Wer definiert was kunst ist

Wer definiert was kunst ist

Was ist Kunst? (© agcreativelab - stock.adobe.com)

Die Kunst ist – frei nach Honoré de Balzac (1799–1850) – ein Stück Kultur, durch ein Temperament gesehen.

Die Bedeutung von Kunst

Mit dieser metaphorischen Auslegung gelingt es dem französischen Romancier und Kulturkritiker wesentlich besser, das Wesen der Kunst zu pointieren, als es der eher triviale Satz: „Kunst kommt von Können“, auszudrücken vermag. Ein solcher Erklärungsversuch kann bestenfalls einen Sekundärbereich berühren, weil er sich fast ausschließlich auf Fertigkeiten bezieht, bei denen die emotionale Erlebnisfähigkeit nicht die notwendige Berücksichtigung findet. Nur unter dieser eingeschränkten Perspektive hat die Bezeichnung „Künstler“ für Artisten und ähnliche Protagonisten der Unterhaltungsbranche eine gewisse Berechtigung.

Damit wird klar, dass der Begriff Kunst mehrere Bedeutungen haben kann. Genau genommen unterliegt er einer primären und zwei sekundären Gewichtungen, denn nicht nur für ein darstellerisch-technisches, sondern auch für ein herstellerisches Können kennt unsere Umgangsprache den Terminus Kunst. Dabei entsteht mit dem Wort künstlich eine dritte Bedeutungsebene, wenn es im Gegensatz zu natürlich gebraucht wird. Im weitesten Sinne steht der Begriff Kunst für eine künstlerische Ausdruckskraft und deren Erzeugnisse, nachgeordnet für technisches Können und ebenfalls nachgeordnet für die künstliche Herstellung eines Produktes wie Kunsthonig oder Kunstblumen, also künstliche Nachahmung von etwas Natürlichem. Wird das Wort Kunst für technisches Können verwendet, besteht zumindest noch in Bezug auf eine besondere Begabung eine Verbindung zu diesem Kunst-Begriff. Nur für „künstliches“ Herstellen, im Gegensatz zu natürlich Entstandenem gebraucht, verschwindet auch diese Verbindung. Zwischen „Kunststoff“ und einem „Kunstwerk“ besteht eben nur noch eine semantische Beziehung, aber keine Übereinstimmung auf der Bedeutungsebene. Wird jedoch die „künstliche Intelligenz“ angesprochen, verbindet sich wieder die Kunst eines technischen Könnens mit dem Begriff von künstlichem Herstellen. So kommt es zwar bei den drei Bedeutungsebenen zu keiner Identität, aber es lässt sich eine Beziehung erkennen, welche auf einen historischen Hintergrund verweist.

Aber nicht nur aus dieser relativ einfachen vertikalen Sicht bedarf es einer Klarstellung in der Begrifflichkeit, sondern mehr noch auf der horizontalen Ebene, welche kulturelle, ethische und psychologische Komponenten mit einschließt. Werden diese Zusammenhänge nicht differenziert betrachtet und das primäre Phänomen Kunst nicht in seiner universellen Gesamtheit erfasst, kann es in der Lebenswirklichkeit – und gelegentlich auch in der Kunstkritik – zu schweren Missverständnissen kommen, mit zum Teil sinnentstellenden Fehlinterpretationen von Gegenstand und Inhalt.

Mit dem Begriff Kunst, wie sich dieses Phänomen wissenschaftlich und philosophisch darstellt, wird die Summe eines sensiblen Ausdrucks- und Gestaltungsmediums bezeichnet, welches dort beginnt, wo Sprache endet. Alles was verbal mit Worten allein nicht zu erklären ist, versucht die Kunst auf der nonverbalen Ebene zu vermitteln. Sie dient damit auch der Befriedigung emotionaler Bedürfnissen. Für Jürgen Habermas (*1929) ist Kunst einer der Handlungsbereiche, die sich im Zuge des neuzeitlichen Rationalisierungsprozesses innerhalb der Kultur ausdifferenziert haben und den grundlegenden rationalen Weltbezügen des Menschen entsprechen. Mit diesem Medium gestalten Künstler Werke ihrer subjektiven Welterfahrung, die sie als exemplarisch empfinden. Das Kunstwerk wird dabei zu einem Kommunikationsmedium. Analytisch betrachtet sind drei Ebenen zu unterscheiden. Der Gegenstand, der Inhalt der Gegenstände und eine historische Entwicklung.

Kategorien

Der Gegenstandsbereich von Kunst lässt sich – vereinfacht betrachtet – in drei Kategorien unterteilen:

  • die Bildende,
  • die Schöpferische und
  • die Darstellende Kunst.

Diese Einteilung kann sich jedoch nur auf die Schwerpunkte beziehen. Zwischen den einzelnen Kategorien bestehen stufenlose Übergänge, so dass in jeder Kategorie Merkmale der anderen Kategorien in verschieden starker Ausprägung vorhanden sind. So ist die bildende Kunst zwar auch eine schöpferische, aber was den Theater- und Musikbetrieb betrifft, ist die schöpferische von der darstellerischen Seite noch einmal getrennt zu betrachten. Hier entstehen eigenständige Kategorien. Zur Kategorie der schöpferischen Kunst zählen die Werke der

  • Dichterund
  • Schriftsteller

in Poesie und Prosa sowie die der Komponisten, zur darstellenden Kunst die Tätigkeit der

  • Schauspieler,
  • der Sänger und
  • der Instrumentalsolisten.

In der letzten Kategorie spielt natürlich das technische Können eine herausragende Rolle. Hier scheint auch die Quelle der bereits angeführten einseitigen Interpretation: „Kunst kommt von Können“, ihren Ursprung zu haben. Primär ist jedoch bei den Akteuren in diesem Genre die künstlerische Ausdruckskraft, welche sich aber nicht auf den kognitiven Bereich beschränkt, sondern analog dazu sinnliche Erfahrbarkeit einschließt. Die bildende Kunst umfasst alle Gebiete

  • der Malerei,
  • der Grafik und
  • der Bildhauerei, einschließlich Skulptur und Plastik, bis hin zur Architektur,

bei der sich jedoch die Grenzen zwischen Kunst und Kunsthandwerk verwischen.

Der Inhalt dieser drei Sphären offenbart sich in jeweils drei Perspektiven:

  • Erstens einer mimetischen,
  • zweitens einer ästhetischen und
  • drittens einer ekstatisch-kathartischen.

Die mimetische Perspektive sieht Kunst als Nachahmung der Natur. Aus der zweiten Perspektive betrachtet fällt der Kunst die Aufgabe zu, die Realität ästhetisch zu überhöhen, um den tristen Alltag erträglicher zu gestalten. Dies reicht vom „interessenlosen Wohlgefallen“ (Kant) bis zu einer „wirklichkeitsfernen Erdichtung des schönen Scheins“ (Hegel). Die ekstatisch-kathartische Perspektive schließlich dient einer Reinigung und Befreiung der Psyche. Hier wird die Schönheit in der Kunst abgelöst durch Wahrhaftigkeit, und es kommt zur Problematisierung der Grenze zwischen Kunst und Realität. Hier macht Kunst auch betroffen, besonders wenn sie ihre Mittel dazu einsetzt, um durch Übertreibung Aufmerksamkeit zu provozieren.

Kunst und Handwerk

Von der Antike bis zum Mittelalter werden jedoch die sogenannten „schönen Künste“ noch nicht streng von den verschiedenen Wissensgebieten und dem Handwerk unterschieden. So schreibt Theodor W. Adorno (1903–1969) in seiner „Ästhetischen Theorie“: „Kunst hat ihren Begriff in der geschichtlich sich verändernden Konstellation von Momenten; er sperrt sich der Definition.“ Er scheint damit zwei Entwicklungslinien ansprechen zu wollen: Erstens verweist er damit auf die Entwicklung bzw. Reduzierung, der die drei als derzeit gültig angeführten Gegenstandsbereiche historisch unterworfen waren:

- die artes mechanicae = mechanische Künste, zu denen neben dem

  • Handwerk auch
  • Malerei und
  • Bildhauerei gehörten, und

- die septem artes liberales = die sieben freien Künste, welche noch

  • Grammatik,
  • Rhetorik,
  • Literatur,
  • Dialektik,
  • Arithmetik sowie die Geometrie umfassten.

Zweitens macht er auf den Autonomieanspruch der Kunst aufmerksam, der auch eine Ablösung von der Aufgabe einer Unterhaltung der höfischen Gesellschaft und/oder Reduzierung auf die Illustration christlicher Glaubensinhalte bedeutete – was Kunst in der Tat, besonders im Mittelalter, lange Zeit gewesen zu sein scheint.

Die historische Entwicklung des Phänomens Kunst wie es sich in seiner gegenwärtigen Ausprägung darstellt, dürfte jedoch ihren Ursprung in den sogenannten plurifunktionalen Führungssystemen haben, zu denen neben Informationsgewinnung und der Verhaltenssteuerung auch die Befriedigung emotionaler Bedürfnisse zählt. Sie beginnt, vereinfacht dargestellt, bei den Höhlenmalereien der sogenannten primitiven Kulturen sowie dem kultischen Tanz und führt über denKultgesang und die griechische Tragödie hin zu den moderneren Formen der Illustrationen, dem Theater einschließlich des Musikdramas, dem Ballett und den gesamten Konzertbetrieb. Die anfänglich nur symbolhaften Deutungen der Höhlenmalereien entwickelten sich zu einer Art erzählenden und allegorischen Bildgestaltung – bei der zu Beginn noch das handwerkliche Können im Vordergrund stand – über den Impressionismus und den ausdrucksstarken Expressionismus hin zur modernen Malerei. Auch bedingt durch die Erfindung der Fotografie und der Filmkunst wich die gegenständliche Darstellung immer mehr symbolhaften Mitteln, verschwand jedoch nicht völlig, wird aber zunehmend von emotional bestimmten Ausdrucksformen geprägt. Ähnliches gilt auch für die Literatur, in der das reine „Geschichten Erzählen“ häufig von den Feuilletons der Zeitungen und Zeitschriften sowie dem Fernsehen übernommen wird. In der Architektur gewinnt das Funktionale gegenüber dem Ästhetischen mehr und mehr an Gewicht. Schließlich entsteht in der sogenannten Objektkunst bzw. den Performances eine neue Kunstform. War anfänglich die Kunst überwiegend religiös bestimmt, ist sie heute weitgehend säkularisiert und ihre Interpretation ist

  • realistisch bis utopisch,
  • satirisch,
  • hauptsächlich ethisch motivierend
  • sowie moralisierend,
  • entlarvend und
  • bisweilen auch anklagend.

Ein dominierender Bereich ist die erotische Kunst. Friedrich Nietzsche (1844–1900) schließlich sieht in der Kunst die höchste produktive Vermittlungstätigkeit des substanziellen Willens seiner Zeit, in dem dieser Wille sich in den Werken seiner Zielgestalten produziert und damit klärt, was er je zu dieser seiner Zeit will. Schließlich wird das Ideal der Schönheit in der Moderne durch einen Anspruch von Authentizität abgelöst und die Tendenz zur Problematisierung verstärkt. Gleichzeitig lässt sich auf dem Weg zur Moderne auch ein „Philosophischwerden“ der Kunst feststellen, was man u.a. an den Werken des Dichterphilosophen Friedrich Nietzsche und den Bildern Paul Klees (1879–1940) erkennen kann.

Kunst und Kitsch

Im Kunsthandwerk sind die Übergänge von derKunst zum Kitsch fließend. Es beginnt – wieder vereinfacht dargestellt – gegebenenfalls bei der Druckkunst, der Gebrauchsgrafik sowie der naiven Malerei auf der einen Seite und der Volksmusik sowie der Belletristik auf der anderen Seite und endet bei Produkten, welche von einem individuellen Geschmack auch als Kitsch empfunden werden können.

Da sich bei der Kunst eine Reflexion von geistigem Bewusstsein und Sinnlichkeit vollzieht, besteht auch eine Parallele zur Religion, bei der ebenfalls eine Reflexion von Gefühl und Geist stattfindet. Unabhängig jedoch, ob man nun Kunst als „säkularisierte Religion“ betrachtet oder nicht, gehört sie neben Sprache – und ggf. auch Religion – zur kulturellen Grundlage des Menschseins.

Wie schwierig jedoch eine umfassendere Erklärung des Phänomens Kunst ist, hat bereits der Sprachphilosoph Ludwig Wittgenstein erkannt, wenn er sinngemäß ausführt: „es ist besser, über Kunst nichts zu sagen, als etwas zu sagen“, womit er dem Gegenstandsbereich insofern gerecht wird, als er ihn auf sich selbst zurückführt.

In der Kunstgeschichte wird dann noch in Stilepochen, beginnend bei

  • der Romanik (1000–1250) über
  • die Gotik (1150–1450),
  • Renaissance (1400–1550),
  • Barock (1600–1650) mit Übergang
  • zum Rokoko (1720–1775),
  • Klassizismus (1775–1850) und
  • Jugendstil bis hin
  • zur Moderne und Postmoderne unterschieden.

Die Zeitangaben können nur ungefähr sein, weil sich die verschiedenen Stilrichtungen zeitlich und regional überschneiden.

Literatur:

Adorno, Theodor W.: Ästhetische Theorie, Frankfurt am Main 1980; Halder, Alois: Handbuch philosophischer Grundbegriffe Bd. 3, München: Kösel 1973 und Kunst und Kultur, Freiburg-München 1964; Schischkoff, Georgi: Philosophisches Wörterbuch, Stuttgart: Kröner 1978; Studienbegleitbriefe Funkkolleg Kunst, Weinheim und Basel: Beltz 1985; Das neue Taschenlexikon, Gütersloh: Bertelsmann 1992; Meyers kleines Lexikon Philosophie, Mannheim: Bibliographisches Institut 1987.

Autor: Erich Satter

Quelle: Erstveröffentlichung im Lexikon freien Denkens, Angelika Lenz Verlag 2005

Wer definiert was kunst ist

Wer entscheidet was Kunst ist?

Was Kunst ist, entscheidet der Künstler Weil hier alles fehlt, von dem man vorher dachte, dass man es für ein Kunstwerk braucht, bleibt nur der Kaiser ohne Kleider übrig: Die Kunst selbst wird unsichtbar.

Wie lässt sich Kunst definieren?

Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Das Kunstwerk steht meist am Ende dieses Prozesses, kann aber auch der Prozess bzw. das Verfahren selbst sein. So wie die Kunst im gesamten ist das Kunstwerk selbst gekennzeichnet durch das Zusammenwirken von Inhalt und Form.

Wann ist was Kunst?

„Wenn ein Kunstwerk für die Rezipienten, die ein Bild anschauen, ein Musikstück anhören oder ein Buch lesen, etwas aussagt, dann ist es Kunst, völlig unabhängig davon, wie sie entstanden ist“, meint der Erlanger Wissenschaftler.

Was definiert ein Kunstwerk?

Definition eines Kunstwerkes Ein Kunstwerk erfordert, um ausgeführt zu werden, besondere gestalterische Techniken. Ein Foto kann zum Beispiel mit Film-, Digital- oder Polaroid aufgenommen werden... Das Kunstwerk ist oft mit einer künstlerischen Bewegung, d.h. einer bedeutenden Strömung, Epoche verbunden.