Wie lange ging die spanische grippe

von Tristan Micke

Ende Juni / Anfang Juli des Kriegsjahres 1918 erreichte die als Spanische Grippe bezeichnete Pandemie, die im Ausland bereits tausende von Toten gefordert hatte, auch das Deutsche Reich. Mit weltweit 25 bis 50 Millionen Toten forderte die vom Influenzavirus A/H1N1 hervorgerufene Krankheit mehr Opfer als der Erste Weltkrieg (etwa 17 Millionen Tote).

Sie war in ihren Auswirkungen vergleichbar mit der Pest von 1348. Die genaue Zahl von Todesopfern konnte nicht ermittelt werden, da in Folge der Kriegswirren in vielen Ländern keine Statistiken darüber geführt wurden. Gegenüber anderen Grippewellen hatte diese die Besonderheit, dass ihr vor allem 20 bis 40 Jahre alte Menschen erlagen. Andere Influenzaviren gefährden dagegen besonders Kleinkinder und alte Menschen. Die Sterberate wurde bei über 2,5 % vermutet, während sie bei vorherigen Influenza-Pandemien bei etwa 0,1 % lag. Insgesamt war etwa ein Fünftel der gesamten Weltbevölkerung infiziert.

Den Namen “Spanische Grippe” erhielt diese schwere Krankheit, weil erste Nachrichten darüber aus dem im Ersten Weltkrieg neutralen Spanien kamen. Dieses Land hatte eine liberale Zensur und es wurde hier Ende Mai 1918 berichtet, dass mehr als 8 Millionen seiner Einwohner, darunter auch König Alfons XIII., erkrankt waren. In Madrid war jeder dritte Einwohner von der Grippe befallen, sodass das öffentliche Leben zum Erliegen kam.

Andere Länder unterdrückten dagegen solche Informationen. Im Deutschen Reich durfte aus strategischen Gründen nicht über Erkrankungen an der Front berichtet werden. Im Sommer 1918 schrieben aber deutsche Zeitungen über Grippefälle im zivilen Bereich. Um Panik zu vermeiden, wurde verbreitet, dass auf 500 Erkrankten nur ein Todesopfer falle. Gelegentlich wurde die Krankheit auch “Blitzkatarrh” oder “Flandern-Fieber” genannt.

Wahrscheinlich nahmen aber die ersten virulenten Grippeausbrüche im US-Bundesstaat Kansas im Januar und Februar 1918 ihren Ausgang und wurden durch Truppenbewegungen weltweit verbreitet. Beengte Unterbringung der Soldaten in Ausbildungslagern, Kasernen und Lazaretten sowie die unhygienischen Verhältnisse auf den Schlachtfeldern förderten die Ausbreitung der Krankheit.

In den Schützengräben Europas starben wöchentlich tausende von Soldaten an dieser Grippe. Auch die Zivilisten trafen auf wenig vorbereitete Krankenhäuser, in denen die Zustände schlecht waren. Die Spanische Grippe wurde zu einer Begleiterscheinung des Ersten Weltkrieges, wobei sie aber auch in am Krieg unbeteiligte Länder herrschte. Die Krankheit breitete sich über das ganze Jahr 1918 hinweg aus, trat dabei aber in drei Hauptwellen auf: im Frühjahr, im Herbst und in einigen Ländern auch noch einmal 1919.

Die zweite und dritte Welle forderten die meisten Todesopfer. Zum Höhepunkt der Herbstwelle 1918 schätzten die preußischen Gesundheitsbehörden ein, dass zwei von drei Bürgern erkrankt waren. Die Krankheit verlief heftig und kurz mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen. Hinzu kamen Husten und starke Reizungen im Hals- und Rachenbereich sowie manchmal Nasenbluten.

Sauerstoffmangel führte häufig zu einer bläulich-schwarzen Verfärbung der Haut. Die Todesfälle waren meist auf eine Lungenentzündung als zusätzliche Komplikation zurückzuführen. Ein besonderes Protein im Virus verursachte eine sehr schnelle Vermehrung und rief die Lungenentzündung hervor. Manche der Erkrankten entwickelten schwache Symptome und erholten sich schnell wieder, während andere an der von starken Blutungen begleiteten Lungenentzündung starben.

Dass besonders junge Erwachsene der Spanischen Grippe erlagen, lag wohl daran, dass diese Altersgruppe im Gegensatz zu Älteren und Jüngeren in jungen Jahren kaum Kontakt mit einer H1-Influenza hatten. Ihr Immunsystem wurde vor allem mit der H3N8-Variante konfrontiert und war nicht auf Grippevieren mit dem H1N1-Protein eingestellt. Die meisten Opfer starben nicht an der Grippe selbst, sondern diese war nur der Wegbereiter für bakterielle Infektionen, vor allem für die Lungenentzündung.

Der überstandenen Krankheit folgten dann oft noch wochenlange starke Müdigkeit und Erschöpfung. Häufige Folgeerscheinungen waren neurologische Funktionsstörungen und Depressionen.
In vielen Ländern kam es bis in die 1920er Jahre hinein zu Nachepidemien, die aber dann im „normalen“ Zeitraum, in Europa also im Winter, auftraten. Forscher kamen zu der Erkenntnis, dass das Virus direkt von einem Vogelgrippevirus abstammte und der Übergang auf den Menschen durch Mutation stattgefunden habe. Bisher ist nie mehr danach ein derart aggressives Grippevirus aufgetreten.

So richtig, ehrlich gesagt: nie. Die Spanische Grippe war die bisher schlimmste Pandemie der Menschheit. Sie tötete weltweit in relativ kurzer Zeit mindestens 50 Millionen Menschen.

Im Groben verlief die Spanische Grippe in drei Wellen. Die erste Welle überzog im Frühjahr 1918 die USA und Europa und verbreitete sich weltweit weiter. Die meisten Todesfälle gab es in der zweiten Welle im Herbst 1918 – in einem Zeitraum von nur 16 Wochen. Die Pandemie endete nach der dritten Welle im Sommer 1919.

Ausbruch und Verlauf der Krankheit erfolgten oft sehr schnell, manche Patient:innen verstarben innerhalb weniger Stunden. Wer überlebte, litt oft noch wochenlang unter chronischer Erschöpfung, Depressionen und neurologischen Störungen.

Wie lange ging die spanische grippe
Die Spanische Grippe verlief in drei Wellen, die zweite war die heftigste.
| Bild: Wiki Commons, PLoS Biology, H. Nicholls

Im Juni 1919 flaute die Pandemie endlich ab

Sie endete medizinisch:

  1. Viele Menschen hatten eine Immunität aufgebaut.
    Wenn sie in den folgenden Jahren doch wieder mit dem H1N1 infiziert wurden, war der Verlauf nicht mehr so lebensbedrohlich.
  2. Das Virus mutierte in eine weniger aggressive Form.
    Unklar ist, wann genau die schwächere Mutation entstanden ist. Zusammen mit der hohen Grundimmunität sorgte das weniger tödliche Virus dafür, dass die pandemische Influenza-Welle in eine „normale“ Influenza überging.

Doch die Spanische Grippe endete auch sozial

Der Erste Weltkrieg war vorbei, die Menschen waren bereit für einen Neuanfang. Sie wollten Krieg und Krankheit hinter sich lassen und auch die Grippewelle schnell vergessen. Teilweise wurden die Isolationsmaßnahmen öffentlich aufgehoben, teilweise beschlossen die Menschen selbst, weniger Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, um sich nach dem Krieg wieder ein Leben aufzubauen – auch wenn dadurch Tote in Kauf genommen wurden.

Aber: So ganz verschwand das Virus nie

Das H1N1-Virus gehört zu den Influenza-A-Viren. Bestimmte Varianten dieser Viren traten auch in späteren Pandemien wieder auf – etwa bei der Schweinegrippe, die sich 2009 und 2010 pandemisch ausbreitete. „Das ist eigentlich der gleiche Stamm. Durch Mutation oder durch Übertragung von ganzen Gensegmenten entstehen immer bestimmte Subtypen, die entweder relativ neu für den Menschen sind oder vollständig neu“, so der Epidemiologe Dr. Jean-Baptist du Prel in der Reihe „Jahr100Wissen“ der Universität Wuppertal.

„Heute rechnet die WHO damit, dass ein bestimmter Teil der Bevölkerung auch mit H1N1 durchseucht ist. Dieser Subtyp ist aber bei Weitem nicht so krankheitserregend wie der Erreger der damaligen Spanischen Grippe.“

Auch diese Grippepandemien entstanden durch Influenza-A-Viren:

  • die Asiatische Grippe von 1957, etwa eine Million Tote (Subtyp H2N2)
  • die Hongkong-Grippe von 1968, etwa eine Million Tote (Subtyp H3N2)
  • die Schweinegrippe von 2009/2010, über 150.000 Tote (Subtyp H1N1)

Weil zukünftige Mutationen von Influenza-A-Viren die Gefahr einer neuen Pandemie bergen, beobachten weltweit verschiedene Institutionen den Stand der Influenza-Infektionen. So wurde bereits 1952 das Global Influenza Surveillance and Response System (GISRS) gegründet – ein globales Netzwerk von Laboratorien, das pro Jahr mehr als zwei Millionen Atemwegsproben testet, um die Ausbreitung und Entwicklung von Influenzaviren in über 100 Ländern zu überwachen. Das Netzwerk wird von der WHO koordiniert.

Wie und wann endete die Spanische Grippe?

April 1920Spanische Grippe / Enddatumnull

Wie lange dauerte die längste Pandemie?

“ Fast zwei Jahre lang wütete die Spanische Grippe und verlief über diese Dauer in drei Wellen – wobei die zweite die schlimmste war und die meisten Toten forderte.

Wann war der letzte Fall der Spanischen Grippe?

Varianten des Subtyps A/H1N1 verursachten 1977/1978 den Ausbruch der Russischen Grippe und 2009 den der „Schweinegrippe“-Pandemie. ... Spanische Grippe..

Wie lange gab es die Schweinegrippe?

Schweinegrippe: Die H1N1-Pandemie 2009/2010.