Betreuungskraft nach § 87b abs. 3 sgb xi

Interview

Begleitung, Beratung & mehr: Das macht eine Seniorenassistentin

Larissa Müller

Im Interview

Larissa Müller

Seniorenassistentin

Larissa Müller ist 1959 in Russland geboren und lebt seit 1995 in Deutschland. Sie ist in einer Mehrgenerationenfamilie aufgewachsen, in der die Großmutter eine zentrale Rolle spielte. Diese Erfahrung hat sie geprägt. Eine besondere Sympathie und ihr Respekt für Ältere haben sie motiviert, sich 2009 als Gesellschafterin für Senioren („Seniorenassistentin“) selbständig zu machen. Seit 2016 ist Larissa Müller als Gesundheitspraktikerin zertifiziert. Derzeit befindet sie sich in der Zertifizierungsphase zur Körperpsychotherapeutin.

Larissa Müller ist Seniorenassistentin und besucht seit mehr als 10 Jahren ältere Menschen in der Region Hannover. Für sie ist es eine Herzensangelegenheit, Menschen im hohen Alter zu begleiten. Im Interview mit pflege.de verrät sie, was sie an der Tätigkeit fesselt.

Frau Müller, wie sieht Ihr klassischer Arbeitsalltag als Seniorenassistentin aus? Was unternehmen Sie mit den Senioren?

Alles das, was eigentlich ein Sohn oder eine Tochter machen könnte, wenn die Zeit dafür da ist. Je nach Bedürfnis. Ich leiste alten Menschen Gesellschaft, höre zu und unterstütze sie dabei, die kleinen und großen Problemen des Alltags zu meistern. Ich bin Begleiterin, Beraterin, Ansprechpartnerin, erledige Schriftverkehr, führe Telefonate oder mache Bestellungen. Ich organisiere den Besuch kultureller Veranstaltungen oder bin dabei, wenn Handwerker ins Haus kommen. Gemeinsam gehen wir einkaufen, zum Arzt oder einfach spazieren und Kaffee trinken. Das hängt immer auch davon ab, wie die Senioren sich fühlen oder wie sie bspw. geschlafen haben. Wenn es gesundheitlich möglich ist, machen wir Fitness wie Gymnastik, Yoga, Atem-Übungen oder Gedächtnistraining.

Wie alt sind Ihre Kunden?

Die älteste Dame ist 97, die jüngste 69 Jahre alt. Zusätzlich bin ich auch ehrenamtlich als Helferin der Alzheimer Gesellschaft für an Demenz erkrankte Menschen tätig.

Über welchen Zeitraum betreuen Sie die Menschen?

Über mehrere Jahre. Eine an Parkinson erkrankte Frau kenne und betreue ich seit achteinhalb Jahren. Wir duzen uns mittlerweile und sind ganz dicke Freundinnen geworden.

Wie kamen Sie auf die Idee, als Seniorenassistentin zu arbeiten?

Ich bin kein Büromensch, ich kann nicht tagtäglich von 8 Uhr bis 17 Uhr am Schreibtisch sitzen. Ich mag die Herausforderung, immer flexibel bleiben zu müssen und mich auch mit dem nicht so Schönen auseinanderzusetzen. Wenn es um Krankheiten im Alter oder ums Sterben geht, ist das nicht schön. Aber es ist wichtig, mich und mein Leben damit zu konfrontieren.

Ich bin neugierig und gehe gern tiefer ins Gespräch mit den Senioren. Ich kann aus den meisten Charakteren das Positive herauskitzeln.

Larissa Müller

Wie haben Sie sich zur Seniorenassistentin qualifiziert?

Ich habe eine Ausbildung bei einem staatlich anerkannten Träger gemacht. Das ist eine Weiterbildung für Erwachsene: Seniorenassistenz nach dem Plöner-Modell. Sie besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Zwei Mal im Jahr findet eine zweitägige Fortbildung statt, damit man selbst auf dem Laufenden bleibt. Unser Netzwerk ist der größte und seriöseste Anbieter in Deutschland. Die mittlerweile über 800 dort ausgebildeten Seniorenassistenten findet man über ein angegliedertes Portal. Später habe ich noch einen Kurs zum Umgang mit Demenz bei der Alzheimer Gesellschaft gemacht.

Bezahlt die Pflegekasse Ihre Leistung?

Ja, meine Dienste als Seniorenassistentin können pflegebedürftige Menschen mit Pflegegrad über die Verhinderungspflege oder in Einzelfällen Kurzzeitpflege mit der Kasse abrechnen. Wenn ein pflegender Angehöriger für eine bestimmte Zeit verhindert ist, hat er stunden- oder tageweise einen Anspruch auf diese Leistung.

Außerdem können die von mir erbrachten Leistungen durch den Entlastungsbetrag nach § 45a und § 45b abgerechnet werden (Anmerkung der Redaktion: bis zum letzten Jahr waren diese Leistungen als „zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen“ bekannt), sowohl wenn jemand im Pflegeheim wohnt und die Pauschale vom Pflegeheim nicht in Anspruch genommen wird, als auch, wenn der Pflegebedürftige noch zuhause lebt. Es geht dabei vor allem um niedrigschwellige Angebote; also Unterhaltung, Gespräche und Gesellschaft.

Wie oft besuchen Sie die Menschen?

Im Schnitt besuche ich zwei Menschen pro Tag. Meistens anderthalb bis drei Stunden pro Termin. Gelegentlich bin ich auch länger unterwegs, wenn es bspw. um Reisebegleitung oder Ausflüge geht. Momentan betreue ich vier Menschen zuhause und drei Menschen im Seniorenheim. Mit Fahrtzeit und Büroarbeit habe ich also einen Vollzeitjob.

Bei älteren Menschen muss man flexibel sein. Es passiert schon mal, dass ich einen Sturz eines Senioren miterlebe und dann handeln muss.

Larissa Müller

Gibt es auch Kunden, die Sie nicht betreuen?

Grundsätzlich mag ich Menschen (lacht). Ich bin neugierig und gehe gern tiefer ins Gespräch mit den Senioren. Ich kann aus den meisten Charakteren das Positive herauskitzeln. Bei jedem Menschen, der auf den ersten Blick vielleicht nicht so ganz sympathisch ist, denke ich mir: Das kann nicht sein, dass hier nichts Positives ist. Ich versuche dann erst einmal dabei zu bleiben — mit viel Geduld. Meistens werde ich dann auch belohnt. Das ist meine persönliche Herausforderung: Ich versuche mit jedem Menschen klarzukommen. Das verstehe ich auch als Teil meines Berufs. Mittlerweile habe ich aber die Stellung, auch einmal nein sagen zu können. Ich mache grundsätzlich immer erstmal ein bis zwei Termine zum Kennenlernen aus. Einfach, damit wir uns sehen und sprechen können und dann schauen, wie sich das anfühlt. Wenn wir uns das dann beide vorstellen können, dann geht es los.

Auf welche Herausforderungen stoßen Sie bei Ihrer Arbeit?

Eine große Herausforderung ist, dass ich auch unschöne Situationen erlebe, die dann in meinem Leben sind. Bei älteren Menschen muss man flexibel sein. Es passiert schon mal, dass ich einen Sturz eines Senioren miterlebe und dann handeln muss. Einmal ist ein Mensch während meiner Betreuung gestorben. Das war eine so aufwühlende Situation, dass ich dachte, ich höre auf. Denn mit solchen Erlebnissen ist ja immer zu rechnen und dann braucht man natürlich den Raum und die Zeit, um darauf richtig zu reagieren und das auch zu verarbeiten.

Und natürlich gibt es auch schlechte Arbeitstage für mich: Die Menschen haben schlechte Laune, nicht gut geschlafen oder körperliche Beschwerden. Dann wollen sie das kompensieren, indem sie mich beladen mit ihren Problemen. Und ich habe den Anspruch, geduldig zu bleiben und zuzuhören. Wenn ich dann zuhause bin, habe ich aber manchmal keine Lust mehr, mit jemandem zu sprechen.

Was machen Sie am liebsten mit den Senioren?

Ich habe so viele interessante Leute bei meiner Arbeit kennen gelernt. Am liebsten führe ich tiefe und positive Gespräche. Ich mag es, wenn dieses Funkeln in den Augen bei den Senioren entsteht.

Das klingt toll! Welche besonderen Momente machen Ihren Berufsalltag noch aus?

Wenn ich die Verletzlichkeit der Menschen annehme und damit richtig umgehe, gibt das auch meinem Leben eine große Bedeutung. Eine Dame, die ich besuche, ist 91 Jahre alt und wohnt in einem Seniorenheim bei Hannover. Wenn ich sie besuchen komme, sitzt sie meistens schon in ihrem Sessel und wartet. Dann erkennt sie mich und sagt: „Frau Müller, da sind Sie ja!“ und ihre Augen fangen an zu strahlen — weil sie sich wirklich freut, mich zu sehen.

Mit dieser Dame führe ich stets sehr schöne Gespräche. Ich habe sie einmal gefragt: „Sie haben so ein langes Leben: Worauf kommt es an? Was ist wichtig?“. „Zufriedenheit“, antwortete sie mir mit einem Lächeln auf den Lippen. „Man muss das annehmen, was da ist und dafür dankbar sein“.  Sie ist ein feiner Mensch, und ich bin selbst dankbar, sie zu kennen. Diese Zufriedenheit im hohen Alter — das will ich auch erreichen (lacht).

Am liebsten führe ich tiefe und positive Gespräche. Ich mag es, wenn dieses Funkeln in den Augen bei den Senioren entsteht.

Larissa Müller

Der Körperkontakt und Berührungen sind ein wichtiger Teil Ihrer Herangehensweise.

In der professionellen Pflege nennt man das das Konzept der basalen Stimulation. Ja, ich habe früh gemerkt, dass Berührungen gerade bei demenzerkrankten Menschen hilfreich sind. Die Hände massieren, tasten, berühren: Ich glaube, ich kann viel Gutes bewirken, wenn ich auf diese Weise Herzlichkeit und menschliche Nähe gebe. Berührungen können Erstaunliches bewirken.

Welche Ziele haben Sie bei der Arbeit als Seniorenassistentin?

Wenn ich das in einem Satz ausdrücken soll, dann würde ich sagen: Das Gesunde und Vorhandene im Menschen möglichst lange zu erhalten. In Bewegung bleiben — sowohl mental als auch körperlich — bis zum Schluss. Bei alten Menschen steht der Sprung in eine andere Welt bevor. Ich möchte dabei sein, wenn ein Mensch an dieser Grenze steht oder sich in dieser Zeit befindet. Mein Ziel ist, diese Bereitschaft zu zeigen, das zu können und das zu wollen. Für mich ist das eine Aufgabe, die mir Gänsehaut bereitet.

Erstelldatum: 8102.21.72|Zuletzt geändert: 1202.90.8

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Bildquelle

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Bildquelle

© Larissa Müller

Was ist eine Betreuungskraft nach 87b?

Diese Vorschriften lösen die bisherige, bis Ende 2016 geltende Regelung des § 87b SGB XI a.F. ab. Aufgabe der Betreuungskräfte ist es u. a., in enger Kooperation mit den Pflegekräften bei alltäglichen Aktivitäten wie Spaziergängen, Gesellschaftsspielen, Lesen, Basteln usw. zu begleiten und zu unterstützen.

Wie viel verdient eine Betreuungskraft nach 87b?

Was verdient man als Betreuungskraft / Alltagsbegleiter nach 43b / 53c (87b) Seit dem 01.10.2015 erhält eine Betreuungskraft mindestens den sogenannten Pflege-Mindestlohn, von aktuell 12,55 € brutto pro Stunde. Daraus ergibt sich ein monatliches Bruttogehalt von 2.008 € (bei 160 Arbeitsstunden monatlich).

Welche Qualifikation braucht man als Betreuungskraft?

Um als Betreuungskraft tätig sein zu können, ist eine Berufsausbildung notwendig. Die Betreuungsassistenten-Ausbildung behandelt die Teilbereiche Aktivierung, Betreuung und Kommunikation. Unterschieden werden dabei: Zusätzliche Betreuungskraft § 53 b SGB XI (1 Monat Theorie)

Was verdient eine Betreuungskraft 2022?

Wenn Sie als Betreuungskraft arbeiten, verdienen Sie voraussichtlich mindestens 22.200 € und im besten Fall 32.700 €. Das Durchschnittsgehalt befindet sich bei 26.800 €.