Wie viel stehts deutschland gegen ungarn

Als das Wunder von Bern wird der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz durch die wieder startberechtigte bundesdeutsche Fußballnationalmannschaft gegen die favorisierte Nationalmannschaft Ungarns bezeichnet. Das Endspiel, das mit einem 3:2-Sieg für die Bundesrepublik Deutschland endete, fand am 4. Juli 1954 im Berner Wankdorfstadion vor 65.000 Zuschauern statt und zählt zu den am wenigsten erwarteten Ereignissen der WM-Geschichte. Die Spieler um Kapitän Fritz Walter und Bundestrainer Sepp Herberger gingen als „Helden von Bern“ in die deutsche Sportgeschichte ein. Darum ranken sich Mythen wie die einkalkulierte Niederlage gegen Ungarn in der Gruppenphase, das Wettergeschehen, dazu passende, neu entwickelte Stollenschuhe, eine emotionsgeladene Berichterstattung, aber auch eine Dopingthematik und folgenreiche Hepatitis-Erkrankungen. Der Titelgewinn löste in Deutschland einen Freudentaumel aus, der sich vor allem während der Rückkehr der Weltmeister widerspiegelte. Neun Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hob er das Selbstwertgefühl und stärkte die Identifikation vieler Westdeutscher mit ihrem noch jungen Staat. Er wird deshalb gelegentlich als „die eigentliche Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland“ bezeichnet.

Wie viel stehts deutschland gegen ungarn
Wie viel stehts deutschland gegen ungarn

Wie viel stehts deutschland gegen ungarn

Die Stadionuhr des „Wunders von Bern“ wurde restauriert und als Denkmal im neuen Wankdorfstadion aufgestellt.

Bundesrepublik Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 versammelten sich die Regierungschefs der drei Hauptalliierten des Zweiten Weltkriegs, die nach dem Ende der Kampfhandlungen in Europa das weitere Vorgehen berieten. Dort wurde unter anderem beschlossen, dass die Regierungsgewalt durch die Oberbefehlshaber der Streitkräfte in den Besatzungszonen in Deutschland ausgeübt werden sollte. Auf der Pariser Friedenskonferenz 1946 schlossen sich die britische und die amerikanische Besatzungszone auf wirtschaftlichem Gebiet zur sogenannten Bizone zusammen. Weitere Schritte in Richtung der Bundesrepublik wurden bei der Londoner Sechsmächtekonferenz ab dem 23. Februar 1948 gegangen. Neben den drei westlichen Besatzungsmächten nahmen dort auch die Beneluxstaaten teil. Ziel Washingtons und Londons war es, die Westzonen in ein europäisch-atlantisches Staatensystem einzubinden, was mithilfe großzügiger Zugeständnisse an Frankreich erreicht werden konnte. Die Eingliederung der Bundesrepublik in das westliche Europa schritt voran. 1951 wurde sie vollberechtigtes Mitglied des Europarats, und am 25. Juli 1952 wurde der Vertrag zur Montanunion ratifiziert. Dieser ging auf französische Initiative zurück. Wiederum von Frankreich ausgehend kam der Vorschlag zur Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG), die eine europäische Armee unter deutscher Mitwirkung vorsah. In die Jahre 1951/52 kann der Beginn des deutschen Wirtschaftswunders verortet werden.[1]

Das größte gesellschaftlich-soziale Problem schienen zunächst die bis Oktober 1946 fast zehn Millionen Flüchtlinge zu sein, die aus den ehemals deutschen Ostgebieten ins Bundesgebiet strömten. Ihre Arbeitskraft war jedoch in der boomenden Wirtschaft sehr gefragt. Insgesamt entwickelte sich eine starke Tendenz zum Familiären und Privaten, die zum einen auf die langen Arbeitszeiten zurückgeführt wurde, infolge derer die Menschen nach Ruhe suchten. Zweitens lag die überwundene Trennung vieler Familien noch nicht lange zurück. Es gab dementsprechenden Nachholbedarf.[2] Einen besonderen Stellenwert erlangte in dieser Zeit das Radio.

Ungarn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ungarn, das sich ab 1933 unter Ministerpräsident Gyula Gömbös aufgrund wirtschaftlicher Krisen und revisionistischer Propaganda politisch immer mehr dem nationalsozialistischen Deutschland annäherte, wurde ab Mitte März 1944 von Nazi-Deutschland besetzt und anschließend von der Roten Armee befreit. Ungarn kam auf Grund des Vertrages von Jalta unter sowjetischen Einfluss. Auf sowjetischen Druck wurden die Kommunisten in die Regierung aufgenommen und rissen bis 1949 schrittweise die Macht an sich. Das Land wurde dem Kommunismus nach sowjetischem Vorbild unterworfen. Bis 1953 verfolgte Ungarn unter Mátyás Rákosi einen stalinistischen Kurs.

Die repressivsten Jahre des Regimes fielen mit den Erfolgen der ungarischen Fußball-Nationalmannschaft zusammen, die bereits 1938 das WM-Finale erreichte: Zwangsräumungen, Glockengeläut, ständig steigende Arbeitszeiten und leergefegte Dachböden auf der einen Seite, aber volle Stadien an den Wochenenden und die unschlagbare Elf auf der anderen Seite. Fußball war zu dieser Zeit die erfolgreichste Form der Unterhaltung. Fußball war das Vehikel, um die Überlegenheit Ungarns gegenüber seinen Nachbarn zu verdeutlichen. Vereine wie MTK, Honved und Ferencvaros Budapest wurden verstaatlicht und Spieler von Verteidigungsminister Mihály Farkas zu Honved transferiert, das wie Real Madrid dominieren sollte.[3]

Deutscher Fußball-Bund, Nationalmannschaften und FIFA-Jugend-Weltturnier[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der deutsche Fußball litt an den Folgen des Zweiten Weltkrieges. Der Deutsche Fußballbund hatte sich am 1. Juli 1940 aufgelöst, und die Nationalmannschaft bestritt am 22. November 1942 ihr vorerst letztes Länderspiel. Der Liga-Spielbetrieb wurde trotz infrastruktureller Probleme in der Oberliga Süd im November 1945 aufgenommen. Die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien vom 24. Juni bis zum 16. Juli 1950 wurde ohne die deutsche Auswahl durchgeführt, da das Team noch nicht spielberechtigt war. Im Nachgang zum 27. FIFA-Kongress wurde die Wiederaufnahme Deutschlands beschlossen.[4][5] In diesem Jahr leistete die Schweiz nachbarschaftliche Hilfe und kam am 22. November 1950 zu einem Länderspiel ins Neckarstadion in Stuttgart. Vor 100.000 Zuschauern gewann die deutsche Elf (mit Turek, Ottmar Walter, Herrmann, Klodt und Morlock)[6] durch ein Elfmetertor von Herbert Burdenski mit 1:0.[7]

Deutschlands Fußballamateure nahmen unter Sepp Herberger an den Olympischen Sommerspielen 1952 teil, wo sie im Spiel um Bronze Schweden unterlagen.

Das Länderspiel der deutschen Elf am 9. November 1952 gegen die Schweiz in Augsburg wird als Geburtsstunde der Weltmeistermannschaft von 1954 angesehen, da acht Spieler der späteren Helden von Bern dabei waren. Wenige Wochen vorher – am 5. Oktober 1952 – war die Mannschaft zu einem Länderwettstreit gegen Frankreich nach Paris gefahren. Nach einer 1:3-Niederlage[8] gab es viel Kritik von der deutschen Presse. L'Equipe schrieb am 16. Juni 1954: „Keinesfalls sei die Mannschaft mit der Auswahl zu vergleichen, die sich 1952 so schwach (...) präsentiert habe.“[9] Fritz Walter erklärte im Anschluss seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft. Walter wurde unterstellt, er wäre mit seinen 31 Jahren zu alt, zu langsam und hätte keine Lust mehr. Doch Herberger gelang es noch zum nächsten Spiel, jenem besagten Spiel in Augsburg, seinen gekränkten Kapitän zurückzuholen. Für etliche Spieler bedeutete die WM-Teilnahme Verdienstausfall, da manche unbezahlten Urlaub nehmen mussten. Die internationale Unerfahrenheit drückte sich am Schnitt von 6,7 Länderspielen aus.[10]

Im Frühjahr 1954 richtete der DFB das FIFA-Jugend-Weltturnier mit 18 Jugend-Nationalmannschaften aus. Im Endspiel in Köln trennten sich Deutschland und Spanien vor 60.000 Zuschauern mit einem 2:2-Unentschieden.[11]

Die Goldene Elf aus Ungarn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Endspielgegner der Deutschen, die in ungarischen Medien als Goldene Elf[12] bezeichnete Nationalmannschaft, galt damals als die weltbeste Mannschaft. Vor dem Endspiel von Bern war die ungarische Mannschaft in 32 aufeinanderfolgenden Spielen unbesiegt geblieben und schoss im Schnitt 4,3 Tore.[13] Die Serie begann am 4. Juni 1950, als man in Warschau Polen mit 5:2 besiegte. Das erste große Turnier der Staatsamateure, die unter professionellen Bedingungen agierten,[14] waren die Olympischen Sommerspiele in Helsinki 1952. In der Vorrunde besiegte man Rumänien (2:1), im Achtelfinale den zweimaligen Weltmeister Italien (3:0), im Viertelfinale die Türkei (7:1), im Halbfinale Schweden (6:0) und wurde durch ein 2:0 gegen Jugoslawien Olympiasieger. Den nächsten Erfolg verbuchten die Ungarn 1953, als sie den seit 1948 ausgetragenen Europapokal der Fußball-Nationalmannschaften gewannen. Dies war der Vorläufer der Fußball-Europameisterschaft, an dem neben Ungarn noch Italien, Österreich, die Schweiz und die Tschechoslowakei teilnahmen. Das entscheidende letzte Spiel wurde am 17. Mai 1953 in Rom vor 80.000 Zuschauern mit 3:0 gegen Italien gewonnen. Puskás wurde mit zehn Treffern Torschützenkönig des Wettbewerbs.

Am 25. November 1953 folgte das vielleicht spektakulärste Spiel der „Goldenen Elf“. Auf dem „heiligen Rasen“ des Wembleystadions spielte die Mannschaft um Kapitän Puskás vor 100.000 Menschen gegen England. Die Engländer hatten bis zu diesem Tag noch kein Spiel vor heimischer Kulisse gegen eine Mannschaft vom europäischen Festland verloren. Es folgte eine Demonstration der ungarischen Fußballkunst. Die Magyaren bezwangen die Engländer mit 6:3.[15] Spätestens dann galten die Ungarn als Wundermannschaft, während dies die Spieler differenzierter sahen.[16] Auf der Tribüne war ein Deutscher zu Gast, der bereits vor der Gruppenauslosung am 30. November begriffen hatte, wie man Ungarn besiegen könnte.

„Wenn wir gegen die Ungarn zu spielen hätten, sähe alles anders aus. Da könnte der Hidegkuti nicht im Mittelfeld spazieren gehen. Der Jupp Posipal ist kein Johnston. Der Jupp geht als Mittelläufer hinten mit raus; der würde Hidegkuti auf Schritt und Tritt folgen. Dann würden wir sehen, wie es weitergeht. Die Engländer haben das ja gar nicht begriffen, wie gegen sie gespielt wurde, nicht nur technisch perfekt, sondern auch mit einer dort nie gesehenen Taktik.“

Nach dem Sieg in Wembley brannten die Engländer auf Revanche. Sie wollten die Demütigung nicht auf sich sitzen lassen und fingen sich am 23. Mai 1954 in Budapest eine 1:7-Niederlage ein. Dieses Spiel war das letzte Spiel vor der Fußball-Weltmeisterschaft in der Schweiz. Formell trat Ungarn mit einer 3-2-5 Aufstellung (auch WM-System genannt) an, aber durch das häufige Zurückfallen des Mittelstürmers Nándor Hidegkuti ins Mittelfeld, das Vorstoßen des Außenläufers József Bozsik ins Zentrum, und das Absichern Bozsiks durch den anderen Außenläufer ähnelte die Formation oft einem 4-2-4 – einem zu diesem Zeitpunkt revolutionären Spielsystem, das später auch von der brasilianischen Fußballnationalmannschaft gespielt wurde. Die englische Fußballlegende Sir Stanley Matthews sagte nach dem Spiel: „Sie waren die beste Mannschaft, der ich je gegenüberstand. Sie waren die Besten aller Zeiten.“

Von den 40 ursprünglich genannten Spielern wurden 29 vom DFB zu einem Lehrgang eingeladen, der vom 24. Mai bis zum 3. Juni in der Sportschule Grünwald bei München stattfand. Sepp Herberger förderte Ausdauer, lehrte Taktik und analysierte mehrfach mit der Mannschaft Ungarn beim 6:3-Sieg gegen England.[18] Zur Abwechslung gab es Trainingsspiele gegen Bayern München. Herberger reduzierte den Kader dort auf 22 Spieler. Dabei demonstrierte er Härte und suspendierte den Sodinger Gerhard Harpers, der undiszipliniert war.[19] Eine Woche später, am 10. Juni, traf sich das Team in der Sportschule Schöneck zur Mission Fussball-Weltmeisterschaft.[20]

Am 11. Juni 1954 fuhren Mannschaft und Betreuer mit dem Rheinblitz von Karlsruhe nach Basel, wo in einen Schnellbus zum Wankdorf-Stadion ― dem Schauplatz des 1. Gruppenspiels gegen die Türkei ― umgestiegen wurde. Nach der Stadionbesichtigung ging es nach Spiez am Thunersee, wo der in der Schweiz als Trainer tätige Albert Sing das Hotel Belvedere als Quartier ausgewählt hatte.[21] Dort entwickelte sich der sogenannte „Geist von Spiez“,[22] der großen Anteil am WM-Erfolg haben sollte. Herberger belegte pro Zimmer zwei Spieler eines Mannschaftsteils, um blindes Verständnis zu entwickeln. Kleinen Ungehorsamkeiten, wie dem Feierabendbier, begegnete er mit Augenzwinkern.[23] Der Plan Herbergers sah vor, dass die Mannschaft von der Außenwelt abgeschirmt zueinanderfinden sollte. Presse und Ehefrauen beziehungsweise Freundinnen im Mannschaftsquartier waren nicht gestattet. Allerdings wurden die Autogrammjäger zur Plage, so dass Herberger am Tag vor dem Endspiel ein striktes Autogrammverbot erließ.[24] Das Leitbild des Trainers war, dass die Mannschaft nur als Gemeinschaft weit kommen könne. Das Training beim gastfreundlichen FC Thun,[25] gemeinsame Ausflüge in der Umgebung und Skatrunden förderten das soziale Gefüge. Auch führte Herberger mit jedem Spieler Einzelgespräche, um sie psychologisch auf die kommenden Aufgaben einzustellen.[26]

Im ersten Spiel der Vorrunde gegen die gesetzte türkische Mannschaft gewann die Herberger-Elf trotz Rückstands mit 4:1. Für das zweite Spiel gegen Ungarn traf Sepp Herberger eine taktische Entscheidung (die er dem DFB-Vorstand bereits am 20. April schriftlich mitgeteilt hatte[27]): er schonte einige Leistungsträger, da der WM-Modus ein Entscheidungsspiel gegen die Türkei vorsah. Das führte bei der Bekanntgabe der Mannschaftsaufstellung bei den 25.000 deutschen Zuschauern zu großer Enttäuschung.[28] Die Begegnung endete mit 8:3 für den großen Favoriten. Im Vorfeld zum Entscheidungsspiel gegen die Türkei brachte Hans Schäfer die Stimmung auf den Punkt:

Die westdeutsche Auswahl siegte nach schneller 2:0-Führung und fünf Toren zwischen der 61. und 83. Minute (in Überzahl) mit 7:2. Im Viertelfinale hieß der Gegner Jugoslawien. Der deutschen Mannschaft gelang in einer Art Generalprobe ein schwer erarbeiteter Sieg. Jetzt musste man in der Runde der letzten Vier gegen Österreich antreten. Die österreichischen Spieler waren noch geschwächt vom schweren Viertelfinalspiel gegen die Schweiz in Lausanne, wo sie bei 40 Grad im Schatten mit 7:5 gewonnen hatten, und erwiesen sich für die deutsche Mannschaft nicht als große Hürde (Spielergebnis 6:1). Das Spiel erwies sich darüber hinaus wegen des regennassen, tiefen Rasens als gelungene Generalprobe der Stollenschuhe.[30]

Die Ungarn schlugen in einem besseren Trainingsspiel Südkorea mit 9:0. Gegen Deutschland, das im zweiten Vorrundenspiel nicht seine besten Spieler eingesetzt hatte (siehe oben), gelang ein 8:3-Erfolg.[31] Im Viertelfinale wartete als schwere Aufgabe das Spiel gegen die Individualisten aus Brasilien, das mit 4:2 gewonnen wurde. Diese Begegnung wurde als Schlacht von Bern bekannt, da es drei Platzverweise (für József Bozsik und Nilton Santos nach Fausteinsatz und Humberto Tozzi) während des Spiels gab und die Spieler sich nach einem kräftezehrenden Spiel in den Umkleidekabinen weiter angingen. Ebenfalls 4:2 siegten die Magyaren im enttäuschenden[32] Halbfinale gegen Uruguay, den amtierenden Weltmeister, jedoch erst nach Verlängerung. Damit stand Ungarn nach einem weiteren strapaziösen Spiel und aufwändiger Fahrt ins Hotel[33] im Finale.

Nachdem sich die beiden Kapitäne Fritz Walter (Bundesrepublik Deutschland) und Ferenc Puskás (Ungarn) begrüßt und die Wimpel der beiden Fußballverbände ausgetauscht hatten, pfiff Schiedsrichter Ling pünktlich um 17 Uhr das Spiel an.[35] Nach einem kurzen Abtasten konnten die Deutschen einen ungarischen Blitzstart wie im Vorrundenspiel vermeiden. Doch bereits in der 6. Minute fiel das erste Tor der Ungarn durch Ferenc Puskás, der nach der harten Attacke Werner Liebrichs im Vorrundenspiel[36] zwei Spiele aussetzen musste und noch nicht sein bestes Leistungsniveau erreicht hatte,[37] und dessen Abpraller mit einem platzierten Flachschuss ins lange Eck verwerten konnte. Nur zwei Minuten später erzielte Zoltán Czibor nach einem deutschen Abwehrfehler das 2:0. Keine 60 Sekunden später zog Helmut Rahn auf Linksaußen unwiderstehlich nach vorne, flankte nach rechts, und Max Morlock konnte den von Gyula Lórant abprallenden Ball an Gyula Grosics vorbei zum Anschlusstreffer einschieben. Das Spiel wogte in der Folge hin und her. In der 18. Minute verwandelte Helmut Rahn eine Ecke von Fritz Walter nach Hans Schäfers Irritation von Grosics[38] mit einem Volleyschuss zum 2:2. Die Ungarn verschärften ihr Angriffstempo, und der 35-jährige Torhüter Toni Turek begann zum Turm in der Abwehrschlacht zu werden, als er in der 28. Minute einen Schuss von Hidegkuti aus kurzer Entfernung wegfaustete. In der 36. Minute fiel Kocsis im Strafraum zu Boden, nachdem er von Liebrich bedrängt worden war, aber Schiedsrichter Ling gab keinen Elfmeter. Sechs Minuten danach konnte Grosics einen Schuss von Hans Schäfer gerade noch aus dem ungarischen Tor lenken, Rahns Nachschuss wurde durch Buzánszky abgewehrt. Unmittelbar darauf blieb Horst Eckel liegen, doch nach kurzer Behandlung war er wieder auf den Beinen.[39] Schließlich pfiff Schiedsrichter William Ling zur Pause.

  • 02. Minute: Die deutsche Mannschaft ist zu Beginn des Endspiels auf Angriff eingestellt. Buzanszky kann sich gegen Ottmar Walter durchsetzen. Im Bild von links nach rechts: Fritz Walter (D) (hinten), Buzanszky (U), Ottmar Walter (D).

  • 04. Minute: Buzanszky sichert den Ball vor dem hinter ihm heranstürmenden Schäfer und spielt das Leder zu seinem Torhüter zurück. Im Bild von links nach rechts: Zakarias (U), Puskas (U) (hinten), Fritz Walter (D), Max Morlock (D), Lorant (U), Jupp Posipal (D)(hinten), Buzanszky (U), Hans Schäfer (D) (verdeckt von Buzanszky).

  • 06. Minute: Tor für Ungarn. Ungarn-Deutschland 1:0. Die Spieler der Ungarn freuen sich über den Torerfolg. Im Bild von links nach rechts: Karl Mai (D), Kocsis (U), Czibor (U), Puskas (U), Hidegkuti (U), Horst Eckel (D) (verdeckt durch die Spieler der Ungarn), Werner Liebrich (D) (10), Bozsik (U).

  • 44. Minute: Kocsis, der Torschützenkönig der Weltmeisterschaft, kommt kurz vor der Halbzeitpause zu einer Kopfballchance. Der Ball geht am Tor vorbei. Czibor (rechts) freut sich zu früh. Im Bild von links nach rechts: Kocsis (U), Toni Turek (D) (1), Werner Kohlmeyer (D) (3), Czibor (U).

In der Halbzeit schimpften die deutschen Verteidiger mit den Stürmern, der Torhüter mit den Verteidigern; Herberger unterband die Streitigkeiten mit motivierenden Worten.[40]

Die Ungarn kamen mit großer Entschlossenheit aus der Kabine. Bereits in der 46. Minute konnte Turek einen abgefälschten Schuss des auf Linksaußen gewechselten Czibor und kurz darauf einen von Puskás aufnehmen. Aber selbst wenn Turek geschlagen war, retteten Kohlmeyer (53. Minute) oder die Latte (57. Minute). Nach etwa einer Viertelstunde ungarischer Drangperiode kündigte sich mit unübersehbar geringerem Tempo der Magyaren eine Wende an. Zwar musste Turek in der 67. Minute noch einen Schuss von Puskás mit dem Fuß parieren, bevor Kohlmeyer den Ball wegschoss. Doch ab etwa der 70. Minute wandelte sich das Spielgeschehen: die Ungarn mussten ihrem hohen Tempo und dem aufgeweichten Boden Tribut zollen, während die deutsche Elf von Fritz Walter angetrieben wurde und so wieder zu Torchancen kam. In der 74. Minute verhinderte Grosics ein Tor durch Rahn mit einer tollen Parade. Im Gegenzug musste Turek gegen Czibor klären. Kurze Zeit später prallten Turek und Hidegkuti aneinander. Der deutsche Torhüter blieb liegen, musste von Mannschaftsarzt Franz Loogen behandelt werden und konnte wieder in sein Tor zurückkehren. In der 84. Minute verlor der ungarische Läufer József Bozsik den Ball an den deutschen Linksaußen Hans Schäfer.[41] Dieser flankte den Ball in den ungarischen Strafraum. Die ungarische Abwehr klärte nur schwach, sodass der Ball zu Helmut Rahn kam. Der täuschte ein Zuspiel zu Ottmar Walter im Strafraum vor, trickste damit zwei Ungarn aus und schoss den Ball zum 3:2 in die linke untere Ecke. Zunächst folgte noch ein Schuss der Deutschen auf das ungarische Tor, den Grosics hielt. Die deutsche Mannschaft kam aber wieder in Schwierigkeiten. Ungarn drang in den deutschen Strafraum ein, Puskás kam zum Schuss und der Ball lag im Tornetz (86. Minute), aber Linienrichter Mervyn Griffiths (Wales) hatte Abseits gegeben. Als die reguläre Spielzeit schon fast vorüber war, erschien Czibor frei fünf Meter vor Turek, doch der parierte.[42] Dann klärte Fritz Walter an der Mittellinie zum Einwurf. Dieser wurde schnell ausgeführt und landete bei Bozsik, doch Schiedsrichter Ling pfiff zum Spielende – Deutschland war Weltmeister. Kurze Zeit später nahm Fritz Walter den WM-Pokal aus den Händen von Jules Rimet entgegen.

  • 51. Minute: Zu Beginn der zweiten Halbzeit stürmen die Ungarn immer wieder vor das deutsche Tor, können aber keinen Erfolg verbuchen. Im Bild von links nach rechts: Bozsik (U) (hinten), Werner Liebrich (D) (10), Hans Schäfer (D) (hinten), Czibor (U), Jupp Posipal (D) (verdeckt von Puskas), Puskas (U), Kocsis (U) (hinten), Zakarias (U) (hinten).

  • 68. Minute: Nachdem Torhüter Turek den Ball mit Fußabwehr klären konnte, hat Kohlmeyer das Leder ins Seitenaus geschlagen. Im Bild von links nach rechts: Ottmar Walter (D), M.Toth (U), Hidegkuti (U), Toni Turek (D), Werner Kohlmeyer (3) (D), Werner Liebrich (D).

  • 75. Minute: Posipal klärt einen ungarischen Angriff mit Kopfballabwehr vor dem lauernden Stürmer und Spielführer Puskas. Im Bild von links nach rechts: Kocsis (U) (hinter Puskas), Puskas (U), Jupp Posipal (D), Karl Mai (D)(hinter Posipal), Horst Eckel (D), Hidegkuti (U)

  • 86. Minute: Mit letzter Kraft wirft sich Puskas in die Kopfballvorlage von Kocsis und erzielt das 3:3. SR Ling erkennt den Treffer aber nicht an. „Abseits“, zeigt LR Griffiths. Im Bild von links nach rechts: (Akteure im Vordergrund) Kocsis (U), SR Ling, Jupp Posipal (D)(rechts neben Ling), Werner Liebrich (D), Puskas (U)

Die Statistik wurde 2014 mithilfe der Radioreportage von Herbert Zimmermann und den vorhandenen Livebildern ermittelt. Die Zahlen belegen die Überlegenheit der ungarischen Mannschaft – insbesondere im Abschluss.[43]

Fritz Walter war beim Titelgewinn 1954 Kapitän der Nationalmannschaft und absolvierte insgesamt 61 Länderspiele für Deutschland, in denen ihm 33 Tore gelangen. Der schweizerische Nationalspieler Jacques Fatton bezeichnete ihn im Juni 1954 als Dreh- und Angelpunkt des deutschen Spiels und bescheinigte ihm höchstes Spielniveau.[44]

Wie viele andere Männer des Jahrgangs 1920 war auch Fritz Walter im Zweiten Weltkrieg im Einsatz. Obwohl Herberger für seine Spieler Privilegien durchsetzen konnte, blieben auch die Nationalspieler nicht vom Kriegseinsatz verschont, und so musste Walter zunächst in Frankreich als Infanterist dienen. Nach Kriegsende fiel er in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Dort erkrankte Walter an Malaria. Daraus resultierte seine Empfindlichkeit gegen Hitze. Niedrige Temperaturen und Regen förderten seine Physis und Psyche.[45]

Am Abend vor dem Endspiel in Bern besuchte ein ungarischer Reporter das Lager der deutschen Mannschaft in Spiez. Dort fragte er Sepp Herberger, ob er wirklich glaube, dass seine Mannschaft im Endspiel eine Chance gegen die Ungarn habe. Herberger sagte, dass Deutschland Ungarn zwar spielerisch unterlegen sei, aber die Dinge anders laufen könnten, wenn es denn am 4. Juli regnen würde. Am Morgen des Endspieltages schauten die Spieler gen Himmel, doch es kam kein Regen. Erst bei der Abfahrt aus Spiez zur Mittagsstunde fielen die ersten Regentropfen. Es war dem Fritz sei Wetter,[46] wie es in Lauterer Dialekt hieß. Auf dem Weg zum Endspiel sagte Sepp Herberger zu seinem Kapitän: „Fritz, Ihr Wetter.“ Walter erwiderte: „Chef, ich hab nix dagege.“[47]

Adolf „Adi“ Dassler war der Zeugwart der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 1954. Zudem war Dassler Gründer des Sportartikelherstellers Adidas. Er rüstete die deutsche Mannschaft im Gegensatz zu den anderen Mannschaften mit damals neuartigen Schuhen mit Schraubstollen aus. Dieser Vorteil zeigte sich im Finale von Bern, wo es während des gesamten Spiels in Strömen regnete. In der Halbzeitpause wurden die Stollen ausgetauscht und damit die Schuhe den Gegebenheiten angepasst.[48] Der linke Schuh von Torschütze Helmut Rahn wurde dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund überlassen und ist Bestandteil der Dauerausstellung.[49]

Zu Beginn des WM-Turniers gab es in Deutschland 27.592 Fernsehteilnehmer. Beim Endspiel schätzte man eine Million Zuschauer. In Deutschland waren sämtliche Lagerbestände an Fernsehgeräten leer gekauft.[50] Das Finale wurde von acht europäischen Ländern der Eurovision übertragen. Die Tonspur der TV-Reportage von Bernhard Ernst ist verloren gegangen, auch vom Filmmaterial sind nur noch 18 Minuten vorhanden. Robert Lembke als Ansager eröffnete jeweils die Übertragungen der Halbzeiten und schloss auch mit einem Hinweis, der die damalige politische Situation in Deutschland mit drei politisch unabhängigen Gebieten (Bundesrepublik, DDR, das teilunabhängige Saarland) sowie dem geteilten Berlin verdeutlicht:

„Hier sind alle Sender in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin, angeschlossen Radio Saarbrücken. Wir übertragen aus dem Wankdorf-Stadion in Bern das Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft zwischen Deutschland und Ungarn. Reporter ist Herbert Zimmermann.“

Die Filmbilder der entscheidenden Szenen werden fast immer mit dem Radiokommentar von Herbert Zimmermann unterlegt, der sich lange vor dem Finale Gedanken gemacht hatte, wie bei einer weiteren drohenden Niederlage gegen Ungarn formuliert werden könnte.[52] Bereits in der ersten Halbzeit war Zimmermann ob der Reflexe von Torhüter Toni Turek bei der Verteidigung des 2:2 außer sich geraten:

„Schuss! Abgewehrt von Turek - Turek, du bist ein Teufelskerl, Turek, du bist ein Fußballgott.“

Dafür handelte er sich ernste Tadel von Kirchenvertretern ein und hatte vor dem Intendanten zu erscheinen.

„Sechs Minuten noch im Wankdorf-Stadion in Bern. Keiner wankt. Der Regen prasselt unaufhörlich hernieder. Es ist schwer, aber die Zuschauer, sie harren nicht [sic!] aus, wie könnten sie auch! Eine Fußballweltmeisterschaft ist alle vier Jahre, und wann sieht man ein solches Endspiel, so ausgeglichen, so packend – jetzt Deutschland am linken Flügel durch Schäfer, Schäfers Zuspiel zu Morlock wird […] abgewehrt, und Bozsik […], der rechte Läufer der Ungarn, am Ball. Er hat den Ball – verloren diesmal, gegen Schäfer, Schäfer nach innen geflankt – Kopfball – abgewehrt – aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt! – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor! […] Halten Sie mich für verrückt, […] ich glaube, auch Fußballlaien sollten ein Herz haben, sollten sich […] mitfreuen und sollten jetzt Daumen halten.“

„Drei zu zwei führt Deutschland fünf Minuten vor dem Spielende. Halten Sie mich für verrückt, halten Sie mich für übergeschnappt. Ich glaube, auch Fußball-Laien sollten ein Herz haben und sollten sich an der Begeisterung unserer Mannschaft und an unserer eigenen Begeisterung mitfreuen und sollten jetzt Daumen halten. Viereinhalb Minuten Daumen halten in Wankdorf. Drei zu zwei führt Deutschland nach dem Linksschuss von Rahn, der flach im linken Eck einschlug […] Drei zu zwei für Ungarn – für Deutschland – ich bin auch schon verrückt, Entschuldigung! […] Und die Ungarn, wie von der Tarantel gestochen, lauern die Puszta-Söhne, drehen jetzt den siebten oder zwölften Gang auf, Und Kocsis flankt – Puskás abseits – Schuß – aber nein, kein Tor! Kein Tor! Kein Tor! Puskás abseits.“

Das Ende des Spiels:

„Es kann nur noch ein Nachspiel von einer Minute sein. Deutschland führt […] Aber es droht Gefahr – die Ungarn auf dem rechten Flügel – Jetzt hat Fritz Walter den Ball […] ins Aus geschlagen. Wer will ihm das verdenken? Die Ungarn erhalten einen Einwurf zugesprochen – der ist ausgeführt – kommt zu Bozsik – Aus! Aus! Aus! – Aus! – Das Spiel ist aus! – Deutschland ist Weltmeister – schlägt Ungarn mit drei zu zwo Toren im Finale in Bern!“

Bei Radio DDR klang das so:

„Noch einmal Einwurf für die Ungarn. Gleich ist es so weit, der Einwurf kommt, zurück noch einmal Buzánszky, Buzánszky flankt. Der Schlusspfiff. Schlusspfiff. Schlusspfiff im Berner Wankdorf-Stadion. Das Unvorstellbare ist passiert. Die westdeutsche Nationalmannschaft wird Fußball-Weltmeister 1954 im Endspiel gegen Ungarn. Die ganze Fußballwelt steht auf dem Kopf. Die westdeutschen Spieler liegen sich natürlich in den Armen. Die Ungarn sind großartige Verlierer, sie gratulieren den westdeutschen Spielern, (...)“

Wenige Tage nach dem Spiel hatte Ungarns Kapitän Ferenc Puskás den Finalgegner des Dopings beschuldigt. Gerüchte diesbezüglich hielten sich in den folgenden Jahrzehnten hartnäckig, wurden jedoch von den Beteiligten stets bestritten. 1960 nahm Puskás seine Anschuldigung zurück. Ein Indiz für Injektionen war eine Gelbsuchterkrankung diverser Spieler der Weltmeistermannschaft. Eine Untersuchung der gesamten Mannschaft im Oktober 1954 ergab, dass praktisch alle Spieler Leberschädigungen in unterschiedlicher Schwere davongetragen hatten. Richard Herrmann starb 1962 an Leberzirrhose, einer Folge der Hepatitis-C-Erkrankung, die er sich nach dem Sieg von Bern zuzog. Auch das Ableben von Werner Liebrich kann als Folgeerscheinung einer nicht behandelten Gelbsucht gedeutet werden.[58] Ein Gutachten des DFB im November 1954 führte die Infektion auf das „enge Zusammenleben der Mannschaft“ zurück und hielt es für „unwahrscheinlich“, dass die Übertragung durch Injektionen erfolgt sei. Dies gilt heute allgemein als Fehldiagnose. Wahrscheinlicher ist, dass sich die Spieler durch eine Gruppeninjektion infizierten. Da es damals noch keine Einwegspritzen gab, wurden den Spielern die Injektionen vermutlich durch ein- und dieselbe Spritze verabreicht.

2004 wurde bekannt, dass der Platzwart des ehemaligen Wankdorf-Stadions nach dem WM-Finale leere Glasampullen in einem Abflussgitter des Mannschaftsraumes fand.[59] Diese leeren Ampullen ließen darauf schließen, dass der damalige deutsche Mannschaftsarzt den Spielern unmittelbar vor dem Finale eine Flüssigkeit verabreichte. In der Folge räumten Ottmar Walter und Horst Eckel, zwei der zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Spieler der Weltmeister-Elf, dies schließlich ein.[60] Den Sportlern und DFB-Offiziellen zufolge soll es sich bei den Injektionen um eine Vitamin-C-Lösung gehandelt haben. Anti-Doping-Bestimmungen gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.[61] Auch beim Finalgegner Ungarn sollen Mittel verabreicht worden sein. Torhüter Gyula Grosics sprach ebenfalls von Vitamin C und auch Traubenzucker. Im Unterschied zu den Deutschen sollen die Mittel bei den Ungarn in Tablettenform verabreicht worden sein.[62]

Für die Heimfahrt der siegreichen Mannschaft am Morgen des 5. Juli stellte die Deutsche Bundesbahn einen Sondertriebwagen (BR VT 08) zur Verfügung. Dieser startete mit den Weltmeistern im schweizerischen Spiez und über Interlaken, Luzern und Zug ging es nach Zürich, wo FIFA-Vizepräsident Ernst Thommen als Dankeschön für seinen Einsatz beim 27. FIFA-Kongress der Ball des Endspiels überreicht wurde, den Werner Kohlmeyer entführt hatte und ursprünglich Sepp Herberger zum 100. Länderspiel zugedacht war.[63] Auf der Fahrt von der Grenze bei Schaffhausen in Richtung München spielten sich historische Jubelszenen ab. Dicht an dicht säumten die Menschen die Bahnstrecke, Musikkapellen und Begrüßungsredner wurden übertönt und die Spieler waren auf Grund der Menschenmassen nicht in der Lage, den Triebwagen für Interviews oder Autogramme zu verlassen. In Singen wurden 5.800 Bahnsteigkarten verkauft, in Radolfzell ließ Schiesser Geschenkkartons mit Feinripp-Unterwäsche überreichen und entlang der Strecke nach Konstanz winkten und jubelten Begeisterte, so wie es höchstens anlässlich der Tour de France zu erleben ist. Konstanz war am 5. Juli 1954 zwischen 18:32 und 18:55 Uhr im Ausnahmezustand. Der Südkurier titelte: „So etwas hat Konstanz noch nie erlebt (... und weiter) Seit den großen Tagen der Luftschiffe hat in Friedrichshafen kein Ereignis so viele Menschen auf die Beine gebracht wie dieser kurze Aufenthalt (15 Minuten) der Fußball- Weltmeister.“ Beim Ausstieg der Weltmeister in Lindau „hielten die Sperren gerade noch, bis die Fußballer kamen.“ Die weiteren Stationen Oberstaufen, Immenstadt, Kempten, Kaufbeuren und Landsberg boten unvorstellbare Szenen.[64] Etwa 300.000 Begeisterte in Bayerns Landeshauptstadt bildeten den Höhepunkt des Finale Grande, bei dem Oberbürgermeister Thomas Wimmer die Silberne Ehrennadel verlieh und Fritz Walter am Abend im Löwenbräukeller nach Bauwens’ umstrittener Rede zum ersten Ehrenspielführer der Nationalmannschaft ernannt wurde.

„Frenetischer Jubel, durchbrochene Polizeisperren, Geschenke an die Spieler als Vorgeschmack des Wirtschaftswunders, Blasmusik, vorbereitete Reden von Oberbürgermeistern und Landräten, denen niemand zuhören wollte.“

Von München aus setzten die Helden von Bern ihren Triumphzug durch andere große Städte Westdeutschlands fort. Überall kamen die Menschen auf die Straßen und überreichten der Mannschaft Glückwünsche und Geschenke.

„Über diesen Sieg der deutschen Fußballer in der Schweiz können wir uns alle freuen.“

Nachdem die Weltmeisterschaft mit dem unerwarteten Titelgewinn endete, entstand ein kollektives „Wir-Gefühl“.[67] Es hieß „Wir sind Weltmeister“ und nicht „Deutschland ist Weltmeister“. Auch oft zu finden war in der damaligen Zeit die Formulierung: „Wir sind wieder wer“. Dies war bezogen auf die scheinbare Bedeutungslosigkeit Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Da man nun die Weltmeisterschaft gewonnen hatte, konnte man darauf stolz sein, ein Deutscher zu sein. Historiker sprechen im Zusammenhang mit dem Wunder von Bern auch von der eigentlichen Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland.[68][69]

„Man hatte das Gefühl, wieder in die Völkervereinigung aufgenommen zu werden. Man hatte das Gefühl, dass man einem wieder Respekt entgegenbringt, das hat uns gut getan.“

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass das Wunder von Bern einen großen Anteil an der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg hatte. Es hatte eine große Aufbruchstimmung zur Folge, die sicher auch mit ausschlaggebend war für das Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik Deutschland. Die Leitmotive der Herberger-Elf galten auch als Vorbild für die Menschen in der damaligen Zeit. Man ging nach den Prinzipien Fleiß, Mannschaftsgeist, Disziplin und Einordnung in ein Kollektiv vor. Auch diese Motive waren wichtig für das Wirtschaftswunder.

Zu Kritik im Ausland und Befürchtungen einer Rückkehr nationalistischer Überheblichkeit führte die Tatsache, dass die deutschen Zuschauer im Wankdorf-Stadion nach dem Schlusspfiff beim Abspielen der Nationalhymne die erste Strophe des Deutschlandlieds sangen. Inwieweit dies einen nationalistischen Hintergrund hatte oder schlicht auf Unkenntnis der dritten Strophe zurückzuführen war, ist umstritten. Erst im November 1953 wurde die dritte Strophe offiziell festgelegt.[71][72]

In Budapest kam es zu dreitägigen Unruhen nach der „kalten Dusche“. Die Menschen zogen zum Bahnhof Keleti, weil sie dachten, dass die Truppen dort ankommen würden. Mehrere Personen wurden verhaftet und einige verurteilt. Dieser Aufruhr war ein Anlass, um Frust abzulassen.[73] Spieler wurden verhört und vom kommunistischen Regime drangsaliert. Einigen Spielern, die mit deutschen Mercedes-PKW aus der Schweiz heimkehrten, wurde Folter angedroht und unterstellt, sie hätten sich kaufen lassen, um absichtlich zu verlieren.

Gyula Grosics hat man das Siegtor der Deutschen niemals ganz verziehen. Er wurde ein Jahr nach dem verlorenen Finale in Budapest verhaftet[74] und 1957 zu Tatabánya Bányász SC in die Provinz verbannt. Dennoch bestritt er zwei weitere Endrunden für Ungarn. Ebenfalls verloren Verwandte von Spielern ihre Arbeitsplätze. Auch für andere Spieler hatte die Niederlage Folgen. So konnte der lukrative Schmuggel über die Grenze, den die Behörden vor dem 4. Juli noch gern übersahen, bei Auswärtsspielen nicht mehr betrieben werden. Ferenc Puskás sagte später, die Menschen in Budapest hätten ihn bei seiner Ankunft nach dem verlorenen Endspiel angeschaut, als habe er eine Krankheit. Puskás, Kocsis, Hidegkuti & Co. waren jetzt nicht mehr die uneingeschränkten Lieblinge der Ungarn.

„Wenige Kilometer vor Budapest mussten wir gegen Mittag plötzlich aussteigen, wurden in ein Trainingslager gebracht und durften es den ganzen Tag nicht verlassen. Abends kamen die höchsten Politiker – Rakosi, der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, auch der Innenminister und der Militärminister sowie Leute der ungarischen Stasi. Rakosi hielt eine Rede, auch der zweite Platz sei ein schönes Ergebnis, und dann sagte er noch: Niemand von euch soll Angst haben, bestraft zu werden für dieses Spiel. Ich habe den Klang seiner Stimme noch im Ohr. Als dieser Satz fiel, wusste ich, dass er genau das Gegenteil bedeutet. Ich wusste, dass etwas Schlimmes passieren würde. Ich war oft mit der Staatssicherheit AVH aneinandergeraten, jetzt hatte ich das Gefühl, in Gefahr zu sein. Ich wusste, sie hatten es auf mich abgesehen. Ich behielt Recht.“

Für den ungarischen Fußball bedeutete die Niederlage von Bern das Ende aller Hoffnungen auf einen WM-Titel oder einen ähnlich großen Pokal. Die Goldene Elf blieb noch weitere zwei Jahre zusammen und setzte ihre Siegesserie fort. Doch als im Jahr 1956 der Ungarische Volksaufstand von den Kommunisten brutal niedergeschlagen wurde und die Mannschaft von Honvéd Budapest mit Stars wie Puskás, Czibor und Kocsis gerade im österreichischen Wien weilte, endete die Ära der großen ungarischen Fußballnationalmannschaft. Als die Spieler des Clubs aus dem Budapester Stadtteil Kispest von der Niederschlagung des Ungarnaufstandes hörten, entschlossen sich die meisten von ihnen, in Spanien zu bleiben. Kocsis und Czibor spielten in Barcelona, übrigens zusammen mit ihrem Landsmann László Kubala, der Ungarn schon früher den Rücken gekehrt hatte, Puskás in Madrid. Damit war die Zeit der „goldenen“ ungarischen Fußballgeneration beendet. Lóránt wurde auf Vermittlung von Herberger an der Deutschen Sporthochschule Köln aufgenommen.[76]

Autogrammkarte der Weltmeister

Die fünf Kaiserslauterer WM-Helden von Bern in Bronze vor dem Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern, von links: Liebrich, F. Walter, Kohlmeyer, Eckel, O. Walter

Die siegreiche Mannschaft von Bern wurde in der Heimat seit dem 4. Juli 1954 verehrt. Allen voran Kapitän Fritz Walter, Siegtorschütze Helmut Rahn und Trainer Sepp Herberger erlangten den Status von Volkshelden.

Walter setzte seine Nationalmannschaftskarriere bis 1958 fort und machte später Werbung für Unternehmen, schrieb Sportbücher und besaß in Kaiserslautern zeitweise ein Kino.[77] Herberger war noch zwei weitere Weltmeisterschaften Trainer der Nationalmannschaft, ehe er sich aus der Öffentlichkeit zurückzog. Helmut Rahn verkraftete den Heldenstatus nicht; er verfiel dem Alkohol und landete schließlich im Gefängnis wegen Trunkenheit am Steuer. Dort holte ihn Herberger wieder heraus, weil er Rahn für die Mission Titelverteidigung 1958 in Schweden benötigte.[78] Auch andere Spieler der Weltmeistermannschaft von 1954 kamen mit dem Ruhm nicht gut zurecht. Werner Kohlmeyer verfiel wie Rahn dem Alkohol und verprasste sein ganzes Geld durch seine Sucht. Er landete auf der Straße und musste auch seine WM-Medaille verkaufen. Kohlmeyer starb 1974 mit weniger als 50 Jahren an den Folgen seines langjährigen übermäßigen Alkoholkonsums.[79] Ottmar Walters Versuch, sich das Leben zu nehmen, scheiterte und er bekam von der Stadt Kaiserslautern eine Stelle in der Verwaltung angeboten, nachdem er lange arbeitslos gewesen war. Toni Turek erkrankte 1973 an einer rätselhaften Lähmung der Beine, es folgten Herzinfarkt und Schlaganfall, sodass der ehemalige „Fußballgott“ 1984 mit 65 Jahren verstarb.[80] Richard Herrmann, der aber nur in der Vorrunde gegen Ungarn eingesetzt worden war, starb an den Folgen von Gelbsucht. Horst Eckel, der Jüngste in der Weltmeistermannschaft, starb als letzter Held von Bern am 3. Dezember 2021.[81]

Vor dem Turnier[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Frankreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • L’Équipe zollt bereits am 27. Mai 1954 Herberger große Wertschätzung: „Dans la bouche de Herberger, on peut être sûr que cette affirmation n'est pas gratuite et ne constitue pas une sous-estimation de l'adversaire. Herberger avait déjà son plan.“[82]
  • Le Monde am 9. Juni 1954: Die deutsche Elf wird hinter den Topfavoriten Ungarn, Uruguay und Brasilien mit England, Italien, Österreich und Jugoslawien zu den Folgefavoriten gerechnet.[83]
  • Libération zitiert am 9. Juni 1954 den schweizerischen Nationalspieler Jacques Fatton: „Moi, je ne vois pas la Hongrie gagner la Coupe du Monde (...) ni le Brésil, ni l'Uruguay. (...) Si je m'en tiens à mon expérience pratique de joueur, l'adversaire qui me paraît le plus redoutable, c'est l'Allemagne. Il y aura de grosses surprises en Coupe du Monde, les Allemands peuvent en être les grands bénéficiares.“[84]
England[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Daily Worker am 12. Juni 1954: Die deutsche Elf wird hinter Ungarn, Uruguay, Brasilien und Frankreich auf Rang fünf eingeschätzt.[85]

Während des Turniers[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Bild-Zeitung am 2. Juli 1954: (...) „Deutsche Elf so gut wie noch nie (...) Die elf Männer im Adlertrikot erzwungen das Wunder der Fußballmeisterschaft 1954!“[86]

Unmittelbar nach dem Turnier (Auszug)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der erste große deutsche Sporterfolg nach 1945 fand in der internationalen Presse eine entsprechende Beachtung und Würdigung.[87]

England[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Daily Express: „Diese wenig beachteten Deutschen, jahrelang die Parias im internationalen Fußball, schlugen zurück und gewannen. Sie gewannen, weil sie im Gegensatz zu jeder anderen Mannschaft dieser Meisterschaftsserie sich weigerten, auf die erschreckenden Geschichten der magyarischen Ballzauberei zu hören.“
Frankreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Le Figaro: „Man muß schon anerkennen, daß die deutschen Fußballer in wunderbarer Weise ihre Fähigkeiten zu verwerten wußten. (...)“
Holland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • De Telegraaf: „Die Wundermannschaft der Magyaren ist geschlagen. Sie wurde von einer Elf bezwungen, die eine Einheit war und sich mit aller Kraft gegen eine langdauernde Offensive zur Wehr setzte, um dann die gebotenen Chancen auf glänzende Weise zu nutzen. (...)“
  • Nieuws van den Dag: „Das Wunder ist geschehen. Der Großmeister ist durch eine Mannschaft bezwungen worden, der niemand eine Chance gab, die aber trotzdem den Sieg errang, weil sie die gleiche messerscharfe Waffe wie die Ungarn gebrauchte: eine geschlossene Einheit, zu der alle elf Spieler von Anfang bis Ende alles beitrugen.“
Österreich[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Welt am Montag: „Der Erfolg ist verdient, denn Deutschland habe nicht nur eine grandiose kämpferische Leistung gezeigt, sondern auch über einen Angriff verfügt, der dem der Ungarn in keiner Weise nachstand. (...)“

Das Wunder von Bern bot in einigen Fällen die Grundlage für Filme. Der erste Film, der sich mit dem deutschen Titelgewinn 1954 auseinandersetzte, war 1994 Das Wunder von Bern: Deutschland und die Fußball-WM 1954[88] von Ulrich Lenze.

Acht Jahre später produzierten drei Studenten der Fachhochschule Offenburg den 11-minütigen Brickfilm Die Helden von Bern, der die Höhepunkte des Endspiels von Bern mit Legofiguren zeigt. Unterlegt wurde dieser Trickfilm mit den Kommentaren von Herbert Zimmermann. Um die alte Tradition des Kurzfilms wieder aufleben zu lassen, führten die Verantwortlichen einen nicht-kommerziellen Kinostart im Jahr 2003 durch. Dank einiger Sponsoren konnte eine Ausbelichtung auf 35-mm-Film realisiert werden. Davon wurde eine Vielzahl an Kopien gezogen, die bundesweit in ausgewählten Kinos gezeigt wurden.

Ein Jahr später, 2004, sendete das ZDF den 90-minütigen Dokumentarfilm Das Wunder von Bern – die wahre Geschichte. Der Film von Guido Knopp beschreibt die Geschehnisse vor, während und nach dem Titelgewinn der deutschen Mannschaft. Darin kommen zahlreiche beteiligte Personen wie Ottmar Walter, Co-Trainer Albert Sing, Ersatz-Torwart Heinrich Kwiatkowski, Jenő Buzánszky und Gyula Grosics zu Wort. Im gleichen Jahr wurde der Dokumentarfilm Das Wunder von Bern – Das Spiel – Eine Rekonstruktion vom ZDF gezeigt. Hierfür wurde das verfügbare Original-Filmmaterial zusammengetragen, zusammengeschnitten und mit dem Radiokommentar unterlegt. Insgesamt konnten so 38 Minuten des Spiels rekonstruiert werden.

Auch Spielfilme verwiesen auf das Wunder von Bern. So verwendete Rainer Werner Fassbinder die Radioreportage des Endspiels von Bern in seinem Film Die Ehe der Maria Braun, um während der gesamten mehrminütigen Schlussszene des Films den Zeitbezug zum Jahr 1954 herzustellen. Am wohl bekanntesten ist Sönke Wortmanns Film Das Wunder von Bern aus dem Jahr 2003. Der Film beschreibt die Geschichte vom unerwarteten Sieg bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in Bern. Darüber hinaus beschreibt der Film die Schwierigkeiten eines heimgekehrten Kriegsgefangenen, der sich in seinem alten Leben nicht mehr zurechtfindet, parallel zum deutschen Erfolg aber seinem Sohn und seiner Familie wieder näherkommt.[89][90]

2014 entstand in Hamburg ein Musical mit dem Titel Das Wunder von Bern, welches am 23. November 2014 uraufgeführt wurde.[91] Die Handlung ist an Sönke Wortmanns Spielfilm angelehnt. Produzent ist die Firma Stage Entertainment Germany.[92]

Wie steht's bei Deutschland gegen Ungarn?

Spieltag der Nations League hat Deutschland gegen Ungarn mit 0:1 (0:1) verloren und damit die Qualifikation für die Endrunde verpasst. Das goldene Tor erzielte der ehemalige Bundesliga-Stürmer Adam Szalai (17.). Für Bundestrainer Hansi Flick war es die erste Niederlage mit dem DFB-Team.

Wer hat gewonnen Deutschland oder Ungarn?

Nations League: DFB-Team verliert gegen Ungarn mit 0:1.

Wer hat das Tor für Deutschland gegen Ungarn geschossen?

Hinspiel-Torschütze Jonas Hofmann rückte nach vorne, der eingewechselte Thilo Kehrer übernahm rechts in der Viererkette. Leroy Sane (51.) hatte den Ausgleich auf dem Fuß, scheiterte aber an Torwart Peter Gulacsi, neben Willi Orban und Dominik Szoboszlai einem von drei Leipzigern bei Ungarn.

Wie steht es beim Länderspiel?

Deutschland - JAPAN 1:2.