Wer ist für die ahndung von kriegsverbrechen zuständig

Ukraine

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) setzt einen weiteren Schritt zur Ahndung von Kriegsverbrechen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in Österreich: Per Erlass gibt sie den Staatsanwaltschaften eine klare Handlungsanleitung für die Einleitung solcher Ermittlungen.

Sobald ein Verfahren in Österreich eröffnet ist, können sich die Staatsanwaltschaften an den internationalen Ermittlungen des Joint Investigation Teams beteiligen. Schon seit März stimmen europäische Staaten, koordiniert von EUROJUST, ihre Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine in diesem Joint Investigation Team ab. Aktuell beteiligen sich Staaten wie Polen, Litauen oder die Slowakei an dieser gemeinsamen Ermittlungsgruppe. Mit ihrem Erlass schafft Zadić jetzt die Voraussetzung für Österreichs Teilnahme.

Verbindung zu Österreich durch Geflüchtete

Grundsätzlich sind österreichische Behörden für im Ausland begangene Straftaten nur dann zuständig, wenn es einen Bezug zu Österreich gibt – etwa über die Staatsbürgerschaft oder den Aufenthalt von Täter bzw. Opfer. Eine Zuständigkeit kann sich aber ergeben, wenn es eine andere Verbindung zu Österreich gibt – etwa wenn Geflüchtete nach Österreich kommen, bei denen ein kausaler Zusammenhang zwischen Flucht und einem Kriegsverbrechen hergestellt werden kann.

Nationale Kontaktstelle bei EUROJUST

"Kriegsverbrecher müssen wissen, dass sie für begangene Straftaten zur Verantwortung gezogen und dafür auch international verfolgt werden können. Bereits jetzt unterstützen wir die ukrainischen Behörden und den Internationalen Strafgerichtshof bei der Aufklärung begangener Kriegsverbrechen“, erklärte Zadić. Im April hat Österreich eine nationale Kontaktstelle bei EUROJUST eingerichtet, an die sich ukrainische Behörden bei Fragen im Zusammenhang mit der Verfolgung von Kriegsverbrechen – etwa zur Beweiserhebung oder Fahndungen – wenden können. Ende Juni wurde auch ein „Memorandum of Cooperation“ unterzeichnet.

Umfangreiche Belege für Kriegsverbrechen

Bilder und Berichte über Kriegsverbrechen in der Ukraine schockieren seit Monaten die Welt. In Butscha und Borodjanka etwa haben internationale Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International umfangreiche Belege für Kriegsverbrechen – von Massenhinrichtungen über wahllose Erschießungen und rechtswidrige Luftangriffe bis hin zu Verschleppungen und Folter – gesammelt.

Düsseldorf Die grausamen Bilder zu möglichen Kriegsverbrechen in der ukrainischen Kleinstadt Butscha gingen um die Welt. Fotos, Videos und Satellitenbilder zeigen Zerstörungen und Leichen in dem Vorort von Kiew. Als mutmaßliche Täter gelten Soldaten aus Russland.

In Kriegen kommt es ständig zu tödlichen Kämpfen zwischen Soldaten. Dabei gilt das Töten unbeteiligter Menschen als Kriegsverbrechen. Diese und dutzende weitere Regeln sollen verhindern, dass die Zivilbevölkerung in Kriegsgebieten noch stärker als ohnehin unter einem Krieg leidet.

Doch was genau sind Kriegsverbrechen und wer kümmert sich um ihre Aufklärung? Ein Überblick mit den wichtigsten Fragen und Antworten:

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Auch im Krieg gelten Gesetze: Das Völkerrecht schreibt den Kriegsparteien vor, wie sie sich in bestimmten Kriegssituationen verhalten müssen. Das ist in der bekannten Genfer Konvention aus dem Jahr 1949 festgelegt – eine Reaktion auf die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Die Konvention soll die Menschen schützen, die nicht unmittelbar an Kampfhandlungen teilnehmen. Dort heißt es in Artikel 3: „Personen, die nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen, [...] sollen unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt werden.“

Näher beschrieben sind Kriegsverbrechen im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Das Dokument listet eine Reihe von Verstößen auf, die als Kriegsverbrechen zu werten sind.

Darunter sind zum Beispiel die vorsätzliche Tötung, Folter, willkürliche Zerstörungen, vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung und zivile Objekte sowie Vergewaltigung. Der Gerichtshof mit Sitz im niederländischen Den Haag ist demnach vor allem zuständig, wenn Kriegsverbrechen geplant und in großem Umfang verübt werden.

Nicht unter den Sammelbegriff der Kriegsverbrechen fallen Völkermorde und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Auch sie gelten als schwere Verstöße gegen das Völkerrecht. Das Römischen Statut führt sie allerdings separat auf. In der öffentlichen Debatte wird „Kriegsverbrechen“ oftmals synonym verwendet. Im juristischen Sinne gibt es allerdings eine klare Trennung.

Wichtig ist auch: Grundsätzlich können nur natürliche Personen, also Menschen, Kriegsverbrechen verüben. Firmen oder Staaten können nicht mittels des Völkerstrafrechts verfolgt werden.

Wer kann bei möglichen Kriegsverbrechen ermitteln?

Der Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofs kann Ermittlungen aufnehmen, wenn es Hinweise auf mögliche Kriegsverbrechen gibt. So sieht es das Römische Statut seit 2002 vor. In der Praxis gestaltet sich das häufig schwierig, weil das Gericht nicht über eine eigene Polizei verfügt und auf die Hilfe der Staaten angewiesen ist.

Allerdings gilt bei Verstößen gegen das Völkerrecht – also auch bei Kriegsverbrechen – das sogenannte Weltrechtsprinzip. Es besagt: Weil bestimmte, schwerwiegende Verbrechen international geschützte Rechtsgüter betreffen, dürfen alle Staaten der Welt dazu ermitteln und auch Strafen verhängen.

>>Lesen Sie auch: Wie Ermittler mögliche Kriegsverbrechen in Butscha aufklären

Prominentes Beispiel ist dabei der Fall eines Syrers, dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit im syrischen Bürgerkrieg vorgeworfen wurden. Weil er sich in Deutschland aufhielt und die Justiz ihn entdeckte, kam er für die in Syrien begangenen Verbrechen vor das Oberlandesgericht Koblenz. Die Richter verurteilten ihn im Januar 2022 wegen einer Reihe von Delikten zu lebenslanger Haft. Der Fall gilt als historisch, weil damit in Deutschland erstmals das Weltrechtsprinzip in einem Prozess zum Syrien-Krieg zum Tragen kam.

Auch im Ukraine-Krieg ermittelt das Bundeskriminalamt (BKA) bereits zu Kriegsverbrechen. Auf Anweisung des Generalbundesanwalts werten BKA-Ermittler Hinweise auf Kriegsverbrechen aus. Auch der Bundesnachrichtendienst ist eingebunden und erhält Hinweise vom ukrainischen Geheimdienst.

Neben internationalen Institutionen und unbeteiligten Staaten können auch die Kriegsparteien selbst ermitteln. So sammelt etwa die Ukraine bereits seit Kriegsbeginn Beweise für mögliche Kriegsverbrechen russischer Soldaten. Sie wird dabei auch mit EU-Mitteln unterstützt.

Welche Gerichte verhandeln Kriegsverbrechen?

Grundsätzlich ist der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag zuständig. In der Praxis gestalten sich die Verfahren dort allerdings oft kompliziert und langwierig. So begann erst vor Kurzem der Prozess gegen einen sudanesischen Militärführer, dem Taten von vor bis zu 15 Jahren vorgeworfen werden.

Zudem sind nicht alle Staaten Mitglied des Gerichtshofs – darunter etwa China, die USA und Russland. Das erschwert Ermittlungen und die Überstellung von Angeklagten zusätzlich. Diese Staaten sind nicht verpflichtet, ihre Staatsbürger an den Gerichtshof zu überstellen. Andere Länder, darunter auch Deutschland, plädieren hingegen für eine universelle Anerkennung des Gerichts.

Allerdings können, gemäß dem Weltrechtsprinzip, auch nationale Gerichte in aller Welt über Kriegsverbrechen verhandeln. Die Verfahren unterscheiden sich dabei stark, je nach untersuchtem Krieg und Gericht.

Welche historischen Beispiele für Kriegsverbrechen gibt es?

Als Meilenstein in der Verfolgung von Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten die Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg. In ihnen verurteilten Richter führende Nationalsozialisten zu Haftstrafen und Todesstrafen wegen Kriegsverbrechen. Die Siegermächte legten dabei erstmals Grundsätze für ein internationales Militärgericht fest und verurteilten eine Reihe hochrangiger Vertreter des NS-Regimes.

Trotz vielfach dokumentierte Kriegsverbrechen, etwa im Vietnamkrieg, im Koreakrieg oder im Kalten Krieg, kam es danach für Jahrzehnte nicht zu weiteren Prozessen gegen Kriegsverbrecher. Erst mit den Internationalen Strafgerichtshöfen für Jugoslawien und Ruanda aus den Jahren 1993 und 1994 gelang es der Weltgemeinschaft wieder, Verstöße gegen das Völkerrecht zu ahnden – wenn auch nur auf diese Regionen konzentriert.

Die Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs als dauerhafte Institution sollte deshalb dem Völkerrecht zu mehr Geltung verhelfen und Ermittlungen vereinfachen.

Mehr: Alle Entwicklungen zum Ukraine-Krieg gibt es hier im Liveblog.

Wer ist für Kriegsverbrechen zuständig?

Der Internationale Strafgerichtshof ( IStGH ) im niederländischen Den Haag ist seit 2003 für die Verfolgung besonders schwerer Straftaten wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zuständig.

Wer wird bei Kriegsverbrechen bestraft?

einen Angehörigen der gegnerischen Streitkräfte oder einen Kämpfer der gegnerischen Partei meuchlerisch tötet oder verwundet, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft. 2In minder schweren Fällen der Nummer 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.

Wo werden Kriegsverbrecher angeklagt?

Kriegsverbrecher vor Gericht – Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag. Am 1. Juli 2002 hatte der Internationale Strafgerichtshof, kurz IStGH, zum ersten Mal seine Arbeit aufgenommen. Ein großer Schritt für die internationale Strafgerichtsbarkeit.

Wie wird ein Kriegsverbrechen bestraft?

eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person in schwerwiegender Weise entwürdigend oder erniedrigend behandelt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, hat die Tat den Tod des Opfers zur Folge, mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren zu bestrafen. 1.