Wo liegt der unterschied zwischen schön und sexistisch

Ist das schon Sexismus? Wie unterschiedlich Männer und Frauen das wahrnehmen, zeigt eine neue Studie.

Neue Studie: Was Männer und Frauen über Sexismus denken

Sexismus ist 2019 immer noch Alltag. Eine Studie zeigt jetzt, dass nicht nur Frauen betroffen sind. Und dass Männer Sexismus anders bewerten als Frauen.
Frauen und Männer sind sich darin einig, dass Sexismus nicht akzeptabel ist und dagegen vorgegangen werden sollte. Aber was genau unter Sexismus verstanden wird - darüber herrscht Uneinigkeit. Das fand das Delta Institut für Sozial- und Ökologieforschung heraus. In einer repräsentativen Studie wurden im Dezember 2018 mehr als 2000 Menschen befragt. Die Ergebnisse wurden jetzt veröffentlicht.

Die Studie untersuchte die subjektiven Vorstellungen von Männern und Frauen über Sexismus. Ziel war es, neben dem sehr angeregten medialen und politischen Diskurs zu verstehen, was eigentlich die allgemeine Bevölkerung über das Thema denkt. Dazu wurden Menschen aus allen sozialen Milieus befragt, sodass die Autoren der Studie nicht nur nach Alter und Geschlecht, sondern auch nach Einkommen, Bildung und Werten differenzieren konnten.

Männer: "Nur wenn abfällige Bemerkungen bemerkt werden, sind sie sexistisch"

Der markanteste Unterschied zwischen Männern und Frauen liegt in der Definition von Sexismus. Die meisten befragten Frauen waren sich einig: Verhalten und Denkweisen, die Menschen aufgrund ihres Geschlechts benachteiligen oder herabwürdigen - das ist Sexismus.
Die meisten befragten Männer hingegen meinten, ein anzüglicher Spruch kann nur als Sexismus bezeichnet werden, wenn dieser von der adressierten Person bemerkt wird. Abfällige Bemerkungen und Zoten unter Männern, die die gemeinten Personen nicht hören, seien demnach kein Sexismus. Diese Einstellung sei vor allem unter Männern ab mittlerem Alter und aus bestimmten Milieus (Traditionelle und Bürgerliche) üblich.

Auch Männer sind von Sexismus betroffen

Ein überraschendes Ergebnis ist, dass fast genauso viele Männer wie Frauen angaben, schon mal selbst Sexismus erlebt zu haben: 32 Prozent der Männer und 44 Prozent der Frauen haben diese Erfahrung mindestens ein Mal in ihrem Leben gemacht. Das entspricht nicht dem Bild, das im öffentlichen Bild gezeichnet wird. Häufig geht es bei Sexismus um betroffene Frauen und männliche "Täter". Dass auch Männer darunter leiden, wenn ihnen aufgrund ihres Geschlechts Eigenschaften zu- oder abgesprochen werden zeigt diese Studie.

Erstaunlicherweise haben trotzdem auch die befragten Männer Sexismus eher als Verhalten von Männern gegenüber Frauen bezeichnet. Wenn Männer über Sexismus gegenüber Männern sprachen, dann vor allem, wenn dieser von anderen Männern ausging. Dass auch Frauen Männern gegenüber übergriffig sein können, haben lediglich Frauen zu bedenken gegeben.

Frauen haben sich offenbar an Sexismus gewöhnt

Die Autoren der Studie geben aber zu bedenken, dass alle Angaben subjektiv sind. Es könne sein, dass Sexismus häufiger vorkomme, als von den Befragten angegeben. In ausführlichen Befragungen fanden die Forscher zum Beispiel, dass so gut wie alle Frauen Sexismus erlebt haben, aber bereits so sehr daran gewöhnt sind, dass es ihnen gar nicht mehr als Sexismus auffällt.

Anzügliche Nachrichten von Bekanntschaften, aufdringliche Blicke von Fremden, forcierter Körperkontakt von Männern im Bus - das fällt den meisten Frauen gar nicht mehr auf und wird nicht mehr unter "Sexismus" abgespeichert. Werden Frauen dann aber direkt nach solchen Vorfällen gefragt, sagen die meisten: "Natürlich, das erlebe ich ständig."

Dass sich Frauen im Laufe des Lebens an Sexismus gewöhnen, könnte auch ein Grund dafür sein, dass ältere Frauen weniger Sexismus Erlebnisse berichteten. Obwohl die Wahrscheinlichkeit einen sexistischen Vorfall zu erleben mit einer höheren Anzahl an Lebensjahren steigt. Die meisten Sexismus-Erfahrungen berichteten Frauen zwischen 16 und 24 Jahren.

Männer übersehen Sexismus

Es könnte sein, dass auch Männer häufiger von Sexismus betroffen sind, als die Daten der Studie vermuten lassen. Da über Sexismus gegenüber Männern selten gesprochen wird, fehlt den meisten Menschen eine Vorstellung darüber, wie dieser überhaupt aussehen kann. Dadurch fehlt es an Sensibilität dafür und sexistische Vorfälle werden nicht als solche erkannt.

Einige der Befragten glauben, dass das Thema dramatisiert wird und Sexismus kein Problem sei. Vereinzelt wurde Sexismus als eine Form von Flirten angesehen. Gleichzeitig zeigt die Studie auch, dass viele Menschen im Alltag Sexismus erleben. Und die Mehrheit ist sich darüber einig, dass Sexismus problematisch ist. Über die Formen und Häufigkeit von Sexismus im Alltag scheint es noch Unklarheit zu geben. Die Studie ist aber ein erster Anfang, um ein realistisches und differenziertes Bild zu zeichnen.