Sei frech und wild und wunderbar von wem

70 Jahre ist Pippi Langstrumpf alt - eigentlich Zeit für die Rente. Doch die bekannteste aller Astrid-Lindgren-Figuren gewinnt noch immer neue Fans. Folgende Dinge haben wir von Pippi gelernt.

Sie ist eines der wenigen guten Vorbilder für kleine Mädchen (und Jungen): Pippi Langstrumpf. Heute feiert das Mädchen mit den roten Zöpfen ihren 70. Geburtstag - zusammen mit Astrid Lindgrens Tochter Karin. Die bekam das später mal erfolgreichste Werk ihrer Mutter zum zehnten Geburtstag geschenkt.

Pippi ist wild und selbstbewusst, sie pfeift auf Regeln und geht immer ihren eigenen Weg, egal, was die anderen von ihr erwarten. Sie ist cleverer als ihre Feinde - und das, ohne jemals zur Schule zu gehen. Millionen von kleinen Mädchen wollten wie Pippi sein. "Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar", sagte Astrid Lindgren einmal. Wir wollen es heute, an Pippis 70. Geburtstag, noch mehr versuchen als an anderen Tagen!

Über dieses Zitat bin ich vor einigen Monaten gestolpert. Lange Zeit habe ich gedacht, es sei ein Zitat von Astrid Lindgren - das kursiert zumindest so im Internet - bis ich herausgefunden habe, dass es von dem Kinderbuchautor Jochen Mariss stammt. Wahrscheinlich hätte es aber auch genauso von Pippi Langstrumpf stammen können. 

In den letzten Jahren habe ich viele Kinder kennengelernt, die teilweise schon lange Reisen hinter sich hatten: von klein auf waren sie bei verschiedensten Ärzten und Therapeuten, um trotzdem im Kindergarten- und Schulalltag mit Problemen zu kämpfen. Das waren Kinder, die durch ihr Verhalten aufgefallen sind, durch motorische Unsicherheiten oder/und durch Sprachprobleme. Kinder, die immer unter besonderer Beobachtung standen, weil ihre Entwicklung immer irgendwie auffällig war. Kinder, die teilweise sogar durch andere Kinder ausgegrenzt wurden, weil sie durch ihr Verhalten angeeckt sind oder nicht verstanden wurden. Gleichzeitig habe ich auch ihre Eltern erlebt, die dadurch unter großem Druck standen. Eltern, die für ihre Kinder das Beste wollten und trotzdem teilweise hilflos waren. 

Das waren einige der Gründe, warum ich mich damals dazu entschlossen habe, die INPP-Weiterbildung zu beginnen. Das Wissen um die neuromotorische Entwicklung und die Ursachen für Entwicklungsprobleme, die sich dadurch ergeben können, hat für mich ganz neue Möglichkeiten aufgetan, den Kindern zu helfen. 

Gleichzeitig war und bin ich aber begeistert davon, wie fröhlich, unbekümmert und motiviert viele dieser Kinder durch ihr Leben gehen. Deshalb finde ich das Zitat von Jochen Mariss so passend! Natürlich wünscht sich niemand, dass sein Kind frech und unerzogen ist. Aber ein Stück weit wünsche ich den Kindern, und auch uns als Erwachsenen mit einem Hauch dieser Einstellung "frech und wild und wunderbar" durch das Leben gehen zu können. 

Es gibt im Alltag so viele Herausforderungen, Druck, vielleicht auch Misserfolg und Stress. Vor allem für Kinder, die in ihrer Entwicklung von klein auf Schwierigkeiten hatten, gibt es gerade im Schulalltag viele Hürden. Dabei ist es gar nicht so einfach die positiven Dinge im Alltag zu sehen, fröhlich und motiviert in die Schule zu gehen und den Spaß am Lernen zu bewahren. 

Ich wünsche vor allem diesen Kindern, dass sie sich nicht unterkriegen lassen, die Hürden im Alltag meistern und gleichzeitig ihre Stärken und Interessen erkennen. Denn im Alltag liegt der Fokus leider oft nicht auf ihren Stärken, sondern darauf, was sie noch nicht so gut können. Da ist es manchmal gar nicht so leicht, die "positive Brille" aufzusetzen. Aber genau das müssten wir viel öfter tun, auch wenn es nicht immer leicht ist. Versucht es so oft ihr könnt! 

Wie oft habe ich diesen Satz in den letzten Wochen auf diversen Social Media-Plattformen gelesen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann handelt es sich hierbei um ein Zitat von Astrid Lindgren. Viele, viele Mamas schwören auf diesen Satz und möchten, dass ihre Kinder frech, wild und wunderbar sind. Doch je länger ich darüber nachdenke, umso sicherer bin ich mir: Das ist nicht das, was ich mir für meine Söhne wünsche.

 

Sei frech und wild und wunderbar von wem

 

Sei nicht frech.

Ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber für mich hat das Wort frech eine sehr negative Besetzung. Frech – damit assoziiere ich Kinder, die keinen Respekt und kein Benehmen haben, die die Ratschläge und Regeln von anderen (wie uns Eltern) ignorieren und mit einer abwertenden Geste quittieren, zum Beispiel die Zunge rausstrecken, mit den Augen rollen oder mit dem Zeigefinger auf die Stirn zeigen. Respekt, Benehmen, Regeln – das alles klingt nach Drill und autoritärer Erziehung – doch so meine ich das gar nicht. Natürlich dürfen meine Söhne “Nein!” sagen, Regeln in Frage stellen oder sich mal daneben benehmen. Aber eben nicht auf eine freche Art und Weise. Deshalb wäre es besser: Sei selbstbewusst!

 

Sei nicht wild.

Wild ist auch ein sehr dehnbarer Begriff und deshalb in meinen Augen ebenso schlecht gewählt. Ich möchte nicht, dass meine Söhne wild sind, wenn es darum geht mutwillig Dinge zu zerstören. Ich möchte auch nicht, dass sie sich selbst oder andere durch ihr Verhalten in Gefahr begeben. Doch ich möchte, dass sie mit Anlauf in Pfützen hüpfen, sich in einem Laubhaufen wälzen oder einen Hügel runter purzeln. Deshalb sage ich lieber: Sei lebensfroh!

 

Sei wunderbar.

Jedes Kind ist wunderbar. Jedes Kind ist einzigartig. Perfekt – genau so, wie es ist. Nicht größer und nicht kleiner, nicht dünner und nicht dicker, nicht lauter und nicht leiser. Und deshalb gibt es einen Satz, den ich jedem meiner Kinder sagen möchte:

Sei selbstbewusst und lebensfroh und wunderbar.

 

Sei frech und wild und wunderbar von wem

 

P.S.: Hier erfährst du mehr über mich und meine Familie: Über uns.

Sei frech und wild und wunderbar von wem

 

 

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2 Kommentare

  1. Elena sagt:

    Vielen Dank liebe Christina!

    Ich sehe es wie du. Mich hat dieser Satz irgendwie immer gestört, weil ich eben auch nicht möchte das meine Kinder frech und wild sind. Du hast es auf den Punkt gebracht!

    Woher kommt der Spruch sei frech wild und wunderbar?

    Sei frech, wild und wunderbar. Dieser schöne Spruch wird immer wieder Pippi Langstrumpf, sprich Astrid Lindgren, zugeschrieben. Und auch wenn eine solche Redensart ganz wunderbar zu Pippi passen würde, so ist dieses Zitat wahrscheinlich ein „Kuckuckszitat“ und wurde so nie von Astrid Lindgren niedergeschrieben.

    Was hat Pippi Langstrumpf immer gesagt?

    "Am besten, ihr geht jetzt nach Hause", sagte Pippi, "damit ihr morgen wiederkommen könnt. Denn wenn ihr nicht nach Hause geht, könnt ihr ja nicht wiederkommen. Und das wäre schade."