Deportation in die Vernichtung (© Bundesarchiv, Bild 183-68431-0005) Aus allen von den Nationalsozialisten besetzten Ländern Europas und aus dem Deutschen Reich rollen die Züge in die Vernichtungslager. (© Bundesarchiv, Bild 183-68431-0005) Show Aus allen von den Nationalsozialisten besetzten Ländern Europas und aus dem Deutschen Reich rollen die Züge in die Vernichtungslager. (© Bundesarchiv, Bild 183-68431-0005) KrankenmordDie Entscheidung zum Mord an sogenanntem lebensunwertem Leben war bereits zu Kriegsbeginn mit der Tötung von kranken und behinderten Menschen gefallen. Forderungen nach Einführung erbbiologischer Personalbögen, nach einem Eheverbot für unerwünschte Paare bis hin zur Asylierung von Epileptikern, psychisch Kranken und Kriminellen sowie zur Sterilisation "Minderwertiger“ waren schon in der eugenischen Diskussion der Weimarer Republik laut geworden. 1920 hatten der Strafrechtler Karl Binding und der Psychiater Alfred Hoche eine einflussreiche Broschüre mit dem Titel "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“ veröffentlicht, in der die jüdisch-christliche Achtung vor der Unantastbarkeit des Lebens mit Hinweisen auf antike Gesellschaften wie Sparta angegriffen wurde. Gleich zu Beginn der NS-Herrschaft erließ die Hitler-Regierung im Juli 1933 ein "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das erstmals in Deutschland die Zwangssterilisation erlaubte. Nun wurden die Stimmen immer lauter, die auch die Tötung von behinderten und psychisch kranken Menschen forderten. Immer wieder erreichten die "Kanzlei des Führers der NSDAP“, eine eher marginale Institution, die Hitlers Privatangelegenheiten und persönliche Eingaben an ihn regelte, Gesuche, in denen um die Genehmigung zur Sterbehilfe gebeten wurde. Darunter befand sich 1939 auch ein Schreiben, in dem ein Vater darum bat, sein behindertes Kind töten zu lassen. Hitler, der sich stets öffentlich über die "moderne Humanitätsduselei“ zugunsten der Kranken und Schwachen mokiert hatte, nahm sich des Falles an und ermächtigte den Leiter der "Führerkanzlei“, Philipp Bouhler, und seinen persönlichen Arzt, Dr. Karl Brandt, das Kind zu töten und in ähnlichen Fällen analog zu verfahren. Als die beiden im Laufe der organisatorischen Vorbereitungen der "Euthanasie“-Morde um eine schriftliche Ermächtigung baten, erteilte Hitler im Oktober 1939 den Mordbefehl, bezeichnenderweise rückdatiert auf den 1. September, um den Zusammenhang mit dem Krieg deutlich zu machen. Im kleinen Kreis bereiteten die Funktionäre der "Führerkanzlei“ zusammen mit Ärzten die Morde an Kranken und Behinderten vor und gründeten zur Tarnung des Unternehmens einen "Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“, der seinen Sitz in Berlin, Tiergarten 4, hatte, weswegen die "Euthanasie“-Morde unter der Chiffre "T4“ geplant wurden. Bereits am 18. August 1939 erging ein streng vertraulicher Runderlass des Reichsministeriums des Innern an alle Landesregierungen, dass Hebammen und Ärzte missgebildete und behinderte Neugeborene unverzüglich den Amtsärzten melden müssten, die wiederum die Meldungen zu prüfen und an den "Reichsausschuß“ weiterzuleiten hätten. Später wurden insbesondere die Leitungen von Krankenanstalten und psychiatrischen Kliniken aufgefordert, auch erwachsene Patienten zu melden. In Berlin wurden die Meldebögen durch drei ärztliche Gutachter geprüft. Diejenigen Menschen, die ermordet werden sollten, erhielten ein "+“-Zeichen auf dem Bogen. Mit unauffällig erscheinenden, grau angestrichenen Bussen wurden dann die Opfer in besondere Krankenanstalten, nach Bernburg, Brandenburg, Grafeneck, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein, verlegt, um sie dort zu töten. Da die Täter für ihre Morde Giftmittel brauchten, wandten sie sich an Himmler, der sie an das Kriminaltechnische Institut des Reichskriminalpolizeiamtes verwies. Der zuständige Referent, Dr. Albert Widmann, kam auf die Idee, die Kranken durch Kohlenmonoxid zu töten. Während Widmann daran dachte, das Gas nachts, wenn die Kranken schliefen, in die Schlafsäle zu leiten, entschieden die Verantwortlichen der T4-Aktion anders. Die Patienten sollten in eigens eingerichteten Gaskammern umgebracht werden. Der erste Versuch mit Menschen fand im Dezember 1939 oder Januar 1940 im alten Zuchthaus Brandenburg statt. An ihm nahm als Beobachter neben den "Euthanasie“-Beauftragen Hitlers, Dr. Karl Brandt und Philipp Bouhler, dem für Gesundheitsfragen zuständigen Staatssekretär im Reichsinnenministerium, Leonardo Conti, etlichen Bürokraten und Ärzten auch Albert Widmann teil, der die Ärzte instruierte, wie man das Gas in die Kammer leitete. Die versammelten Teilnehmer verfolgten das qualvolle Ersticken der Opfer durch ein Guckloch in der Tür. Widmann beschaffte in der Folgezeit das notwendige Kohlenmonoxidgas für die "Euthanasie“-Morde vom Ludwigshafener Werk der IG Farben, der heutigen BASF. Bis zum Kriegsende wurden in Deutschland und in den besetzten Gebieten etwa 275 000 kranke und behinderte Menschen ermordet. Geheimhalten konnten die Täter diese Morde nicht. Verwandte erkundigten sich, wohin ihre kranken Familienangehörigen gebracht worden seien, und erhielten nur ausweichende, fadenscheinige Antworten, schließlich Formschreiben mit der Todesnachricht. In den Orten der Tötungsanstalten wie in Grafeneck im Kreis Münsingen auf der Schwäbischen Alb wurde rasch bekannt, dass es in den Krankenanstalten zu ungewöhnlich zahlreichen Todesfällen kam. Etliche Patienten selbst ahnten das Schicksal, das ihnen bevorstand, wehrten sich und schrien um Hilfe beim Abtransport. Bei den Kirchenstellen häuften sich die Meldungen von Pfarrämtern über den unerwarteten Tod von Kranken und die sofortige Einäscherung ihrer Leichen. Im Juli 1940 wandte sich der Vormundschaftsrichter Dr. Lothar Kreyssig aus Brandenburg/Havel empört an das Reichsjustizministerium und verlangte Aufklärung über das Schicksal der ihm anvertrauten Menschen. Auch aus anderen Orten erreichten Justizminister Franz Gürtner Berichte über umlaufende beunruhigende Gerüchte. Der württembergische evangelische Landesbischof Theophil Wurm schrieb am 19. Juli 1940 persönlich an Reichsinnenminister Frick, um gegen die "Lebensvernichtung“ zu protestieren. Im August nahm auch die katholische Bischofskonferenz intern Stellung und verlangte ein Ende der Tötungen. Der mutige Amtsrichter Kreyssig hatte mittlerweile Anzeige wegen Mordes erstattet. Als sich die Nachrichten über die "Euthanasie“-Morde innerhalb der Bevölkerung immer mehr ausbreiteten, Familienangehörige sich Hilfe suchend sogar an die Polizei wandten und schließlich der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen Anfang August 1941 öffentlich gegen die Morde predigte, machte die Regimeführung einen Rückzieher. Auf Weisung Hitlers wurde die "Euthanasie“ an Erwachsenen im Deutschen Reich offiziell gestoppt – und heimlich an Kindern, in den Konzentrationslagern und in den besetzten Gebieten fortgeführt. Etliche "Mordexperten“ aus den Tötungsanstalten wie Christian Wirth, Irmfried Eberl oder Franz Stangl fanden nach wenigen Monaten wieder Anstellung in den Vernichtungslagern im von Deutschland besetzten Polen, wo ihre Kenntnis, Menschen mit Gas zu töten, erneut zum Einsatz kam. Nach dem Überfall auf Polen töteten SS-Einheiten auch dort kranke und behinderte Menschen, nicht zuletzt, um die Heime, in denen diese Menschen untergebracht waren, als Unterkünfte für sich selbst und für volksdeutsche Siedler zu nutzen. Das SS-Kommando Lange, das sich bei diesen Morden besonders hervortat, entwickelte dazu eine neue Methode: Die Opfer wurden in einen Kastenwagen gepfercht und dort mit CO aus Gasflaschen erstickt. 1941 ließ das Reichssicherheitshauptamt 30 solcher Wagen so umbauen, dass durch einen Schlauch die Motorabgase hineingeleitet werden konnten, sodass die Menschen unter furchtbaren Qualen starben. Diese Gaswagen setzte die SS in der Vernichtungsstätte Kulmhof/Chełmno bei Łódz´, im Lager Sajmište bei Belgrad und in Maly Trostenez bei Minsk ein und lieferte sie an die Einsatzgruppen als mobile Tötungsinstrumente. QuellentextDas Schicksal der Emilie R.Emilie R., geb. 1891 in Alsfeld, heiratete 1912 den Polizeisekretär Christian R. Sie bekam vier Kinder und war geistig gesund, bis 1931 Verwirrungszustände und Depressionen auftauchten. Zu dieser Zeit war ihr Mann wegen eines Hüftleidens krankgeschrieben – was zu größten Ängsten um den Arbeitsplatz und das Ansehen der Familie bei ihr führte. Am 30. November 1931 brachte ihr Mann sie erstmals in die Universitätsnervenklinik Frankfurt, wo als Diagnose „ängstliche Beziehungspsychose“ festgehalten wurde. Im Dezember konnte sie auf Wunsch ihres Mannes wieder entlassen werden, galt aber nicht als geheilt. Im April 1936 wurde Emilie R. wieder in die Frankfurter Nervenklinik aufgenommen und ihr dieses Mal „paranoide Demenz“ diagnostiziert – Emilie R. litt unter „Wahnvorstellungen“. Sofort wurde von der Klinik auch ein Antrag auf Sterilisation gestellt, obwohl ähnliche Krankheiten in der Familie nicht bekannt waren und alle Kinder sich bester Gesundheit erfreuten. Schon am 12. Mai 1936 wurde Emilie R. als ungeheilt in die Landesheilanstalt Hadamar entlassen, wo sie jedoch nur fünf Monate blieb. Ihr Mann stellte den Antrag, sie in das konfessionelle St. Valentinushaus in Kiedrich verlegen zu lassen. In einer der letzten Eintragungen in ihre Krankengeschichte in Hadamar hieß es: „7.8.36. Steht nach wie vor unter dem Einfluß ihrer Sinnestäuschungen. Ist zu keiner Arbeit zu bewegen.“ Damit erklärt sich auch, warum die Anstalt gegen eine Verlegung nichts einzuwenden hatte, denn Emilie R. konnte nicht mehr zur Arbeit eingesetzt werden. In dem konfessionellen Pflegeheim wurden ihren Verwandten meist die Besuche verwehrt, auch der Ehemann musste sich intensiv um Besuchserlaubnis bemühen. Ein Spaziergang am Tage der Silberhochzeit in den Ort Eltville wurde ihnen verwehrt, da Emilie R. unter das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ fiel und nicht sterilisiert war. Im August 1939 wurde sie aus dem St. Valentinushaus in die Anstalt Eichberg verlegt und kam am 21. Februar 1941 mit einem Sammeltransport in die Tötungsanstalt Hadamar. Dort ist sie am selben Tag ermordet worden. Anschließend wurde ihre Krankenakte an die T4-Anstalt Sonnenstein bei Pirna versandt und ihr Tod mit dem Datum 1. März 1941 in Sonnenstein beurkundet. Landeswohlfahrtsverband Hessen (Hg.), Bettina Winter (Bearb.), „Verlegt nach Hadamar“. Zur Geschichte einer NS-„Euthanasie“-Anstalt. Begleitband für eine Ausstellung des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen. Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Kataloge Bd. 2. Kassel 1991, S. 103 QuellentextEine Predigt gegen das MordenPredigt des Bischofs von Münster Clemens August von Galen vom 3. August 1941: Bischof Clemens August Graf von Galen. Akten, Briefe und Predigten 1933-1946, Band II, bearb. v. Peter Löffler (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe A, Quellen; Bd 42), 2., erw. Aufl., Schöningh Verlag Paderborn 1996, S. 875 ff. DeportationenIm Deutschen Reich wurden die Juden mit dem Kriegsbeginn verschärften Drangsalierungen ausgesetzt. Am 10. September 1939 ordnete Himmler an, dass die jüdischen Gemeinden sich selbst um ihren Schutz vor Bombardierungen zu sorgen und eigene Luftschutzräume zu bauen hätten. Lokale Parteigruppen und kommunale Ämter hatten bereits ihrerseits damit begonnen, Ausgehverbote für Juden zu verhängen oder die Radioapparate zu beschlagnahmen. Zwar verbot die NS-Führung derlei Initiativen von unten, Himmler erließ aber seinerseits ebenfalls am 10. September ein Ausgehverbot für Juden ab 22 Uhr. Wenige Tage später folgte eine Verordnung, die Juden untersagte, ein Radiogerät zu besitzen. Am 23. September sollte die Gestapo "schlagartig“ im ganzen Reich die Radioapparate von Juden einziehen. Lebensmittelkarten für Juden wurden von Januar 1940 an generell mit einem "J“ gekennzeichnet, die Rationen immer weiter eingeschränkt und Zulagen gestrichen. Konsequent in ihren Bemühungen, die Juden vollständig sozial zu isolieren, machten sich die Nationalsozialisten 1939 daran, auch in Deutschland die jüdische Bevölkerung zu "gettoisieren“. Das hieß, die bestehenden Mietverhältnisse wurden aufgelöst und "Judenhäuser“ eingerichtet, in denen die jüdischen Deutschen von nun an, oftmals auf engstem Raum mit mehreren Familien in einer Wohnung, leben mussten. Darüber hinaus forcierte die NS-Führung Pläne, die noch im Reich lebenden Juden zur Zwangsarbeit heranzuziehen, nachdem schon zuvor arbeitslose Juden arbeitsverpflichtet worden waren. Jetzt wurden Männer und Frauen, die als arbeitsfähig eingestuft wurden – das waren im Sommer 1941 etwa 59 000 Menschen – zur Erntearbeit in der Landwirtschaft, in Industriebetrieben, zum Räumen von Bombardierungsschäden oder Bauen von Straßen und Eisenbahngleisen eingesetzt, oftmals ohne Lohn und Versicherungsschutz. Zudem galt ein Sonderarbeitsrecht für Juden, die keine Zulagen oder sonstigen Vergünstigungen, die den nichtjüdischen Arbeitern zustanden, erhalten sollten. Auf die "Wahrung des sozialen Abstandes“ der Volksgenossen zu den jüdischen und polnischen Arbeitern legte das Arbeitsministerium größten Wert. 1940 wurde ein alter antisemitischer Plan zu neuem Leben erweckt: die Deportation der europäischen Juden nach Afrika. Antisemiten wie der deutsche Kulturphilosoph Paul de Lagarde hatten diese Idee seit Ende des 19. Jahrhunderts verbreitet. Auch andere europäische Staaten wie Polen oder Frankreich zogen in den 1930er-Jahren die Deportation ihrer jüdischen Staatsbürger nach Madagaskar ernsthaft in Erwägung. Die polnische Regierung entsandte gar 1937 eine Kommission dorthin, um die Bedingungen für eine Deportation polnischer Juden zu prüfen. Heydrich ließ im August 1940 drei Exemplare einer vierzehnseitigen Broschüre mit Karte, Lexikon-Auszügen und Organigramm zum "Madagaskar-Projekt“ an das Auswärtige Amt schicken. Detailliert war in diesem RSHA-Plan entwickelt, wie vier Millionen europäische Juden nach Madagaskar deportiert und dort in einem Polizeistaat unter der Leitung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD dahinvegetieren sollten. Mit 120 Schiffen – so die Broschüre – könnten täglich etwa 3000 Juden verschifft werden, sodass nach Rechnung des RSHA innerhalb von vier Jahren das "Judenproblem“ gelöst sein sollte. Heydrich selbst sprach im Juni in einem Brief an Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop von einer "territorialen Endlösung“, die jetzt notwendig sei. Auch das Auswärtige Amt arbeitete an einem Madagaskar-Plan. QuellentextÜberleben in Wien 1941 bis 1943Lotte Freiberger ist 1923 in Wien geboren. Ihr jüdischer Vater war Großkaufmann in der Garnbranche. Ihre Mutter war geborene Katholikin, aber bei ihrer Heirat zum
Judentum konvertiert. Um die Familie zu schützen, trat die Mutter in der NS-Zeit wieder zum katholischen Glauben über. [...] „Um diese Zeit [1941] verschickten die Nazi junge Mädchen nach Stendal in Norddeutschland zum Spargelstechen. Wir ahnten zu Recht nichts Gutes. Durch einen ‚arischen‘ Geschäftsfreund meines Vaters bekamen wir die Adresse einer Frau Ostermann, die eine Schneiderwerkstätte hatte und
jüdische Arbeiterinnen aufnehmen durfte, als Zwangsdienstverpflichtete. Sie war eine sehr brave, anständige Frau. Die Werkstatt war in der Alserstraße. Ich trat am 26. Mai 1941 dort ein und blieb bis Kriegsende. Die Firma lieferte ins ‚Altreich‘, wie man Deutschland damals nannte, das war quasi ein ‚Export‘, und ich war dadurch vor dem Spargelstechen in Stendal geschützt. Ich möchte noch erwähnen, dass keine meiner Freundinnen Stendal überlebte. Ich hörte nie mehr etwas von ihnen. Später hat man
erfahren, dass sie nach getaner Arbeit direkt in die Vernichtungslager geschickt wurden. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (Hg.), Jüdische Schicksale. Berichte von Verfolgten, Wien 1992, S. 199 ff. Zit. nach Steffens/Lange (s. Lit.), Bd. 2, S. 174 ff. Faktisch war das Madagaskar-Projekt bereits im Ansatz gescheitert, weil nur dann deutsche Deportationsschiffe auf den Weltmeeren nach Afrika fahren konnten, wenn die Seemacht Großbritannien besiegt war. Trotz seiner mehr als fragwürdigen Umsetzbarkeit wurde der Plan innerhalb der NS-Führung ernsthaft erwogen. Mitte August, als der Luftkrieg gegen England noch im vollen Gang war, vermerkte Goebbels nach einem Gespräch mit Hitler, dass die Juden "später mal nach Madagaskar verfrachtet“ werden sollten. Und noch etwas anderes machte der Madagaskar-Plan deutlich. Allen Beteiligten, ob im Reichssicherheitshauptamt oder im Auswärtigen Amt, war klar, dass auf dieser Insel, die nur teilweise landwirtschaftlich zu nutzen war, keinesfalls Millionen Menschen würden überleben können. Der Madagaskar-Plan besaß bereits eine völkermörderische Dimension, auch wenn noch von einer "territorialen Endlösung“ die Rede war. Tatsächlich wurde im Frühjahr 1940 eine andere Gruppe aus Deutschland deportiert: Roma und Sinti. Schon im 19. Jahrhundert waren "Zigeuner“, wie sie abfällig genannt wurden, Opfer polizeilicher Drangsalierung und gesellschaftlicher Vorurteile gewesen. Kommunen hatten ihnen den Aufenthalt verboten, sie waren als Diebe und Spione verdächtigt und vertrieben worden. Das NS-Regime systematisierte die Verfolgung von Roma und Sinti und gründete bei der Kriminalpolizei eine eigene "Reichsstelle für die Bekämpfung des Zigeunerunwesens“. Ebenfalls unterstützte die Kriminalpolizei die sogenannte Rassenhygienische Forschungsstelle unter Dr. Robert Ritter, die in einem groß angelegten Projekt die in Deutschland lebenden "Zigeuner“ rassistisch erfasste. Tausende von Menschen mussten sich vermessen lassen und Auskunft über ihre Familie geben. 1936 begannen die Internierung von Roma und Sinti in eigenen Lagern an den Stadträndern und ihr Einsatz zur Zwangsarbeit. QuellentextVerfolgung von Sinti und RomaJakob Müller, 1928 geboren, heute in Kaiserslautern. „Als wir aus Worms abgeholt wurden, wurde uns keine Begründung dafür gegeben. Wir lebten in einem großen Gebiet, wo viele
Sinti wohnten. Die haben dann das Areal umstellt und kamen morgens an, in unsere Wohnung in der Kleinen Fischerweide 50, direkt neben der Nibelungenschule. Sie riefen ‚Raus, raus, raus‘, und wir konnten nur das Nötigste mitnehmen. Dann sind wir mit den Lastwagen von Worms direkt nach Frankfurt gekommen. Mein Vater war gar nicht mehr zuhause, er war bei der Deutschen Luftwaffe. Eva von Hase-Mihalik / Doris Kreuzkamp, „Du kriegst auch einen schönen Wohnwagen“. Zwangslager für Sinti und Roma, während des Nationalsozialismus in Frankfurt am Main, Brandes & Apsel Verlag Frankfurt 1990, S. 23 ff. Ende April 1940 ordnete Himmler die Deportation von insgesamt 2500 "Zigeunern“ aus Norddeutschland und dem Rheinland sowie aus Frankfurt und Stuttgart ins Generalgouvernement an. Im Mai nahm daraufhin die Kriminalpolizei im Reich Hunderte von Roma und Sinti fest, internierte sie in provisorischen Lagern und deportierte sie ins besetzte Polen. Dort mussten sie schwere Zwangsarbeit leisten und waren nur notdürftig untergebracht. Im Verlaufe des Winters 1940/41 wurden die Roma und Sinti weitgehend sich selbst überlassen; viele starben an Kälte, Unterernährung und Krankheiten. Etliche versuchten, sich zurück zu ihren Familien nach Deutschland durchzuschlagen, wenige blieben in Polen zurück, um dort auf irgendeine Weise im Untergrund zu überleben. Mittlerweile drängten zahlreiche Instanzen des NS-Regimes darauf, sich der Juden zu entledigen. Nachdem Reinhard Heydrich offenkundig seit längerem mit einem Plan zur "Endlösung der Judenfrage“ beauftragt worden war, dessen Einzelheiten jedoch nicht überliefert sind, erhielt er von Göring am 31. Juli 1941 die Ermächtigung, "alle erforderlichen Vorbereitungen in organisatorischer, sachlicher und materieller Hinsicht zu treffen für eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa.“ Im April 1941 hatte der ehemalige Stellvertreter Heydrichs, Werner Best, der nun als Verwaltungschef der deutschen Besatzung in Paris fungierte, für eine Besprechung mit dem sogenannten Judenkommissar der Vichy-Regierung, Xavier Vallet, die allgemeine Maxime formuliert, dass das deutsche Interesse "in einer progressiven Entlastung aller Länder Europas vom Judentum mit dem Ziel der vollständigen Entjudung Europas“ bestehe, was die Dimension der Planungen innerhalb der SS-Führung markierte. Der "Judenreferent“ in der Deutschen Botschaft in Paris unterbreitete Botschafter Otto Abetz diverse Vorschläge, darunter die Zwangssterilisation sämtlicher französischer Juden, die Abetz bei nächster Gelegenheit mit Ribbentrop und Göring besprechen wollte. Auch die NSDAP-Gauleiter in Deutschland drängten auf eine rasche Deportation der Juden vor allem aus den Städten, damit die frei werdenden Wohnungen ausgebombten "Volksgenossen" zur Verfügung gestellt werden könnten. "In der Judenfrage“, so schrieb Goebbels über eine Unterredung mit Hitler am 19. August 1941, "kann ich mich beim Führer vollkommen durchsetzen. Er ist damit einverstanden, daß wir für alle Juden im Reich ein großes sichtbares Judenabzeichen einführen, das von den Juden in der Öffentlichkeit getragen werden muß […]. Im übrigen sagt der Führer mir zu, die Berliner Juden so schnell wie möglich, sobald sich die erste Transportmöglichkeit bietet, von Berlin in den Osten abzuschieben. Dort werden sie dann unter einem härteren Klima in die Mache genommen.“ Die Behörde von Albert Speer als Generalbauinspektor für Berlin ging zur selben Zeit davon aus, dass demnächst Tausende von Juden bewohnte Wohnungen geräumt würden, um die "Volksgenossen“ mit Wohnungen zu versorgen, und stellte aus seiner Gesamtkartei entsprechende Listen zusammen, die der Berliner Gestapo übergeben wurden. Im September wurde die Drohung Wirklichkeit: Deutsche Juden mussten von nun an in der Öffentlichkeit einen Stern tragen. Die Polizeiverordnung vom 1. September 1941 legte detailgenau fest: "Der Judenstern besteht aus einem handtellergroßen, schwarz ausgezogenen Sechsstern aus gelbem Stoff mit der schwarzen Aufschrift ‚Jude’. Er ist sichtbar auf der linken Brustseite des Kleidungsstücks fest aufgenäht zu tragen.“ QuellentextVictor Klemperer beschreibt die Einführung des „Judensterns“ …Victor Klemperer (1881-1960), Romanist, Hochschullehrer, stammte aus einer jüdischen Familie und war 1912 zum Protestantismus übergetreten. Dennoch verfolgten ihn die Nationalsozialisten als „rassischen Juden“. 1935 wurde er als Professor an der
Technischen Hochschule Dresden entlassen und konnte nur aufgrund der Ehe mit seiner nichtjüdischen Frau Eva überleben. Nach 1945 war er wieder als Professor an den Universitäten Halle, Greifswald und Berlin tätig. Victor Klemperer. Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945, 2 Bände Hg. von Walter Nowojski unter Mitarbeit von Hadwig Klemperer © Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 1995, Bd. I: 1933-1941, S. 663, 671 ... und erlebt die Deportation seiner Bekannten Tagebucheintrag am 25. Oktober 1941:
„Immer wieder erschütternde Nachrichten über Judenverschickungen nach Polen. Sie müssen fast buchstäblich nackt und bloß hinaus. Tausende aus Berlin nach Lodz (‚Litzmannstadt‘).“ In: Ders., Bd. I, S. 681 f., 685, Bd. II: 1942-1945, S. 9, 14 Am 14. September 1941 übersandte Alfred Rosenberg, Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, Hitler ein Memorandum, dass das Deutsche Reich als Vergeltungsmaßnahme, falls die Sowjetunion ihre Ankündigung wahr mache, 400 000 Wolgadeutsche umzusiedeln, seinerseits die Deportation aller Juden Zentraleuropas in den Osten in Angriff nehmen sollte. Zwei Tage später traf Botschafter Abetz mit den Vorschlägen seines "Judenreferenten“ aus Paris in Hitlers Hauptquartier ein. Noch am selben Tag hatte er eine Unterredung mit Hitler, der, laut Abetz’ Aufzeichnungen, von "Vernichtungsphantasien“ gegenüber "Bolschewisten und Asiaten“ erfüllt war. Am 17. September schließlich trug Außenminister Ribbentrop persönlich seine Stellungnahme zu Rosenbergs Vorschlag bei Hitler vor. In diesen Septembertagen fiel die Entscheidung Hitlers, mit der Deportation aller deutschen, österreichischen und tschechischen Juden zu beginnen, noch bevor der Krieg zu Ende sei. Am 18. September teilte Himmler dem Gauleiter des Warthelandes, Arthur Greiser, mit, der "Führer“ wünsche, dass "möglichst bald das Altreich und das Protektorat vom Westen nach dem Osten von Juden geleert und befreit“ werde. Möglichst noch im Jahr 1941 sollten die Juden des Altreichs und des Protektorats vorübergehend in das Getto Litzmannstadt deportiert werden, um sie dann im Frühjahr 1942 "weiter nach dem Osten abzuschieben“. Am 15., 16. und 18. Oktober verließen die ersten Deportationszüge Wien, Prag und Berlin in Richtung Łódz´, später auch nach Riga, Minsk und Kaunas. In den dortigen Gettos, die unmittelbar nach dem Überfall auf die Sowjetunion errichtet worden waren, gab es nicht genügend Räume für die Neuankömmlinge. Die SS erschoss deswegen Tausende von einheimischen Juden, um Platz für die deutschen Juden zu schaffen. QuellentextAus dem Erinnerungsbericht von Chaim Baram(Heinz Behrendt), geboren 1919, der mit seiner Frau am 14. November 1941 von Berlin nach Minsk deportiert worden war: Ungedruckte Quelle aus dem Archiv von Yad Vashem Obwohl damit noch nicht ihre Ermordung beschlossen war, so war doch eine entscheidende Grenze überschritten. Denn bislang
hatte Hitlers politische Linie gegolten, alle Mittel auf die Erringung des Sieges zu konzentrieren und die "Judenfrage“ nach dem Ende des Krieges gegen die Sowjetunion zu "lösen“. Dass er in diesen Septembertagen die bisherigen Einwände beiseite schob und den Forderungen nach Deportation der deutschen und westeuropäischen Juden in den Osten zustimmte, obwohl der Krieg gegen die Sowjetunion noch nicht gewonnen war, durchbrach die letzte immanente Schranke in der Radikalisierung der Politik. Von
diesem Punkt an waren alle Schritte möglich – auch die systematische Vernichtung. Mord an den polnischen JudenSeitdem die Juden auf dem sowjetischen Kriegsschauplatz vom Sommer 1941 an systematisch ermordet wurden, waren auch die polnischen Juden vom Massenmord bedroht. Nachdem sich Generalgouverneur Hans Frank erfolgreich dagegen gesperrt hatte, die Juden aus den besetzten westpolnischen Gebieten in das Generalgouvernement zu deportieren, waren sich die deutschen Besatzungsbehörden unschlüssig, was nun mit den überfüllten Gettos geschehen solle. So waren beispielsweise 140 000 Menschen im Getto Litzmannstadt in Łódz´ zusammengepfercht. Die Enge, die katastrophale Ernährung und mangelhafte Hygiene ließen Epidemien ausbrechen, die den Deutschen wiederum das Schreckensbild und den Vorwand lieferten, dass die Gettos Seuchenherde seien, die rücksichtslos gesäubert werden müssten. Dass die Täter wie selbstverständlich Mord als "Lösung“ betrachteten und die vorsätzliche Tötung sogar als "human“ gegenüber dem Sterben im Getto, zeigt jenes berüchtigte Telegramm, das der regionale SD-Chef Rolf-Heinz Höppner am 16. Juli 1941 an Eichmann als Zusammenfassung verschiedener Besprechungen zur "Lösung der Judenfrage“ im Warthegau schrieb: Es bestehe im kommenden Winter die Gefahr, "daß die Juden nicht mehr sämtlich ernährt werden können. Es ist daher ernsthaft zu erwägen, ob es nicht die humanste Lösung ist, die Juden, soweit sie nicht arbeitseinsatzfähig sind, durch irgendein schnellwirkendes Mittel zu erledigen. Auf jeden Fall wäre dies angenehmer, als sie verhungern zu lassen.“ Im Oktober 1941 bat Gauleiter Greiser Himmler um die Genehmigung, 100 000 als arbeitsunfähig eingestufte Juden töten zu lassen. Daraufhin wurde im nahegelegenen Kulmhof/Chełmno eine Vernichtungsstätte mit Gaswagen errichtet, in denen ab Anfang Dezember systematisch Menschen ermordet wurden. Unter den ersten Opfern waren Roma, die aus dem österreichischen Burgenland nach Łódz´ deportiert worden waren. In Kulmhof/Chełmno starben insgesamt mindestens 152 000 Menschen. Mitte Oktober 1941 hatte Himmler dem SS- und Polizeiführer in Lublin, Odilo Globocnik, allem Anschein nach den Auftrag erteilt, ein regionales Vernichtungslager in Bełz˙ec für die polnischen Juden im Generalgouvernement zu errichten. Zugleich wurde das T4-Expertenpersonal aus der Mordaktion gegen behinderte und kranke Menschen nach Lublin versetzt, um dort die neuen Vernichtungslager, in denen mit Gas getötet werden sollte, aufzubauen. Im Unterschied zu Kulmhof/Chełmno errichtete man in Bełz˙ec erstmals Gaskammern, an die große Panzermotoren angeschlossen wurden, um die Menschen mit den Abgasen zu töten. Nach diesem Modell entstanden weitere Vernichtungsstätten im Bezirk Lublin: Sobibór und Treblinka. Die Entscheidung, die deutschen und westeuropäischen Juden in den Osten zu deportieren, warf für die Täter eine Reihe von Fragen auf, die von den verschiedenen mit der Deportation befassten Instanzen des NS-Regimes gemeinsam abgestimmt werden mussten. Zudem war noch nicht geklärt, ob die – im Warthegau und im Reichskommissariat Ostland bereits gefällten – Entscheidungen, die in den Gettos zusammengepferchten Menschen nach Arbeitsfähigkeit zu selektieren und die angeblich Arbeitsunfähigen mit neuen Tötungsmitteln massenweise und systematisch zu ermorden, von den anderen NS-Institutionen geteilt wurden. Als dringliches Problem für die NS-Führung erwies sich die Behandlung der deutschen und österreichischen Juden, also der Menschen, die aus dem eigenen Land kamen. Von den etwa 20 000 Juden aus Deutschland, die zwischen dem 15. Oktober und 4. November 1941 nach Łódz´ deportiert worden waren, starben etliche an Hunger, Krankheiten und Entbehrung, aber noch wurde keiner von ihnen in Kulmhof/Chełmno ermordet. Die 12 000 deutschen, österreichischen und tschechischen Juden, die im November nach Minsk verschleppt worden waren, kamen ins Getto und blieben vorerst am Leben, wohingegen mehr als 6600 weißrussische Juden wenige Tage zuvor erschossen worden waren. Andererseits tötete das SS-Einsatzkommando 3 sämtliche 4934 Juden aus Deutschland und Österreich, die am 25. und 29. November 1941 in Kaunas/Kowno angekommen waren. Gleichfalls ermordeten SS-Einheiten unter dem Höheren SS- und Polizeiführer Friedrich Jeckeln am 30. November in Riga 1000 Berliner Juden unmittelbar nach ihrer Ankunft. Wannsee-KonferenzAm 20. Januar 1942 fand in der einstigen Villa des Industriellen Ernst Marlier, nun Gästehaus des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, jenes Treffen statt, das als Wannsee-Konferenz in die Geschichte eingehen sollte. Neben Reinhard Heydrich, dem Chef der Gestapo Heinrich Müller und Adolf Eichmann vom Reichssicherheitshauptamt nahmen Staatssekretär Dr. Wilhelm Stuckart aus dem Reichsinnenministerium, der Leiter der Deutschland-Abteilung im Auswärtigen Amt und Unterstaatssekretär Martin Luther, der Staatssekretär im Justizministerium Dr. Roland Freisler, Erich Neumann, Staatssekretär im Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan, und andere hochrangige Vertreter aus dem Staats- und Parteiapparat an dem Treffen teil. Auf der Wannsee-Konferenz wurde nicht, wie früher angenommen, die "Endlösung der Judenfrage“ beschlossen, sondern vielmehr, wie die nachträgliche Niederschrift es ausdrückte, die "Parallelisierung der Linienführung“ vereinbart, das heißt, man verständigte sich auf Mord. An die Stelle der Auswanderung sei nunmehr "als weitere Lösungsmöglichkeit nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten“. Deren Zahl gab Heydrich, nach den überhöhten statistischen Vorlagen Eichmanns, mit elf Millionen an. Europa sollte "vom Westen nach Osten durchgekämmt“ werden, wobei das Deutsche Reich und das Protektorat Böhmen und Mähren "allein schon aus Gründen der Wohnungsfrage und sonstigen sozial-politischen Notwendigkeiten“ vorweggenommen werden müssten. Über elf Millionen Juden sollten im Zuge der "Endlösung der europäischen Judenfrage“ getötet werden. Die detaillierte Länderliste führte auch Staaten wie Irland, Portugal, Spanien, England, Schweden, Finnland, die Schweiz und die Türkei auf, die gar nicht unter deutscher Gewalt standen, was zeigt, wie systematisch, umfassend und unerbittlich diese Täter planten. Ein weiterer, wichtiger Besprechungspunkt war die "Mischlingsfrage“. Die Bestimmungen der Nürnberger Gesetze waren dem Reichssicherheitshauptamt, aber auch der Parteikanzlei und dem Rassepolitischen Amt der NSDAP zu eng gefasst. Sie wollten die "Halbjuden“ den Juden gleichstellen. Für die besetzten Gebiete hatten die Nürnberger Gesetze und deren nachfolgende Durchführungsverordnungen, in denen bürokratisch festgelegt wurde, wer als "Jude“ zu gelten habe, sowieso keine Gültigkeit, aber auch innerhalb des Reichsgebietes wollten die SS und die Polizei Zugriff auf die "Mischlinge“ haben. Das Reichsinnenministerium wie auch Göring lehnten eine Ausweitung der Definition, soweit sie deutsche und österreichische Juden betraf, jedoch ab. Sie fürchteten eine mögliche Unruhe in der Bevölkerung, wenn zum Beispiel Juden, die mit nichtjüdischen Deutschen verheiratet waren, in die Deportationen und Morde einbezogen wurden. Die Wannsee-Konferenz sollte hier Klarheit bringen, aber Heydrich konnte sich nicht gegen Stuckart durchsetzen. Die "Mischlingsfrage“ blieb offen. Dennoch war Heydrich mit dem Ergebnis der Konferenz offensichtlich zufrieden, hatten doch die übrigen Staats- und Parteiinstanzen seine Führung in der "Endlösung der Judenfrage“ anerkannt und den Massenmord als Instrument akzeptiert. Insofern bildet die Wannsee-Konferenz zweifellos einen wichtigen Markstein im Prozess der Radikalisierung der Gewalt (Unter Externer Link: http://www.ghwk.de/wannsee-konferenz/dokumente-zur-wannsee-konferenz/ sind Protokolle der Konferenz als PDF-Dokumente eingestellt, zuletzt abgerufen am 05.03.2018). "Aktion Reinhardt“Im März 1942 setzten dann die "Räumungen“ der jüdischen Gettos im von Deutschland besetzten Polen ein, zunächst in Lemberg und Lublin, deren jüdische Bewohner in Bełz˙ec ermordet wurden. Anfang Mai 1942 kam Sobibór hinzu und in der zweiten Julihälfte Treblinka, wohin die Menschen des Warschauer Gettos gebracht wurden, um dort sofort in den Gaskammern ermordet zu werden. Seit dem Frühjahr 1941 hatte der geschäftsführende Ernährungsminister Herbert Backe bei Hitler immer wieder auf die Lebensmittelkrise im Deutschen Reich aufmerksam gemacht; für den April mussten spürbare Kürzungen der Rationen angeordnet werden, die zu deutlichem Unmut in der Bevölkerung führten – eine gefährliche Situation, in der die NS-Führung stets den Ersten Weltkrieg, in dem die Loyalität der Bevölkerung aufgrund der schlechten Versorgung eingebrochen war, als Warnung vor Augen hatte. Aus dem Generalgouvernement sollten mehr Nahrungsmittel als bisher ins Reich geschafft werden, indem dort die Rationen noch weiter gesenkt würden. Als die deutsche Besatzungsverwaltung einwandte, dass die Rationen für die Polen schon viel zu gering seien, erwiderte Backe, dass es doch im Generalgouvernement noch 3,5 Millionen Juden gebe. Anfang Juli 1942 besprach Backe seine Mordpläne mit Hitler und Göring, zur gleichen Zeit fanden Unterredungen Hitlers mit Himmler statt. Nach einem Besuch des Vernichtungslagers Auschwitz ordnete Himmler am 19. Juli 1942 an, dass es bis zum Jahresende keine Juden mehr im Generalgouvernement geben dürfe. In nur wenigen Monaten, zwischen Juli und November 1942, fielen so weit über zwei Millionen Menschen dem systematischen Völkermord zum Opfer. Unter der Leitung deutscher Polizei trieben meist einheimische Kräfte die Juden in den Gettos aus ihren Häusern. Kranke und behinderte Menschen wurden gleich an Ort und Stelle erschossen. Die übrigen Opfer mussten sich auf einem zentralen Platz sammeln, auf dem anschließend Selektionen stattfanden und entschieden wurde, wer noch "arbeitsfähig“ sei und deshalb vorerst von der Deportation in den Tod ausgenommen werden sollte. Alle anderen wurden zum Bahnhof gebracht und mit Zügen in die Vernichtungsstätten gebracht. Allein in den drei Lagern der "Aktion Reinhardt“ wurden über 1,4 Millionen Menschen mit Gas ermordet. In Bełz˙ec starben etwa 435 000 Menschen, in Sobibór zwischen 160 000 und 200 000. Im Vernichtungslager Treblinka, in das die Juden aus dem Getto Warschau gebracht wurden, wurden etwa 850 000 Menschen getötet. QuellentextDas Todesurteil für das Warschauer GettoMarcel Reich-Ranicki erinnert sich: * SS-Sturmbannführer und Leiter der allgemein „Ausrottungskommando“ genannten Hauptabteilung Reinhard beim SS- und Polizeiführer Marcel Reich-Ranicki, „Ein Tag in meinem Leben“. Rede vor dem Deutschen Bundestag zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2012, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 28. Januar 2012, S. 29 und unter www.bpb.de/apuz/141894/ein-tag-in-meinem-leben QuellentextMord in Bełz´ecKurt Gerstein berichtet über den Tötungsprozess: „Dicht bei dem kleinen zweigleisigen Bahnhof war eine große Baracke, die so genannte Garderobe, mit einem großen Wertsachenschalter. Dann folgte ein Zimmer mit etwa 100 Stühlen, der Friseurraum. Dann eine kleine Allee im Freien unter Birken, rechts und links von doppeltem Stacheldraht umsäumt, mit Inschriften: Zu den Inhalier- und Baderäumen! – Vor uns eine Art Badehaus mit Geranien, dann
ein Treppchen, und dann rechts und links je 3 Räume 5x5 Meter, 1,90 Meter hoch, mit Holztüren wie Garagen. An der Rückwand, in der Dunkelheit nicht recht sichtbar, große hölzerne Rampentüren. Auf dem Dach als ‚sinniger kleiner Scherz’ der Davidstern!! […] Nach einigen Minuten kam der erste Zug von Lemberg aus an. 45 Waggons mit 6700 Menschen, von denen 1450 schon tot waren bei ihrer Ankunft. Hinter den vergitterten Luken schauten, entsetzlich bleich und ängstlich, Kinder durch, die Augen voll
Todesangst, ferner Männer und Frauen. Der Zug fährt ein: 200 Ukrainer reißen die Türen auf und peitschen die Leute mit ihren Lederpeitschen aus den Waggons heraus. Ein großer Lautsprecher gibt die weiteren Anweisungen: Sich ganz ausziehen, auch Prothesen, Brillen usw. Die Wertsachen am Schalter abgeben, ohne Bons oder Quittung. Die Schuhe sorgfältig zusammenbinden […]. Dann die Frauen und Mädchen zum Friseur, der mit zwei, drei Scherenschlägen die ganzen Haare abschneidet und sie in
Kartoffelsäcken verschwinden läßt. ‚Das ist für irgendwelche Spezialzwecke für die U-Boote bestimmt, für Dichtungen oder dergleichen!’ sagt mir der SS-Unterscharführer, der dort Dienst tut. Auszug aus dem Augenzeugenbericht von Kurt Gerstein (1905-1945) über seinen Besuch im Vernichtungslager Bełz´ec 1942 in: Hans Rothfels, „Augenzeugenberichte zu den Massenvergasungen“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1 (1953), S. 177 ff. AuschwitzInsbesondere Auschwitz steht als Name für das schrecklichste Verbrechen in der Menschheitsgeschichte. 1939 zunächst als Lager für polnische politische Häftlinge eingerichtet, wurde es 1941 für Tausende sowjetische Kriegsgefangene ausgebaut. Morde an Häftlingen hatte es in diesen Jahren stets gegeben, aber in der Planung des neuen Lagers in Auschwitz-Birkenau ab September 1941 waren auch zwei Krematorien vorgesehen. Erste Morde mit Zyklon B wurden an sowjetischen Kriegsgefangenen im September 1941 verübt. Ab Juli 1942 liefen dann regelmäßig Züge mit deportierten Juden aus ganz Westeuropa ein. An der Rampe in Birkenau selektierten SS-Ärzte die Menschen in "arbeitsfähig“ und "arbeitsunfähig“, wobei die "Arbeitsunfähigen“, in erster Linie alte Menschen und Mütter mit ihren Kindern, in zwei umgebauten Bauernhäusern, deren Räume als Gaskammern dienten, sogleich ermordet wurden. Später, im Frühjahr 1943, wurden zwei neue große Krematorien, die jeweils über eigene Gaskammern verfügten, fertiggestellt. Ein drittes Lager, Monowitz, entstand in Auschwitz, als der Chemiekonzern I. G. Farben einen Produktionsstandort für ein neues Werksgelände suchte, das kriegswichtiges synthetisches Gummi herstellen sollte. Zwar wurde in Auschwitz kein einziges Kilogramm synthetischer Kautschuk produziert, aber es wurden Pläne für eine deutsche Musterstadt mit einem gigantischem Zwangsarbeitslager entwickelt. Siedlungsvisionen und Vernichtungspolitik gingen stets Hand in Hand. Die wohl am wenigsten zutreffende Metapher für die Vernichtungslager ist die der "Todesfabrik“. So industriell das Verfahren des Tötens in den Gaskammern erscheinen mag, so wenig griff hier ein Rädchen ins andere. Weder in Auschwitz noch in Bełz˙ec, Sobibór oder Treblinka funktionierte eine "saubere“, anonyme Vernichtungsmaschinerie; vor und in den Gaskammern spielten sich grauenvolle Szenen ab. Das Ermorden der Menschen, das Lüften der Gaskammern, das Verbrennen der Leichen, das Sortieren der Habseligkeiten dauerte mehrere Stunden. Hunderte von jüdischen Zwangsarbeitern wurden für diese "Arbeit" eingesetzt. Die Vorstellung einer "Todesfabrik", des reibungslosen Ineinandergreifens vieler Teile einer großen Maschine, verschleiert das tatsächliche, brutale Geschehen und entlastet die Phantasie, sich das Unvorstellbare vor Augen zu führen. Die Ordnung, die das Bild von der Vernichtungsmaschinerie suggeriert, hat es jedenfalls nie gegeben. QuellentextVernichtung durch ArbeitJulius Bendorf überlebt Auschwitz-Monowitz: „Wir kamen in Auschwitz mitten in der Nacht an: Scheinwerfer machten die Gegend taghell, dann scharfe Kommandos, Türen auf, aussteigen. Die schrien: sofort raus, sofort raus, raus. Man hat die Koffer gar nicht mehr mitnehmen können. In der Nacht haben die Ärzte schon entschieden, wer in welche Richtung zu
gehen hatte. Wir mussten uns alle ausziehen und bekamen so eine Art Häftlingsuniform. Sie haben alte Leute und Kinder aussortiert. Also, wir sind dann herausgestiegen und sofort in Viererreihen losmarschiert und dann an diesen Ärzten vorbei, und die haben dann immer gebrüllt: nach links, nach rechts, nach links, nach rechts. Es war die erste Selektion, und ich stand zusammen mit meinem Bruder Manfred, und die rechte Seite kam nach Monowitz. [...] Helmut Beier, Ober-Ramstadt und seine Juden. Dokumente und Berichte. Hg. vom Magistrat der Stadt Ober-Ramstadt 1988, S. 255 ff. Holocaust in West- und SüdeuropaDer erste Deportationszug aus Westeuropa verließ am 27. März 1942 mit über tausend jüdischen Menschen das Lager Compiègne bei Paris in Richtung Auschwitz. Die französische Polizei beteiligte sich an der Verhaftung von Juden. In Frankreich hielten sich 1940 etwa 300 000 Juden auf, zu einem großen Teil Menschen aus Deutschland und anderen Ländern Europas, die vor den Nationalsozialisten dorthin geflüchtet waren. Annähernd 75 000 von ihnen wurden deportiert und ermordet. Viele wurden noch ergriffen, als Deutschland im November 1942 nach der Landung der Alliierten in Westafrika auch in die bislang unbesetzte Zone einmarschierte. In den Niederlanden war es das Lager Westerbork, aus dem die holländischen Juden nach Auschwitz in den Tod deportiert wurden. Von den 140 000 Anfang 1941 in den Niederlanden lebenden Juden betraf dieses Schicksal 107 000 Menschen, von denen nicht mehr als 5200 überlebten. Aus Belgien, wo zahlreiche Juden untertauchen konnten, wurden etwa 25 000 Menschen deportiert; in Norwegen gelang es vielen, rechtzeitig ins neutrale Schweden zu flüchten, sodass dort nur ein Bruchteil der jüdischen Gemeinde den Nationalsozialisten in die Hände fiel. Und in Dänemark konnten die Juden auf die Solidarität und den Widerstandswillen ihrer nichtjüdischen Nachbarn bauen, denn kurz vor der geplanten Deportation im Oktober 1943 gelang es den meisten, mit Booten nach Schweden zu entkommen. Nur 500 der knapp 8000 jüdischen Dänen gerieten in deutsche Hände und wurden nach Theresienstadt deportiert, wo der größte Teil von ihnen überlebte. Im besetzten Serbien begegneten die Militärs dem aufflammenden Partisanenkampf mit dem Befehl, für jeden getöteten Deutschen 100 Juden zu ermorden. Bis zum Jahresende 1941 lebte fast keiner der 6000 jüdischen Männer mehr, die etwa 8500 Frauen und Kinder wurden in das Lager Sajmište in Belgrad verschleppt und dort im Frühjahr 1942 von SS und Polizei in Gaswagen qualvoll umgebracht. Der kroatische Ustascha-Staat, der gleichermaßen mörderisch gegen die serbische Minderheit im Land wie gegen die Roma vorging, raubte die kroatischen Juden gnadenlos aus und tötete sie dann im Lager Jasenovac. War der Süden Kroatiens zunächst noch von italienischen Truppen besetzt, die sich weigerten, Juden an die deutschen Behörden auszuliefern, so fiel auch dieser Schutz weg, als das faschistische Regime Italiens im September 1943 zusammenbrach. Auch die Juden, die dort bislang überlebt hatten, wurden nun von den Deutschen in den Tod deportiert. Griechenland geriet mit dem Balkanfeldzug im Frühjahr 1941 ebenfalls unter deutsche und italienische Gewalt. Hier agierte die Militärbesatzung mit äußerster Härte gegen Widerstandsaktionen. Als zum Beispiel in der Region Kalavryta im Dezember 1943 kommunistische Partisanen eine deutsche Kompanie angriffen und dabei etwa 80 deutsche Soldaten erschossen, befahl der kommandierende Wehrmachtsgeneral, Kalavryta sowie all diejenigen Orte, die angeblich die Partisanen unterstützt hätten, "dem Erdboden gleichzumachen“. Innerhalb weniger Tage wurden 24 Ortschaften und drei Klöster niedergebrannt und deren Bewohner erschossen. Insgesamt wurden während der deutschen Besatzungszeit 180 000 Griechen getötet; von den etwa 71 000 griechischen Juden wurden 55 000, nachdem sie systematisch ausgeraubt worden waren, nach Auschwitz und Treblinka deportiert, zunächst aus den von Deutschland besetzten Westteilen Griechenlands, später, nach Mussolinis Sturz im September 1943, auch aus den übrigen, vordem italienisch besetzten Landesteilen. Bulgarien und Rumänien als verbündete Mächte erließen harte antisemitische Gesetze, lieferten aber ihre jüdischen Minderheiten, soweit sie die jeweilige Staatsbürgerschaft besaßen, nicht aus – im Unterschied zur Slowakei, die ihre Juden in die Gewalt der Deutschen übergab. Gegenüber den Juden in den eroberten und besetzten Gebieten dagegen verhielten sich die Rumänen äußerst brutal. Zehntausende wurden aus Czernowitz und der Bukowina nach Transnistrien verschleppt und dort entweder erschossen oder dem Tod durch Hunger, Kälte und Seuchen preisgegeben. Über 211 000 jüdische Menschen fielen der Verfolgung zum Opfer. Von den 3,3 Millionen polnischen Juden wurden mehr als zwei Millionen in den Vernichtungslagern Chełmno, Sobibór, Bełz˙ec, Treblinka, Auschwitz und Majdanek ermordet. Weitere etwa 700 000 Menschen starben in Gettos, Arbeitslagern und durch Erschießungen. Aber in Polen und der Sowjetunion gab es auch Widerstand durch Partisanen, und der jüdische Aufstand im Getto Warschau im Mai 1943 zeigte, obwohl er brutal niedergeschlagen wurde, dass die Macht der Deutschen nicht uneingeschränkt und unverwundbar war. Im März 1944 marschierte die Wehrmacht in Ungarn ein, weil die NS-Führung zum einen befürchtete, Ungarn könne wegen der militärisch aussichtslosen Lage aus dem Bündnis mit Deutschland ausscheren. Zum anderen war die deutsche Kriegswirtschaft dringend auf die dortigen Rohstoffe, Nahrungsmittel und vor allem Arbeitskräfte angewiesen. Ein Sonderkommando unter Adolf Eichmann organisierte zusammen mit der ungarischen Polizei die Deportation von über 430 000 ungarischen Juden nach Deutschland, nachdem sie all ihrer Habe beraubt worden waren. Etwa 100 000 wurden zur Sklavenarbeit auf die wichtigsten Rüstungsbetriebe verteilt, während alle anderen in Auschwitz ermordet wurden. Als im Oktober sowjetische Truppen auf Budapest vorrückten, unterstützten die deutschen Besatzer einen Putsch der faschistischen "Pfeilkreuzler“ gegen den ungarischen Diktator Miklós Horthy und trieben mit ihren ungarischen Helfershelfern, da Züge nicht mehr fahren konnten, über 75 000 Menschen auf Todesmärschen zum Arbeitseinsatz in Richtung Deutsches Reich. Von den über 700 000 Juden, die im März 1944 in Groß-Ungarn gelebt hatten, überlebten nur 293 000. QuellentextDie „Auschwitzlüge“Das Ausmaß des nationalsozialistischen Völkermords, die Massenerschießungen von Juden zu Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion im Sommer 1941 und die spätere fabrikmäßige Tötung mit Giftgas haben die Vernichtung der europäischen Juden zu einem einzigartigen Phänomen in der Geschichte Europas gemacht, mit dem es
sich nach Kriegsende auseinanderzusetzen galt. Gerichtsprozesse, wissenschaftliche Forschungen und Erinnerungsberichte führten zu immer differenzierteren und umfangreicheren Kenntnissen über den Holocaust bzw. die Shoah. Die Öffnung der Archive in den ehemaligen Ostblockstaaten gab der Forschung neue Impulse und brachte insbesondere auf dem Gebiet der Täterforschung weitere und detailliertere Erkenntnisse über die Vernichtungsmaschinerie. Juliane Wetzel, „Die Auschwitzlüge“, in: Wolfgang Benz / Peter Reif-Spirek (Hg.), Geschichtsmythen. Legenden über den Nationalsozialismus, 2. Aufl., Metropol-Verlag Berlin 2005, S. 27 ff. |