Als Mitglied der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. haben Sie viele Vorteile. Informieren Sie sich hier.Mitglied werden Unterscheiden sich Frauen und Männer, wenn es um Schmerzen geht?
Dies würde bedeuten, dass Männer auch biologisch schmerzunempfindlicher wären als Frauen. Andererseits wird im
Volksmund behauptet, dass Männer „wehleidiger“ seien als Frauen und die Menschheit längst ausgestorben sei, wenn die Fortpflanzung davon abhinge, dass Männer Kinder bekämen und den Geburtsschmerz ertragen müssten. Für diese widersprüchlichen Eindrücke gibt es bis heute weder eindeutige Beweise noch Gegenbeweise. Neue Erkenntnisse zeigen aber, dass das Geschlecht eine Rolle beim Empfinden von Schmerzen, dem Auftreten von Schmerzerkrankungen, dem Verlauf von Schmerzen und wahrscheinlich auch dem Therapieerfolg spielt.
Frauen haben aber nicht nur häufiger Schmerzen, sie sind auch schmerzempfindlicher, wie experimentelle Untersuchungen gezeigt haben. So schätzen Frauen beim Verabreichen eines Hitze- oder Druckreizes die Schmerzintensität höher ein als Männer oder halten den
Schmerz weniger lange aus und ziehen daher den Arm nach einem Schmerzreiz früher weg als Männer, obwohl der Schmerzreiz gleich stark war. Ebenfalls scheinen Frauen eine niedrigere Schwelle für schmerzhafte Reize zu haben als Männer, sodass sie einen weniger starken Reiz schon als schmerzhaft empfinden. Diese meist in Experimenten an gesunden Versuchspersonen erhobenen Daten sprechen dafür, dass das Nervensystem von Frauen und Männern unterschiedlich „eingestellt ist“. Die
„Schmerzsensoren“, also jene Nervenfasern, die Schmerzreize aufnehmen und an das Rückenmark weiterleiten, scheinen bei Frauen „empfindlicher“ eingestellt zu sein als bei Männern. Darüber hinaus gibt es Hinweise dafür, dass die Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem, also im Rückenmark und im Gehirn, bei Frauen deutlich sensibler ist, was Prozesse wie die Schmerzchronifizierung begünstigt. Im Vergleich zu Frauen können Männer vermutlich ihre körpereigene Schmerzhemmung besser
aktivieren. Übrigens:
Die Frage, warum Frauen eine erhöhte Schmerzempfänglichkeit (Vulnerabilität) aufweisen, wurde bisher nur zum Teil beantwortet. Es wird vermutet, dass bei Frauen der Schutz vor Schmerz und Schmerzchronifizierung „schlummert“, durch besondere Situationen aber aktivierbar ist. Einer der wichtigsten Schalter für eine solche Aktivierung ist die Schwangerschaft, bei der Frauen plötzlich unempfindlicher für Schmerzreize werden. Ein wesentlicher Faktor scheinen die Hormone Östrogen und Progesteron zu sein, die Einfluss auf die Schmerzempfindlichkeit und Schmerzverarbeitung haben. So ist beispielsweise die Migräne eine typische Erkrankung von Frauen im gebärfähigen Alter. Hormonale Veränderungen in der Schwangerschaft führen dagegen eher zu einer Unempfindlichkeit gegenüber Schmerzen. Das Nervensystem der Frau scheint demnach unter Einfluss der Hormone darauf ausgerichtet zu sein, die Frau unter der Schwangerschaft und Geburt maximal vor Schmerzen zu bewahren, während diese Schmerz-Hemmung in der „schwangerschaftsfreien“ Zeit evolutionär nicht notwendig war, d.h. keinen Überlebensvorteil brachte, und damit nicht aufrechterhalten wurde. Hormone sind wahrscheinlich aber nur ein Aspekt, um die Geschlechterunterschiede bei Schmerzen zu erklären. Erforscht werden auch genetische Faktoren. Auch Gene bestimmen das Schmerzempfinden Eines der bekanntesten Beispiele für einen genetischen Zusammenhang ist das unterschiedliche Ansprechen von Frauen mit rotem Haar und blasser Haut auf bestimmte schmerzhemmende Wirkstoffe. Beide, Frauen und Männer mit diesen äußeren Merkmalen, weisen eine bestimmte (gleiche) Genvariante auf; aber nur bei Frauen hat dies eine Bedeutung für den Schmerz, obwohl dieses Gen nicht auf einem Geschlechtschromosom liegt. Diese Frauen reagieren besser auf bestimmte Schmerzmittel als Frauen ohne die Genvariante und Männer, egal ob sie diese Genvariante besitzen oder nicht. Andere genetische geschlechtsrelevante Unterschiede werden gerade identifiziert, sind aber insgesamt bisher noch relativ wenig bekannt. Unterschiedliche Wirkung von Schmerzmitteln bei Frauen und Männern Untersuchungen zur unterschiedlichen Medikamentenwirkung bei Männern und Frauen sind relativ spärlich zu finden. Bis 1988 wurden die meisten Medikamentenstudien ausschließlich an Männern durchgeführt, weil man bei ihnen keine Schwangerschaft ausschließen und keine Einflüsse von Hormonschwankungen in Betracht ziehen muss. Dies steht aber im Gegensatz zur klinischen Praxis, denn der Medikamentenverbrauch ist bei Frauen deutlich höher. Trotzdem werden an Männern gewonnene Studienergebnisse auch heute noch häufig auf Frauen übertragen, was nicht nur eine unangemessene Dosierung, sondern auch Unverträglichkeiten zur Folge habe kann. Für einige Schmerzmittel konnten in jüngerer Zeit Unterschiede in der Wirkung zwischen Frauen und Männern gezeigt werden; sogar gegensätzliche Effekte sind dabei möglich. Diese haben aber bisher nicht Einzug in die klinische Therapie von Schmerzen gefunden, u.a. auch deshalb, weil sie anderen Substanzen nicht überlegen sind. Vor allem Aufschriften wie „besonders wirksam bei Menstruationsschmerzen“ auf Verpackungen z.B. von bestimmten Schmerzmitteln sind absolut irreführend; diese Medikamente sind, wie andere Produkte der gleichen Substanzgruppe auch, keine speziellen Schmerzmittel für Frauen oder Frauenleiden und im Vergleich zu anderen Schmerzmitteln nicht überlegen bei Menstruationsschmerzen. Fazit Mit bestem Dank an die Autorin Esther Pogatzki-Zahn |