Ist My Fair Lady eine Operette oder ein Musical?

Was macht den Menschen aus, seine Herkunft oder seine Sprache? Phonetik-Professor Henry Higgins ist zutiefst vom Letzteren überzeugt. Als ihm das fürchterlich radebrechende Blumenmädchen Eliza Doolittle über den Weg läuft, ist sein Ehrgeiz angestachelt! Mit Kollege Oberst Pickering wettet er, innerhalb von sechs Monaten aus der verlotterten Straßengöre eine Lady zu machen. Eliza ist von diesem Angebot fasziniert und willigt in die Sprach-Dressur ein. Und nach einigen Start-Schwierigkeiten scheint das Experiment auch tatsächlich zu gelingen, wenn da nicht die Liebe ins Spiel käme … »My Fair Lady« ist wohl der Inbegriff des »klassischen« Musicals, mit Sicherheit aber eines der meistgespielten Stücke aller Zeiten. Am 15. März 1956 hob sich dafür erstmalig im Mark Hellinger Theatre am Broadway der Vorhang, 2.717 Vorstellungen folgten allein an diesem Theater. Für das Gärtnerplatztheater hat Staatsintendant Josef E. Köpplinger den zeitlosen Klassiker zum ersten Mal am Haus in bairischer Version in Szene gesetzt!

Alles beginnt mit einer Wette: Der Sprachforscher Henry Higgins will Oberst Pickering beweisen, dass er jedem beibringen kann, schön zu sprechen. Just das Blumenmädchen Eliza, das durch seinen Gassenjargon das Aufsehen der Herren erregte, soll als Testobjekt dienen. Mit Zungenbrechern wie „Es grünt so grün“, aber auch mit Unterricht im guten Benehmen wollen Higgins und Pickering aus ihr eine Dame machen. Ein erster Versuch beim Pferderennen in Ascot endet fatal, bringt Eliza aber den jungen Freddy als Verehrer ein.

Auf einem königlichen Ball gelingt das Lady-Sein schon besser. Doch der Erfolg wird für Eliza getrübt, als sie bemerkt, dass es Higgins vorrangig um eine Wette ging. Sie läuft davon und startet ein eigenes Leben. Higgins merkt erst jetzt, wie sehr er sich an sie und „ihr Gesicht“ gewöhnt hat. Ob sie zurückkommt….?

Ist My Fair Lady eine Operette oder ein Musical?
Das Musical-Ensemble von „My Fair Lady" in der Volksoper Wien. Foto: Barbara Pálffy/Volksoper Wien

Werkgeschichte

George Bernard Shaws Komödie „Pygmalion“, die ihrerseits Wurzeln in einem antiken Mythos hat, diente als Vorbild für das Musical von Textdichter Alan Jay Lerner und Komponist Frederick Loewe. Shaw hatte der Verarbeitung als Musical eigentlich nicht zugestimmt. So konnte das Musical-Projekt, zu dem die Idee bereits in den 1930ern geboren wurde, erst nach seinem Tod umgesetzt werden, als die Erben davon überzeugt worden waren. Die Liebesbeziehung zwischen Eliza und Higgins wird im Musical gegenüber dem Theatertext hervorgestrichen. Der Name „My Fair Lady“ dürfte bis zu Beginn der Proben noch nicht festgestanden haben. Er geht auf einen englischen Kinderreim zurück. Für die deutsche Erstaufführung 1961 in Berlin übersetzte Robert Gilbert die Dialekt-Texte ins Berlinerische, für die Wienerische Fassung war einst Gerhard Bronner zuständig.

Aufführungsgeschichte

Das Musical, das am 15. Februar 1956 in New York uraufgeführt wurde, lief anfangs sechseinhalb Jahre am Broadway. Eine Nachproduktion am Londoner West End zwei Jahre später bracht es auf fünfeinhalb Jahre Laufzeit. Das Werk erhielt zahlreiche Tony Awards, darunter die Preise für „Bestes Musical“, „Bester Hauptdarsteller“ (Rex Harrison) und „Beste Regie“ (Moss Hart). „My Fair Lady“ gilt als eines der meistgespielten klassischen Musicals im deutschsprachigen Raum.

Prominente Namen

1964 wurde „My Fair Lady“ mit Audrey Hepburn und Rex Harrison verfilmt. 1965 erhielt der Film den „Oscar“ für die beste Produktion des Jahres. Zunächst hätte Vincente Minnelli Regie führen sollen, der aber zu hohe Gagenforderungen stellte. Schließlich übernahm George Cukor. Für die Partie der Eliza war eigentlich Julie Andrews im Gespräch, die die Rolle am Broadway verkörpert hatte. Sie sollte später als „Mary Poppins“ und „Sound of Music“ zu Ruhm gelangen. Auch von Cary Grant als Higgins war die Rede, doch dieser schlug Rex Harrison vor, den Darsteller des Higgins am Broadway. Audrey Hepburns Gesang ist übrigens nicht original, er wurde von Marni Nixon eingespielt.

Henry Higgins (nachgebildet dem antiken Bildhauer Pygmalion, der sich in das von ihm selbst geschaffene Bildnis der idealen Frau verliebt) ist ein international anerkannter Phonetik-Professor. Bei Feldstudien vor der Londoner Oper trifft er auf ein junges Mädchen aus der Unterschicht, die Blumen aus einem Tragekorb heraus verkauft. Als er ihre Aussprache und Redeweise notiert, protestiert sie und erregt damit die Aufmerksamkeit eines Mannes, der gerade die Oper verlässt: Oberst Pickering. Es stellt sich heraus, dass dieser ein Kollege von Higgins und extra seinetwegen nach London gekommen ist. Sie beginnen sofort zu Fachsimpeln, wobei Higgins erwähnt, dass er – bei dem richtigen Unterricht – aus dem Blumenmädchen ganz leicht eine Lady der Upperclass machen könnte.

Am nächsten Tag steht Eliza, das Blumenmädchen, bei Higgins vor der Tür, um den erwähnten Unterricht zu buchen. Doch er macht sich einen Spaß aus ihrem Ansinnen. Er ist für dergleichen nicht zu haben, selbst gegen Bezahlung, die Eliza ihm anbietet. Wieder geraten die Männer ins Fachsimpeln und schließlich bietet Oberst Pickering eine Wette an: Er würde alle Unkosten übernehmen, wenn Higgins es tatsächlich schaffen sollte, Eliza so weit zu bringen, dass niemand sie – selbst am britischen Hofe nicht – als armes Mädchen der Unterschicht erkennen würde. Higgins fühlt sich herausgefordert und willigt ein. Eliza sieht ihre Chance und stimmt ebenfalls zu.

Das Mädchen wird umgehend im Haus von Higgins einquartiert, ihre Bekleidung ausgetauscht, und am nächsten Tag beginnt das Training. Die erste Probe, als Higgins Eliza mit zu seiner Mutter und zum Pferderennen von Ascot nimmt, misslingt. Sie fällt sprachlich völlig aus der Rolle. Doch der Unterricht geht weiter. Und langsam verwandelt sich der zunächst unansehnliche soziale Rohdiamant Eliza in einen glitzernden Edelstein. Demgemäß besteht Eliza die zweite Probe, als sie in Begleitung der beiden aufgeregten Männer den festlichen Ball bei Hofe besucht. 

Zurückgekehrt im Haus von Higgins gratuliert Oberst Pickering den Kollegen für seine herausragende Arbeit. Dieser zeigt sich wiederum erleichtert darüber, dass jetzt endlich alles vorbei sei. Eliza, die danebensteht und zu Recht auf ihre Leistungen stolz ist, wird übersehen. Sie reagiert verletzt und verlässt während der Nacht das Haus.

Am nächsten Morgen ist Higgins außer sich, dass die „ideale Frau“, die er geschaffen hat, plötzlich einen eigenen Willen zeigt. Er geht sie suchen, findet sie bei seiner Mutter, die ihrem Sohn aber zu verstehen gibt, wie richtig Eliza gehandelt hat. Geknickt kehrt Higgins zurück und gesteht sich ein, sich an ihre Nähe gewöhnt zu haben. Daheim schaltet er wehmütig die alten Tonaufzeichnungen ein, die er zu Beginn des Unterrichts von Eliza angefertigt hat, und lauscht ihrem deftigen Cockney-Englisch: zumindest auf diese Weise ist sie nach wie vor anwesend… Da betritt sie das Wohnzimmer. Sie ist zurückgekehrt…

(Wolfgang Jansen, 2020)

 

 

Kritiken

 
"Die First Lady des amerikanischen Musicals, Königin über alle küssenden Kätchen und schießenden Annies, Fräulein Eliza Doolittle, genannt ´My Fair Lady´, hielt nach Überspringung einiger unerfreulicher verlegerischer Hürden ihren triumphalen Einzug in Dresdens Operettenbühne draußen in Leuben. Die durch vieltausendfachen Erfolg verwöhnte freche Göre und charmante Dame konnte mit den Ovationen der Elbestädter wahrlich zufrieden sein, aber sie selbst hielt auch, was ihr weltweiter Ruf versprach: brillante Unterhaltung, für die der Zuschauer weder den Verstand noch den guten Geschmack vorher an der Garderobe abgeben mußte. [...]

Dabei bot Marita Böhme als Eliza Doolittle die Überraschung des Abends. Sie benimmt sich so souverän im völlig neuen, ungewohnten Genre, als habe sie zeitlebens nichts anderes gemacht als ´gemusicalt´. Anfangs ist sie ganz die rotzige Göre, grell greinend, vielleicht mit ein paar unartikulierten Protestschreien zuviel, aber bei aller Deftigkeit immer ´een anständjes Meechen´. Herrlich macht sie ihre Higginsche Zungengymnastik mit all dem holden Sprecherziehungsblödsinn. Dann spielt sie die dressierte Sprechpuppe, urkomisch auf ´stinkfoine´ Wohllautung bedacht. Am Ende aber entfaltet sie den Charme einer echten weiblichen Persönlichkeit, natürlich, voller ursprünglicher Vitalität und neugewonnener echter tiefer Gefühle. Ihre Stimme, wie mit Raureif besetzt, würzt die musikalischen Nummern noch doppelt. Allein schon diese Leistung würde den Abend zu einem Erlebnis machen. Doch was ringsum passiert, ist nicht minder ansehnlich."

Manfred Haedler: Willkommen, Marita Doolittle!, Umjubelte Erstaufführung von "My Fair Lady" in Dresden. In: Der Morgen, 3. November 1965.

 

"Alles ist trotz spürbarer Operetteneinflüsse so frisch und frech, so herzhaft und ungekünstelt, so spontan und liebenswert, daß man seine helle Freude daran hat. Und wer nennt ein Libretto ähnlich hoher Qualität aus der Operettenvergangenheit? Bei aller musikalischen Operettennähe gibt es keine Operettensentimentalität á la Lehár. Das ist für die Erziehung eines neuen Publikums ein Plus von unerhörten Ausmaßen!

Das Orchesterchen der Staatsoperette wurde an diesem Abend zu einem richtigen Orchester. Ich habe es noch nie so schön spielen hören. Unter Karl-Heinz Hanicke lebt nicht nur das Orchester, sondern die ganze Szene. Und die Verbindung Bühne-Orchester stimmt aufs Haar. Fritz Steiners Inszenierung war liebevoll im Detail (´Nur ein Kämmerchen irgendwo´) und hinreißend in den Massenszenen, dabei immer auf den Gesamtablauf hinzielend. Alle Achtung, wie die langen Strecken des Original-Shaw pointiert gesprochen und gespielt wurden! Man erinnere sich: Die ersten Jahre nach 1945. Operettenanfänge in Dresden. Welch steiler Weg nach oben! Bravo!"

Gottfried Schmiedel: "My Fair Lady" begeisterte, Endlich in Dresden - Erfolg für die Staatsoperette. In: Sächsisches Tageblatt, 3. November 1965.

 

"Der tollste Spaß ist bei Shaw immer menschlich hintergründig. Und das ist im Grunde so ergreifend an der Story von dem Blumenmädchen Eliza Doolittle, diesem ´Dreckstück´ aus dem Rinnstein mit der abscheulichen Sprache und den miserablen Manieren, das der hochmütige Phonetikprofessor Higgins um einer egoistischen Wette willen zu einer Lady dressiert, wobei er in seiner charmanten Arroganz ihre menschlichen Gefühle erbarmungslos mißachtet. Obwohl das Experiment gelingt und aus dem schmuddeligen Lumpenlieschen eine makellose Lady wird, die in ´bester Gesellschaft´ alle Herzoginnen aussticht, bleibt Eliza ein natürlicher Mensch! Zu einer denkenden, jungen Frau herangereift, drängt sie ihren despotischen Sprachlehrer sogar in die Enge.

Diese Komödie haben der Librettist Alan Jay Lerner und der Komponist Frederick Loewe in ein herrliches Musical umgemünzt, das seinesgleichen sucht. Sie haben im Grunde wenig an der Substanz geändert, haben eigentlich nur die Dinge, die sich bei Shaw hinter der Szene abspielen, auf die Bühne gebracht. Seine Texte und Songs hat Lerner dem Musical so nahtlos angepaßt, daß man kaum spürt, wo Shaw aufhört und Lerner beginnt. Und selbst da, wo Loewe reine Dialoge sprechen läßt, fühlt man sich von seinen vorangegangenen Weisen immer noch musikalisch elektrisiert. Trotz ihres konventionellen Operettenjargons sind sie ein so einzigartig schönes Gemisch aus Broadway-Rhythmus und Prater-Sentiment, daß man sie am liebsten schon während der Vorstellung mitpfeifen möchte. Also alles in allem ein Musical allererster Provinienz."

Welche Art von Musical ist My Fair Lady?

Das Musical stammt vom Dramatiker und Lyriker Alan Jay Lerner, die Musik von Frederick Loewe. My Fair Lady ist ein anregendes Musical.

Wer schrieb die Musik von My Fair Lady?

Frederick Loewe

Wie alt ist My Fair Lady?

My Fair Lady ist ein Musical aus dem Jahr 1956 mit der Musik von Frederick Loewe sowie Texten und Libretto von Alan J. Lerner. Es handelt sich um eine Adaption von Bernard Shaws Theaterstück Pygmalion.

Wie endet das Musical My Fair Lady?

Ein erster Versuch beim Pferderennen in Ascot endet fatal, bringt Eliza aber den jungen Freddy als Verehrer ein. Auf einem königlichen Ball gelingt das Lady-Sein schon besser. Doch der Erfolg wird für Eliza getrübt, als sie bemerkt, dass es Higgins vorrangig um eine Wette ging.