten den Verein Verschwörhaus e.V. und entfalteten zahlreiche Aktivitäten rund um die Digitalisierung. Zusätzlich wurde auf Seiten der Stadt eine Projektstelle geschaffen, die die Zusammenarbeit koordinierte.

Ehrenamtliche Unterstützung der Verwaltung

Es war Kommunikation auf Augenhöhe, wie die Ehrenamtlichen sagen. Man saß Tür an Tür, auf dem kurzen Dienstweg wurde über städtische Projekte der Digitalisierung geredet. Der Koordinator der Stadt verstand die Menschen im Verschwörhaus und das Projekt. Ein Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 2020 formulierte echte Selbstverwaltung als Ziel.

Der Kern der Gruppe, 30 bis 40 Personen, organisierte nicht nur zahlreiche Veranstaltungen, sondern baute der Stadt auch Softwarelösungen wie Big Blue Button oder stellte noch im Frühling innerhalb kürzester Zeit ein Internetcafé für ukrainische Geflüchtete auf die Beine, alles im Ehrenamt. Sogar einen Lastenradverleih gibt es vor Ort. Doch die Zusammenarbeit von Stadt und Verein ist nun vorbei.

Angefangen hatte die Krise als die Ehrenamtlichen eine zunehmende Anspruchshaltung der Verwaltung registrierten. Man habe sich als „Gratis-Consultants“ gefühlt, erzählt einer, der schon früh beim Projekt dabei war. Die Stadt habe mit der Erfolgsgeschichte immer mehr millionenschwere Förderprojekte an Land gezogen. „Die Stadt hat das Verschwörhaus instrumentalisiert, ist oft unabgesprochen mit dem Projekt hausieren gegangen – ohne dass wir davon etwas hatten“, sagt auch Maxi Richt, der im Verschwörhaus-Verein aktiv ist.

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Teilnehmer:innen eines Workshops im Verschwörhaus Ulm im Jahr 2016. - CC0 -stk

Für manche Smart-City-Projekte der Stadt gab es dann zunehmend Kritik von Seite des Verschwörhauses. Die Aktiven fanden in städtischen Projekten Fehler und sammelten diese in gemeinsamen Dokumenten, erzählt einer der Ehrenamtlichen. Das sei der Verwaltung ein Dorn im Auge gewesen. Sie habe den Anspruch formuliert, dass man so etwas „innerhalb der Stadtfamilie“ und ohne Öffentlichkeit klären müsse. 

„Clash der Kulturen“

Das bestätigt auch Maxi vom Verschwörhaus gegenüber netzpolitik.org: „Öffentliche Kritik wurde uns als nicht konstruktiv ausgelegt. Da gab es einen Clash der Kulturen. Es gab den Anspruch, dass wir auch unsinnige Projekte der Verwaltung hätten retten sollen.“

Als dann im Herbst vergangenen Jahres die Ehrenamtlichen nach eigener Aussage aus der Presse erfahren mussten, dass der Oberbürgermeister der Stadt eine Neuausrichtung des Projektes plante, fühlte man sich übergangen. Dann verließ auch noch der Projektkoordinator die städtische Stelle. 

Das Vertrauen war allerdings gänzlich dahin, als herauskam, dass die Stadt den Namen „Verschwörhaus“ und das Logo des Projektes beim europäischen Markenamt EUIPO für sich selbst registriert hatte. Denn der Name „Verschwörhaus“ war laut den Ehrenamtlichen nicht die Idee der Stadt. Sie mussten ihn sogar gegen Widerstände in der Verwaltung durchsetzen, sagen sie. Nun hatte sich die Stadt die Rechte am Namen gesichert und gab sich großzügig: Das Verschwörhaus dürfe die Marke gerne kostenlos weiter nutzen. Gegen den Vorgang legte der Verschwörhaus-Verein Widerspruch beim Markenamt ein.

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„Die Ulmer Stadtverwaltung will uns den Namen klauen“

Die Stadt Ulm wiederum legte nach. Sie knüpfte die weitere Nutzung des Hauses und den Nutzungsvertrag an eine Rücknahme des Widerspruchs. 

Im Hintergrund liefen die Gespräche weiter, Verwaltung und Verein hätten über das neue Nutzungskonzept verhandelt, sagen die Aktiven. Doch dann änderte die Verwaltung im April nach Aussagen von Ehrenamtlichen ihre Strategie und legte dem Gemeinderat eine völlig überarbeitete Version vor. Die wurde im Mai dieses Jahres beschlossen. 

Die Mitgliederversammlung des Vereins lehnte Anfang Juni ab, den Widerspruch beim Markenamt zurückzunehmen. Damit ist die Zusammenarbeit von Verein und Verwaltung endgültig gescheitert. Innerhalb eines Monats muss das über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus bekannte Projekt sich nun ein neues Zuhause suchen.

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Skyline von Ulm. - CC0 Linda Gottschalk

Harte Kritik an der Stadt Ulm

Gegen diese Eskalation hat auch ein offener Brief nicht geholfen, den unter anderem auch Mitglieder von Deutschlands aktivster Hacker:innengruppe „Zerforschung“ unterzeichnet haben. Die Gruppe stammt teilweise aus Ulm und hatte bis zuletzt ihre Postadresse im Verschwörhaus. Lilith Wittmann von Zerforschung geht dementsprechend hart mit Ulm ins Gericht: Die Stadt habe gezeigt, dass sie die Zivilgesellschaft weder verstehe noch über den Werbeeffekt hinaus wichtig fände. 

Der Umgang mit dem Verschwörhaus zieht unterdessen weitere Kreise. Ines Mergel, Professorin für Digital Governance, ist wegen der Sache aus dem Beirat der Stadt Ulm zurückgetreten. Weil die Stadt in eine neue Ära gestartet sei: ohne digitales Ehrenamt.

Eine andere Person beobachtet das Projekt seit Jahren von außen, aber will nicht persönlich genannt werden. Sie spricht davon, dass der Ulmer Bürgermeister Gunter Czisch ein Ego-Problem habe und sich den von Ehrenamtlichen erarbeiteten Ruf des Projektes zu Eigen machen wolle. 

Der Bürgermeister selbst hat sich in einem Interview in der Südwestpresse geäußert. Er wirft „einigen Wenigen“ im Verschwörhaus „unflätige und von wenig Respekt getragene Äußerungen“ vor. Auf die Fragen der Zeitung antwortet er vor allem mit den gleichen Aussagen, die auch in der Pressemitteilung der Stadt stehen. Die beschönigende Überschrift: „Verschwörhaus öffnet sich neuen Gruppen“.

„Kein Projekt mehr mit Verwaltungslogik machen“

Wer diese neuen Gruppen sein sollen, ist derzeit unklar. Denn wenn die Ehrenamtlichen und die Community gehen, wird nur wenig Innovatives im ehemaligen Verschwörhaus bleiben.

Für Maxi vom Verschwörhaus-Verein ist heute klar: „Ich würde kein Projekt mehr machen, bei dem man in Verwaltungslogik und Verwaltungsprozesse hineingezogen wird. Eine Zusammenarbeit mit einer Stadt geht nur, wenn die Unabhängigkeit des Projektes direkt festgeschrieben ist.“ In Ulm sieht Maxi allerdings auch dafür keine Basis mehr. Die Zukunft der Ehrenamtlichen des Verschwörhauses wird wohl ohne Beteiligung und Finanzierung der Stadt fortgesetzt. 

Dass es weiter geht, ist auch von Johannes Deger aus dem Verschwörhaus zu hören: „Wir verkaufen uns und unsere Ideale nicht. Wir wissen, was wir wert sind und stehen für unsere Sache ein.“