Wechselfehler 12 Mann auf dem Feld

Mit zwölf Mann gegen Freiburg Wird Wechselfehler für den FC Bayern teuer?

02.04.2022, 18:21 Uhr

Der FC Bayern muss lange arbeiten, ehe der am Ende deutliche Sieg gegen den SC Freiburg feststeht. Doch die Partie geht in die Verlängerung, zumindest in den Diskussionen: Der Rekordmeister hat für einige Sekunden einen Spieler zu viel auf dem Feld.

Der FC Bayern muss hart für den 4:1-Sieg beim SC Freiburg arbeiten. 0:0 steht es zur Halbzeit, den Führungstreffer durch Leon Goretzka kontert Freiburgs Nils Petersen mit dem Ausgleich. Erst in der Schlussviertelstunde wird es deutlich. Doch der klare Sieg könnte ein Nachspiel haben, das für den FC Bayern unangenehm werden könnte. Denn in der torreichen Schlussphase unterläuft Trainer Julian Nagelsmann offensichtlich ein Wechselfehler: Beim Stande von 3:1 stehen auf einmal für rund 20 Sekunden zwölf Spieler des FC Bayern gleichzeitig auf dem Platz - und damit einer zu viel.

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Es lief die 86. Minute, als Nagelsmann auswechselte: Niklas Süle ersetzte Dayot Upamecano, für den späteren Torschützen Marcel Sabitzer sollte Kingsley Coman weichen. Doch der Franzose war noch nicht vom Platz, als Schiedsrichter Christian Dingert das Spiel wieder freigab - und er berührte auch noch einmal den Ball, bevor er schnell vom Platz eilte. Die Gastgeber hatten die Situation schnell erkannt: "Mir ist aufgefallen, dass Niki reinkommt und keiner rausgeht", sagte SC-Verteidiger Nico Schlotterbeck dem TV-Sender Sky. Er habe "es gesehen und dem Schiedsrichter Bescheid gegeben. Wenn ich das nicht mache, sieht er das wahrscheinlich gar nicht."

Die Folge war ein aufgeregter Aufruhr und viel Verwirrung rund um den Vierten Offiziellen und minutenlange Diskussionen. Schließlich setzte Dingert nach Beratungen mit seinen Assistenten das Spiel mit einem Schiedsrichterball fort. Wie die TV-Bilder zweifelsfrei bewiesen, hatte der FC Bayern zwischenzeitlich einen Spieler zu viel auf dem Platz. Ein Regelverstoß.

Dietmar Hamann, ehemaliger Nationalspieler und heute Experte für Sky, forderte vehement: "Das ist ein Regelverstoß und der muss geahndet werden", stellte Hamann klar. "Für mich spielt es keine Rolle, wie lange das war oder ob die ein Tor schießen in der Zeit. Das muss jetzt das DFB-Sportgericht entscheiden, aber dass das geahndet werden muss, steht für mich außer Frage."

Laut Schiedsrichter Dingert ging die Verwirrung offenbar von Kathleen Krüger aus: Die Teammanagerin des FC Bayern habe die alte Trikotnummer Comans durchgegeben - statt der "11" die "29". "Es war eine konfuse Situation. Es war ein Doppelwechsel und es wurde die falsche Nummer angezeigt. Coman hat sich nicht angesprochen gefühlt", sagte Dingert Sky. "Wir haben es dann relativ schnell bemerkt, Rücksprache mit Köln gehalten und das Spiel dann mit Schiedsrichter-Ball fortgesetzt", sagte Referee Dingert. Es sei "sehr ärgerlich, dass bei einem so tollen Spiele diese eine Szene hängen bleibt."

Erst "runterkochen", dann "drüber nachdenken"

Gemäß des Regelwerks des Deutschen Fußball-Bundes sind Konsequenzen für die Spielwertung aber wohl unwahrscheinlich. "Wenn ein Teamoffizieller, ein Auswechselspieler, ein ausgewechselter oder des Feldes verwiesener Spieler oder eine Drittperson das Spielfeld betritt", müsse der Schiedsrichter das Spiel nur unterbrechen, wenn diese Person ins Spiel eingreift. Zudem müsse der Referee "die Person vom Spielfeld weisen, nachdem das Spiel unterbrochen wurde" und entsprechende Disziplinarmaßnahmen ergreifen.

ntv.de-Schiedsrichter-Experte Alex Feuerherdt ("Collinas Erben") machte bei Sky deutlich, dass er nicht mit gravierenden Folgen für den Tabellenführer rechnet: "Wäre da ein Tor gefallen für die Bayern in der Zeit, hätte es nicht zählen dürfen. Das ist aber nicht passiert. So rechne ich damit, das es keine weiterführenden Konsequenzen geben wird." Später führte Feuerherdt auf Twitter ausführlich aus, wie er den Fall beurteilt: Nämlich dass im Sinne der Regeln auch Schiedsrichter Dingert Schuld an der Situation trägt. "Bei einem Regelverstoß des Schiedsrichters ist es so, dass die Sportgerichte danach fragen, inwieweit er den Spielausgang beeinflusst hat. Bei 15 Sekunden und keinem Ballkontakt von Coman in dieser Zeit bei einem Spielstand von 1:3 kurz vor Schluss kann man wohl sagen: Dieser Einfluss war null. Daran gemessen dürfte sich an der Spielwertung nichts ändern." So zieht Feuerherdt das Fazit: "Meine Vermutung ist: Sollte es einen Einspruch geben, wird das Sportgericht die Wertung nicht antasten, sondern einen folgenlosen Regelverstoß feststellen."

Da in dem kurzen Zeitraum der Bayern-Überzahl kein Treffer erzielt wurde, hatte das Geschehen auch keinen Einfluss auf den Spielausgang. Möglich wäre wohl lediglich eine Gelbe Karte für Kingsley Coman gewesen, der den Rasen nicht rechtzeitig verlassen hatte.

Freiburgs Trainer Christian Streich analysierte den Vorfall enorm gelassen: "Ich gehe fest davon aus, dass wir keinen Einspruch einlegen müssen. Sondern, dass es ein Regelwerk gibt. Diesem Regelwerk unterliegen wir und danach wird gehandelt. Das ist mein Verständnis."

Damit die DFB-Ermittlungen anrollen können, müsste der SC Freiburg aber doch Protest gegen die Spielwertung einlegen. Freiburgs Sportdirektor Jochen Saier machte unmittelbar im Anschluss an das Spiel keinen über die Maßen empörten Eindruck: "Ich glaube, es war jetzt nicht so lange", sagte Saier und bezeichnete die Situation als eine "extrem skurrile Szene, die ich so auch noch nicht erlebt habe. Deshalb kann ich sie auch nicht beurteilen." Er müsse sich alles "noch mal in Ruhe anschauen", meinte Saier zu einem möglichen Einspruch: "Wir müssen alle mal ein bisschen runterkochen und dann mal drüber nachdenken." Bis Montag hat der SC Freiburg Zeit, einen Protest zu formulieren.

Kurios: Schiedsrichter Christian Dingert war auch schon im Dienst, als der bislang folgenschwerste Wechselfehler der jüngeren deutschen Fußballgeschichte passierte: In der ersten Runde des DFB-Pokals wechselte der damalige Trainer des VfL Wolfsburg in der Verlängerung gegen Preußen Münster einmal zu oft. Der Bundesligist verlor die Partie später am Grünen Tisch, van Bommel noch etwas später seinen Job.