Warum schrieb Goethe das Gedicht Willkommen und Abschied?

Die Popularität und Aktualität der Werke Goethes ist auch in der heutigen Zeit unbestritten. Seine Schriften werden selbst in der Gegenwart neu veröffentlicht, diskutiert und interpretiert. Goethes Zitate finden in Form kleinerer Lebensweisheiten auch im Alltagsleben vieler Menschen Anwendung. Thema der folgenden Abhandlung ist sein Gedicht Willkommen und Abschied, ein Gedicht, das zahlreiche Literaturkritiker in seinen Bann zieht und zu dem verschiedenste Interpretationsansätze existieren.

Willkommen und Abschied wird den Sesenheimer Liedern zugeordnet, einer Reihe von Gedichten, die Goethe bei seinem Studienaufenthalt in Straßburg von 1770 bis 1771 schrieb.1 Verschiedene Einflüsse spielen bei der Entstehung der Sesenheimer Lieder zusammen und sollen im weiteren Verlauf erläutert werden.

Im Gedicht Willkommen und Abschied zeichnet sich ein klarer Bruch zu Goethes früheren lyrischen Werken ab. Die Rationalität und formalen Regeln der Literaturepoche der Aufklärung weichen der Darstellung der Subjektivität individueller Emotionen und Erlebnisse. „Kennzeichnend für die Sesenheimer Lieder, die den lyrischen Niederschlag der Straßburger Zeit bilden, ist die neue, direkte Gefühlssprache von der Rokokolyrik hin zu einem neuen Ausdruck von Subjektivität und individueller Natur- und Liebeserfahrung“2. Aufgrund dieser Veränderungen wird das Gedicht der Literaturepoche des Sturm und Drang zugeordnet. Auch die Liedtradition und Erlebnislyrik spielen bei der Kreation der Sesenheimer Lyrik eine entscheidende Rolle, für Goethe steht hierbei die Verarbeitung individueller Erlebnisse im Vordergrund.

Neben der Entstehungsgeschichte und den Einflussfaktoren von Willkommen und Abschied wird ebenso auf Fragestellung der literarischen Einordnung eingegangen. Des Weiteren erfolgt eine formale Betrachtung und Analyse der stilistischen Mittel. Bei der Interpretation des Gedichtes soll vordergründig auf die dargestellte Ambivalenz des lyrischen Ich und seine Zweifel eingegangen werden. Abgerundet wird die Arbeit durch ein zusammenfassendes Fazit; abgeleitete Erkenntnisse und Einsichten werden vorgestellt.

2. Entstehungsgeschichte und Einflussfaktoren des Gedichtes

Das Gedicht Willkommen und Abschied gehört zu den Sesenheimer Liedern. Ihren Ursprung haben diese im Zusammentreffen von Goethe und Friederike Brion in Sesenheim im Oktober 1770. Goethe studierte zu dieser Zeit in Straßburg die Jurisprudenz und wurde von seinem Freund Friedrich Leopold Weyland der Pfarrersfamilie Brion vorgestellt.3 Goethe und Friederike Brion entwickelten ein inniges Verhältnis zueinander. Er selbst sagt über diese Begegnung in seinem 10. Buch von Dichtung und Wahrheit: „In diesem Augenblick trat sie wirklich vor die Türe; und da ging fürwahr an diesem ländlichen Himmel ein allerliebster Stern auf“4. Von der hier in Anfängen sichtbaren Zuneigung und Leidenschaft zeugt auch das Gedicht, welches in seiner ursprünglichen Fassung titellos und nur aus 10 Versen bestehend mit großer Wahrscheinlichkeit 1771 geschrieben wurde.5

1775 wurde das Gedicht in veränderter Form in der Zeitschrift Iris. Des Zweyten Bandes drittes Stück. März 1775 gedruckt. Für die Lyrik-Sammlung des achten Bandes der Schriften schrieb Goethe das Gedicht um und fügte den Titel Willkomm und Abschied hinzu (1789). Er selbst änderte für den Abdruck in den Werken 1810 den Titel in Willkommen und Abschied. Für nachfolgende Erläuterungen und Zitate ist die Fassung des Iris-Abdrucks von 1775 maßgeblich, da sie die früheste autorisierte Fassung des Textes beinhaltet.6

Für die Veränderung in Goethes literarischem Schaffen, und damit auch für das Verfassen der Sesenheimer Lieder, war neben Friederike Brion ein weiterer Faktor ausschlaggebend: das Zusammentreffen mit Johann Gottfried Herder im September 1770. Durch die Bekanntschaft mit Herder verändert sich Goethes literarisches Denken grundlegend. Anstelle normativer Aspekte sind für Goethe nun Komponenten wie Vielfalt, Kraft, Gefühl und Bewegung von zentraler Bedeutung, Faktoren die die Epoche des Sturm und Drang nachhaltig charakterisieren und mitbestimmen. Im Mittelpunkt steht hier der Ausdruck intensiver Gefühle, Erlebnisse und Augenblicke; das Besondere und Individuelle einzelner Erfahrungen wird nun von Goethe in den Vordergrund gestellt. Elemente aus den Bereichen Liebe, Natur oder Kunst sind im Sturm und Drang allgegenwärtig.7

Die Naturbildlichkeit der Sesenheimer Lieder ist unter anderem dem Einfluss der von Goethe eingehend studierten Schriftsteller Ossian und Shakespeare zu verdanken, die mit Ihren Schriften den Begriff Stimmungslandschaften geprägt haben. Solche sind ebenfalls in Willkommen und Abschied wiederzufinden.8

Des Weiteren wird den Volksliedern ein gewisser Einfluss auf die Entwicklung der Sesenheim-Gedichte zugesprochen, da Goethe in seiner Zeit im Elsass auf Herders Anregung hin Volkslieder aus mündlicher Überlieferung aufzeichnete und sammelte.9

3. Abgrenzung und Einordnung des Gedichtes

Willkommen und Abschied wird der Lyrik des Sturm und Drang zugeordnet. Der Rationalität und Regelpoetik der Aufklärung stehen nun individuelle Erfahrungen, Emotionen und die Thematik der Freiheit gegenüber.10 Herder, einer der Wegbereiter des Sturm und Drang, kritisierte die Arroganz der Aufklärung dem einfachen Volk gegenüber und fordert eine höhere Wertschätzung der Volkslieder.

Wie bereits erwähnt, ließ sich auch Goethe in der Schaffung der Sesenheimer Lieder durch die von Herder wieder aufgegriffene Volkspoesie inspirieren.11 In Willkommen und Abschied macht sich das vor allem in der volksliedhaften Sprache bemerkbar.12 Ferner lässt sich die im Gedicht fortgeführte Liedtradition auch anhand des strophenförmigen Aufbaus und des zumeist gleichmäßigen Metrums erkennen.13 Dies wird im Folgenden noch weiter ausgeführt. Albert Meier schlägt sogar einen Vergleich zu mittelalterlichen Tageliedern vor: „Dass auf diese abendliche Ankunft gleich der morgendliche Abschied folgt, stellt das Sesenheimer Gedicht in eine Reihe mit den ‚Tageliedern‘ […], die immer den Vollzug der Sexualität zum Thema haben“14.

Außerdem wird Willkommen und Abschied häufig in die Erlebnisdichtung eingegliedert.

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1 Vgl. Christoph Perels: Lyrik des Sturm und Drang. 1770 - 1775. In: Goethe Handbuch. Gedichte. Hrsg. von Regine Otto und Bernd Witte. Bd.1, Stuttgart/ Weimar 1996, S.65.

2 Ernst Lautenbach: Lexikon. Goethe. Zitate. Auslese für 21. Jahrhundert. Aus Werk und Leben. München 2004, S.891.

3 Vgl. Elisabeth Böhm: Johann Wolfgang von Goethe. 10 Gedichte. Stuttgart 2001, S.10.

4 Josef Rattner: Goethe. Leben - Werk - Wirkung. Würzburg 1999, S.92.

5 Vgl. Bernd Witte: Mir schlug das Herz. In: Goethe Handbuch. Gedichte. Hrsg. von Regine Otto und Bernd Witte. Bd.1, Stuttgart und Weimar 1996, S.77.

6 Ebd.: S.77-78.

7 Vgl. Christoph Perels: Lyrik des Sturm und Drang. 1770 - 1775. In: Goethe Handbuch. Gedichte. Hrsg. von Regine Otto und Bernd Witte. Bd.1, Stuttgart/ Weimar 1996, S.59-62.

8 Vgl. Christoph Perels: Lyrik des Sturm und Drang. 1770 - 1775. In: Goethe Handbuch. Gedichte. Hrsg. von Regine Otto und Bernd Witte. Bd.1, Stuttgart/ Weimar 1996, S.66.

9 Ebd.: S.72.

10 Ebd.: S.62.

11 Vgl. Christoph Jürgensen/ Ingo Irsigler: Sturm und Drang. Göttingen 2010, S.40.

12 Vgl. Gisela Henckmann: Sturm und Drang. In: Metzlers Lexikon. Literatur. Hrsg. von Dieter Burdorf/ Christoph Fasbender/ Burkhard Moennighoff. Stuttgart/ Weimar 2007, S.742.

Warum hat Goethe das Gedicht Willkommen und Abschied geschrieben?

Das vorliegende Gedicht handelt von dem nächtlichen Ritt eines Liebenden zu seiner wahrscheinlich heimlichen Geliebten, der gemeinsam verbrachten Zeit und dem anschließenden schmerzhaften Abschied. Thematisiert wird somit die Liebe, mit allem Glück und auch Schmerz, welchen sie mit sich bringt.

Was will Goethe mit dem Gedicht Willkommen und Abschied sagen?

So ist es auch in Johann Wolfgang von Goethes GedichtWillkommen und Abschied“ aus dem Jahr 1771. Das lyrische Ich reflektiert die Gedanken über seine Liebeserlebnisse und das Treffen mit seiner Geliebten. Dabei erkennt es, dass die Liebe höchstes Glück bedeutet, aber auch Schmerz und Leid bringen kann.

Warum schrieb Goethe Gedichte?

Goethe wurde von seinem Freund Johann Gottfried Herder dazu angeregt. Aber seine schönsten Gedichte entstanden aus seiner Liebe zu der Pfarrerstochter Friederike Brion in dem Dorf Sesenheim bei Straßburg. Doch heiraten wollte Goethe Friederike nicht.

Warum ist das Gedicht Willkommen und Abschied ein Sturm und Drang?

Goethes GedichtWillkommen und Abschied“ erschien in seiner frühesten Fassung im Jahr 1771. Es handelt davon, wie sich das lyrische Ich mit seiner großen Liebe trifft und sich am Ende des Treffens unter Tränen verabschiedet. Das Gedicht lässt sich in die Epoche des Sturm und Drang einordnen.