Wie hoch ist der bereinigte Gender Pay Gap in Deutschland?

Englischer Terminus, der aber international verwendet wird, für das geschlechtsspezifische Lohngefälle, oder Lohnlücke, d. h. den Unterschied in der durchschnittlichen Bezahlung von Männern und Frauen. Der Gender Pay Gap ergibt sich gewöhnlich aus der durchschnittlichen Differenz zwischen den Bruttostundenlöhnen aller beschäftigen Männer und denen aller beschäftigten Frauen und wird berechnet als prozentualer Anteil am Verdienst der Männer.

In der gesamten EU ergab sich für das Jahr 2016 ein Gender Pay Gap von 16,2 Prozent, d.h. Frauen haben im Durchschnitt 16,3 Prozent weniger als Männer verdient. Für Deutschland hat das Statistische Bundesamt einen Gender Pay Gap von 21 Prozent im Jahr 2017 ermittelt, höher als in den meisten EU-Ländern (Frankreich: 15,2 Prozent, Italien: 5,3 Prozent, Polen: 7,2 Prozent, Zahlen von 2016).

Dieser Gender Pay Gap berücksichtigt nicht Faktoren, die einen direkten Einfluss auf die Bezahlung haben wie z.B. Bildung, Berufserfahrung, hierarchische Verortung, Branche oder Betriebsgröße. Je nachdem, welche Einflussgrößen berücksichtigt werden, wird ein unterschiedlicher Gender Pay Gap ermittelt.

Ursachen für den Gender Pay Gap

Unterschiedliche Branchen und Berufe, in denen Frauen und Männer tätig sind, Dienstalter, Beschäftigungsumfang (viele Frauen arbeiten Teilzeit) und die Tatsache, dass Frauen seltener Führungspositionen innehaben als Männer, sind die Hauptgründe für den Gender Pay Gap, der oft als „unbereinigter“ Gender Pay Gap bezeichnet wird. Diese Formulierung kann in die Irre führen, denn der sogenannte „bereinigte“ Gender Pay Gap enthält ebenfalls noch erhebliche unberücksichtigte erklärende Größen – daher sollte eher die Übersetzung des englischen Begriff ‘adjusted‘ Gender Pay Gap – also „angepasster“ Gender Pay Gap verwendet werden. Der angepasste Gender Pay Gap kann als der Anteil der Lücke gesehen werden, der mit durch die im jeweiligen Schätzmodell berücksichtigten Einflussfaktoren nicht erklärt werden kann.

Das Statistische Bundesamt ermittelte etwa unter Berücksichtigung von Bildung und Berufserfahrung, Beruf und Branche, Führungspositionen und sonstigen Faktoren für Deutschland einen angepassten Gender Pay Gap von sechs Prozent für das Jahr 2014 (jüngere Daten sind hier nicht verfügbar). Dieser Wert kann sowohl über- als unterschätzt sein. Überschätzt, weil unbeobachtete individuelle Merkmale oder auch an den Job geknüpfte Erwartungen eine Erklärung für Unterschiede ursächlich sein könnten. Derartige werden ebenfalls in den Schätzmodellen nicht berücksichtigt, meist sind derartige Informationen nicht verfügbar. Eine Unterschätzung kann erfolgen, weil schlechtere Zugangschancen von Frauen zum Beispiel in bestimmte Berufe oder Führungspositionen das Ergebnis benachteiligender Strukturen sein können. Dies wird in den Schätzungen auch nicht berücksichtigt. Der Effekt geht nur in die Gesamtgröße des Gender Pay Gaps ein.

Diese Faktoren sind oft schwer in Zahlen zu fassen und haben mit Gesellschaftsstrukturen und Zuschreibungen bzw. Geschlechterklischees zu tun. Ein unzureichendes Angebot an Kinderbetreuungsangeboten, und insbesondere an Ganztagsbetreuung, und die gesellschaftliche Erwartung, dass Mütter mehr als Väter für die Kindererziehung zuständig sind, führen oft dazu, dass Frauen in Teilzeit erwerbstätig sind. Damit verringern sich ihre Aufstiegschancen. Dies wird in den Schätzungen nicht berücksichtigt, und geht ebenfalls nur in die Gesamtgröße des Gender Pay Gaps ein. In den ostdeutschen Bundesländern, wo die klassische Rollenverteilung weniger fest verankert ist und die Kinderbetreuungsangebote umfassender sind, liegt der Gender Pay Gap stets weit unter dem Niveau im früheren Bundesgebiet, im Jahr 2017 bei sieben Prozent, im Westen dagegen bei 22 Prozent.

Folgen des Gender Pay Gaps

Wegen des Gender Pay Gaps entgeht vielen Frauen Einkommen, das sie und ihre Familien nicht ausgeben können; sie sind dadurch auch mehr und öfter auf Sozialleistungen angewiesen. Die Lohnlücke dämpft auch den Anreiz für Frauen, zu arbeiten oder mehr zu arbeiten, und das wiederum heißt, dass Arbeitspotenzial, also Potenzial für Wachstum, brach liegt. Die langfristigen Folgen des Gender Pay Gaps werden beim Gender Pension Gap sichtbar, denn die Rentenhöhe bemisst sich nach dem Verdienst. Hier bildet Deutschland im EU-Vergleich mit einem Gender Pension Gap von über 45 Prozent bislang das Schlusslicht (Quelle: Europäische Kommission).

Das Bewusstsein für den Gender Pay Gap und seine Folgen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. In vielen Ländern, so auch in Deutschland, engagieren sich Frauen und Männer auf dem Equal Pay Day in Veranstaltungen und Aktionen für eine faire Bezahlung. Für die EU-Kommission ist das Prinzip Equal Pay ein zentrales Ziel.

Es ist zum Haare raufen. Eigentlich sollte der Gender Pay Gap doch alles einfacher machen. Mit einer Zahl auf den Punkt bringen, wie sehr Frauen im Berufsleben benachteiligt werden.

Doch dann das: Wer heute beklagt, dass der durchschnittliche Brutto-Stundenlohn von Frauen um 18 Prozent unter dem der Männer liegt, Deutschland also nach aktuellen Zahlen eine Lohnlücke (Gender Pay Gap) von 18 Prozent hat, der oder die muss mit folgenden Reaktionen rechnen:

A: "Der unbereinigte Gender Pay Gap ist ohne Aussagekraft und pure Polemik!" (mehr dazu später)

B: "Dann geh doch nach Rumänien (wahlweise auch: Italien), wenn es dort so viel gerechter zugeht!"

Was ist hier los? Kann es wirklich sein, dass Rumänien, Italien oder Polen beim Gender Pay Gap so viel besser abschneiden als Deutschland? Und was ist mit den skandinavischen Ländern, die in solchen Rankings sonst immer die Spitzenplätze belegen?

Und schließlich: Was heißt das alles für die schöne Idee, eine Zahl zu haben, die Diskriminierung sichtbar macht - und auf deren Basis politische Forderungen formuliert werden können?

Katharina Wrohlich und Julia Schmieder vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) versuchen mit einer Datenauswertung, etwas Licht ins Dunkel zu bringen - auch deshalb, weil sie von Reaktionen wie den oben geschilderten genervt waren. Die von Ihnen genutzten Zahlen des Europäischen Statistikamts beziehen sich auf das Jahr 2018.

Überraschender Zusammenhang

"Wir haben herausgefunden, dass es einen positiven Zusammenhang gibt zwischen dem Gender Pay Gap und der Frauen-Erwerbsquote", sagt Wrohlich der DW. Diese Quote gibt an, wie hoch der Anteil der Frauen in einem Land ist, die einer bezahlten Arbeit nachgehen oder sich aktiv darum bemühen. "Tendenziell haben Länder mit einer niedrigen Frauen-Erwerbsquote auch einen niedrigen Gender Pay Gap, und umgekehrt", so Wrohlich.

Die DIW-Forscherinnen haben für dieses Phänomen eine Erklärung, die Wrohlich am Beispiel Italien erläutert. "Dort arbeitet nur rund jede zweite Frau", sagt sie mit Verweis auf die italienische Frauen-Erwerbsquote von 56 Prozent. Doch in Italien entscheiden sich eher jene Frauen für eine Erwerbstätigkeit, die überdurchschnittlich qualifiziert sind und deshalb gut verdienen.

"Das heißt also: In Ländern mit einer niedrigen Frauen-Erwerbsquote werden bei der Berechnung des Gender Pay Gap vor allem Frauen berücksichtigt, die sehr hohe Löhne erzielen." Mit dem Ergebnis, dass der Abstand zum durchschnittlichen Stundenlohn der Männer relativ klein ausfällt.

Fazit der DIW-Forscherin: "Man sollte beim Gender Pay Gap nur Länder vergleichen, die eine ähnlich hohe Frauen-Erwerbsquote haben", so Wrohlich.

Dabei schneidet Deutschland zwar besser, aber immer noch nicht besonders gut ab.

Wrohlich sieht mehrere Gründe für das bessere Abschneiden der nordischen Länder. Zum einen seien die Lohnunterschiede dort insgesamt geringer, nicht nur zwischen den Geschlechtern. Auch habe die Familienpolitik dort "starke gleichstellungspolitische Elemente".

Angebote wie Elternzeit für Väter und Tagesbetreuung von unter-Dreijährigen gebe es dort schon seit Jahrzehnten, in Deutschland erst seit kurzem. Auch mache die gemeinsame Besteuerung von Ehepartnern in Deutschland, das sogenannte Ehegattensplitting, eine Erwerbstätigkeit für Frauen oft weniger lohnend.

Bereinigt oder unbereinigt?

Wie aber steht es mit dem eingangs erwähnten Argument gegen den Gender Pay Gap, er sei nur dann aussagekräftig, wenn er "bereinigt" ist? Bereinigen heißt, nur Lohnunterschiede bei vergleichbaren Tätigkeiten und Qualifikationen zu berücksichtigen, als unterschiedliche Bezahlung für dieselbe Arbeit.

Dass Frauen in Deutschland überdurchschnittlich oft in Berufen arbeiten, die schlechter bezahlt sind, dass sie häufiger Teilzeit arbeiten und seltener Karriere machen - all das wird herausgerechnet. Mit dem Ergebnis, dass der bereinigte Gender Pay Gap - also der eigentliche Indikator für Diskriminierung - deutlich niedriger ausfällt: In Deutschland liegt er offiziell bei sechs Prozent.

Kritisiert wird zudem, dass viele Tätigkeiten beim Gender Pay Gap gar nicht erst berücksichtigt werden: der meist streng nach Tarif zahlende öffentliche Dienst fällt ebenso heraus wie Bauernhöfe oder Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten.

Persönliche Entscheidungen?

Ist also alles gar nicht so schlimm? Anders gefragt: Ist der unbereinigte Gender Pay Gap nicht vor allem das Ergebnis von individuellen, frei getroffenen Entscheidungen, was Berufswahl oder Karrierepläne angeht?

Katharina Wrohlich bezweifelt das. "Bleiben alle diese Frauen wirklich freiwillig in Teilzeit? Oder weigern sich ihre Partner, Zuhause einen Teil der Sorgearbeit zu übernehmen?", fragt sie. "Haben sie vielleicht keinen Zugang zu guter Kinderbetreuung? Pflegen sie ihr Angehörigen, weil es sonst keiner macht?"

Außerdem haben zahlreiche Studien gezeigt, dass es nicht nur persönliche Gründe sind, warum es so wenige Frauen in Führungspositionen gibt. "Ich sehe den unbereinigten Gender Pay Gap als eine Art zusammenfassende Statistik für viele Ungleichheiten am Arbeitsmarkt", sagt die Wissenschaftlerin.

Traditionelle Werte

Bleibt die Frage, in welcher Form der Gender Pay Gap zur Formulierung politischer Ziele taugt. Eine bereinigte Lohnlücke von Nahe null Prozent anzustreben, ist vielleicht noch konsensfähig. Die  EU-Kommission hat gerade eine Transparenz-Initiative vorgeschlagen, die es Beschäftigten ermöglichen soll, ihre Gehälter besser vergleichen zu können.

Alles, was darüber hinausgeht, dürfte dagegen schwierig werden. Das zeigt eine Erhebung zur Verbreitung traditioneller Rollenmuster. In vielen Ländern der EU hält es ein Großteil der Bevölkerung für die Aufgabe des Mannes, das Geld zu verdienen, während sich die Frau um Haushalt und Familie kümmert.

Nun können sich solche Vorstellungen natürlich ändern. Fraglich ist aber, ob solche Veränderungen durch die Politik forciert werden können oder sollten. Politiker werden sich jedenfalls genau überlegen, wie viel Wandel sie ihren Wählern zumuten wollen.

Wie hoch ist der Gender Pay Gap 2022?

Die Bundesregierung plant weitere gesetzgeberische Maßnahmen, um die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, den sogenannten Gender Pay Gap, weiter zu verkleinern. Auch im Jahr 2022 liegt dieser noch immer bei 18 Prozent.

Was ist der bereinigte und unbereinigte Gender Pay Gap?

Unterschied zwischen bereinigtem und unbereinigtem GPG Somit zeigt er den Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern, die vergleichbare Qualifikationen, Erwerbsbiografien und Tätigkeiten aufweisen. Der unbereinigte Gender Pay Gap hingegen misst allgemein den Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmer:innen.

Wie hoch ist der Gender Pension Gap?

Der Gender Pension Gap in Deutschland liegt bei 59,6 %. Das heißt, in Deutschland beziehen Frauen um 59,6 % geringere eigene Alterssicherungseinkommen als Männer.

Wo ist der Gender Pay Gap am höchsten?

In Österreich und Tschechien (je 24 %) war der Gender Pay Gap in diesem Berufsfeld 2018 mit am höchsten. Dagegen gab es in Litauen mit 1 % und in Luxemburg mit 3 % nur noch eine geringe Lohnlücke. In Deutschland verdienten Frauen in diesem Bereich 10 % weniger als Männer.