Von einem, der auszog das Fürchten zu lernen PDF

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Veröffentlicht am 22. Dezember 2014 Von Ulrich Vormbaum 3503 Downloads

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M�rchentext der Gebr�der Grimm [1857]
Interpretation von Undine & Jens in Gr�n [2018]

Ein Vater hatte zwei S�hne, davon war der �lteste klug und gescheit, und wu�te sich in alles wohl zu schicken. Der j�ngste aber war dumm, konnte nichts begreifen und lernen, und wenn ihn die Leute sahen, sprachen sie: �Mit dem wird der Vater noch seine Last haben!� Wenn nun etwas zu tun war, so mu�te es der �lteste allzeit ausrichten; hie� ihn aber der Vater noch sp�t oder gar in der Nacht etwas holen, und der Weg ging dabei �ber den Kirchhof oder sonst einen schaurigen Ort, so antwortete er wohl: �Ach nein, Vater, ich gehe nicht dahin, es gruselt mir!� Denn er f�rchtete sich. Oder wenn abends beim Feuer Geschichten erz�hlt wurden, wobei einem die Haut schaudert, so sprachen die Zuh�rer manchmal: �Ach, es gruselt mir!� Der j�ngste sa� in einer Ecke und h�rte das mit an und konnte nicht begreifen, was es hei�en sollte. �Immer sagen sie, es gruselt mir, es gruselt mir! Mir gruselt�s nicht. Das wird wohl eine Kunst sein, von der ich auch nichts verstehe.�

Wie das M�rchen von Frau Holle mit einer Mutter und zwei T�chtern beginnt, f�r die der Vater fehlt, so beginnt dieses M�rchen mit einem Vater und zwei S�hnen, wobei die Mutter fehlt. Das deutet bereits darauf hin, da� es hier weniger um die �u�ere Natur sondern mehr um den inneren Geist geht. Und am Anfang steht wieder einmal ein offensichtlicher Gegensatz in Gestalt zweier S�hne. Der �ltere war �normal�, und der J�ngere war �sehr seltsam�. Er verhielt sich v�llig anders als alle anderen, weil ihm eine Kleinigkeit im Leben fehlte, denn er kannte keine Angst. Und wer keine Angst kennt, weder vor Strafe noch vor Leid, der k�mmert sich nat�rlich um viele Dinge nicht, die anderen sehr wichtig erscheinen. Auch unsere Medizin kennt solche seltenen F�lle und spricht von einer ernsten Krankheit, denn Menschen ohne Angst leben sehr gef�hrlich, weil sie vielen Gefahren nicht ausweichen. Doch unserem F�rchtenix scheint es gar nicht so schlecht zu gehen. Er wundert sich nur �ber diese Welt um ihn herum. So geht es zun�chst in diesem M�rchen darum, mit dem Gedanken zu spielen, was es eigentlich bedeutet, frei von Angst zu sein. Ein Zustand, den wir uns oft w�nschen, aber gew�hnlich nicht einmal vorstellen k�nnen. Umgedreht ist es f�r den Jungen genauso schwer, ein Gef�hl zu verstehen, das er nie erlebt hat. Das Ganze ist ein wunderbares Gedankenexperiment, und die erste Erkenntnis besteht darin, da� unser F�rchtenix von anderen als ein Dummkopf betrachtet wird.

Nun geschah es, da� der Vater einmal zu ihm sprach: �H�r, du in der Ecke dort, du wirst gro� und stark, du mu�t auch etwas lernen, womit du dein Brot verdienst. Siehst du, wie dein Bruder sich M�he gibt, aber an dir ist Hopfen und Malz verloren.� - �Ei, Vater,� antwortete er, �ich will gerne was lernen; ja, wenn�s anginge, so m�chte ich lernen, da� mir�s gruselte; davon verstehe ich noch gar nichts.� Der �lteste lachte, als er das h�rte und dachte bei sich: Du lieber Gott, was ist mein Bruder f�r ein Dummbart, aus dem wird sein Lebtag nichts. Was ein H�kchen werden will, mu� sich beizeiten kr�mmen. Der Vater seufzte und antwortete ihm: �Das Gruseln, das sollst du schon lernen, aber dein Brot wirst du damit nicht verdienen.�

Da haben wir bereits den ersten Effekt der Angstlosigkeit. Unserem F�rchtenix fehlt es am �blichen Ehrgeiz, etwas werden zu wollen und in dieser Welt bestehen zu m�ssen, denn er hat keine Angst vor dem Tadel der Welt. Bei ihm ist �Hopfen und Malz verloren�, das hei�t, wer kein Bier brauen kann, dem n�tzen auch die besten Zutaten nichts. Und auf die Frage des Vaters, was er im Leben lernen m�chte, entscheidet er sich nat�rlich f�r das, was er an der Welt um sich herum am wenigsten versteht. Sein Bruder lacht dar�ber, denn welcher Mensch w�nscht sich so etwas Unangenehmes wie das F�rchten zu lernen, um in der Welt etwas zu werden? Er sieht es wohl sogar als stolze �berheblichkeit an und empfiehlt seinem j�ngeren Bruder, sich lieber dieser Welt zu beugen, wenn er hier etwas N�tzliches werden will. Der Vater seufzt zwar, aber sieht kein Problem darin, das F�rchten zu lernen, denn daf�r ist diese Welt ja da. Sie wird es ihn schon lehren, aber davon leben k�nne er nicht. Heutzutage ist das allerdings nicht mehr so klar, denn in unserer Marktwirtschaft kann man sogar die Angst verkaufen. Das ist zwar absurd, aber das Gesch�ft mit z.B. Versicherungen oder Horrorfilmen l�uft hervorragend. So besteht die zweite Erkenntnis darin, da� unser F�rchtenix auch als stolz und �berheblich betrachtet wird.

Bald danach kam der K�ster zu Besuch ins Haus. Da klagte ihm der Vater seine Not und erz�hlte, wie sein j�ngster Sohn in allen Dingen so schlecht beschlagen w�re, er w��te nichts und lernte nichts. �Denkt Euch, als ich ihn fragte, womit er sein Brot verdienen wollte, hat er gar verlangt, das Gruseln zu lernen.� - �Wenn�s weiter nichts ist,� antwortete der K�ster, �das kann er bei mir lernen; tut ihn nur zu mir, ich werde ihn schon abhobeln.� Der Vater war es zufrieden, weil er dachte: Der Junge wird doch ein wenig zugestutzt. Der K�ster nahm ihn also ins Haus, und er mu�te die Glocken l�uten. Nach ein paar Tagen weckte er ihn um Mitternacht, hie� ihn aufstehen, in den Kirchturm steigen und l�uten. Du sollst schon lernen, was Gruseln ist, dachte er, ging heimlich voraus, und als der Junge oben war und sich umdrehte und das

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Glockenseil fassen wollte, so sah er auf der Treppe, dem Schalloch gegen�ber, eine wei�e Gestalt stehen. �Wer da?� rief er, aber die Gestalt gab keine Antwort, regte und bewegte sich nicht. �Gib Antwort,� rief der Junge, �oder mache, da� du fortkommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen!� Der K�ster aber blieb unbeweglich stehen, damit der Junge glauben sollte, es w�re ein Gespenst. Der Junge rief zum zweitenmal: �Was willst du hier? Sprich, wenn du ein ehrlicher Kerl bist, oder ich werfe dich die Treppe hinab.� Der K�ster dachte: Das wird so schlimm nicht gemeint sein, gab keinen Laut von sich und stand, als wenn er von Stein w�re. Da rief ihn der Junge zum drittenmal an, und als das auch vergeblich war, nahm er einen Anlauf und stie� das Gespenst die Treppe hinab, da� es zehn Stufen hinabfiel und in einer Ecke liegenblieb. Darauf l�utete er die Glocke, ging heim, legte sich ohne ein Wort zu sagen ins Bett und schlief fort. Die K�sterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann, aber er wollte nicht wiederkommen. Da ward ihr endlich angst, sie weckte den Jungen und fragte: �Wei�t du nicht, wo mein Mann geblieben ist? Er ist vor dir auf den Turm gestiegen.� - �Nein,� antwortete der Junge, �aber da hat einer dem Schalloch gegen�ber auf der Treppe gestanden, und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte, so habe ich ihn f�r einen Spitzbuben gehalten und hinuntergesto�en. Geht nur hin, so werdet Ihr sehen, ob er�s gewesen ist, es sollte mir leid tun.� Die Frau sprang fort und fand ihren Mann, der in einer Ecke lag und jammerte und ein Bein gebrochen hatte.

Welche gro�e Rolle die Angst in unserem gew�hnlichen Leben spielt, zeigen bereits die vielen Begriffe, die wir daf�r mit verschiedensten Nuancen verwenden. Das geht von Respekt �ber Furcht bist zu Angst und Panik. Dazu geh�ren auch Gruseln, Horror, Schrecken und Grauen. �ber die Unterschiede streiten sich die Psychologen, doch das Volk verwendet diese Begriffe ganz intuitiv, wie wir auch. So w�rden wir hier sagen, da� unser F�rchtenix zumindest Respekt hat, denn er folgt seinem Vater bereitwillig, der ihn nun in die Lehre zum K�ster schickt, einem Kirchendiener, der sich dort wie ein Hausmeister um praktische Dinge k�mmert, unter anderem das L�uten der Glocke. Nun, hier geht es um die sogenannte Erziehung. Das ist ein wirklich gro�es Thema, in dem die Furcht eine wesentliche Rolle spielt. Wer Kinder hat, wird dieses Problem gut kennen. Kinder brauchen ihre Grenzen, sie m�ssen lernen, was zu tun und zu lassen ist, und hier hat die Furcht in allen Nuancen eine ganz nat�rliche Aufgabe, vom Respekt vor den Eltern bis zur Furcht vor Schmerzen, die vor Gefahren warnen, oder der Furcht vor der Fremde, damit sie in der N�he der Eltern bleiben. Kinder ohne Grenzen werden schnell zu Tyrannen, die sich selbst und ihren Eltern zweifellos nicht viel Gutes tun. Die Kunst ist nat�rlich, auch in der Erziehung jedes Mittel vern�nftig anzuwenden und sinnvoll zu dosieren. Sonst geht das Ganze schnell nach hinten los, wie in unserem M�rchen. Inwieweit diese Verbindung zwischen K�ster und Gespenst auf die Erziehungsmethoden der kirchlich-weltlichen Institutionen anspielen, kann man nur vermuten. Denn wahrlich, auch in der Kirche wurde die Angst oft mi�braucht, um die Menschen zu unterdr�cken oder sogar schreckliche Kriege zu f�hren, und entsprechend wurde gro�er Schaden angerichtet, der schlie�lich auch der Kirche die Glieder zerbrochen hat. Zumindest handelt unser F�rchtenix aus seiner Sicht hier v�llig vern�nftig, f�hlt sich zum Kampf herausgefordert, k�mpft und gewinnt sogar gegen einen Erwachsenen, der von der Reaktion des J�nglings v�llig �berrascht und �berw�ltigt wurde. Wem sollte man hier die Schuld geben? Mag es der K�ster auch gut gemeint haben, das Ungl�ck traf ihn sicherlich nicht unverdient.

Sie trug ihn herab und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen. �Euer Junge,� rief sie, �hat ein gro�es Ungl�ck angerichtet, meinen Mann hat er die Treppe hinabgeworfen, da� er ein Bein gebrochen hat. Schafft den Taugenichts aus unserm Hause!� Der Vater erschrak, kam herbeigelaufen und schalt den Jungen aus. �Was sind das f�r gottlose Streiche, die mu� dir der B�se eingegeben haben.� - �Vater,� antwortete er, �h�rt nur an, ich bin ganz unschuldig. Er stand da in der Nacht wie einer, der B�ses im Sinne hat. Ich wu�te nicht, wer�s war, und habe ihn dreimal ermahnt, zu reden oder wegzugehen.� - �Ach,� sprach der Vater, �mit dir erleb ich nur Ungl�ck, geh mir aus den Augen, ich will dich nicht mehr ansehen.� - �Ja, Vater, recht gerne, wartet nur bis Tag ist, da will ich ausgehen und das Gruseln lernen, so versteh ich doch eine Kunst, die mich ern�hren kann.� - �Lerne, was du willst,� sprach der Vater, �mir ist alles einerlei. Da hast du f�nfzig Taler, damit geh in die weite Welt und sage keinem Menschen, wo du her bist und wer dein Vater ist, denn ich mu� mich deiner sch�men.� - �Ja, Vater, wie Ihr�s haben wollt, wenn Ihr nicht mehr verlangt, das kann ich leicht in acht behalten.�

Aber klar, wer w�rde dem Jungen hier Recht geben und sagen �Das hast du gut gemacht!�? Damit kommen wir zur dritten Erkenntnis, da� unser F�rchtenix sogar als b�se betrachtet wird, was damals eng mit dem Teufel, der Verk�rperung des B�sen, verbunden war. Das endet in einer Art Verbannung, der Vater sagt sich von seinem Sohn los und schickt ihn in die Fremde. Doch unser F�rchtenix scheint auch mit der Fremde und dem Verlust von Vertrautem kein Problem zu haben. Er folgt seinem Vater gern und scheint ihm diesen schweren Tadel gar nicht �belzunehmen. Hier zeigt sich bereits eine wunderliche Einfalt, �ber die wir sp�ter noch sprechen wollen. Bereitwillig stellt er sich den Herausforderungen der Welt und hofft, eines Tages lernen zu k�nnen, was die Leute um ihn herum unter �Angst� verstehen.

Als nun der Tag anbrach, steckte der Junge seine f�nfzig Taler in die Tasche, ging hinaus auf die gro�e Landstra�e und sprach immer vor sich hin: �Wenn mir�s nur gruselte! Wenn mir�s nur gruselte!� Da kam ein Mann heran, der h�rte das Gespr�ch, das der Junge mit sich selber f�hrte, und als sie ein St�ck weiter waren, da� man den Galgen sehen konnte, sagte der Mann zu ihm: �Siehst du, dort ist der Baum, wo sieben mit des Seilers Tochter Hochzeit gehalten haben und jetzt das Fliegen lernen: setz dich darunter und warte, bis die Nacht kommt, so wirst du schon noch das Gruseln lernen.� - �Wenn weiter nichts dazu geh�rt,� antwortete der Junge, �das ist leicht getan; lerne ich aber so geschwind das Gruseln, so sollst du meine f�nfzig Taler haben; komm nur morgen fr�h wieder zu mir.� Da ging der Junge zu dem Galgen, setzte sich darunter und wartete, bis der Abend kam. Und weil ihn fror, machte er sich ein Feuer an. Aber um Mitternacht ging der Wind so kalt, da� er trotz des Feuers nicht warm werden wollte. Und als der Wind die Gehenkten gegeneinanderstie�, da� sie sich hin und her bewegten, so dachte er: Du frierst unten bei dem Feuer, was m�gen die da oben erst frieren und zappeln. Und weil er mitleidig war, legte er die Leiter an, stieg hinauf, kn�pfte einen nach dem andern los und holte sie alle sieben herab. Darauf sch�rte er das Feuer, blies es an und setzte sie ringsherum, da� sie sich w�rmen sollten. Aber sie sa�en da und regten sich nicht, und das Feuer ergriff ihre Kleider. Da sprach er: �Nehmt euch in acht, sonst h�ng ich euch wieder hinauf.� Die Toten aber h�rten nicht, schwiegen und lie�en ihre Lumpen fortbrennen. Da ward er b�s und sprach: �Wenn ihr nicht achtgeben wollt, so kann ich euch nicht helfen, ich will nicht mit euch verbrennen,� und hing sie nach der Reihe wieder hinauf. Nun setzte er sich zu seinem Feuer und schlief ein, und am andern Morgen, da kam der Mann zu ihm, wollte die f�nfzig Taler haben und sprach: � Nun, wei�t du, was Gruseln ist?� - �Nein,� antwortete er, �woher sollte ich�s wissen? Die da droben haben das Maul nicht auf getan und waren so dumm, da� sie die paar alten Lappen, die sie am Leibe haben, brennen lie�en.� Da sah der Mann, da� er die f�nfzig Taler heute nicht davontragen w�rde, ging fort und sprach: �So einer ist mir noch nicht vorgekommen.�

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Eine gro�e Angst, die wir gew�hnlich alle mit uns herumtragen, ist die Angst vor dem Tod. Diese Angst war auch damals ein wichtiges Werkzeug, um die Menschen in den Grenzen von Recht und Gesetz zu halten. Wer diese Grenzen �berschritt, mu�te mit der Todesstrafe rechnen und endete gew�hnlich am Galgen, wo er mit des Seilers Tochter, n�mlich dem Strick, aufgeh�ngt wurde und im Wind baumelte. Und es war wichtig, da� diese Strafe alle sehen konnten, um von weiteren Untaten abgeschreckt zu werden. Doch auch hier hat unser F�rchtenix keine Angst, sogar der Tod schreckt ihn nicht, im Gegenteil, er scheint gar nicht zu verstehen, was �Tod� bedeutet. Er behandelt die Toten wie Lebende und macht ihnen noch Vorw�rfe, weil sie am Feuer nicht achtsam genug sind. Und sicherlich, w�ren sie im Leben achtsamer gewesen, h�tten sie wahrscheinlich nicht diesen Weg genommen.

Auch an seinem Geld scheint er nicht allzusehr zu h�ngen, denn er ist bereit, alles hinzugeben, wie er auch bereit war, seine Familie und sein Vaterhaus zur�ckzulassen. Das w�re dann die vierte Erkenntnis, da� unser F�rchtenix praktisch keine Anhaftung kennt.

Der Junge ging auch seines Wegs und fing wieder an, vor sich hin zu reden: �Ach, wenn mir�s nur gruselte! Ach, wenn mir�s nur gruselte!� Das h�rte ein Fuhrmann, der hinter ihm her schritt, und fragte: �Wer bist du?� - �Ich wei� nicht,� antwortete der Junge. Der Fuhrmann fragte weiter: �Wo bist du her?� - �Ich wei� nicht.� - �Wer ist dein Vater?� - �Das darf ich nicht sagen.� - �Was brummst du best�ndig in den Bart hinein?� - �Ei,� antwortete der Junge, �ich wollte, da� mir�s gruselte, aber niemand kann mich�s lehren.�

Nun wird�s noch interessanter. Unser F�rchtenix wei� nicht, wer er ist und woher er kommt. Hat er keinen Namen? Geht er keinen Weg? Ist er keine Person? Auch wenn er hier nur dem Gebot seines Vaters folgt, mal ehrlich: K�nnen wir uns vorstellen, was wir ohne Ego w�ren, ohne dieses eingebildete �Ich�, diese seltsame Pers�nlichkeit mit Charakter, Namen und Adresse? F�r gew�hnliche Menschen, wie wir, ist das genauso unvorstellbar, wie f�r unseren F�rchtenix die Angst und der Tod unvorstellbar sind. Damit erinnert uns nun diese Geschichte weniger an eine schreckliche Krankheit, sondern an die unglaublichen Berichte �ber Menschen, welche die sogenannte Befreiung oder Erl�sung erreicht haben, von der die gro�en Religionen sprechen. Wovon sind sie befreit? Von der Illusion des eingebildeten Egos, und damit von den Fesseln dieser Welt, von Tod, Angst, Anhaftung und S�nde bzw. Karma. Solche Menschen sind schon immer sehr selten gewesen, und manche von ihnen empfangen diese gro�e Freiheit scheinbar einfach so, als w�rden sie zuf�llig ein Los kaufen und den Jackpot im Lotto gewinnen. Dann wundern sie sich zun�chst sehr, was mit ihnen geschehen ist und k�nnen es selbst nicht verstehen. Zwei praktische Beispiele, die wir diesbez�glich in unserer Zeit kennen, sind Eckhart Tolle und Dadaji. Doch sicherlich gibt es noch mehr in dieser Welt, und nicht jeder von ihnen wurde zu einem ber�hmten Lehrer. Und wenn dieses seltene Ereignis bereits in der Kindheit auftaucht, dann k�nnte ungef�hr das geschehen, was hier im M�rchen beschrieben wird. Solche Menschen haben auch im Alter noch das, was man die reine Einfalt nennt, die bereits erw�hnt wurde. Und wir kommen hier auch auf die vier genannten Erkenntnisse zur�ck, n�mlich da� ihre Weisheit anderen oft wie nutzlose Dummheit erscheint, und nicht selten werden sie sogar als stolz, �berheblich und b�sartig oder zumindest seltsam beschimpft, weil ihr Wesen so fremdartig wirkt. Sie reagieren unerwartet, denn sie sind von weltlicher Anhaftung, Begierde, Ha� und Leidenschaft frei und mit einer h�heren Wahrheit vereint. Nur deshalb k�nnen sie sich erlauben, in dieser Welt ohne Angst zu leben, die ansonsten notwendig ist, um diesen egoistischen Neigungen nat�rliche Grenzen zu setzen. Deshalb ist es auch v�llig normal, da� andere Menschen, die zu dieser geistigen Ebene noch keinerlei Zugang haben, gar nicht wissen, wovon sie sprechen.

�La� dein dummes Geschw�tz,� sprach der Fuhrmann. �Komm, geh mit mir, ich will sehen, da� ich dich unterbringe.� Der Junge ging mit dem Fuhrmann, und abends gelangten sie zu einem Wirtshaus, wo sie �bernachten wollten. Da sprach er beim Eintritt in die Stube wieder ganz laut: �Wenn mir�s nur gruselte! Wenn mir�s nur gruselte!� Der Wirt, der das h�rte, lachte und sprach: �Wenn dich danach l�stet, dazu sollte hier wohl Gelegenheit sein.� - �Ach, schweig stille,� sprach die Wirtsfrau, �so mancher Vorwitzige hat schon sein Leben eingeb��t, es w�re Jammer und Schade um die sch�nen Augen, wenn die das Tageslicht nicht wieder sehen sollten.� Der Junge aber sagte: �Wenn�s noch so schwer w�re, ich will�s einmal lernen, deshalb bin ich ja ausgezogen.� Er lie� dem Wirt auch keine Ruhe, bis dieser erz�hlte, nicht weit davon st�nde ein verw�nschtes Schlo�, wo einer wohl lernen k�nnte, was Gruseln w�re, wenn er nur drei N�chte darin wachen wollte. Der K�nig h�tte dem, der�s wagen wollte, seine Tochter zur Frau versprochen, und die w�re die sch�nste Jungfrau, welche die Sonne beschien; in dem Schlosse steckten auch gro�e Sch�tze, von b�sen Geistern bewacht, die w�rden dann frei und k�nnten einen Armen reich genug machen. Schon viele w�ren wohl hinein, aber noch keiner wieder herausgekommen. Da ging der Junge am andern Morgen vor den K�nig und sprach: �Wenn�s erlaubt w�re, so wollte ich wohl drei N�chte in dem verw�nschten Schlosse wachen.� Der K�nig sah ihn an und weil er ihm gefiel, sprach er: �Du darfst dir noch dreierlei ausbitten, aber es m�ssen leblose Dinge sein, und das darfst du mit ins Schlo� nehmen.� Da antwortete er: �So bitt ich um ein Feuer, eine Drehbank und eine Schnitzbank mit dem Messer.�

Weiter geht die Geschichte voll wunderbarer Symbole. Ein Fuhrmann bringt ihn zu einem Wirt. Dessen Frau scheint etwas zu ahnen und erkennt in den Augen des Jungen bereits etwas Besonderes, vielleicht einen ungew�hnlichen Glanz. Und der Wirt spricht von einem Schlo�, in dem es unvergleichliche Sch�tze gibt, die von b�sen Geistern bewacht werden. K�nnte damit unser K�rper gemeint sein? Die dunklen Geister kommen uns sicherlich bekannt vor, aber was ist der gro�e Schatz in unserem Inneren? Und warum ist es so schwer, dieses k�rperliche Schlo� wieder lebendig zu verlassen? Nat�rlich gibt es f�r das Schlo� auch einen K�nig, und wer die Pr�fung besteht, gewinnt die Hand seiner Tochter zusammen mit der K�nigsw�rde. Hier k�nnte man symbolisch an die Seele denken, die im K�rper wohnt, an den reinen Geist, der als wahrer K�nig aus seinem Schlo� flieht, weil dort die Spuk-Illusionen regieren, und die reine Natur als K�nigstochter, mit der sich die Seele wieder verbinden kann, wenn sie sich nach innen gerichtet und die Spuk-Illusionen besiegt hat. Die drei ber�hmten Tage der Pr�fung sind dann im Leben wahrscheinlich drei Jahre oder auch drei Jahrzehnte. Doch die Zeit spielt hier keine gro�e Rolle, denn der Weg ist das Ziel. So wird im folgenden nicht nur die Art und Weise beschrieben, wie ein furchtloser Mensch handeln kann, sondern vermutlich auch ein Weg, wie man sich selbst dieser geistigen Ebene der Furchtlosigkeit n�hern k�nnte. Das Ganze ist mit vielen Symbolen beschrieben und beginnt mit den drei n�tzlichen Werkzeugen f�r den Weg, der in unser Inneres f�hrt.

Der K�nig lie� ihm das alles bei Tage in das Schlo� tragen. Als es Nacht werden wollte, ging der Junge hinauf, machte sich in einer Kammer ein helles Feuer an, stellte die Schnitzbank mit dem Messer daneben und setzte sich auf die Drehbank. �Ach, wenn mir�s nur gruselte,� sprach er, �aber hier werde ich�s auch nicht lernen.� Gegen Mitternacht wollte er sich sein Feuer einmal aufsch�ren, wie er so hineinblies, da schrie�s pl�tzlich aus einer Ecke: �Au, miau! Was uns friert!� - �Ihr Narren,� rief er, �was schreit ihr? Wenn euch friert, kommt, setzt euch ans Feuer und w�rmt euch.� Und wie er das gesagt hatte, kamen zwei gro�e schwarze Katzen in einem gewaltigen Sprunge herbei, setzten sich ihm zu beiden Seiten und sahen ihn mit feurigen Augen ganz wild an. �ber ein Weilchen, als sie sich gew�rmt hatten, sprachen sie: �Kamerad, wollen wir eins in der Karte spielen?� - �Warum nicht?� antwortete er, �aber zeigt einmal eure Pfoten her.� Da streckten sie die Krallen aus. �Ei,� sagte er, �was habt ihr lange N�gel! Wartet, die mu� ich euch erst abschneiden.� Damit packte er sie beim Kragen, hob sie auf die Schnitzbank und schraubte ihnen die Pfoten fest. �Euch habe ich auf die Finger gesehen,� sprach er, �da vergeht mir die Lust zum Kartenspiel,� schlug sie tot und warf sie hinaus ins Wasser. Als er aber die zwei zur Ruhe gebracht hatte und sich wieder zu seinem Feuer setzen wollte, da kamen aus allen Ecken und Enden schwarze Katzen und schwarze Hunde an gl�henden Ketten, immer mehr und mehr, da� er sich nicht mehr bergen konnte. Die schrien greulich, traten ihm auf sein Feuer, zerrten es auseinander und wollten es ausmachen. Das sah er ein Weilchen ruhig mit an, als es ihm aber zu arg ward, fa�te er sein Schnitzmesser und rief: �Fort mit dir, du Gesindel,� und haute auf sie los. Ein Teil sprang weg, die andern schlug er tot und warf sie hinaus in den Teich. Als er wiedergekommen war, blies er aus den Funken sein Feuer frisch an und w�rmte sich.

Wenn es drau�en Nacht wird, richten sich unserer Sinne mehr und mehr nach innen, auf unsere geistige Welt. Hier macht man sich ein helles Feuer, das zum einen die Lebensw�rme gibt und zum anderen das Licht, um etwas zu erkennen. Dann legt man seine Werkzeuge griffbereit, setzt sich auf die Drehbank und wartet voller Achtsamkeit, was man auch Meditation nennt. Die Drehbank ist hier ein wunderbares Symbol. Denn in Meditation zu sitzen hei�t, den Kopf rundzudrechseln und die Gegens�tze auszugleichen, damit die Gedanken nicht anecken und �berall h�ngenbleiben, sondern frei flie�en k�nnen. Als die Nacht am tiefsten war und das Feuer, das hei�t die Achtsamkeit, noch einmal ordentlich gesch�rt wurde, erschienen zwei schwarze Katzen mit feurigen Augen, welche die W�rme des Lebens suchten. Und als sie sich wohl und lebendig f�hlten, wollten sie spielen. Aber mit solchen Katzen sollte man nicht spielen, denn sie haben scharfe Krallen und symbolisieren hier wahrscheinlich Eigenwilligkeit und T�uschung, also die Illusion (wie man auch im M�rchen �Katze und Maus in Gesellschaft� lesen kann). Das ist das gr��te Hindernis auf dem geistigen Weg zur Befreiung. Die Illusion bindet uns an diese Welt und ist die Ursache f�r Angst und Tod. Und wer es jemals versucht hat, die Illusion zu besiegen, wei�, wie hinterlistig sie ist. Wenn man eine erschlagen hat, kommen schon die n�chsten in Form endloser Gedanken aus irgendwelchen L�chern des Geistes. Es sind die dunklen Wesen in uns, und neben den schwarzen Katzen kommen noch die schwarzen Hunde aus Begierde und Ha�, die uns anbellen und so sehr an ihren Ketten ziehen, da� sie schon gl�hen. Nun gilt es die Werkzeuge zu benutzen, die geschickten Mittel, um sich der Geister zu erwehren. Die Schnitzbank ist ebenfalls ein vorz�gliches Symbol. Was macht man damit? Man klemmt das rohe Holz ein und formt es mit dem Messer um. Gleiches geschieht in der Mediation, wenn man versucht, wie ein geschickter Handwerker die Formen des Geistes zu wandeln. Das funktioniert, und mit etwas �bung kann mancher Alptraum in Frieden gewandelt werden, mancher Ha� in Liebe und mancher Mi�erfolg in einen Erfolg. Das funktioniert, weil das Ganze mit Illusion zu tun hat, und Illusion ist in alles wandelbar. Das ist sicherlich schon eine gro�e Hilfe im Leben. Aber die Nacht ist noch nicht zu Ende. Wer sich darin versucht, wird bald sehen, mit welcher Macht immer neue Gedanken und Illusionen kommen und versuchen, das Bewu�tsein abzulenken, das Feuer der Achtsamkeit zu zerstreuen und auszutreten. Das schaut man sich eine Weile gelassen an, und dann sollte man reagieren, k�mpfen und nach M�glichkeit siegen und zur�ckkehren, um die Reste der Achtsamkeit wieder zu sammeln und auflodern zu lassen. Den Kampf f�hrt man am besten mit dem ber�hmten Schwert der Erkenntnis, und die Leichen gibt man zur�ck ins Wasser. Das ist erstaunlich. Was k�nnte mit diesem Wasser gemeint sein, dem Wassergraben um das Schlo� und dem Teich? Sicherlich, wer den geistigen Kampf sucht, sollte keine Leichen zur�cklassen, denn irgendwann wird alles wieder lebendig. So gibt man sie am besten der Natur zur�ck, wo sie hingeh�ren, ins Wasser, aus dem unser Leben entstanden ist, oder sogar in dieses mystische Meer des Geistes, aus dem alles entsteht. Auf diese Weise bringt man alles zu seinem Ursprung zur�ck.

Und als er so sa�, wollten ihm die Augen nicht l�nger offen bleiben und er bekam Lust zu schlafen. Da blickte er um sich und sah in der Ecke ein gro�es Bett. �Das ist mir eben recht,� sprach er, und legte sich hinein. Als er aber die Augen zutun wollte, so fing das Bett von selbst an zu fahren und fuhr im ganzen Schlo� herum. �Recht so,� sprach er, �nur besser zu.� Da rollte das Bett fort, als w�ren sechs Pferde vorgespannt, �ber Schwellen und Treppen auf und ab: auf einmal, hopp hopp! warf es um, das Unterste zuoberst, da� es wie ein Berg auf ihm lag. Aber er schleuderte Decken und Kissen in die H�he, stieg heraus und sagte: �Nun mag fahren, wer Lust hat,� legte sich an sein Feuer und schlief, bis es Tag war. Am Morgen kam der K�nig, und als er ihn da auf der Erde liegen sah, meinte er, die Gespenster h�tten ihn umgebracht und er w�re tot. Da sprach er: �Es ist doch schade um den sch�nen Menschen.� Das h�rte der Junge, richtete sich auf und sprach: �So weit ist�s noch nicht!� Da verwunderte sich der K�nig, freute sich aber, und fragte, wie es ihm gegangen w�re. �Recht gut,� antwortete er, �eine Nacht w�re herum, die zwei andern werden auch herumgehen.� Als er zum Wirt kam, da machte der gro�e Augen. �Ich dachte nicht,� sprach er, �da� ich dich wieder lebendig sehen w�rde; hast du nun gelernt, was Gruseln ist?� - �Nein,� sagte er, �es ist alles vergeblich. Wenn mir�s nur einer sagen k�nnte!�

Bei aller Achtsamkeit, irgendwann kommt der Schlaf. Die Symbolik erinnert uns zun�chst an einen Traum, der uns mit sich fortzieht und umherschweifen l��t. Unser F�rchtenix schaut wieder gelassen zu und l��t sich forttragen. Was h�tte er auch zu bef�rchten? Erst, als es ihm zu bunt wird, weil sich alles umkehrt und ihn bedr�ckt, sch�ttelt er den Traum ab und legt sich wieder an sein Feuer der Achtsamkeit, bis es Tag wird. Eine andere Deutung w�re, wie all die komfortablen Dinge eigentlich auf unser Leben wirken, von denen wir unser ganzes Gl�ck im Leben erwarten. Das geht alles eine Weile gut, und dann �hopp hopp!� kehren sie sich um und fallen �ber uns her. Es hei�t, mit dem ganzen Luxus verlieren wir schnell den Boden unter den F��en, also die Erdung in der Natur und das Feuer der Achtsamkeit. So sehr uns die moderne Technik auch hilft, so bringt sie uns auch Bindung, Unruhe und Leiden. Und oft verwechseln wir das wilde Hin und Her dieser hektischen Welt mit der Lebendigkeit des Lebens. Wer hier nicht mitwirbelt, gilt schon f�r tot, und man h�rt: �Es ist doch schade um das Leben!� Gandhi soll dazu einst gesagt haben: �Es gibt Wichtigeres im Leben, als best�ndig dessen Geschwindigkeit zu erh�hen.�

Die zweite Nacht ging er abermals hinauf ins alte Schlo�, setzte sich zum Feuer und fing sein altes Lied wieder an: �Wenn mir�s nur gruselte!� Wie Mitternacht herankam, lie� sich ein L�rm und Gepolter h�ren; erst sachte dann immer st�rker, dann war�s ein bi�chen still, endlich kam mit lautem Geschrei ein halber Mensch den Schornstein herab und fiel vor ihn hin. �Heda!� rief er, �noch ein halber geh�rt dazu, das ist zu wenig.� Da ging der L�rm von frischem an, es tobte und heulte und fiel die andere H�lfte auch herab. �Wart,� sprach er, �ich will dir erst das Feuer ein wenig anblasen.� Wie er das getan hatte und sich wieder umsah, da waren die beiden St�cke zusammengefahren und sa� da ein greulicher Mann auf seinem Platz. �So haben wir nicht gewettet,� sprach der Junge, � die Bank ist mein.� Der Mann wollte ihn wegdr�ngen, aber der Junge lie� sich�s nicht gefallen, schob ihn mit Gewalt weg und setzte sich wieder auf seinen Platz.

Und weiter geht es auf der Suche nach der Angst in unserem Inneren. Den Schornstein kennen wir bereits aus anderen M�rchen. Er erinnert an Ru� und Dunkelheit, Qualm und Nebel, also eine gute Quelle f�r die Illusion. Daraus erscheint ein halber Mensch. Es hei�t, ein weiteres gro�es Hindernis auf dem Weg zur Freiheit von Angst und Tod sind die Gegens�tze, wie Hei� und Kalt, Gut und B�se, Mein und Dein, Tod und Leben. Es ist die Eigenart unseres Intellekts, alles zu unterscheiden und zu trennen. Und dann zerbrechen wir uns noch die K�pfe, wie wir die Teile wieder zu einem Ganzen zusammenf�gen k�nnen, die wir selbst zuvor k�nstlich getrennt haben. Das erinnert an einen Gespenster-Fluch, da� manche Wesen in zwei H�lften solange durch die Welt irren m�ssen, bis sie jemand wieder zusammenf�gt, damit der Spuk endet. Und mit dem Zusammenf�gen erwacht wieder das Leben in dem, was zuvor zwei tote Gespensterteile waren. Die vorliegende Symbolik ist sehr interessant. Das Wesen, das unser F�rchtenix vereint und wieder lebendig gemacht hat, scheint ihn nun selbst zu bedr�ngen. Diese Gefahr besteht immer, da� unsere selbstgeschaffenen Wesen unser wahres Wesen im Inneren verdr�ngen. Selbstgeschaffen sind z.B. die Rollen, die wir im Leben spielen (heute Manager und morgen Pflegefall), und auch diese seltsame, egoistische Person, das Ich, das wie ein eigenst�ndiges Wesen erscheint und dem Rest der Welt gegen�bersteht, anstatt mit ihm in Harmonie vereint zu sein. Im schlimmsten Fall beginnt sogar das Ego zu meditieren. Nun, unser F�rchtenix l��t sich davon nicht bedr�ngen. Warum auch, wenn er keine Angst hat? Er bewahrt seine Achtsamkeit und wei�, da� es die Natur ist, die alle Gesch�pfe hervorbringt. Natur, Geist und Leben sind ein Ganzes. All die gegens�tzlichen Teile, die wir darin sehen, ergreifen und in einzelne Kategorien packen, haben sicherlich ihre Aufgabe und sind gut und n�tzlich f�r unser allt�gliches Leben. Doch in Wahrheit ist alles miteinander verbunden und nichts kann aus diesem Ganzen herausfallen.

Da fielen noch mehr M�nner herab, einer nach dem andern, die holten neun Totenbeine und zwei Totenk�pfe, setzten auf und spielten Kegel. Der Junge bekam auch Lust und fragte: �H�rt ihr, kann ich mit sein?� - �Ja, wenn du Geld hast.� - �Geld genug,� antwortete er, �aber eure Kugeln sind nicht recht rund.� Da nahm er die Totenk�pfe, setzte sie in die Drehbank und drehte sie rund. �So, jetzt werden sie besser sch�ppeln,� sprach er, �heida! nun geht�s lustig!� Er spielte mit und verlor etwas von seinem Geld, als es aber zw�lf schlug, war alles vor seinen Augen verschwunden. Er legte sich nieder und schlief ruhig ein. Am andern Morgen kam der K�nig und wollte sich erkundigen. �Wie ist dir�s diesmal gegangen?� fragte er. �Ich habe gekegelt,� antwortete er, �und ein paar Heller verloren.� - �Hat dir denn nicht gegruselt?� - �Ei was,� sprach er, �lustig hab ich mich gemacht. Wenn ich nur w��te, was Gruseln w�re!�

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Jetzt kommen wir zu einem sensiblen Thema, die Piet�t. Mit Totenbeinen spielen und Totenk�pfen kegeln w�re sicherlich f�r Kinder gar kein Problem. Doch viele Erwachsene getrauen sich nicht einmal, mit dem Gedanken �ber ihren Tod zu spielen. Tod und Leben als ein Spiel zu betrachten, trifft gew�hnlich auf h�rtesten Protest: �Das ist doch eine ernste Sache!� Ja, das ist es sicherlich f�r viele Menschen und oft sogar ein Tabu, und das wird auch seinen Sinn haben. Doch damit verh�rten sich nat�rlich die Gegens�tze in unseren Gedanken, und es entsteht ein gro�er Quell der Angst, die sogenannte Todesangst: �Ich werde mein Leben verlieren!� Eckhart Tolle fragte hier: �Wie kannst du dein Leben verlieren? Wer bist Du? Und was ist dein Leben?� Nun, wer irgendwann die Angst vor dem Tod �berwinden m�chte, sollte mit diesen Gedanken spielen. Und damit die K�pfe nicht so sehr holpern und �berall anecken, also ohne Hindernisse und Anhaftung sind, ist es gut, sie nach und nach rund zu drechseln. Dann rollt die Kugel wie von selbst, und wenn alle Neune fallen, dann wurde der Tod mit dem Tod besiegt. Das ist eine Symbolik, wor�ber man sicherlich lange nachdenken kann. Man verliert dabei nat�rlich etwas vom weltlichen Besitz, aber der Spuk verschwindet und damit auch die innere Angst, die uns so sehr beunruhigt.

In der dritten Nacht setzte er sich wieder auf seine Bank und sprach ganz verdrie�lich: �Wenn es mir nur gruselte!� Als es sp�t ward, kamen sechs gro�e M�nner und brachten eine Totenlade hereingetragen. Da sprach er: �Ha, ha, das ist gewi� mein Vetterchen, das erst vor ein paar Tagen gestorben ist,� winkte mit dem Finger und rief: �Komm, Vetterchen, komm!� Sie stellten den Sarg auf die Erde, er aber ging hinzu und nahm den Deckel ab: da lag ein toter Mann darin. Er f�hlte ihm ans Gesicht, aber es war kalt wie Eis. �Wart,� sprach er, �ich will dich ein bi�chen w�rmen,� ging ans Feuer, w�rmte seine Hand und legte sie ihm aufs Gesicht, aber der Tote blieb kalt. Nun nahm er ihn heraus, setzte sich ans Feuer, legte ihn auf seinen Scho� und rieb ihm die Arme, damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte. Als auch das nichts helfen wollte, fiel ihm ein, �wenn zwei zusammen im Bett liegen, so w�rmen sie sich,� brachte ihn ins Bett, deckte ihn zu und legte sich neben ihn. �ber ein Weilchen ward auch der Tote warm und fing an sich zu regen. Da sprach der Junge: �Siehst du, Vetterchen, h�tt ich dich nicht gew�rmt!� Der Tote aber hub an und rief: �Jetzt will ich dich erw�rgen.� - �Was,� sagte er, �ist das mein Dank? Gleich sollst du wieder in deinen Sarg,� hub ihn auf, warf ihn hinein und machte den Deckel zu; da kamen die sechs M�nner und trugen ihn wieder fort. �Es will mir nicht gruseln,� sagte er, �hier lerne ich�s mein Lebtag nicht.�

Das ist Symbolik vom Feinsten! Sechs M�nner bringen einen Leichnam herein. Sind es vielleicht die f�nf Sinne und das Denken, die auch den Tod in unser inneres Wesen hereintragen? Und unser F�rchtenix sieht darin nichts Fremdes. Er f�hlt sich mit dem Toten sogar eng verbunden und unternimmt alles, um diesem kalten K�rper wieder Leben zu geben. Und das gelingt ihm auch. Doch was macht der Tote? Er will t�ten und greift nach dem Tod. Deswegen mu�te er auch sterben, und deshalb ist er ein Toter. Das ist das Gesetz von Ursache und Wirkung. Hier im Inneren, wo es um Wahrheit und Leben geht, hat er nichts mehr zu suchen, und so kommt er wieder in den Sarg, und wie er hereingekommen ist, so geht er auch wieder hinaus. Also, ebenfalls kein Grund zum Gruseln.

Da trat ein Mann herein, der war gr��er als alle anderen, und sah f�rchterlich aus; er war aber alt und hatte einen langen wei�en Bart. �O du Wicht,� rief er, �nun sollst du bald lernen, was Gruseln ist, denn du sollst sterben.� - �Nicht so schnell,� antwortete der Junge, �soll ich sterben, so mu� ich auch dabei sein.� - �Dich will ich schon packen,� sprach der Unhold. - �Sachte, sachte, mach dich nicht so breit; so stark wie du bin ich auch, und wohl noch st�rker.� - �Das wollen wir sehn,� sprach der Alte, �bist du st�rker als ich, so will ich dich gehn lassen; komm, wir wollen�s versuchen.� Da f�hrte er ihn durch dunkle G�nge zu einem Schmiedefeuer, nahm eine Axt und schlug den einen Ambo� mit einem Schlag in die Erde. �Das kann ich noch besser,� sprach der Junge, und ging zu dem andern Ambo�. Der Alte stellte sich nebenhin und wollte zusehen, und sein wei�er Bart hing herab. Da fa�te der Junge die Axt, spaltete den Ambo� auf einen Hieb und klemmte den Bart des Alten mit hinein. �Nun hab ich dich,� sprach der Junge, �jetzt ist das Sterben an dir.� Dann

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fa�te er eine Eisenstange und schlug auf den Alten los, bis er wimmerte und bat, er m�chte aufh�ren, er wollte ihm gro�e Reicht�mer geben. Der Junge zog die Axt raus und lie� ihn los. Der Alte f�hrte ihn wieder ins Schlo� zur�ck und zeigte ihm in einem Keller drei Kasten voll Gold. �Davon,� sprach er, �ist ein Teil den Armen, der andere dem K�nig, der dritte dein.� Indem schlug es zw�lfe, und der Geist verschwand, also da� der Junge im Finstern stand. �Ich werde mir doch heraushelfen k�nnen,� sprach er, tappte herum, fand den Weg in die Kammer und schlief dort bei seinem Feuer ein. Am andern Morgen kam der K�nig und sagte: �Nun wirst du gelernt haben, was Gruseln ist?� - �Nein,� antwortete er, �was ist�s nur? Mein toter Vetter war da, und ein b�rtiger Mann ist gekommen, der hat mir da unten viel Geld gezeigt, aber was Gruseln ist, hat mir keiner gesagt.� Da sprach der K�nig: �Du hast das Schlo� erl�st und sollst meine Tochter heiraten.� - �Das ist alles recht gut,� antwortete er, �aber ich wei� noch immer nicht, was Gruseln ist.�

Wer ist dieser alte Mann? Ein Riese, ein Schmied mit langem, wei�em Bart. Und was schmiedet er? Das Schicksal, die Welt oder sogar die Ketten, die uns an diese Welt binden. Er fordert unseren F�rchtenix zu einem Zweikampf auf Leben und Tod heraus. Wow, soweit mu� man erstmals kommen! Doch der antwortet: �Soll ich sterben, so mu� ich auch dabei sein.� Das ist ein gewaltiger Satz, auf dem man lange kauen kann. Der Umkehrschlu� w�re: �Wenn ich nicht pers�nlich dabei bin, kann ich auch nicht sterben.� - Nun, dunkle G�nge f�hren tief ins Innere, wo das mystische Schmiedefeuer brennt, aus dem alles geschaffen wird. Ebenso mystisch ist der Wettbewerb, wer den Ambo� am weitesten in die Erde schl�gt, wie einen Nagel ins Holz. Der alte Schmied zeigt seine ganze Naturgewalt und versenkt den Ambo� mit einem Schlag. Nun, wollen wir uns mit diesen Naturgewalten messen, sollten wir nat�rlich auch jene Kraft benutzen, die uns Menschen so m�chtig macht, n�mlich die geistige. Die Symbolik, wie man ein Schwert schmieden kann, das schlie�lich sogar den Ambo� spaltet, auf dem es geschmiedet wurde, erinnert uns an die alten germanischen Sagen von Siegfried und dem Schmied Regin. In unserem M�rchen ist es eine Axt und bez�glich unserer geistigen Kr�fte spricht man vom scharfen Schwert der Erkenntnis, das alles durchdringen kann, sogar das H�rteste. - Der Ambo� zerbricht und klemmt den Bart des Riesen ein. Auch das ist eine alte Symbolik, die uns auch in �Schneewei�chen und Rosenrot� begegnet. Der Bart scheint eine schwache Stelle m�chtiger Wesen zu sein, wie man auch einen wilden Stier am Nasenring z�hmen kann. So gewinnt unser F�rchtenix auch diesen letzten Kampf und wird reichlich belohnt, aber ohne das Ego zu f�rdern. Schlie�lich fand er zu seinem Feuer zur�ck und ruhte zufrieden, bis es Tag wurde. Was die Leute allerdings als gruslige Angst bezeichnen, konnte er hier nirgends finden.

Da ward das Gold heraufgebracht und die Hochzeit gefeiert, aber der junge K�nig, so lieb er seine Gemahlin hatte und so vergn�gt er war, sagte doch immer: �Wenn mir�s nur gruselte! Wenn mir�s nur gruselte!� Das verdro� sie endlich. Ihr Kammerm�dchen sprach: �Ich will Hilfe schaffen, das Gruseln soll er schon lernen.� Sie ging hinaus zum Bach, der durch den Garten flo�, und lie� sich einen ganzen Eimer voll Gr�ndlinge (kleine Fische) holen. Nachts, als der junge K�nig schlief, mu�te seine Gemahlin ihm die Decke wegziehen und den Eimer voll kalt Wasser mit den Gr�ndlingen �ber ihn hersch�tten, da� die kleinen Fische um ihn herum zappelten. Da wachte er auf und rief: �Ach, was gruselt mir, was gruselt mir, liebe Frau! Ja, nun wei� ich, was Gruseln ist.�

Wer die zehn Ochsenbilder des Zen-Buddhismus �ber den geistigen Weg kennt, wei�, da� das letzte Bild die R�ckkehr in die Welt beschreibt. So heiratet unser F�rchtenix die K�nigstochter und wurde verdienterweise auch im Weltlichen ein junger K�nig. Damit kommt endlich wieder die weibliche Seite ins Spiel. Er verbindet sich mit der Natur, und so erf�hrt er schlie�lich, da� all dieses Gruseln, die Angst und der Tod, von denen die Menschen so gern sprechen, nur zur �u�eren oder oberfl�chlichen Welt geh�ren. Denn wahrlich, wer achtsam mit dem Auge der Wahrheit in sein inneres Wesen schaut, wird sie dort nirgends finden k�nnen. Es sind unsere Sinneseindr�cke und Gedankenkonstrukte, die uns zur Wirklichkeit werden. Ein wunderbares M�rchen, und vielleicht wissen auch wir jetzt, was das Gruseln ist!

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[1857] Jacob und Wilhelm Grimm: Kinder- und Hausm�rchen, 7. Auflage, Berlin 1857
[2018] Text und Bilder von Undine & Jens / www.pushpak.de

Wer schrieb von einem der auszog das Fürchten zu lernen?

Das Märchen von einem, der auszog das Fürchten zu lernen ist ein Märchen (ATU 326). Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 4 (KHM 4).

Welches Märchen fängt mit ein Vater hatte zwei Söhne an?

Ein Vater hatte zwei Söhne, davon war der älteste klug und gescheit, und wußte sich in alles wohl zu schicken.