Wenn die Seele krank ist schreit der Körper

Die Seele, was soll das sein? Gibt es sie überhaupt? Die Psychotherapeutin Sabine Wery von Limont kann die Seele ganz genau im Körper verorten - und erklären, wie sie uns krank macht. Ein Auszug.

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Wenn die Seele krank ist schreit der Körper

Nicht jeder Schmerz hat eine organische Ursache. Oft steckt dahinter ein seelisches Problem

Quelle: Getty Images/Ikon Images

Man kann das alles für Esoterik halten. Für das Gequatsche von Menschen, die Makramees knoten und denken, dass auch Gemüse Gefühle hat. Oder man kann sich mal ernsthaft damit auseinandersetzen, dass es sie vielleicht gibt - die Seele. So wie die Psychotherapeutin Sabine Wery von Limont, die einst neben Psychologie auch Wirtschaft studierte und schon allein deshalb nicht wie der Typ für Esoterik und Makramees erscheint. Mehr wie der Typ für Fakten.

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In ihrem Buch „Das geheime Leben der Seele“ erklärt sie sehr anschaulich, was die Seele eigentlich ist, ein richtiges Teil vom Körper nämlich, das limbische System. Das Gehirn, schreibt Wery von Limont, sammelt die Daten, das limbische System liefert die Gefühle dazu - und ist deshalb so wichtig für unser ganzes Dasein, das Wohlbefinden, das psychische wie das körperliche. Es ist naheliegend, dass uns die Seele sogar krank machen kann. In diesem Auszug aus ihrem Buch erklärt Wery von Limont, wie das möglich ist.

Alles bloß Einbildung?

Es ist eine tägliche Tragödie: Die Menschen klagen über Schmerzen in Rücken, Bauch, Kopf oder den Gelenken, sie fühlen sich müde und erschöpft, haben Herz- oder Atembeschwerden, Magen-Darm- Probleme oder Schwindel – und kein Arzt kann eine eindeutige organische Ursache für ihre Probleme aufspüren. Irgendwann hört der eine oder andere schließlich den Begriff „somatoforme Störung“. Zusammen mit Depressionen und Angststörungen gehören sie zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in Deutschland.

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80 Prozent der Bevölkerung haben zumindest zeitweise eines der Symptome. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer. In der Regel gehen die Beschwerden nach einer Zeit von selbst weg, oder sie werden vom Betroffenen nicht sonderlich beachtet. Bei manchen Menschen halten die Beschwerden allerdings über einen längeren Zeitraum an und können den Alltag der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.

Auch die Autorin dieses Buches hatte Psychosen und seelische Probleme

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Aber wenn sich körperlich nichts feststellen lässt, was haben diese Menschen dann bloß? Bilden sie sich das alles nur ein? Sind sie zu wehleidig? – Nein, nichts von alledem. Sie sind jedoch einer großen Gefahr ausgesetzt, indem sie genau mit solchen Vorurteilen konfrontiert werden oder selbst anfangen, so zu denken.

Teil des Problems ist, dass wir Menschen für Krankheiten immer gerne eine klare Ursache haben: Wenn irgendwo etwas wehtut, dann muss das ja einen Grund haben. Einen „echten“ Grund wie eine Verletzung, einen Knochenbruch, eine Entzündung oder die Fehlfunktion eines Organs. Bei den somatoformen Störungen sind die Ursachen aber ganz andere, als wir es uns durch unser Modell von Ursache und Wirkung so vorstellen. Manchmal ist der Anfang zu dieser Erkrankung damit gemacht, dass eine Information in Bereiche hindurchschlüpft, in die sie eigentlich nicht gehört.

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Dazu zunächst ein paar unglaublich beeindruckende Zahlen: Unsere Sinnesorgane versorgen das Gehirn mit rund 20 Millionen Bit an Informationen – pro Sekunde. Bewusst verarbeitet das Gehirn davon allerdings im selben Zeitraum nur rund 40 Bit. In unser Bewusstsein gerät also wirklich nur ein äußerst dünner Ausschnitt von dem, was in uns und um uns herum passiert. Wir registrieren nicht nur, was die Umwelt so hergibt, sondern auch, was drinnen in unserem Körper so los ist. Es gluckert, blubbert, pocht und verdaut. Unser Körper ist die ganze Zeit in Action. Dabei geht er allerdings sehr diskret vor und lässt uns mit dem Großteil seiner Wahnsinnsarbeit in Ruhe. (...)

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Manchmal kann aber doch etwas aus dem Körperinnern in den Fokus unserer Aufmerksamkeit geraten, und obwohl es keiner eingeladen hat, richtet es sich dort dauerhaft ein. Das kann zum Beispiel während einer besonders belastenden Lebenssituation passieren. Jemandem steht eine wichtige Präsentation vor sehr vielen Menschen bevor, und sein Körper reagiert schon nur beim Gedanken daran mit einem eigentlich normalen Vorgang: Das Herz schlägt schneller, er verspannt sich oder bekommt einen nervösen Magen. In so einer Situation kommt ein Faktor dazu, den man „somatosensorische Verstärkung“ nennt. Stress und Ängste können einen Menschen in einen Zustand versetzen, in dem er dazu neigt, seinen Körper verstärkt zu beobachten. Durch diese erhöhte Selbstbeobachtung verändert sich die Wahrnehmung möglicher Körpermissempfindungen, die auch „Körpersensationen“ genannt werden. Das heißt, die Intensität wird stärker erlebt und oft fehlerhaft bewertet.

Es kann sein, dass jemand, der seinen Herzschlag ansonsten kaum beachtet, durch das starke Pochen in der Brust plötzlich beunruhigt ist. „Ist das noch normal? Nicht, dass es etwas Ernsthaftes ist“, fragt man sich dann. Und schwupp ist der erste Schritt in eine Aufmerksamkeits- und Befürchtungsspirale getan: Je intensiver ein Mensch seine Aufmerksamkeit nun auf die Beschwerden lenkt, desto stärker werden sie. (...) Damit sich die Beschwerden nicht verschlimmern, beginnen viele Betroffene, sich zu schonen. Sie meiden körperliche Aktivität, um zum Beispiel Schmerzen zu lindern oder das Herz nicht herauszufordern. Das ist vielleicht mal wieder kurzfristig gut, langfristig kann es zu einer schlechteren körperlichen Verfassung und damit zu noch mehr oder neuen Missempfindungen führen und zu weiterem psychischen Leid. Körperliche Beschwerden über lange Zeit machen auch die Seele fertig.

Von der Notwendigkeit, die Seele ernst zu nehmen

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Manchmal wirkt die Seele so, als würde sie alles Mögliche willkürlich machen. Aber eigentlich macht sie nur, was sie gelernt hat. Manchmal schickt der Schmerz uns auf eine unheimlich spannende Reise: jener zu uns selbst und all dem, vor dem wir am liebsten die Augen verschließen würden. Aber die Seele wird immer wieder an uns rütteln. Sie wird versuchen, uns zu zwingen, sie ernst zu nehmen und sich ihr zu widmen – manchmal durch seelisches Leid, manchmal durch körperliches, manchmal durch beides.

Es klingt ein bisschen wie der Plot eines Hollywoodfilms: Man muss sich seinen dunkelsten Seiten stellen und sich mit ihnen auseinandersetzen, wenn es im Leben insgesamt wieder heller werden soll. An dieser Theorie ist mehr dran, als man meinen würde. Sie ist eine neurologische Notwendigkeit. Sie geht von einer Funktionseinheit in unserem Gehirn aus, die sehr eng mit dem limbischen System und mit unserer Seele verbunden ist: Diese Einheit heißt „anteriorer cingulärer Kortex“, den man einfachheitshalber auch ACC nennen kann.

Wenn die Seele krank ist schreit der Körper

Sabine Wery von Limont hat schon als Psychotherapeutin für Wirtschaftsunternehmen, Kliniken und eine Online-Dating-Seite gearbeitet. Heute hat sie eine Praxis in Hamburg

Quelle: Holger Pietsch

Der Psychotherapieforscher Klaus Grawe hat den ACC ausführlich erforscht und ist zu dem Schluss gekommen, dass diese Einheit immer dann aktiv wird, wenn wir irgendeine Form von „Inkonsistenz“ spüren: Das kann eine missliche Lage sein, in der wir uns befinden, ein Konflikt, aber auch Schmerzen oder eine psychische Belastung. Grawe ist sicher, dass der ACC dann eine ganz spezielle Aufgabe hat: Er registriert die Inkonsistenz nicht nur, er ist auch dafür da, dass der Mensch seine Aufmerksamkeit explizit auf die Quelle der Inkonsistenz lenkt. Der ACC soll uns demnach dabei helfen herauszufinden, wer oder was unsere missliche Lage verursacht. Vor dem Hintergrund unseres Grundbedürfnisses nach Kontrolle ergibt das sehr viel Sinn. Wenn ein Mensch weiß, was die Ursache seines Leids ist, kann er sich damit auseinandersetzen, eine gesunde Einstellung dazu entwickeln und damit eine Form der Kontrolle zurückgewinnen. (...)

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Nach Grawes Theorie wird die Arbeit des ACC auch dadurch immer wieder lahmgelegt, weil ein Mensch auf Inkonsistenz sehr oft mit Verdrängung reagiert, also wenn wir unsere Probleme immer wieder leugnen, wegschieben, bagatellisieren und nicht konstruktiv darüber nachdenken können. Dieser Pfad wird dann stärker als das, was der ACC eigentlich von uns will: Auseinandersetzung und Kontrolle. Stattdessen wirken die verdrängten ungelösten Probleme immer wieder auf uns ein – als seelischer oder körperlicher Schmerz. (...)

Wenn die Natur sich extra die Mühe macht und sich eine Funktionseinheit ausdenkt, die unserer Seele einflüstert: „Suche und widme dich den Dingen, die dich verletzen“, dann ist das mehr als ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Wie zeigt der Körper das die Seele leidet?

Mögliche Zusatzsymptome: Schlafstörungen, Grübelzwang, Hoffnungslosigkeit, Appetitlosigkeit, Konzentrationsstörungen, niedriges Selbstwertgefühl/Selbstvertrauen, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle und Suizidgedanken.

Kann seelischer Schmerz körperliche Leiden hervorrufen?

Tatsächlich können sich Stress, Trauer oder ungelöste Konflikte körperlich äußern und zu Schwindel, Schmerzen, Herzrasen oder Verdauungsstörungen führen. Denn Psyche und Körper stehen in enger Beziehung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig.

Was tun wenn die Seele nicht mehr kann?

Tipps zur Selbsthilfe, wenn die Seele nicht mehr kann.
Entspannungsübungen wie Yoga, Autogenes Training, Meditation..
Sport und Bewegung (täglich bei Tageslicht).
Wahrnehmen sozialer Kontakte, um sich auszutauschen..
Beachten einer vollwertigen Ernährung..
Beachten einer ausgegelichenen Work-Life-Balance..

Wie wirken sich psychische Probleme auf den Körper aus?

Chronische Anspannung, Überforderung, dauernde Angst, Gefühle von Hilflosigkeit und Einsamkeit führen zu unterschiedlichen körperlichen Reaktionen: Sie belasten zum Beispiel den Stoffwechsel, das Immunsystem und die Organe, sie stören den Schlaf und führen zu einer Verkrampfung der Muskulatur.