Wenn demenzkranke nicht mehr essen wollen

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Eine Demenz beeinträchtigt nicht nur die Gedächtnisleistung des Betroffenen, sondern auch dessen Ernährungsverhalten. Kommt noch eine typische Unruhe hinzu, steigert sich der Kalorienverbrauch schnell auf 3000 bis 4000 pro Tag. Mit Verständnis und kleinen Tricks gelingt es Pflegenden, die Erkrankten zum Essen und Trinken anzuhalten.

Bei Demenz ändert sich das Ernährungsverhalten

Eine Demenz hat nicht nur einen Gedächtnisverlust zur Folge. Hunger, Durst und Sättigung werden nicht immer richtig wahrgenommen, sodass ständig oder kaum noch gegessen wird. Typisch ist die Abneigung der Betroffenen bei sauren, salzigen und bitteren Speisen. Süße Lebensmittel werden dagegen bevorzugt. Einkauf, Zubereitung der Speisen und das Essen und Trinken selbst werden vergessen, mitunter auch abgelehnt, weil die Erkrankten sich im Glauben befinden, gerade schon gegessen zu haben. Angst vor verdorbenen oder gar vergifteten Lebensmitteln führt dazu, dass Speisen ganz abgelehnt werden.

Die Situation am Esstisch wird nicht mehr verstanden, der Umgang mit Geschirr und Besteck ist nicht präsent, Tischmanieren gehen verloren. Werden die Betroffenen deshalb von Tischnachbarn beschimpft, ziehen sich manche zurück und verweigern ganz das Essen und Trinken. Die neurologischen Veränderungen führen dazu, dass Demente sich häufig verschlucken. Wird nicht mehr ausreichend gegessen und getrunken, ist das Risiko für eine Mangelernährung und Austrocknung besonders hoch.

Die Nahrung sollte energie- und nährstoffreich sein

Grundsätzlich gelten für Demenzkranke die gleichen Ernährungsempfehlungen wie für gesunde ältere Menschen: Die Kost sollte ausreichend Energie und reichlich Nährstoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Flüssigkeit liefern. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Speisen nicht mehr so gut vertragen werden und auch die Fähigkeiten beim Kauen und Schlucken gestört sind.

Empfohlene Zusammensetzung der Nahrung

Obst und Gemüse sind reich an Vitaminen und sollten zu jeder Mahlzeit verzehrt werden. Weiches beziehungsweise gegartes Obst wie Apfel- oder Pflaumenkompott, zerdrückte Banane oder Birne beziehungsweise ein Salat aus gegarten Bohnen oder Möhren sind für viele Senioren besser verträglich als Rohkost. Haferflocken- oder Grießbreie, Pudding- und Quarkspeisen sowie Milchgetränke sollten stets mit Obst oder Obstpüree ergänzt werden. Bei Suppen und Eintöpfen sind solche aus Gemüse zu bevorzugen, die bei Kau- und Schluckbeschwerden püriert werden können.

Viele Senioren meiden Vollkornbrot, -nudeln oder Naturreis. Da diese aber mehr Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe aufweisen als ihre „weißen“ Vertreter, sollten Senioren ermuntert werden, verstärkt auf Vollkornprodukte zurückzugreifen. Weicher Vollkorntoast und Vollkornbrot aus fein gemahlenem Mehl ohne Schrotanteile und Saaten sowie gut ausgequollene Vollkornnudeln werden auch von Älteren akzeptiert.

Milch und Milchprodukte, wie Joghurt oder Käse, sind gute Eiweiß- und Kalziumlieferanten und sollten mehrmals täglich auf den Tisch kommen. Da die Aktivität des Milchzucker spaltenden Enzyms Laktase im Alter abnimmt, leiden Senioren verstärkt an Laktoseintoleranz. Die Betroffenen sollten dann auf laktosefreie Milchprodukte zurückgreifen oder Laktasepräparate einnehmen.

Mehr Energie notwendig

Demenzerkrankte mit hohem Bewegungsdrang brauchen reichlich Energiezufuhr. Vollmilch, Schnittkäse mit mehr als 45 Prozent Fett i.Tr., Doppelrahmfrischkäse, Sahnequark, Fleisch-, Streich- und Brühwürste sowie Fettfische sind daher zu bevorzugen. Suppen, Soßen, Gemüsegerichte und andere Speisen können mit Ölen, Butter, Sahne oder Schmand angereichert werden. Reichlich Energie liefern auch Milchshakes und Trinkjoghurte mit etwas Sahne oder Öl.

Da Süßes bevorzugt wird, sollten auch pikante Speisen gesüßt werden. So kann ein Käsebrot mit Sirup oder Marmelade bestrichen werden, zu Salat- oder Tomatensoßen passen Honig oder Zucker. Lässt sich damit der erhöhte Energiebedarf nicht decken, können Trinknahrungen oder Energie- und Nährstoffkonzentrate helfen. Da sie sehr sättigen, sollten sie nicht vor oder zu den Mahlzeiten getrunken werden, sondern besser zwischendurch.

Überredungsversuche zum Essen und Trinken sind bei Demenzkranken wenig erfolgversprechend. Eher wecken Redewendungen wie: „Das schmeckt köstlich. Probier mal!“ oder genüssliches Schmatzen das Interesse am Essen.

Bunte Gläser regen zum Trinken an

Besonderer Augenmerk muss auf das Trinken gelegt werden. Notwendig sind mindestens 1,5 Liter Flüssigkeit, über den Tag verteilt. Mineral- und Leitungswasser sind zwar für die Flüssigkeitsversorgung am besten, schmecken den meisten Demenzkranken jedoch nicht. Süße Säfte und Nektare, wie Pfirsichnektar oder Traubensaft, werden dagegen gerne getrunken und können hier zur Flüssigkeitsversorgung beitragen. Auch leicht gesüßte Kräuter- und Früchtetees oder Saftschorlen sind günstig.

Getrunken werden sollte zu allen Mahlzeiten und zwischendurch. Als Erinnerungsstütze dienen gefüllte Gläser oder Becher an Plätzen, an denen der Senior sich überwiegend aufhält oder häufig vorbeigeht. Da farblose Gläser oder weiße Becher bzw. Tassen schlecht erkannt werden, sollten Geschirr in kräftigen Farben und farbige Getränke (Säfte, Schorlen mit Saft oder Sirup) gewählt werden. Rituale wie die Teestunde, der Nachmittagskaffee, das Zuprosten oder Trinksprüche animieren zum Trinken. Auch das Geräusch des Flaschenöffnens oder des Einschenkens lädt zum Trinken ein.

Das Essen muss vertraut sein

Wichtiger als gesunde Kost sind für Demenzkranke jedoch vertraute und gewünschte Speisen. Viele Senioren lehnen Unbekanntes und Neues ab und bevorzugen Lebensmittel, die sie schon von Kindesbeinen an kennen. So essen Ältere Kartoffeln lieber als Reis oder Nudeln. Auch einfache Gerichte, Eintöpfe und Suppen werden eher geschätzt als ein aufwändiges Menü.

Manche Speisen oder Lebensmittel werden zudem abgelehnt, weil sie unliebsame Erinnerungen an Krieg, Hungerzeiten oder persönliche Erlebnisse wecken. Mit liebgewonnenen, vertrauten Gerichten und Ritualen dagegen fühlen sich gerade Demenzkranke heimisch, sie liefern Sicherheit und Orientierung.

Soweit möglich, sollten sie an der Speiseplangestaltung, beim Einkauf und bei der Vor- und Zubereitung eingebunden werden. Denn das gemeinsame Planen der Mahlzeit, das Aussuchen der Lebensmittel, das Waschen, Putzen, Schneiden und Kochen, der Geruch von Essensdüften und das Klappern von Geschirr und Besteck wecken die Lust auf das Essen.

Ess- und Trinkbiografie

Um herauszufinden, welche Speisen, Getränke und Gewohnheiten rund um die Mahlzeiten positive Gefühle hervorrufen, ist bei Demenzkranken das Erstellen einer Ess- und Trinkbiografie hilfreich. Dabei wird gefragt, was dem Senior früher gut geschmeckt hat, welche Lebensmittel aus welchem Grunde nicht gegessen wurden und wie die Mahlzeiten an Werk-, Sonn- und Festtagen aussahen.

Meistens sind es liebgewonnene Kleinigkeiten, die dazu beitragen, das Essen und Trinken zu genießen, zum Beispiel die gewohnte Tasse Kaffee zum Nachtisch, der gute Sonntagsbraten, ein Tischgebet. Wird dies bei der Speiseplanerstellung berücksichtigt, kehren bei den meisten auch der Appetit und die Freude am Essen zurück.

Fragen zum Erstellen einer Essbiografie

Fragen zum Erstellen einer Essbiografie

  • Wo und wie haben Sie gelebt (in der Stadt, auf dem Land, in einer Klein- oder Großfamilie)?
  • Welche Mahlzeiten gab es, und wurden diese gemeinsam eingenommen?
  • Wurde zu Hause gekocht? Von wem?
  • Was wurde zu den einzelnen Mahlzeiten gegessen?
  • Gab es traditionelle Gerichte an Sonn- und Feiertagen?
  • Was war das Lieblingsessen während der Kindheit?
  • Welche Gerichte mochten Sie zum Frühstück, Mittag- und Abendessen gern, welche weniger gern?
  • Welche Tischsitten und -rituale gab es?
  • Gab es unangenehme Erlebnisse rund um das Essen?
  • Haben Sie bei bestimmten Lebensmitteln besondere Erinnerungen?

Fingerfood und eat by walking

Feste Essenszeiten, gleichbleibende Sitzplätze, eine entspannte Atmosphäre und eine Tischgemeinschaft, die die veränderten Tischmanieren des Dementen akzeptiert, animieren zum Essen. Kann nicht mehr mit Besteck umgegangen werden, ist Fingerfood die Lösung. Das Essen wird in kleinen Häppchen angeboten, die mit den Fingern gegriffen und mit ein oder zwei Bissen gegessen werden können. Dazu eignen sich kleine Kartoffeln oder Kartoffelecken, Kroketten, Buletten, Fingermöhren, Blumenkohlröschen, stichfeste Aufläufe, Obststücke oder belegte Brote.

Durch die innere Unruhe hält es viele dennoch nicht lange am Esstisch. Für Demente mit hohem Bewegungsdrang bietet sich „eat by walking“, also essen im Gehen, an: An Imbissstationen erhält der Senior auch außerhalb der Essenszeiten Fingerfood und Getränke, die er quasi im Vorübergehen greifen kann.

Über den Autor

Beate Ebbers ist Diplom-Oecotrophologin.

Was passiert wenn Demenzkranke nicht mehr Essen und Trinken?

Die neurologischen Veränderungen führen dazu, dass Demente sich häufig verschlucken. Wird nicht mehr ausreichend gegessen und getrunken, ist das Risiko für eine Mangelernährung und Austrocknung besonders hoch.

Wie lange kann ein Demenzkranker ohne Essen leben?

Viele Menschen gehen davon aus, dass man ohne Nahrung und Flüssigkeit innerhalb weniger Tage müde werde und versterbe. Tatsächlich kann sich der Prozess über Wochen hinziehen. In dieser Zeit müssen Ärzte immer wieder überprüfen, ob der Wille des Betroffenen noch besteht.

Wie sieht das Endstadium bei Demenz aus?

Im Endstadium versiegt die Sprache fast völlig, auch die Kontrolle über Darm und Blase setzt aus. Nicht zuletzt ein Versteifen der Gliedmaßen verhindert ein Gehen ohne Hilfe, auch Krämpfe sind möglich. Weil die Infektanfälligkeit steigt, führt oft nicht Alzheimer selbst, sondern der Infekt schließlich zum Tod.

Warum hören Demenzkranke auf zu Essen?

Liegen keine körperlichen Ursachen vor, gilt es zu eruieren, was hinter der Verweigerung steht und das ist meist schwieriger. Manche Patienten möchten nicht mehr essen, weil „es nicht mehr schmeckt, wie früher“. Das liegt meist daran, dass eben im Alter das Geschmacksempfinden nachlässt.

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