Wie viele Menschen haben die Golden Gate Bridge gebaut?

Sie ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, Touristenziel, Fotomotiv für Millionen. Vor 70 Jahren wurde die Golden Gate Bridge eröffnet. Heute gilt sie als klassische architektonische Schönheit - und Anziehungspunkt für mehr als 1300 Selbstmörder, die "Jumper".

Von Marc Pitzke

20.05.2007, 09.02 Uhr

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San Francisco - Es dauert vier Sekunden, bis man aufschlägt. Mit 120 km/h, was Wasser zu Beton macht. Wenn man Glück hat und senkrecht landet, Füße zuerst, hat man eine Chance. 26 Menschen haben den Sturz bisher überlebt, wider Willen meist. Sarah Rutledge Birnbaum aus Kalifornien ließ nicht locker und starb beim zweiten Versuch.

Morbide Gedanken beim Spaziergang über ein Weltwunder, zusammengeklaubt aus diversen Reiseführern. Es ist ein kristallener Mittag, vom Pazifik her weht ein steifer Wind in die Bucht von San Francisco. Ein paar Boote, spielzeuggroß von hier oben aus, kreuzen durchs Azurwasser, 67 Meter unterhalb des Gehwegs. Der Verkehr rauscht ungerührt an einem vorbei. Eine halbe Stunde schon unterwegs, und erst in der Mitte.

Millionen Touristen haben sie sich schon so erobert, zu Fuß, die Nase in die Brise gereckt, den Blick wacker in die Tiefe. Und doch wird sie auch beim zigsten Mal nicht langweilig, die pedestrische Querung der Golden Gate Bridge, die in genau einer Woche 70 Jahre alt wird. Nicht umsonst ist sie eines der modernen "Wonders of the World". Die berühmteste Hängebrücke der Welt verknüpft auf seltene Weise Ehrfurcht vor der Natur mit Ehrfurcht vor dem Menschen.

Mythische Schönheit

Ein Spannungsverhältnis, dem sie schon ihre Entstehung verdankte - und das sie bis heute prägt. Ingenieursgenie trifft auf die Urgewalt von Wetter und Geografie, es muss sich ihnen unterordnen, um sie zu unterwerfen. Kühnheit bezwingt Höhenangst, um zum Magneten für die zu werden, die vor der unbezwingbarsten Angst kapitulieren, der Angst vor dem Leben. Mythische Schönheit verschmilzt mit der Fratze des Freitodes zu cineastischer Faszination. Schon Alfred Hitchcock erkannte das in "Vertigo": Es gibt kaum ein besseres Symbol für die lebenslange Odyssee des Menschen.

Ihre Erbauer hatten natürlich viel profanere Beweggründe. Sie wollten das Golden Gate queren, die Seestraße zwischen Pazifik und San Francisco Bay, die die Stadt nach Norden abschneidet. Denn wer vorher nach Norden wollte, musste, so er die völlig überlastete Fähre meiden wollte, erst weit nach Süden fahren und dann um die gesamte Bucht herum.

Das Projekt schien unmöglich. Das Golden Gate ist an dieser Stelle eine Meile weit und 90 Meter tief. Die Gezeitenströmung kann bis zu 7,5 Knoten betragen, die Windstärke über 100 km/h. Die Kliffs bröckeln und sind obendrein nur zwölf Kilometer vom Epizentrum des Erdbebens von 1906 entfernt. Es war "die Brücke, die nicht gebaut werden konnte".

Der unbekannte Mann

Der Mann, dem es trotzdem gelang, hieß Joseph Strauss und war ein Ingenieur aus Ohio. Er hatte schon Hunderte Brücken gebaut, aber noch nie eine Hängebrücke. Seinen ersten, klobigen Entwurf für die Golden Gate Bridge zeichnete er 1921, im Alter von 51 Jahren. Es dauerte noch acht weitere Jahre, bis das kalifornische Landesparlament die Finanzierung billigte und Strauss zum Bauleiter machte. Gemeinsam mit einem eklektischen Expertenteam aus Mathematikern, Architekten und Brückendesignern ging er ans Werk.

Auch wenn Strauss den Ruhm erntete, war es doch ein Unbekannter, der das Megavorhaben in die Praxis umsetzte. Der Ingenieursprofessor Charles Ellis aus Chicago schuf alle komplexen mathematischen Gleichungen, auf denen die Brücke bis heute beruht - zu einer Zeit, da es keine Computer gab. Ellis hatte nur Lineal, Zirkel und Rechenmaschine. Strauss feuerte ihn noch vor Baubeginn im Streit und tilgte seinen Namen aus allen Chroniken. Erst kürzlich hat ihn die Brückenbehörde anlässlich des Jubiläums wieder anerkannt: "Er verdient bedeutende Beachtung für das Brückendesign."

Vier Jahre und drei Monate dauerten die Bauarbeiten, von Januar 1933 bis April 1937. Dabei wurde ein Weltrekord nach dem anderen aufgestellt: die höchsten Pfeiler (227 Meter), die massivsten Unterwasser-Fundamente, die längste Spannweite (1966 Meter), die längste Gesamtstrecke (2737 Meter), die stärksten Stahlkabel - und die höchsten Kosten (35 Millionen Dollar, heute ein Klacks). Elf Bauarbeiter stürzten in den Tod, die meisten beim Bruch einer Arbeitsplattform. 19 überlebten ihre Stürze, sie nannten sich "Halfway to Hell Club". Strauss selbst war sechs Monate lang vermisst, angeblich mit einem Nervenzusammenbruch.

Seismische Renovierung zum Geburtstag

Trotz eines Gesamtgewichts von 887.000 Tonnen ist die Brücke so elastisch, dass ihre aufgehängte Fahrbahn bei Sturm gefahrlos schwanken kann - drei Meter nach oben, zwei Meter nach unten, acht Meter zur Seite. Das war zum Glück nicht der Fall, als sie am 27. Mai 1937 für Fußgänger und tags darauf für Autos eröffnet wurde, durch US-Präsident Franklin Roosevelt, der fernab im Weißen Haus einen telegrafischen Knopf drückte. Ein Jahr später starb Strauss an einem Schlaganfall.

Der Farbanstrich wurde speziell für die Golden Gate Bridge gemischt. Er heißt "International Orange", eine Mischung aus Gelb, Schwarz und Magenta, und soll die Brücke in die Landschaft einbetten, doch im Nebel herausheben. 38 Maler stehen bereit, um nachzubessern. Auch die Beleuchtung ist penibel choreografiert: Sie nimmt an den Pfeilern nach oben hin ab, um die Illusion noch größerer Höhe zu geben.

Die Brücke - die in ihrer Rekordlänge längst überrundet wurde - überstand das Erdbeben von 1989, das mit einer Stärke von 7,1 auf der Richterskala Abschnitte der etwas älteren Bay Bridge nur Kilometer entfernt zerstörte. 1976 wurden alle 500 Kabel ausgetauscht, da sie völlig verrostet waren, 1986 wich die Betonfahrbahn einer stählernen. Derzeit wird die Brücke einer "seismischen Renovierung" unterzogen, um sie noch erdbebenfester zu machen. Brücken-Manager Kary Witt hält ihre Lebensdauer für "mehr oder weniger endlos".

"Es gibt Hoffnung"

Die Sache mit den Selbstmorden ließ sich jedoch noch nicht in den Griff bekommen. Die offizielle Zählung wurde 1995 mit dem 1000. Freitod abgebrochen; insgesamt sprangen seit ihrer Eröffnung über 1300 Menschen von der Brücke, allein 24 davon im vergangenen Jahr. Im Schnitt soll es alle 15 Tage einen "Jumper" geben. Ein höheres Geländer scheiterte bisher an ästhetischen und finanziellen Einwänden.

Zwei Filme widmeten sich diesem makabren Thema, darunter die kontroverse Dokumentation "The Bridge" von 2006, die die meisten Selbstmorde jenes Jahres im Bild zeigt. Zurzeit läuft eine neue Studie, wie die Zahl der Selbstmorde reduziert werden könnte.

Und so bleibt dem Besucher heute nur das leichte Gruseln beim zweistündigen Gang (hin und zurück) über das Weltwunder. Der Blick nach oben, der Blick nach unten, der Gedanke, den wohl jeder hat: "Was wäre, wenn?" Es wäre so leicht. Nur die Beine über die Brüstung schwingen, mehr nicht. Dann fällt das Auge auf ein blaues Schild am Brückenpfeiler, das zu einem Notruf-Telefon weist: "Krisenberatung", steht darauf. "Es gibt Hoffnung. Rufe an."

Wie viel hat es gekostet die Golden Gate Bridge zu bauen?

Die Golden Gate Bridge in Zahlen Für den "Spottpreis" von rund 33 Millionen US-Dollar stellte er mit 1.500 Arbeitern innerhalb von nur vier Jahren die Golden Gate Bridge in die Meerenge.

Ist die Golden Gate Bridge ein Weltwunder?

Sie ist ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, Touristenziel, Fotomotiv für Millionen. Vor 70 Jahren wurde die Golden Gate Bridge eröffnet. Heute gilt sie als klassische architektonische Schönheit - und Anziehungspunkt für mehr als 1300 Selbstmörder, die "Jumper".

Warum ist die Golden Gate Bridge ein Weltwunder?

Mit 227 Metern hat die Brücke die höchsten Pfeiler. Gehalten wird sie von den längsten und dicksten Kabelsträngen der Welt. Neben den Rekorden wird die im Mai 1937 eingeweihte Golden Gate Bridge auch durch ihren gewagten, eigens für sie kreierten Anstrich "International Orange" zum neuen Symbol von San Francisco.

Wie tief ist das Wasser unter der Golden Gate Bridge?

Noch nie musste eine Brücke eine solche Distanz überwinden - die "Golden Gate" genannte Meerenge zwischen dem Pazifik und der Bucht von San Francisco ist an jener Stelle 1600 Meter breit und bis zu 90 Meter tief.