Baby füttern oder selbst essen lassen

Ernährung Sollten wir unsere Kinder selbstbestimmter essen lassen?

Baby füttern oder selbst essen lassen

Die "baby-led weaning"-Methode löst unter Eltern hitzige Diskussionen aus

© Sofie Delauw/Cultura/plainpicture

Manche Eltern glauben: Babys können allein entscheiden, wann sie genug gegessen haben. Stimmt das?

Sollten Babys selbst bestimmten, wann und wie viel sie essen? Wenn meine Tochter entscheiden könnte: auf jeden Fall. Sie ist anderthalb Jahre alt und hat schon immer gern alles in den Mund gesteckt. Steine, Sand, Klobürsten. Babys tun das instinktiv, sie untersuchen ihre Umwelt mit dem Mund.

Irgendwann hatte sie etwas auf der Zunge, das sie lecker fand. Zuerst Brötchen, dann ein Stück Gurke, eine Erdbeere. Sie lernte das Wort Nein, wenn sie genug hatte. Und dann bald „mehr!“, wenn sie noch eine Erdbeere wollte. Für sie ist die große Frage der Ernährung beantwortet: „nein“ oder „mehr“.

Die Erwachsenen tun sich damit sehr viel schwerer. Die Frage, wie ein Säugling von der Milch ent- und an feste Nahrung gewöhnt werden sollte, löst hitzige Diskussionen aus.

Grob teilen sich die Ratgeber in zwei Lager. Die Anhänger des Babybreis auf der einen Seite. Auf der anderen Seite die Befürworter des Ansatzes mit dem englischen Namen baby-ledweaning. Dabei geht es darum, Babys freie Hand zu lassen. Sie essen das, was sie selbstständig in den Mund stecken und probieren können.

Die Anhänger des freien Essens argumentieren, dass jene Babys, die ihre Ernährung selbst in die Hand nehmen, seltener zu Übergewicht neigen würden. Die Idee dahinter: Babys, die allein entscheiden, würden nicht mehr essen, als ihnen guttut. Doch eine vor Kurzem vorgestellte Studie neuseeländischer Wissenschaftler widerlegt diesen Glauben. Mehr als 200 Mütter nahmen mit ihren Babys an der Untersuchung teil. Eine Hälfte fütterte ihr Kind mit Brei, die andere Hälfte bevorzugte die Methode baby-led weaning.

Baby füttern oder selbst essen lassen

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Am Ende ließ sich kein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Gruppen feststellen. In der Gruppe mit den Selbstessern gab es jedoch ein wenig mehr übergewichtige Kinder.

Allerdings zeigt die neuseeländische Studie: Die Babys, die mehr Kontrolle über ihre Ernährung hatten, waren weniger wählerisch und hatten mehr Spaß am Essen. Das spricht auf jeden Fall dafür, den Kleinkindern mehr Selbstständigkeit zuzutrauen.

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  • Gesunde Ernährung

Was darf’s denn heute sein? Schon mit ein paar Monaten sitzen manche Babys am Familientisch und entscheiden ganz allein, was sie essen möchten. Nicht alle Experten sind begeistert von dem Trend. Denn Kinder brauchen bestimmte Nährstoffe für eine gesunde Entwicklung.

Anke Krämer (Name von der Redaktion geändert) hat nach der Geburt ihres ersten Kindes in einer Zeitung von der Methode gelesen. Baby-Led Weaning (BLW) stammt aus Großbritannien und bedeutet übersetzt etwa: „vom Baby geführtes Entwöhnen“. Babys bekommen keinen Brei, sondern nehmen quasi an den Mahlzeiten der Familie teil.

„Ich fand das total spannend, zumal ich bei Freunden und Bekannten schon erlebt habe, wie ungern manche Babys Brei essen“, erzählt Krämer.

Erst bot sie ihrem Sohn Milo Gurken-Sticks und Kohlrabi an. „Gekühlt, weil wir gelesen haben, dass die Kälte seine Beschwerden beim Zahnen lindert.“ Es folgten Reiswaffeln, später Kartoffeln, Brot, gedünstetes Gemüse, Nudeln. „Es war beeindruckend, mit welcher Freude mein Kind am Tisch saß und sich durch die Lebensmittel probierte.“

Häppchen als spielerische Beigabe

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Quelle: Zoomin.TV

BLW ist keine neue Erfindung. Seit Jahrtausenden geben Eltern ihren Babys kleine Häppchen zu essen. „Die meisten Kinder sind mit ungefähr sechs Monaten reif für Beikost. Sie können mit etwas Unterstützung aufrecht sitzen, Dinge greifen und in den Mund stecken“, sagt Aleyd von Gartzen, Beauftragte für Stillen und Ernährung beim Deutschen Hebammenverband.

Sie hält das für sehr babyfreundlich: „Früher hat man einfach starr eine Milchmahlzeit durch Brei ersetzt und ist dabei oft auf den lautstarken Widerstand des Kindes gestoßen.“

BLW hingegen fördere die individuelle Entwicklung des Kindes: „Das Baby wird dabei nach Bedarf gestillt oder mit dem Fläschchen gefüttert. Und die Fingerfood-Häppchen sind eine spielerische Beigabe, die nach und nach immer mehr Raum einnehmen.“

Von Gartzen erklärt, wie das konkret funktioniert: „Das Baby sitzt bei den Mahlzeiten mit am Familientisch und bekommt Lebensmittel in handlichen Stücken angeboten.“ Erst sind das vor allem weiche Sachen wie gekochte Gemüsestückchen, Brot, gedünstete Apfelschnitze oder klein geschnittener, grätenfreier Fisch.

„Geeignet sind eigentlich alle Lebensmittel, die auch Erwachsene zu sich nehmen und die nicht zu stark gewürzt sind, man muss also nicht extra kochen.“

Eine ziemliche Sauerei

Die Eltern füttern nicht aktiv, das Baby entscheidet selbst, ob es zugreift oder nicht. Das ist natürlich meistens erst mal eine ziemliche Sauerei. „Aber ich weiß von anderen Eltern, dass auch Brei füttern zum großen Gematsche werden kann“, sagt Krämer. Das bessere sich aber mit der Zeit.

Die kleinen Fingerfood-Häppchen und Essensspielereien machen Babys aber noch nicht satt. Das Kind wird weiter nach Bedarf mit Muttermilch oder Milchfläschchen gefüttert. „Je mehr die Kinder dann essen und je besser sie mit den angebotenen Lebensmitteln zurechtkommen, desto mehr sinkt der Bedarf am Stillen“, erklärt von Gartzen.

Nicht alle Experten sind davon komplett überzeugt. Maria Flothkötter, Leiterin des Netzwerks „Gesund ins Leben“, einer Initiative des Bundesernährungsministeriums, rät zum Brei. „Das Risiko eines Nährstoffmangels kann durch diese Form der Ernährung nicht ausgeschlossen werden“, sagt sie.

Spätestens mit Beginn des siebten Monats steige der Bedarf an Nährstoffen wie Eisen zum Teil stark an. Stillen oder Fläschchen allein decke den Bedarf beim Kind oft nicht. Die Beikost hingegen sei genau berechnet, über Jahrzehnte erprobt und sicher in Bezug auf die Nährstoffversorgung, meint Flothkötter.

Lieber als Ergänzung

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Quelle: Die Welt

BLW hingegen sei noch nicht wissenschaftlich untersucht. Das Risiko, dass die Kinder zu wenige Nährstoffe aufnehmen, sei deshalb zu groß. Für Eltern sei es kaum nachvollziehbar, welche Mengen ihr Kind durch diese Methode nun tatsächlich gegessen hat.

Die Expertin sieht in der Fingerfood-Methode daher eher eine Ergänzung: „Man kann dem Kind Brei oder auch zerkleinertes Familienessen geben und ihm dann trotzdem noch Lebensmittel zum Selberessen anbieten.“ Es hat viele Vorteile für Kinder, sich selbst auszuprobieren. Das fördert das spielerische Entdecken der Geschmacksvielfalt.

Die Angst, dass sich Babys an den Häppchen verschlucken, sei unbegründet, sagt von Gartzen: „Bei Babys sitzt der Auslösepunkt für das Würgen sehr weit vorne auf der Zunge, sie spucken zu große Stücke also aus.“

Ausnahmen sind Nüsse, Kirschen oder ganze Weintrauben: „Solche Lebensmittel sind gefährlich und gehören nicht in Babyhände“, mahnt die Expertin. Zudem sollten Eltern die Babys beim Essen niemals unbeaufsichtigt lassen.

Hebamme von Gartzen hält von fertigen Gläschen aus dem Supermarkt nicht viel: „In den industriell gefertigten Breimahlzeiten ist geschmacklich nur eine sehr begrenzte Vielfalt zu finden“, sagt sie. So entwickele sich der Geschmackssinn eines Kindes nicht in voller Breite.

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Quelle: N24

Wann Baby selbst essen lassen?

Mit anderthalb bis zwei Jahren können Kinder in der Regel weitgehend selbstständig mit dem Löffel essen. "Bis etwa zweieinhalb nutzen sie aber jede Chance, ins Essen oder nach Gegenständen auf dem Tisch zu greifen", sagt Dagmar von Cramm, Ernährungswissenschaftlerin und Autorin.

Sollten Kinder selbst entscheiden was Sie essen?

Kinder sollten selbst entscheiden, ob und wie viel sie essen möchten. Vertrauen Sie Ihrem Kind und seinem natürlichen Sättigungsmechanismus. Nicht jedes Kind isst jeden Tag die gleiche Menge. Ermuntern Sie Ihr Kind, auch mal etwas Neues zu probieren.

Was sind die besten Essenszeiten für Babys?

Beginnt dein Baby zu essen, dann gibt es dafür keinen festen Zeitpunkt. Es ist egal mit welcher Mahlzeit und zu welcher Tageszeit du beginnst. Du kannst direkt ab dem ersten Tag mehrere Male täglich etwas anbieten. Nämlich immer dann, wenn du oder ihr als Familie auch esst.

Was kann Baby alleine essen?

Beim Baby led weaning, was übersetzt in etwa "vom Baby gesteuerte Entwöhnung" bedeutet, können Babys selbständig aus verschiedenem Fingerfood wählen und sich so eigenständig vom Stillen entwöhnen. Dein Baby kann selbstständig entscheiden, was es essen möchte, wann und vor allem wie viel.