Aus der haft entlassen und gleich wieder

Wer in Deutschland gegen das Strafrecht verstößt und sich dementsprechend einer Straftat schuldig macht, der wird als ultimative Konsequenz im Fall einer gerichtlichen Verurteilung den schweren Gang in eine Justizvollzugsanstalt antreten müssen. Dort erfolgt dann die Verbüßung der Strafe in Form einer Haftstrafe. Keine Frage, für diejenigen Personen, hinter die sich eine Gefängnistür erst einmal verschließt, rückt die Hoffnung sowie auch die Freude am Leben erst einmal in den Hintergrund. Das Datum der Entlassung ist zumeist das Ziel, an welches sich die Inhaftierten regelrecht festklammern. Dieses Datum wird mit der Urteilsverkündung in Form der Haftdauer auch festgelegt, es gibt in Deutschland jedoch die sogenannte vorzeitige Haftentlassung. Das Problem dabei ist, dass der Verurteilte im Rahmen der Urteilsverkündung überhaupt nicht über die Möglichkeit der vorzeitigen Haftentlassung aufgeklärt wird. Dies liegt daran, dass die vorzeitige Haftentlassung nicht in Stein gemeißelt ist und von vielen Faktoren abhängig gemacht werden muss.

Grundsätzlich kommt die vorzeitige Haftentlassung nicht für jeden verurteilten Straftäter infrage. Die vorzeitige Haftentlassung ist daher als eine Möglichkeit anzusehen, auf welche der Inhaftierte im Rahmen seiner Haftstrafe hinarbeiten kann.

Aus der haft entlassen und gleich wieder
Aus der haft entlassen und gleich wieder
(Symbolfoto: Von Motortion Films/Shutterstock.com)

Verschiedene Varianten sind möglich

Im öffentlichen Meinungsbild hat die Möglichkeit der vorzeitigen Haftentlassung einen eher negativ behafteten Beigeschmack. Dies liegt letztlich aber daran, dass die breite Öffentlichkeit über die Rahmenbedingungen einer vorzeitigen Haftentlassung nur unzureichend aufgeklärt ist. So besteht bei vielen Menschen, die überhaupt nicht mit dem Strafrecht bzw. den Gegebenheiten einer Justizvollzugsanstalt in Berührung kommen, der Gedanke, dass ein Inhaftierter einfach seine Haftzeit wegen der sogenannten “guten Führung” in der Justizvollzugsanstalt verkürzen kann und dann einfach wieder in das normale Leben entlassen wird. Dieses Meinungsbild ist natürlich falsch, da es die Rahmenbedingungen überhaupt nicht berücksichtigt. Richtig ist, dass es für Inhaftierte die Möglichkeit gibt, eine vorzeitige Haftentlassung in Form einer sogenannten Zweidrittel- oder Halbstrafe zu erreichen. Gem. § 57 StGB kann eine verurteilte Person, die zu einer Gesamtfreiheitsstrafe ohne eine Bewährung von einem Gericht verurteilt wurde, nach einem Zeitraum von Zweidrittel der Haftstrafe oder auch zu einem Halbstrafenzeitraum entlassen werden kann. Hierfür müssen jedoch besondere Umstände gegeben sein, die ein Inhaftierter für die Zeit nach der Haftstrafe erfüllen muss.

Die Voraussetzungen für eine Zweidrittelentlassung

Um eine vorzeitige Entlassung zu dem Zweidrittelzeitpunkt zu erreichen ist zunächst die Zustimmung des Inhaftierten erforderlich. Obgleich der Gedankengang naheliegt, dass jeder Inhaftierte dieser vorzeitigen Haftentlassung blind zustimmen würde, ist dieser Gedankengang falsch. Sehr viele Inhaftierte entscheiden sich gegen diese Form der vorzeitigen Haftentlassung, da sie mit weiteren Auflagen verbunden ist. Überdies wird vor der Entscheidung einer vorzeitigen Haftentlassung auch geprüft, ob

  • die Persönlichkeit des Inhaftierten
  • die speziellen Vorlieben des Inhaftierten
  • die genauen Umstände der Tat
  • die Gefahr eines Rückfalls
  • das genaue Verhalten des Inhaftierten während der Haftzeit
  • die genauen Lebensverhältnisse des Inhaftierten
  • die Auswirkungen der vorzeitigen Haftentlassung auf den Inhaftierten

eine vorzeitige Haftentlassung überhaupt zulassen. Diese Prüfung erfolgt stets auf der Basis der Einzelfallprüfung. Dementsprechend kann eine gute Führung während der Haftentlassung sowie auch die vorherige Wahrnehmung von Vollzugslockerungen ohne Beanstandungen und geregelte Lebensumstände außerhalb des Justizvollzuges durchaus einen positiven Einfluss auf die Entscheidung der vorzeitigen Haftentlassung nehmen. Der Inhaftierte muss nachweisen, dass nach der Entlassung

  • ein fester Wohnsitz
  • eine geregelte Arbeitsstelle
  • ein gefestigtes straffreies soziales Umfeld

vorhanden ist. Die vorzeitige Haftentlassung zum Zweidrittelzeitpunkt kann frühestens zwei Monate nach dem Haftantritt geprüft werden. in der gängigen Praxis jedoch erfolgt die Überprüfung zu einem erheblich späteren Zeitpunkt. Der Zeitpunkt ist jedoch abhängig von der Gesamtstrafe.

Die Voraussetzungen für eine vorzeitige Haftentlassung zum Halbstrafenzeitraum unterscheiden sich nicht merklich von den Voraussetzungen zu einem Zweidrittelzeitraum. Der Inhaftierte muss allerdings zwingend bereits sechs Monate seiner Haftstrafe in dem geschlossenen Justizvollzug “abgesessen” haben, damit die Prüfung gestartet werden kann. In der gängigen Praxis kommt die vorzeitige Haftentlassung zum Halbstrafenzeitraum lediglich für sogenannte Erstverbüßer oder für verurteilte Inhaftierte, deren Gesamtstrafe zwei Jahre nicht übersteigt, in Betracht.

Die vorzeitige Haftentlassung ist auch möglich, wenn besondere Rahmenumstände dies begünstigen.

Die besonderen Umstände werden in dem § 57 Absatz 2 StGB genauer definiert. In diesem Paragrafen werden sie als

  • Erstinhaftierung
  • eine besondere Persönlichkeitsveränderung im positiven Sinn
  • milde Fälle

definiert.

Die vorzeitige Haftentlassung sollte von dem Inhaftierten in schriftlicher Form beantragt werden. Anders als im öffentlichen Meinungsbild etabliert entscheidet nicht die Justizvollzugsanstalt, in welcher der Inhaftierte seine Haftstrafe verbüßt, über die vorzeitige Haftentlassung. Die Entscheidung über die vorzeitige Haftentlassung obliegt dem jeweilig zuständigen Gericht. Der Inhaftierte muss den Antrag dementsprechend an dieses Gericht wenden und dabei auch stichhaltige Begründungen für den Antrag liefern.

Sämtliche positiven Argumente wie beispielsweise

  • die beanstandungsfreie und kooperative Führung während der Haftdauer
  • die Wahrnehmung von Lockerungen (Freigänge etc.) ohne Beanstandungen
  • das Vorliegen eines Arbeitsplatzes nach der Haftentlassung (Vorlage eines Arbeitsvertrages)
  • der feste Wohnsitz (Vorlage eines Mietvertrages oder Nachweis über Eigentum)

müssen diesem Antrag zwingend beigefügt werden, um die Erfolgsaussichten für den Antrag zu steigern. Die Prüfung des Antrags erfolgt seitens der zuständigen Strafvollstreckungskammer auf der Basis “von Amts wegen”. Dies bedeutet, dass im Grunde genommen überhaupt kein Antrag für die vorzeitige Haftentlassung erforderlich wäre, da die Prüfung ohnehin erfolgt. Der schriftliche Antrag des Inhaftierten bietet jedoch für den Inhaftierten die Möglichkeit, positiv auf die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer einzuwirken und Argumente zu liefern, welche die Strafvollstreckungskammer im Zuge der Prüfung von Amts wegen etwaig nicht im Fokus hat.

Wenn ein Inhaftierter den Wunsch der vorzeitigen Haftentlassung verspürt, so sollte direkt mit dem ersten Tag der Verbüßung in der Justizvollzugsanstalt das Gespräch mit dem Abteilungsleiter gesucht werden. Die vorzeitige Haftentlassung ist ein Ziel, auf welches der Inhaftierte jeden Tag hinarbeiten muss.

Sollte die vorzeitige Haftentlassung seitens der Strafvollstreckungskammer genehmigt werden, so stellt sich natürlich die Frage, was mit der Reststrafe aus der Verurteilung des Inhaftierten geschieht. Hierbei muss betont werden, dass diese Reststrafe nicht etwa einfach verfällt oder gar erlassen wird. Vielmehr wird die verbleibende Reststrafe in eine Bewährungsstrafe umgewandelt. Diese Bewährungsstrafe ist dann mit weitergehenden Auflagen sowie auch bestimmten Weisungen verbunden. Dies ist letztlich auch der Grund dafür, warum sich etliche Inhaftierte in Deutschland gegen die Möglichkeit einer vorzeitigen Haftentlassung entscheiden und ihre Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt bis zum Enddatum “absitzen”.

Sollte ein Straftäter, der im Rahmen einer vorzeitigen Entlassung aus der Haft entlassen wurde, gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen, so erfolgt ein sogenannter Bewährungswiderruf. Dies führt dann wiederum zu einer Inhaftierung, in der die restliche Strafzeit verbüßt werden muss.

Sollte ein Inhaftierter zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden sein, so gelten natürlich andere Voraussetzungen für eine vorzeitige Haftentlassung. Diese Voraussetzungen finden sich in dem § 57a StGB (Strafgesetzbuch). Die wichtigsten Voraussetzungen für die vorzeitige Haftentlassung sind, dass

  • der Inhaftierte eine Haftstrafe von mindestens 15 Jahren bereits in der Justizvollzugsanstalt verbüßt hat
  • bei dem Inhaftierten nicht im Zuge der Verurteilung die besondere Schuldschwere festgestellt wurde

Die übrigen Voraussetzungen sind den Voraussetzungen für eine vorzeitige Haftentlassung bei anderen Inhaftierten gleichgestellt.

Obgleich ein Inhaftierter auch in Eigenregie einen Antrag auf eine vorzeitige Haftentlassung an die zuständige Strafvollstreckungskammer stellen kann, so ist dies nicht ratsam. Vielmehr sollte sich der Inhaftierte der Hilfe eines Rechtsanwalts für Strafrecht bedienen, da dieser über die hierfür erforderlichen juristischen Fachkenntnisse verfügt und überdies auch über erheblich mehr Kommunikationsmittel verfügt. Die Gegebenheiten in einer Justizvollzugsanstalt sind überaus einschränkend und in der Regel ist der Tagesablauf in einer Justizvollzugsanstalt auch sehr klar strukturiert, sodass der Inhaftierte in seinem Alltag nur sehr selten die Ruhe findet, seine Angelegenheiten in Eigenregie erfolgreich zu regeln. Beginnend mit dem Wecken und dem Ausrücken zur Arbeit vergeht ein Tag in der Justizvollzugsanstalt mitunter überaus schnell, sodass die wenigsten Inhaftierten ihre Angelegenheiten mit der hierfür erforderlichen Ruhe regeln können. Überdies muss auch erwähnt werden, dass es in einer Justizvollzugsanstalt sehr laut zugehen kann, da die unterschiedlichsten Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen und den unterschiedlichsten Herkunftsländern eng aufeinander treffen. Die Stimmung in einer Justizvollzugsanstalt ist im Endeffekt mit nichts vergleichbar, was ein Mensch zuvor in seinem Leben schon erlebt hat.

Sehr schnell können die Nerven der Insassen sowie auch der Bediensteten, welche in der Justizvollzugsanstalt ihren Dienst verrichten, blank liegen und dementsprechend bietet sich auch Potenzial für Eskalationen. Diese Eskalationen wirken sich natürlich sehr negativ auf das Führungsverhalten von Inhaftierten aus, was letztlich auch den Antrag auf die vorzeitige Entlassung gefährden kann. Wenn Sie sich mit einer Haftstrafe konfrontiert sehen oder diese Haftstrafe in einer Justizvollzugsanstalt bereits angetreten haben, so sollten Sie sich auf jeden Fall mit einem Rechtsanwalt für Strafrecht in Verbindung setzen. Es kann durchaus ein beruhigendes Gefühl sein, wenn die wichtigen Angelegenheiten von einem Rechtsanwalt im Hintergrund geklärt werden, ohne dass Sie sich hiermit auch noch zusätzlich belasten müssen. Wir stehen diesbezüglich für Sie sehr gern zur Verfügung.

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