Friedrich Liechtenstein wurde mit dem Video „Supergeil“ über Nacht zum Superstar. 20 Millionen haben es im Internet gesehen. Plötzlich war der Mann, der bis dahin besitzlos, abgesehen von ein paar guten Anzügen, als Schmuckeremit in einer kleinen Eremitage im Dachgeschoss eines Berliner Sonnenbrillenlabels gelebt hat, der meistfotografierte Prominente Deutschlands. Sein Konzeptalbum Bad Gastein (2014), was darauf folgte, wurde von Publikum und Medien gefeiert. Nicht nur in Deutschland gilt er als die Rettung des deutschen Humors. SELFIE MAN ist sein erstes Buch. Show Musiker, Flaneur, Werbeikone: Der gelernte Schauspieler und langjährige Puppenspieler Friedrich Liechtenstein hat sich seit 2012 zu einem der bekanntesten Gesichter der deutschen Werbeindustrie entwickelt: Ahoj-Brause, Mercedes Benz, Gilette, TELE 5, zuletzt HD+ und viele weitere Marken setzen auf sein markantes, cooles Äußeres: Vollbart, Sonnenbrille, schicke Anzüge und gold lackierte Fingernägel. Und auf seine unverwechselbare tiefe Stimme. Musikalisch hat er seit 2002 einen ganz eigenen Stil geformt - einzigartig und angstfrei mit einer Portion volkstümlichem Langmut und Beharrlichkeit. Gesang vermischt mit gesprochenen, erzählerischen Passagen auf Deutsch und Englisch, versteht Friedrich Liechtenstein meisterhaft zu verbinden. Als Theatermann macht er sich viele Gedanken über seine Musik. Friedrich Liechtenstein ist aber auch immer Entertainer und will sein Publikum stets bestens unterhalten. Mit seinem 2014 erschienenen Konzeptalbum „Bad Gastein“ machte er dem gleichnamigen beschaulichen Kurort in den österreichischen Alpen eine Liebeserklärung und Sehnsuchtsbekundung. Hier zeigt Friedrich Liechtenstein seine ernsthafte, teils melancholische Seite – immer aber mit einer Prise typisch Liechtensteinischem Humor. Elektronische Klänge durchziehen das gesamte Album. Songs wie „Elevator Girl“ oder „Goldberg & Hirsch“ liefern mitreißende Rhythmen, die zum Tanzen animieren. Friedrich Liechtenstein zeigt hier aber auch seine herausragenden Qualitäten als Geschichtenerzähler und Konzeptkünstler: Im 10-minütigen Stück „Belgique, Belgique“ entführt er die Hörer auf das sich über die Jahre immer wieder gewandelte Areal der Weltausstellung 1958 in Brüssel und in den amerikanischen Octagon-Pavillon der Expo. In dem Song beschreibt er die Entstehung der Galionsfigur seiner ersten Veröffentlichungen aus Musik und Theater: den „Delphinmann“. Dieser stirbt in dem Song und entsteht als „Elevator Man“ wieder auf. Eine neue Ära beginnt. Herr Liechtenstein, Sie haben öfters in Interviews und auch in Ihrer Autobiographie von frühen Auftritten berichtet, bei denen sich das Publikum aus Unverständnis abwandte oder den Saal verließ. Waren das schmerzhafte Erfahrungen? Die Erfahrung des Scheiterns auf der Bühne hat man ja – wenn man Schauspieler werden will – vom ersten Tag an. Ich war aber immer relativ selbstbewusst und habe das vermeintliche Scheitern gerne
in Lust umgewandelt – und fand es am Ende toll. Dieses Selbstbewusstsein hatten Sie schon immer? Ja. Ich wusste immer: Wenn die Leute es nicht gut finden,
haben Sie es nicht verstanden. Und wenn es in die Hose gegangen ist, fand ich das genauso gut. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine konzeptionelle Performance-Show, die ich mal im Berliner Clärchens Ballhaus gemacht habe. Selbst eine gute Freundin sagte danach zu mir: ‚Das war nix!‘ Da musste ich schlucken… – aber nach eine Weile dachte ich: Nein, das ist richtig gut gelungen, gerade weil es so merkwürdig war. Das Unverständnis der Leute hat Sie also nie gekränkt… Nein.
Gekränkt hat mich auf dem langen Weg nur, dass ich damals kaum Geld dafür gekriegt habe, obwohl ich wirklich viel unterwegs war, ob an der Volksbühne, an der Oper in Bordeaux, bei Sasha Waltz, in Berliner Clubs oder im Fernsehen. Viele Leute sagten zu mir ‚uns gefällt, was du machst‘ – aber es gab nie Geld. (Ein Passant erkennt Friedrich Liechtenstein am Café-Tisch, begrüßt ihn mit „Hallo Holger“…) Das war ein Freund, der mich noch von ganz früher kannte, als ich noch Hans-Holger war. Gibt es diesen Hans-Holger Friedrich nicht mehr? Nein, der existiert nicht mehr. Wenn ich einen Flug buche, steht auf dem Ticket Friedrich Liechtenstein. So heiße ich auch in meinem Ausweis. Und doch sprechen Sie über Friedrich Liechtenstein manchmal in der dritten Person… Ja, ich kann auch über ihn reden, das geht schon. Es ist eben oft so, dass ich einerseits ganz bei mir bin – und gleichzeitig neben mir stehe. Das habe ich als Puppenspieler gelernt, da musst du auch ganz tief in der Figur und in ihrem Charakter stecken, obwohl du neben ihr stehst. Ist die Kunstfigur mit Ihnen verwachsen? Ja, das machen doch viele Künstler so. Man kommt in eine Lebenskrise – die bei mir richtig krass war – und dann macht man einen neuen Entwurf. Das wurde Friedrich Liechtenstein, Popsänger mit Anzug, Gogo-Girls, ist gut drauf – ein cooler, glamouröser Typ. Der bin ich jetzt, das ist heute mein Lifestyle. Und die
Figur wird immer wieder mit Anekdoten aus meinem Alltag angereichert, von Reisen, Shows usw. Zitiert
Ihre Markenzeichen sind vor allem Ihre Stimme und Rezitation. Haben Sie daran eigentlich viel gearbeitet über die Jahre? Meine Stimme ist immer tiefer geworden, durch die Feierei und das Business. Aber ich habe es immer hinbekommen, dass sie steht und nicht wegschlabbert. Und das Timing wird besser, je öfter man das macht. Ihre Texte, schreiben Sie die alle selbst, oder arbeiten Sie dafür mit anderen Autoren zusammen? Nur die eine Nummer, die alle kennen, stammt nicht aus meiner Feder. Ansonsten schreibe ich alles selbst. Wie entstehen die Texte? Manche entstehen, wenn ich die Straßen entlang spaziere und so vor mich hin singe. Zum Beispiel die Zeile „Ach, Berlin, du bist wirklich nicht groß…“ Andere Texte sind bei Auftritten entstanden, wo ich sie erst live improvisiert habe, dann sind sie über die Jahre gewachsen. Beim Performen merke ich, wie die Zuschauer bei bestimmten Worthülsen berührt und hellhörig wurden. Wenn ich zum Beispiel, wie in „Belgique,
Belgique“, anfange zu erzählen „1958 war ich das erste Mal in Brüssel, zur Expo“ – da werden viele im Saal wach und spitzen die Ohren. Wobei ich am Ende gar nicht sagen könnte, warum ein poetisches Konstrukt aus bestimmten Worten besser funktioniert als ein anderes. Und das obwohl man manchmal vergeblich einen roten Faden darin sucht… In meiner Welt haben die alle einen roten Faden. Das mag für Außenstehende komplex erscheinen, aber für mich ist in den Texten immer alles logisch, oft geht es ja um bestimmte Referenzen oder umgebaute Zitate. Wie kommt dann die Musik dazu? Ich gehe irgendwohin, singe meine Songs in die Maschine – und dann gibt es verschiedene Musiker, die dazu etwas komponieren, eine Begleitung machen, ein Arrangement. Die finden da ihren Weg. Und dass jemand zuerst die Musik schreibt und Sie anschließend den Text dazu? Nein, das kommt fast nicht vor. Da bin ich auch schwer erziehbar, weil ich so in meiner eigenen Tonalität hänge, dass es mir schwer fällt, etwas zu singen, was andere sich ausgedacht haben. © Fritzi Friedrich Auf Ihrem neuen Album „Good Gastein“ findet sich mit „Das war nur ein Moment“ auch ein Manfred Krug-Song. Ja, Coverversionen singe ich mittlerweile, weil ich bestimmte Songs einfach schätze. Es gibt eben schon so viel gute Musik. Sie strahlen eine große Ruhe aus, als Person aber auch mit Ihrer Art, Texte vorzutragen. Was wäre, wenn Zuhörer sich das lediglich zur Entspannung anhören? Ich bin mit jeder Reaktion zufrieden.
Selbst wenn jemand mich nicht gut findet, ist das Nahrung für mich. Das Albumcover von „Good Gastein“ zeigt Sie an einer Meeresküste. Geht es nicht mehr um den Erholungsort Bad Gastein, wie auf Ihrem Album von 2014? Der Titel lautet jetzt „Good Gastein“, weil aus Bad Gastein ‚bad Gastein‘ geworden ist. In meiner eskapistischen Vorstellung entfliehe ich von einem goldenen Schloss in den Alpen und fahre runter nach Duino an die Adria. Ich habe Bad Gastein hinter mir gelassen und empfehle dem Ort, unvernünftig zu sein. „Unvernünftige Städtchen sind schön. Wenn du willst, dass wir uns wiedersehen, musst du unvernünftig sein“. Sie machen Schluss mit Bad Gastein? Ich war einst verliebt in den Ort. Nicht wegen des Après-Ski, sondern weil es eine Ruine war. Wir Berliner wissen: Nirgendwo ist so viel Hoffnung, wie in Ruinen und Leerstand. Berlin-Mitte, wo wir gerade sitzen, das war alles eine Ruine, so etwas fasziniert mich. Wenn dann die Gentrifizierung voranschreitet und irgendwann nur noch die faulen Leute mit Geld kommen, wird es uninteressant. Sie erwähnten vorhin „die eine Nummer, die alle kennen“. Haben Sie die eigentlich mal live aufgeführt, bei einem Auftritt? Nein, um Gottes Willen. Das würde sich für mich schmutzig anfühlen. Ich befürchte, da würde ein Tsunami aus Royal Doofness über mich hereinbrechen. Und von anderen würde ich vermutlich tiefe Verachtung dafür ernten. Was wäre denn „schmutzig“, die Reaktion des Publikums? Das ganze Event! Im Mainstream so einen ‚big splash‘ hinlegen zu wollen, fühlt sich für mich nicht gut an, das ist dirty. Klar, ich hätte mir ein kariertes Sacko kaufen und jeden Abend diesen bekloppten Song performen können. Aber dann wäre ich jetzt entweder tot oder in einer Irrenanstalt. Der Song war nicht von mir und ist auch ganz weit weg von dem, was ich sonst mache. Ich habe den lediglich als trojanisches Pferd genutzt, aus dem ich rechtzeitig herausgekrochen bin, bevor diese ganze Mainstream-Welt auf mich einstürzt. Andererseits sagen Sie, dass Sie es lieben, Testimonial zu sein. Auf jeden Fall! Für mich ist das kein Widerspruch. Ich hatte schon vorher in der Werbung zu tun, arbeite für HD+, Tele 5, Ahoi Brause, Cisco… – das mache ich alles gerne. Manch anderer Künstler empfindet so etwas als Ausverkauf. Sie nicht? Nein. Das ist ein Geben und Nehmen. Ich bin in dieser Welt total
behütet und beschützt. Wer prostituiert sich denn Ihrer Meinung nach? Wir haben ja aktuell Kapitalismus. Deswegen gibt es bestimmte Gesetze, wie Mehrwert
entsteht, und wenn ein Geschäft finanziell erfolgreich ist, dann wird das nächste auch so gemacht. Wenn in dieses System Musik reingepresst wird, ist das traurig, denn eigentlich ist Musik eine Herzensangelegenheit. Wenn Produzenten irgendwelche Kacksongs schreiben, die alle gleich klingen, dann in ihrem Stübchen sitzen und Gema kassieren, während die unglücklichen Interpreten von einem Dorfbums zum nächsten gescheucht werden – das finde ich tatsächlich unappetitlich. Ist es denn weniger kapitalistisch, einer Firma gegen Gage als Testimonial zu dienen? Das ist schon Kapitalismus. Aber man wäre ja auch blöd, jetzt mit Kommunismus anzufangen. Es sind nun mal die Mechaniken dieser Welt, allerdings weiß ich auch, diese Mechaniken für mein Wohl zu nutzen. Ich bin ja hoch subversiv. Wenn ich zum Beispiel einen Spot für HD+
drehe, dann bringe ich meine eigenen Klamotten mit, setze mich auf’s Sofa, improvisiere und rede dann vielleicht über Kräuterquark. Das ist mein Style. Tut mir leid, wenn andere damit ein Problem haben, aber mir ist das viel lieber, als meine meine Musik zu prostituieren. Egal in welchem Format, Sie wirken stets entspannt. Wo ist Friedrich Liechtenstein radikal? Ich bin durchaus auch radikal, aber ich bemühe mich immer, alles ein bisschen freundlicher anzugehen. Zum Beispiel versuche ich niemanden zu kränken, weil ich weiß, in was für einer Spirale das enden kann. Davon hat niemand etwas. Anderen Künstlern macht es Spaß, Leute zu kränken, doch aus dem Schoß der Kränkung kommt meistens nur Unheil. Anders gefragt: Bei welchen Themen sind Sie unentspannt? Zum Beispiel bei bestimmten Musikstücken, die ich aufgrund des Wordings, der Tonalität und der Haltung richtig schlimm finde. HipHop zum Beispiel… so ein Quatsch! Die wollen ja auch, dass man das Scheiße findet. Ich bin lieber positiv – und umarme das Desaster. Das Foto vom „Good Gastein“Cover hatten Sie vor einer Weile schon auf Instagram gepostet. Jetzt wurde noch etwas hineinretuschiert… Eine Friedenstaube, richtig. Wird die retuschierte Friedenstaube Ihr einziges Statement zum Ukraine-Krieg bleiben? Ich finde, das ist ein besseres Statement, als zu sagen „wir besorgen jetzt ein paar Raketen, weil Aufrüstung das Einzige ist, was wir für den Frieden tun können“. Sie bleiben lieber metaphorisch.. Ja, weil ich Künstler bin. Wer ist der Mann aus der Rewe Werbung?Werbung - Detlef Scholzen - Schauspieler & Sprecher.
Wo wohnt Friedrich Liechtenstein?Musiker, Schauspieler, Entertainer: Friedrich Liechtenstein wohnt in Mitte. Berlin hat rund 3,7 Millionen Einwohner, sie sind so verschieden wie die Stadt selbst. Was also macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern?
Wie alt ist Friedrich von Liechtenstein?66 Jahre (1956)Friedrich Liechtenstein / Alternull
Wer ist das in der Sky Werbung?Die aktuellen Sky Werbespots mit Verona Pooth und Claudio Pizarro. Verona Pooth und ihre Familie sind die Stars der neuesten Sky Werbekampagne.
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